Toll Collect

Toll Collect
Toll Collect
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Rechtsform GmbH
Gründung März 2002
Sitz Linkstr. 4,
10785 Berlin
Leitung Hanns-Karsten Kirchmann, Vorsitzender der Geschäftsführung
Mitarbeiter 500
Produkte Mautsysteme
Website www.toll-collect.de
Autonomes Mautstellenterminal von Toll Collect

Die Toll Collect GmbH ist ein Unternehmen, das von der deutschen Bundesregierung beauftragt wurde, das System zur Einnahme der Lkw-Maut auf deutschen Autobahnen aufzubauen, zu betreiben und die fälligen Gebühren abzurechnen.

Toll Collect ist englisch und bedeutet „Maut einziehen“.

Das Unternehmen beschäftigt nach eigenen Angaben insgesamt rund 500 Mitarbeiter am Hauptstandort Berlin und den Standorten Hannover-Langenhagen, Nürnberg, Pforzheim und Wuppertal (Stand 2010). Die früheren Standorte Bonn und Potsdam wurden aufgegeben.[1]

Toll Collect wurde im März 2002 als Joint Venture der Deutschen Telekom (45%iger Gesellschafteranteil), Daimler AG (45 %; über Daimler Financial Services; die Daimler AG firmierte damals noch als DaimlerChrysler AG) und der französischen Cofiroute (Compagnie Financière et Industrielle des Autoroutes, 10 %) gegründet. Die beteiligten Firmen nahmen als Bietergemeinschaft ETC (Electronic Toll Collect) an der Ausschreibung für das Mautsystem teil; Cofiroute war einbezogen worden, weil von den Bewerbern Erfahrung mit vergleichbaren Projekten verlangt worden war. Erster Geschäftsführer wurde Michael Rummel, Aufsichtsratsvorsitzender Klaus Mangold.

Im Juli 2002 erhielt das Konsortium den Zuschlag, am 20. September 2002 (zwei Tage vor der Bundestagswahl) unterzeichnete Verkehrsminister Kurt Bodewig (SPD) den Vertrag mit Toll Collect. Für den Betrieb des Mautsystems sollte Toll Collect zwölf Jahre lang jährlich circa 650 Millionen Euro aus den Mauteinnahmen erhalten. (Für weitere Details zu Ausschreibung und Vertragsunterzeichnung siehe LKW-Maut in Deutschland.)

Inhaltsverzeichnis

Inbetriebnahme des Systems

Technische Probleme beim Testbetrieb des Mautsystems führten zu Verzögerungen bei der Einführung des Systems. Der ursprünglich zum 31. August 2003 geplante Starttermin konnte von Toll Collect nicht eingehalten werden. Nachdem ihnen beschönigende bzw. hinhaltende Aussagen vorgeworfen worden waren, wurden Rummel und Mangold im Oktober 2003 abgesetzt. Neuer Geschäftsführer wurde der Viag Interkom-Manager Hans-Burghardt Ziermann, neuer Aufsichtsratsvorsitzender ab Dezember Peter Mihatsch. Sie wurden im März 2004 bereits wieder abgelöst. Nach der erfolgreichen Durchführung des Probebetriebs erteilte das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) am 15. Dezember 2004 die „Besondere Vorläufige Betriebserlaubnis“ (BVBe). Der offizielle Start der Bemautung fand – in vorerst technisch reduzierter Form – am 1. Januar 2005 statt. Seit 1. Januar 2006 läuft das System mit der vollen Funktionalität.

Am 29. Juli 2005 ließ das Bundesverkehrsministerium Klage gegen das Maut-Konsortium einreichen. Toll Collect wird vorgeworfen, den Bund bewusst im Unklaren über die Probleme bei der Entwicklung und die damit verbundenen Verzögerungen sowie Einnahmeausfälle gelassen zu haben. Aufgrund diverser technischer Schwierigkeiten konnte das System Anfang 2005 erst mit 16 Monaten Verspätung in Betrieb genommen werden. „Die Betreiber haben den Bund getäuscht, indem sie Zusagen zu den Terminen der Inbetriebnahme teils in der Kenntnis der Verzögerungen und teils ohne hinreichende Grundlage ins Blaue hinein, also arglistig, abgegeben haben“, heißt es. 1,6 Milliarden Euro Vertragsstrafen sowie 3,5 Milliarden Euro Einnahmeausfälle werden geltend gemacht.

Die Schwierigkeiten bei der Einführung des Mautsystems gelten heute als ein Paradebeispiel für Fehler im Software Engineering. Die Planungsfehler, das Missmanagement sowie die Schätzfehler sind bisher die teuersten Fehler in der Geschichte der Softwareentwicklung.

Technischer Hintergrund des satellitengestützten Mautsystems

Grundsätzlich muss jeder Lkw auf bundesdeutschen Autobahnen eine von mehreren Parametern abhängige Maut zahlen. Zahlbar ist die Maut auf verschiedenen Wegen. Zum einen kann über das Internet eine bestimmte Strecke vor Fahrtantritt gebucht werden, zum anderen kann die Maut auch an sogenannten „Mautstellen-Terminals“ bezahlt werden. Dritter und eigentlich bevorzugter Weg ist die vollautomatische Abrechnung durch den Einsatz der GPS-Technologie, die den Einbau von sogenannten On-Board-Units (OBU) erforderlich macht. Mit dem Start des Lkw schaltet sich die OBU ein und lokalisiert die Position des Fahrzeugs mittels Satellitennavigation. Anhand der Position und in der OBU gespeicherter Streckendaten kann das Gerät nun eigenständig bestimmen, ob auf der Fahrstrecke Mautpflicht besteht. Die dabei gesammelten Daten werden per Mobilfunk in ein Rechenzentrum übermittelt und dort für die Rechnungsstellung verarbeitet.

Um zu verhindern, dass Mautzahlungen unterschlagen werden (z. B. durch einfaches Ausschalten der OBUs), werden zum einen Lkws an den Mautbrücken photographiert, zum anderen durch ca. 300 mobile Kontrollstellen überprüft. Die gewonnenen Daten werden mit den Daten im Zentralcomputer abgeglichen und ggf. entsprechende Maßnahmen eingeleitet.

Wettbewerbsrechtliche Bedenken

Die EU-Wettbewerbshüter hatten 2002 Bedenken gegen Teile des Toll-Collect-Businessplans. Das Mautsystem und die damit verbundenen sogenannten Mehrwertdienste wie Lkw-Ortung und Textübermittlung hätten der Daimler AG zu einer marktbeherrschenden Stellung bei Telematiksystemen für Transport und Logistik verhelfen können. Der Konzern hätte nach Ansicht der EU-Behörden über die Beteiligung an Toll Collect den Zugang anderer Telematik-Dienstleister zu den On-Board-Unit (OBU) genannten Bordgeräten kontrollieren können. Um die EU-Genehmigung zu erhalten, waren die Daimler AG und die Deutsche Telekom AG gezwungen, mehrere Auflagen zu akzeptieren. So darf die für Mehrwertdienste wie Verkehrsflussanalysen und Wegweisungshilfen gegründete Gesellschaft Telematics Gateway nicht von der Daimler AG und/oder der Deutschen Telekom AG kontrolliert werden. Die Bordgeräte müssen zudem auch mit Systemen anderer Hersteller kombinierbar sein.

Entwicklungspotenziale von Toll Collect

In vielen europäischen Staaten stehen Entscheidungen hinsichtlich Einführung, Ausbau oder Weiterentwicklung von Mauttechnologie an. Aktuell sind Überlegungen bzw. Ausschreibungen in Großbritannien und Tschechien. Als Hauptkonkurrenz des satellitengestützten Systems von Toll Collect gilt zum einen die Mikrowellentechnologie, wie sie bereits in einigen europäischen Staaten (z. B. Österreich, Spanien) eingesetzt wird, zum anderen das Mautsystem in der Schweiz, bei dem alle relevanten Daten auf einer Chipkarte gespeichert werden, die regelmäßig zur Rechnungsstellung an die zuständige Firma gesandt werden muss. Ein komplett satellitengestütztes System, das auf dem GPS bzw. Galileo-System basiert, wird nicht angeboten. Da die EU-Kommission langfristig ein europaweites, auf einheitlicher Satellitentechnik basierendes Mautsystem anstrebt, werden Unternehmen wie Toll Collect oder der schweizerischen Fela gute Chancen eingeräumt, bei Ausschreibungen gegenüber technologisch anderweitig aufgestellter Konkurrenz eher zum Zuge zu kommen.

Toll Collect nahm bereits an der Ausschreibung für die Lkw-Maut in Österreich teil, blieb jedoch erfolglos, da sich die österreichische Regierung für den Einsatz der Mikrowellentechnologie entschied.

Einzelnachweise

  1. Internetportal von Toll Collect

Weblinks


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