Karl-Marx-Allee

Karl-Marx-Allee
Die Karl-Marx-Allee, im Vordergrund der Strausberger Platz, im Hintergrund sind die Türme des Frankfurter Tors zu erkennen
Blick in die Karl-Marx-Allee mit Frankfurter Tor im Vordergrund
Das Stalin-Denkmal, 1951

Die Karl-Marx-Allee, benannt nach dem deutschen Philosophen und Volkswirtschaftler Karl Marx, ist eine Straße in den Berliner Bezirken Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg. Die Straße ist geprägt durch Wohnblöcke aus den 1950er Jahren im Stil des – als „Zuckerbäckerstil“ bezeichneten – Sozialistischen Klassizismus. Die Allee hieß ursprünglich westlich des Frankfurter Tores Große Frankfurter Straße und wurde am 21. Dezember 1949 (dem 70. Geburtstag Josef Stalins) zusammen mit der östlich anschließenden Frankfurter Allee in Stalinallee umbenannt. Seit dem 13. November 1961 heißt sie Karl-Marx-Allee. Die Frankfurter Allee wurde gleichzeitig unter ihrem alten Namen wieder abgetrennt, allerdings beginnt sie seitdem nicht mehr am originalen Frankfurter Tor, sondern am 1957 benannten gleichnamigen Platz weiter östlich.[1] Die Wohnbauten, die sich vom Strausberger Platz bis über das Frankfurter Tor hinaus in die Frankfurter Allee erstrecken, waren als Arbeiterpaläste konzipiert und sollten die Stärke und Ingenieurskunst der DDR repräsentativ darstellen.

Inhaltsverzeichnis

Lage

Die Karl-Marx-Allee führt vom Alexanderplatz über den Strausberger Platz bis zum Frankfurter Tor, wo sie in die Frankfurter Allee übergeht. Sie ist Teil der Bundesstraße 1, die Berlin von Magdeburg in Richtung Küstrin-Kietz durchquert, sowie der Bundesstraße 5, die von Frankfurt (Oder) aus kommend nach Hamburg weiterläuft. Unterirdisch verläuft die U-Bahnlinie U5 vom Alexanderplatz nach Hönow.

Die Karl-Marx-Allee ist zusammen mit der Frankfurter Allee eine der acht nach Norden, Nordosten und Osten führenden radialen Ausfallstraßen, die vom historischen Zentrum der Stadt, vom Hackeschen Markt und Alexanderplatz, ausgehen. Diese sind im Uhrzeigersinn:

Geschichte

17. Juni 1953

Besondere Bedeutung erlangte die Straße beim Volksaufstand in der DDR am 17. Juni 1953. Die Arbeiter auf den Großbaustellen der damaligen Stalinallee begannen am 16. Juni mit Streiks gegen die vom Zentralkomitee der SED angeordnete allgemeine Erhöhung der Arbeitsnormen. Die Demonstrationen breiteten sich schließlich in großen Teilen der Stadt aus und setzten sich in der gesamten DDR fort.

1. Phase: Laubenganghäuser

Laubenganghäuser von Ludmilla Herzenstein

Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte der Architekt Hans Scharoun ein Konzept für die völlige Neugestaltung ganz Berlins entwickelt, den sogenannten „Kollektivplan“, der eine rigorose Neuaufteilung und Dezentralisierung der Stadt vorsah, dazu eine lockere Bebauung mit viel Grün zwischen den einzelnen Wohneinheiten. Im besonders stark zerstörten Stadtbezirk Friedrichshain im sowjetisch verwalteten Ostteil der Stadt sollte der Plan erstmals großflächig realisiert werden. 1949 baute man zwei Laubenganghäuser, die auf Scharouns Vorstellungen zurückgingen (Karl-Marx-Allee 102–104 und 126–128). Dann wurde der Kollektivplan außer Kraft gesetzt, die Ideen, die ihm zugrunde lagen, galten fortan als formalistisch, elitär und westlich-dekadent. Die Laubenganghäuser blieben isolierte Objekte in einer völlig anders gearteten städtebaulichen und architektonischen Umgebung. Maßstab für das repräsentative Bauvorhaben der Ende 1949 gegründeten DDR wurde nun die sowjetische Monumentalarchitektur – es entstand die Stalinallee. Da die Laubenganghäuser etwas weiter südlich zur sonstigen Baufluchtlinie auf der Südseite der Straße gebaut wurden, pflanzte man schnellwachsende Pappeln davor, um die Gebäude dahinter zu verstecken.

2. Phase: Sozialistischer Realismus / Nationale Bautradition

Urkundliche Erwähnung über die Errichtung eines Wohnblocks

Zur Vorbereitung reiste eigens eine Delegation nach Moskau, Kiew, Stalingrad (heute: Wolgograd) und Leningrad (heute: St. Petersburg), um den Städtebau der UdSSR zu untersuchen. Den ersten Preis bei dem 1951 ausgeschriebenen Gestaltungswettbewerb für die Allee bekam Egon Hartmann. Obwohl er die städtebaulich beste Lösung anzubieten schien, wurde dann doch zusammen mit den anderen vier Gewinnern der Ausschreibung, Richard Paulick, Hanns Hopp, Karl Souradny und Kurt Leucht der endgültige Bebauungsplan ausgearbeitet, zu dem auch der Moskauer Architekt Alexander W. Wlassow und Sergej I. Tschernyschew, der Vizepräsident der Akademie für Architektur, einen Beitrag leisteten. Die daraus entstandene Bebauung ähnelt stilistisch der Lomonossow-Universität in Moskau und dem Kulturpalast in Warschau. Bereits ab 1952 entstand in unmittelbarer Nähe zur Karl-Marx-Allee das Hochhaus an der Weberwiese nach Plänen von Hermann Henselmann, das für die Architektur der Straße stilprägend wurde.

Die monumental breite Straße war ausdrücklich nicht nur für den städtischen Verkehr vorgesehen, sondern sollte Berlins Anspruch als Hauptstadt gerecht werden, sowie für Aufmärsche und Paraden genutzt werden. So fand auf der Karl-Marx-Allee auch die alljährliche Ehrenparade der NVA anlässlich des Feiertages der Gründung der DDR am 7. Oktober statt. Die letzte Parade dieser Art wurde 1989 auf der Karl-Marx-Allee zwischen dem Alexanderplatz und dem Strausberger Platz abgehalten.

Der Prachtboulevard zieht sich kilometerlang schnurgerade hin, gesäumt von groß dimensionierten Wohnblöcken mit bis zu 13 Stockwerken. Die Fassaden erhielten – unter dem ideologisch gefärbten Schlagwort vom Historischen Erbe – einen erheblichen Anteil von Stilelementen des Berliner Klassizismus, einer Epoche also, die mehr als 120 Jahre zurücklag; an vielen Stellen finden sich Zitate antiker Einzelformen, dorische oder ionische Säulen etwa, Ziergiebel mit Architrav und Fries usw. Dies alles stand in scharfem Gegensatz zu einem anderen Großprojekt, das nahezu zeitgleich in Westberlin begonnen und durchgeführt wurde: dem Wiederaufbau des ebenfalls weitgehend zerstörten Hansaviertels. Im Rahmen einer internationalen Bauausstellung versuchten sich namhafte Architekten an eben jenem Konzept des lockeren, durchgrünten Städtebaues mit modern gestalteten Einzelbauten, das so ähnlich auch Scharoun vertreten hatte. Hier fand nicht nur ein Richtungsstreit von Stadtplanern und Architekten statt, sondern darüber hinaus ein Wettstreit der politischen Systeme. Stalinallee und Hansaviertel wurden nahezu gleichzeitig gebaut, beide als Demonstrationsobjekte für die Leistungsfähigkeit des jeweiligen Gesellschaftssystems.

Der Boulevard wird im Westen vom Strausberger Platz mit den 13-geschossigen Hochhäusern von Henselmann, die wie ein Stadttor wirken und an die amerikanische Art Déco-Architektur der 1930er Jahre angelehnt ist, begrenzt. Im Osten bildet, kurz vor dem Ende der repräsentativen Bebauung an der Frankfurter Allee Ecke Proskauer Straße, das Frankfurter Tor mit seinen zwei Türmen, die auch von Henselmann konzipiert wurden, den zweiten architektonischen Höhepunkt. Die Kuppeln sind an die Gontardschen Türme des Deutschen und Französischen Doms angelehnt.

Deutsche Sporthalle

Die Deutsche Sporthalle, 1951

Außer von den Laubenganghäusern wird das Ensemble der Karl-Marx-Allee unterbrochen durch zwei Blocks von Plattenbauten, die sich zwischen Andreasstraße und Koppenstraße befinden. Hier stand auf der Nordseite ursprünglich die von Paulick entworfene monumentale neoklassizistische Deutsche Sporthalle, die für die III. Weltfestspiele der Jugend und Studenten in nur 148 Tagen 1951 errichtet wurde und das erste fertiggestellte Gebäude war. Aus politischen Gründen wurden die speziellen Stahlträger für die aufwendige Dachkonstruktion nicht aus der alten Bundesrepublik geliefert, sodass ein provisorisches Hilfsdach gebaut werden musste, dessen Säulen der Sichtbarkeit in der Halle nicht dienlich waren. Da während der Bauzeit das Stadtschloss abgerissen wurde, setzte man Kopien einzelner Monumentalplastiken vor den Eingang der Sporthalle.[2] 1969 wurde die Halle wegen Bauschäden gesperrt und 1971 abgerissen. Ihr gegenüber befand sich das 4,80 Meter hohe Denkmal Stalins, das am 3. August 1951 enthüllt wurde. Nach der Entstalinisierung wurde das Denkmal über Nacht im Spätherbst 1961 abgerissen und eingeschmolzen.

Kino Kosmos

Eine weitere Unterbrechung stellt das nahe der Kreuzung zur Warschauer Straße gelegene Kino Kosmos dar. Es wurde nach Plänen des Architekten Josef Kaiser 1961/1962 erbaut. Mit 1001 Plätzen war es das größte und modernste Filmtheater der DDR. Von 1996 bis Ende Juli 2005 befand sich hier ein von der UFA betriebenes Multiplex-Kino für 3400 Zuschauer. Seit März 2006 wird das Gebäude als Mehrzweckkomplex für Konferenzen, Abendveranstaltungen, Kino und Theater genutzt.

3. Phase: Die „nachgeholte Moderne“ 1959–1965

Café Moskau, eigentlich ein Restaurant mit russischer Küche auf gehobenem Niveau
Kino International mit dem Rathaus Mitte
Frühjahrsstimmung in der Karl-Marx-Allee, 1967. Die wärmenden Strahlen der Frühjahrssonne verlockten zahlreiche Berliner zu einem Aufenthalt an der Milchbar. Im Hintergrund der im Bau befindliche Fernsehturm
Historische Straßenlaterne

Entgegen den ursprünglichen Plänen wurde die Straße nicht bis hin zum Alexanderplatz einheitlich bebaut. Ein wesentlicher Grund hierfür waren die hohen Baukosten der repräsentativen Arbeiterpaläste sowie ein zwischenzeitlich eingetretener Stilwandel. Ab dem Strausberger Platz bis hin zum Alexanderplatz wurden deshalb im Gegensatz zum prachtvollen Zuckerbäckerstil schlichte acht bis zehngeschossige Plattenbauten als Wohnhäuser errichtet, die großzügig aufgestellt sind, mit weiten Grünflächen zur Straße und zwischen den Blöcken. Im Gegensatz zu den früheren Bauten wurde in diesem Abschnitt auch das Hinterland der Allee bebaut mit zwei Wohnkomplexen für insgesamt 14.500 Einwohner. In diesem Teil der Allee (700 Meter lang, 125 Meter breit) befand sich auch der Standort für die Funktionärstribünen zu den alljährlichen zentralen Großdemonstrationen bis zum Ende der DDR. Die markantesten Bauwerke dieses Ensembles sind das Café Moskau, die Mokka-Milch-Eisbar und das Kino International (erbaut 1961–1963) mit dem dahinter befindlichen ehemaligen 13-geschossigen Hotel Berolina (erbaut 1961–1964, später als Interhotel betrieben). 1965 wurde der Aufbau des zweiten Abschnitts der Karl-Marx-Allee beendet. Die Karl-Marx-Allee mündet auf den ebenfalls zu dieser Zeit neu gestalteten Alexanderplatz ein.

Nach der Wiedervereinigung

Die Wohnbauten entlang der Karl-Marx-Allee wurden nach der Wiedervereinigung an unterschiedliche Investoren verkauft und meist aufwendig saniert. Heute erfreuen sich die Wohnungen großer Beliebtheit und bilden nach außen ein harmonisches Bild, das am Frankfurter Tor mit zwei Kuppeltürmen seinen Abschluss findet. Das Gesamtbild der Straße wurde durch die 215 meist maroden, oft schon demontierten Straßenlaternen gestört. Eine schrittweise Sanierung der zum Kulturdenkmal gehörenden Leuchten war ursprünglich für 2006 geplant, verschob sich jedoch aufgrund der Wiederholung der Ausschreibung aus Kostengründen in die zweite Jahreshälfte 2007.[3] Im Dezember 2007 wurde dann der erste originalgetreu rekonstruierte Kandelaber an der Kreuzung Karl-Marx-Allee/Lebuser Straße wieder aufgestellt.[4] Eine Rückbenennung in Große Frankfurter Straße wird seit 1990 diskutiert.

Das Hotel Berolina wurde im Frühling 1996 abgerissen und anschließend durch einen Neubau ersetzt, in dem das Bezirksamt Mitte am 2. März 1998 seinen Betrieb aufnahm.[5][6]

Planungen zur Umgestaltung des zum Alexanderplatz liegenden Teils und der nördlich und südlich angrenzenden Bereiche werden in einer eigenen Planwerkstatt koordiniert.

Kurioses

Im Februar 2009 ergänzte ein anonymer Autor diesen Wikipedia-Artikel zur Karl-Marx-Allee um die Behauptung, die Straße sei zu DDR-Zeiten im Berliner Volksmund wegen der Fassadenfliesen auch als „Stalins Badezimmer“ bezeichnet worden.[7] Diese Bezeichnung griffen in der Folgezeit mehrere Medien auf und wiederholten, es handele sich um einen in der DDR gebräuchlichen Ausdruck.[8][9][10] Ein Beleg für die tatsächliche Verwendung dieses Begriffes in der DDR konnte nicht gegeben werden.

Nachdem ein Leserbriefschreiber in der Berliner Zeitung die Verbreitung dieses Ausdrucks im Volksmund bezweifelt hatte,[11] gab ein Journalist dieses Blattes an, er habe die Formulierung „Stalins Badezimmer“ erfunden und als im Volksmund üblich in diesen Wikipedia-Artikel eingefügt.[12]

Siehe auch

Literatur

  • Herbert Nicolaus, Alexander Obeth: Die Stalinallee. Geschichte einer Deutschen Straße. Verlag für Bauwesen, Berlin 1997, ISBN 3-345-00605-7.
  • Andreas Schätzke: Zwischen Bauhaus und Stalinallee. Architekturdiskussion im östlichen Deutschland 1945–1955. Vieweg, Braunschweig 1991, ISBN 3-528-08795-1.
  • Mathias Wallner, Heike Werner: Architektur und Geschichte in Deutschland. München 2006, ISBN 3-9809471-1-4, S. 140–141.
  • Birk Engmann: Bauen für die Ewigkeit: Monumentalarchitektur des zwanzigsten Jahrhunderts und Städtebau in Leipzig in den fünfziger Jahren. Sax-Verlag, Beucha 2006, ISBN 3-934544-81-9.
  • Tilo Köhler: Unser die Straße – Unser der Sieg. Die Stalinallee. Berlin 1993.
  • Thomas Michael Krüger: Architekturführer Karl-Marx-Allee Berlin. Stadtwandel Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-86711-079-2.

Weblinks

 Commons: Karl-Marx-Allee – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Frankfurter Allee bei Kauperts
  2. Jens-Axel Götze: Neoklassizismus für Jugend und Sportler. In: Friedrichshainer-Chronik.de. Februar 2006.
  3. Laternen bleiben in traurigem Zustand. In: Berliner Morgenpost. vom 8. November 2006.
  4. Karl-Marx-Allee erhält neue Kandelaber. In: Berliner-Magazin. vom 21. Dezember 2007.
  5. Vom Vorzeige-Hotel bleibt nur ein Schuttberg. In: Berliner Zeitung, 20. Mai 1996.
  6. Rückzug aus dem Leben. Heute nimmt das neue Bezirksamt Mitte seinen Betrieb auf. Es dient vor allem der Verwaltung. In: Berliner Zeitung. vom 2. März 1998.
  7. Versionsunterschied im Wikipedia-Artikel Karl-Marx-Allee vom 16. Februar 2009
  8. Das längste Baudenkmal Europas. In: Berliner Morgenpost. vom 1. März 2011.
  9. Maria Neuendorff: Viel Platz, wenige Kunden. In: Märkische Oderzeitung. vom 16. November 2010.
  10. Eva-Maria Hilker: Eine krude Mischung. In: Berliner Zeitung. vom 25. Februar 2011.
  11. Leserbriefe. In Berliner Zeitung. vom 1. März 2011.
  12. Andreas Kopietz: Wie ich Stalins Badezimmer erschuf. In: Berliner Zeitung. vom 24. März 2011.
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