Traditionserlass

Traditionserlass

Als Traditionserlass werden die „Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege in der Bundeswehr“ bezeichnet. Nach ihrem Verständnis wird Tradition als die Überlieferung von Werten und Normen verstanden, die ein verbindendes Element zwischen den Generationen herstelle. Notwendig sei sie, um eine eigene Identität zu sichern. Der derzeitig gültige Erlass wurde vom damaligen SPD-Verteidigungsminister Hans Apel im Jahr 1982 erlassen. Mit ihm wurde der erste Erlass aus dem Jahr 1965 abgelöst. Vorangegangen war in Bonn eine öffentliche Traditionsdebatte über das Thema „Soldat und Gesellschaft“ vom 23. bis 24. April 1981.

Inhaltsverzeichnis

Traditionspflege und Traditionserlass

Der erste Traditionserlass wurde erst ein Jahrzehnt nach Gründung der Bundeswehr vom damaligen Bundesverteidigungsminister Kai-Uwe von Hassel (CDU) herausgegeben.

Vorangegangen waren Auseinandersetzungen in und außerhalb der Bundeswehr, in welcher Form und wozu überhaupt „überlieferungswürdige“ Werte aus der deutschen Geschichte in der Truppe gepflegt und weitergegeben werden sollten. Das betraf vordergründig soldatisches Brauchtum oder Symbole, in stärkerem Maß aber Traditionen, die Orientierung im gesellschaftlichen Umfeld bieten könnten. Angesichts der Rolle der unmittelbaren Vorläufer der Bundeswehr, Reichswehr und Wehrmacht, die als Institutionen wenig traditionswürdig erschienen, kam die Forderung auf, eine neue bundeswehreigene Tradition zu bilden, die dem Leitbild des Staatsbürgers in Uniform entsprach und dem Verständnis der Partner im westlichen Bündnis vom Schutz von Freiheit und Recht entsprach.

Der erste Erlass lobte die Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944: Zuletzt nur noch dem Gewissen verantwortlich, haben sich Soldaten im Widerstand gegen Unrecht und Verbrechen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft bis zur letzten Konsequenz bewährt.[1] Über die Beurteilung der Wehrmacht als Institution wurden jedoch klarstellende Aussage vermieden. Es wurde nur betont, dass man die Wehrmachtsangehörigen, die Verbrechen begangen hatten, von den übrigen Soldaten abheben müsse. Es wurde auch zur Pflege kameradschaftlicher Beziehungen zu den ehemaligen Soldaten des „Dritten Reiches“ aufgefordert.

Traditionalisten und Reformer

Seit den 1960er Jahren wurden für die Charakterisierung der Führungsschicht der Bundeswehr die Begriffe „Traditionalisten“ und „Reformer“ verwendet. Die Fraktion der Traditionalisten, der die Mehrheit der Führungsschicht angehört, orientierte sich an der Vergangenheit und damit auch am Vorbild der Wehrmacht, während die Reformer, deren herausragende Figur Wolf Graf von Baudissin war, militärpolitische Reformen anstrebten.[2]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Ziffer 14 des Erlasses
  2. Wette, aaO S. 252

Literatur

  • Donald Abenheim: Bundeswehr und Tradition: die Suche nach dem gültigen Erbe des deutschen Soldaten, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 1989, ISBN 3-486-55371-2
  • Detlef Bald, Johannes Klotz, Wolfram Wette: Mythos Wehrmacht. Nachkriegsdebatten und Traditionspflege, Berlin 2001, ISBN 3-7466-8072-7.
  • Jakob Knab: Falsche Glorie. Das Traditionsverständnis der Bundeswehr, Ch. Links Verlag, Berlin 1995, ISBN 3-86153-089-9.
  • Jakob Knab: Das Elend der Traditionspflege oder vom »größeren Zusammenhang der Geschichte«, in: Wolfgang Gehrcke / Paul Schäfer (Hg.), Schwarzbuch zur Sicherheits- und Militärpolitik Deutschlands, Berlin 2007 http://dokumente.linksfraktion.net/pdfdownloads/7747922397.pdf.
  • Loretana de Libero: Tradition in Zeiten der Transformation. Zum Traditionsverständnis der Bundeswehr im frühen 21. Jahrhundert, Schöningh Verlag, Paderborn 2006, ISBN 978-3-506-76315-0.
  • Ulrich de Maizière: Die Bundeswehr – Neuschöpfung oder Fortsetzung der Wehrmacht in: R.D. Müller, H.E. Volkmann, (Hrsg. im Auftrag des MGFA): Die Wehrmacht: Mythos und Realität, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 1999, ISBN 3-486-56383-1, S. 1171–1183.
  • Wolfram Wette: Die Wehrmacht. Feindbilder – Vernichtungskrieg – Legenden, Frankfurt 2002, ISBN 3-10-091208-X, hier: Kap. 6.2 Das Bild der Wehrmacht in der Bundeswehr.

Weblinks


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