Transsexuellengesetz

Transsexuellengesetz
Basisdaten
Titel: Gesetz über die Änderung
der Vornamen und die Feststellung
der Geschlechtszugehörigkeit
in besonderen Fällen
Kurztitel: Transsexuellengesetz
Abkürzung: TSG
Art: Bundesgesetz
Geltungsbereich: Bundesrepublik Deutschland
Rechtsmaterie: Verwaltungsrecht, Personenstandsrecht
Fundstellennachweis: 211-6
Datum des Gesetzes: 10. September 1980
(BGBl. I S. 1654)
Inkrafttreten am: 17. September 1980
Letzte Änderung durch: BVerfGE vom 11. Januar 2011
– 1 BvR 3295/07 – (BGBl. I S. 224)
Inkrafttreten der
letzten Änderung:
11. Januar 2011
(§ 31 Abs. 2 BVerfGG)[1]
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten.

Das deutsche Transsexuellengesetz (TSG) wurde im Jahre 1980 mit Wirkung ab 1. Januar 1981 unter dem vollen Titel Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen (Transsexuellengesetz – TSG) verabschiedet, um Menschen mit von ihrem körperlichen Geschlecht abweichender Geschlechtsidentität die Möglichkeit zu geben, in der zu ihrer Geschlechtsidentität passenden Geschlechtsrolle leben zu können. Es sieht entweder nur die Änderung des Vornamens oder dazu auch die vollständige Anpassung des Geschlechtseintrages im Geburtsregister und der Geburtsurkunde (so genannte Personenstandsänderung) vor.

Inhaltsverzeichnis

Das Transsexuellengesetz

In Deutschland, wie in vielen Ländern, deren Recht wenigstens teilweise auf dem Code Napoleon beruht, muss der Vorname geschlechtsspezifisch sein. Die Änderung des Vornamens kann alleine angestrebt werden, die Anpassung des Geschlechtseintrags kann später, falls gewünscht und möglich, durchgeführt werden, oder beides kann in einem einzelnen Verfahren durchgeführt werden.

Für beides sind zwei Gutachten notwendig, welche feststellen

  • dass eine Person sich auf Grund ihrer transsexuellen Prägung nicht mehr dem in ihrem Geburtseintrag angegebenen, sondern dem anderen Geschlecht als zugehörig empfindet und seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang steht, ihren Vorstellungen entsprechend zu leben und
  • mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sich ihr Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht nicht mehr ändern wird.

Laut Gesetzestext wird die Änderung der Vornamen rückgängig gemacht, wenn die Person heiratet oder ein Kind bekommt oder zeugt, nachdem die Änderung des Vornamens rechtskräftig wurde. Diese „ordnungsgemäßen“ Betätigungen im ursprünglichen Geschlecht wurden als eindeutiger Hinweis darauf verstanden, dass sich die betreffende Person wieder ihrem ursprünglichen Geschlecht zugehörig fühle. Durch die Praxis kann diese Auffassung jedoch nicht bestätigt werden, und das Bundesverfassungsgericht hat am 6. Dezember 2005 angeordnet, dass eine Eheschließung nicht mehr zum Verlust des geänderten Vornamens führt. Das Eingehen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft ist auch möglich; nicht geklärt ist allerdings, was passiert, wenn ein Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft die Änderung des Personenstands beantragt.

Um auch den Geschlechtseintrag anzupassen, musste die Person bis 2011 zusätzlich:

  • dauernd fortpflanzungsunfähig sein, und
  • sich einem ihre äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden operativen Eingriff unterzogen haben, durch den eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts erreicht worden ist.

Durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes ist diese Vorschrift (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TSG) nicht mehr anwendbar. Dem Gesetzgeber wurde eine Neuregelung aufgetragen.[2]

Das TSG ist anwendbar auf deutsche Staatsbürger, sowie – neben einigen anderen sehr spezifischen Fällen – auf rechtmäßig in Deutschland ansässige Ausländer, deren Heimatrecht keine vergleichbare Regelung kennt (gibt es eine vergleichbare Regelung, so ist diese zu nutzen).

Wie in vielen Fällen der freiwilligen Gerichtsbarkeit hat zunächst der Antragssteller die Kosten des Verfahrens zu tragen; es sei denn, man verdient wenig genug, um Prozesskostenhilfe beantragen zu können. Die Gerichtskosten selbst belaufen sich dabei nur auf zirka 60 bis 70 Euro, jedoch können die ebenfalls zu zahlenden Gutachten von 0 Euro bis mehrere tausend Euro reichen; durchschnittlich muss man mit mindestens 600 bis 1200 Euro rechnen.

Gerichtsentscheidungen zum TSG

Dieses Gesetz ist durch Gerichtsentscheidungen inzwischen sehr stark konkretisiert worden. Ursprünglich besagte das Gesetz, dass weder eine Vornamensänderung noch eine Änderung des Geschlechtseintrags möglich sei bei Personen unter 25 Jahren. Diese Einschränkung wurde durch Gerichte jedoch aufgehoben, so dass es kein Mindestalter mehr gibt.

Ebenfalls bestimmte ein Gericht, dass der Zwang zur geschlechtsangleichenden Operation sich jedenfalls nicht auf eine genitalangleichende Operation bei Transmännern erstrecke, weil weder die Operation noch das Ergebnis zumutbar wären. Jedoch galt ein entsprechender Eingriff bei Transfrauen grundsätzlich als zumutbar und war damit zwingend vorgeschrieben für die Anpassung des Geschlechtseintrags.

Die Eingehung einer Ehe hatte für einen Transsexuellen, der lediglich seinen Vornamen, nicht jedoch seinen Personenstand hat ändern lassen (§ 1 TSG), unmittelbar den Verlust des gewählten Vornamens zur Folge. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu am 6. Dezember 2005 beschlossen (Pressemitteilung[3] und Beschluss[4]), auch homosexuell orientierten Transsexuellen ohne Personenstandsänderung müsse es ermöglicht werden, ohne den automatischen Verlust des geänderten Vornamens ihre Beziehung zu einem Menschen des gleichen Geschlechts auf eine rechtlich verbindliche Basis zu stellen. Die Entscheidung wurde damit begründet, dass nach wissenschaftlichen Erkenntnissen auch bei Transsexuellen Homosexualität nicht ausgeschlossen werden könne (und ähnlich häufig vorkomme wie in der restlichen Gesellschaft) und dass die Hinwendung zu einem gleichgeschlechtlichen Partner nicht als Hinweis interpretiert werden könne, dass das Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht verloren gegangen sei. Die Verhinderung des falschen Anscheins, die Ehe könne auch von gleichgeschlechtlichen Partnern geschlossen werden, sei zwar ein legitimes Anliegen des Gesetzgebers, jedoch sei die mit dem Wegfall des geänderten Vornamens wieder eintretende Divergenz zwischen gefühltem Geschlecht und getragenem Vornamen den Betroffenen nicht zumutbar. Der fragliche Passus des Gesetzes ist bis zu einer Änderung durch den Gesetzgeber unanwendbar.

In einer am 23. Juli 2008 veröffentlichten Entscheidung urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass die bisherige Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 des Transsexuellengesetzes, die die Ehelosigkeit für die rechtliche Anerkennung der neuen Geschlechtszugehörigkeit vorschrieb, mit dem Grundgesetz nicht vereinbar und die bisherige Vorschrift bis zu einer gesetzlichen Neuregelung nicht mehr anzuwenden sei.[5] Die Rechtsnorm wurde schließlich vom Gesetzgeber gestrichen.[6]

Im Januar 2011 entschied das Bundesverfassungsgericht in einem Grundsatzurteil, dass die bislang geltenden rechtlichen Voraussetzungen, unter denen Transsexuelle eine Lebenspartnerschaft eingehen können, verfassungswidrig sind. Es hob infolge dessen die geschlechtsangleichende Operation als zwingende Voraussetzung für eine Änderung des geschlechtlichen Personenstands auf.[7]

Gesetzliche Reform des Transsexuellengesetzes

Am 19. Juni 2009 wurde ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Reform des Transsexuellengesetz beschlossen. Der Vorlage zufolge wurde § 8 Abs. 1 Punkt 2 des TSG, der die Ehelosigkeit für die Personenstandsfeststellung vorschreibt, ersatzlos gestrichen.[8]

Kritik

Dieses Gesetz wird von vielen Betroffenen[9], teilweise auch von mit diesem Thema befassten Fachleuten (meist Sexualmediziner oder Psychologen), mittlerweile kritisiert, insbesondere in folgenden Punkten:

Formale Diagnose „Transsexualität“

Die Beschränkung auf Menschen mit der formalen Diagnose „Transsexualität“ wird als problematisch gesehen, mindestens die Änderung der Vornamen, teilweise auch die Änderung des Personenstandes benötigen auch viele andere Transgender. In der Praxis wird daher immer häufiger „Transsexualität“ dort bescheinigt, wo sie de facto und auch nach Wissen des Gutachters nicht vorliegt, was formal eine wissentliche Falschaussage vor Gericht ist. Die Gutachter, die dies tun, riskieren daher durchaus Probleme für ihre Patienten.

Begutachtungen

Auch die Praxis der geforderten Begutachtungen wird kritisiert: Während die Forderung von zwei Gutachten, welche die „Transsexualität“ und die „hohe Wahrscheinlichkeit“, dass sich daran nichts mehr ändern wird, bestätigen, durchaus sinnvoll erscheint (aber siehe Punkt 1), haben sich in der Praxis vielerorten Verfahren entwickelt, welche zu einer hohen Belastung der betreffenden Transgender, sowohl psychisch als auch finanziell, führen und welche den Sinn der Begutachtung häufig ad absurdum führen:

  • Die Gutachter begutachten häufig nicht, ob Transsexualität vorliegt, sondern ob die betreffende Person ihrem persönlichen Bild eines „richtigen Mannes“ oder einer „richtigen Frau“ entspricht. Daher bekamen zum Beispiel bereits ernsthafte Probleme: Schwule Transmänner, Transmänner, die noch ihr altes Damenfahrrad fuhren, Transmänner mit „zu langen“ Haaren. Lesbische oder noch verheiratete Transfrauen, Transfrauen in (Damen-)Hosen, Transfrauen, die ihre gute berufliche Stellung in einem Beruf, der kein expliziter Frauenberuf war, nicht aufgeben wollten.
  • Einige Gutachter begutachten nahezu ausschließlich die Sexualität der zu Begutachtenden; es wird von Kritikern, auch Fachleuten, entschieden bestritten, dass beispielsweise ein Gutachten von 40 Seiten, von dem 35 jedes erinnerbare Detail des Sexuallebens des zu Begutachtenden ausführen, sinnvoll im Sinne des vom Gesetz vorgeschriebenen Auftrags ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn auf das Leben des zu Begutachtenden außerhalb seines Sexuallebens nicht oder fast nicht eingegangen wird.
  • Die hohen Kosten der Begutachtungen; Gutachten, welche mehrere Tausend Euro kosten, sind keine Seltenheit, mehrere Hundert Euro sind üblich. Diese Kosten müssen entweder vom Antragssteller getragen werden, oder über die Prozesskostenhilfe von der Allgemeinheit.

Vor allem die beiden ersten Punkte führen in der Praxis dazu, dass Transgender, welche ein Gutachten benötigen, dann einem Gutachter eben nur das zeigen und erzählen, von dem sie annehmen, dass dieser es hören möchte. In den Fällen, wo dies funktioniert (das sind zumeist auch die am häufigsten kritisierten Gutachter), führt es das Gutachten ad absurdum; begutachtet wird dann nicht die zu begutachtende Person, sondern deren schauspielerische Fähigkeiten. In den Fällen wo dies nicht funktioniert, verzögert es die Erstellung der Gutachten und damit den Abschluss des Verfahrens teilweise beträchtlich – und meist unnötigerweise, denn erfahrungsgemäß sind die Gutachter, bei denen diese Taktik nicht funktioniert, auch die liberaleren, welche die Wahrheit wahrscheinlich problemlos akzeptiert hätten. Dazu kommt, dass dieses fast routinemäßige Lügen erstens der Selbstreflexion der betreffenden Personen nicht eben förderlich ist; genau dieses ist in einer Situation wie dem Geschlechtsrollenwechsel aber sehr empfehlenswert. Und zweitens führt es dazu, dass von einigen Fachleuten Transgender daher als routinemäßige Lügner dargestellt werden, deren Aussagen niemals und unter keinen Umständen (oder jedenfalls dann, wenn sie der eigenen Theorie widersprechen) zu glauben sei.

Die Kritiker dieser Praxis fordern daher:

  • mindestens, dass Gutachter des Vertrauens des Antragsstellers bestellt werden, und nicht vom Gericht willkürlich (und meist immer wieder dieselben) Gutachter bestellt werden,
  • häufig die Beschränkung auf ein einzelnes Gutachten, oder eine einzelne Bescheinigung eines Arztes, dass eine Entscheidung nach TSG angezeigt wäre,
  • seltener auch den völligen Verzicht auf Gutachten.

Die Voraussetzungen für die Personenstandsanpassung

Die Vorschrift eines die äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden operativen Eingriff(s) wird kritisch gesehen, welcher bei Transfrauen grundsätzlich mit einem genitalangleichenden Eingriff gleichgesetzt wird. Dies ist aber ein schwerer und nicht immer komplikationsloser Eingriff; Kritiker führen an, dass im Alltag schließlich das Aussehen der primären Geschlechtsmerkmale keine sonderlich große Rolle spiele, auch werde das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit durch diese Vorschrift verletzt. Bei Transmännern wird auf die Forderung nach einem entsprechenden Eingriff verzichtet, da die Ergebnisse solcher Eingriffe, die dazu noch wesentlich schwerwiegender sind als umgekehrt, als „nicht in jedem Fall zumutbar“ gelten. Dennoch versuchen einzelne Richter immer wieder, auch diesen Eingriff zu fordern.

Die Verfahrensdauer

Häufig dauern Verfahren nach TSG ein Jahr und länger, teilweise wegen der Überlastung der Gerichte, teilweise wegen der Dauer der Begutachtung oder der Überlastung von Gutachtern. In dieser Zeit leben die Antragssteller bereits in der neuen Geschlechtsrolle, haben aber keine passenden Papiere. Dies kann nicht nur im Alltagsleben zu Problemen führen, sondern macht es auch nahezu unmöglich, beispielsweise eine neue Arbeitsstelle zu bekommen, da kaum ein ehemaliger Arbeitgeber bereit ist, die Zeugnisse auf den neuen Namen zu ändern, wenn es noch keinen Gerichtsbeschluss über die Änderung mindestens des Vornamens gibt. Andererseits bringen zu früh erteilte Vornamensänderungen für die/den Betroffene/n keine Vorteile, solange noch keine erkennbare Stimmigkeit im Äußeren und im Verhalten erreicht wurde.

Nichtrespektierung der Geschlechtsidentität durch das Transsexuellengesetz

Am 21. Juli 2008 wurde von der Initiative Menschenrecht und Transsexualität bei der UN in New York ein Alternativbericht zu CEDAW, dem Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau vorgelegt,[10] der sich mit der menschenrechtlichen Situation transsexueller Frauen in Deutschland beschäftigt. Kern des Berichtes ist die Kritik an der Verletzung der geschlechtlichen Identität und selbstbestimmten Geschlechtlichkeit (siehe auch: Yogyakarta-Prinzipien, Punkt 3 „Die selbstbestimmte … geschlechtliche Identität jedes Menschen ist fester Bestandteil seiner Persönlichkeit“) durch das in das deutsche Transsexuellengesetz eingebundene Gutachterverfahren, in welchem zur personenstandsrechtlichen Anerkennung zum Beispiel transsexueller Frauen Gutachten Anwendung finden, in denen sie de facto zu „geschlechtsidentitätsgestörten Männern“ erklärt werden, die lediglich glauben, Frauen zu sein bzw. nach ICD-Code F64.0 den Wunsch hätten, dem Gegengeschlecht anzugehören. Da im Transsexuellengesetz über Monate, wenn nicht sogar Jahre hinweg, der betroffene Mensch rechtlich und medizinisch behandelt wird, wie sein körperliches Geschlecht und nicht wie sein Identitätsgeschlecht, wird ihm laut CEDAW-Alternativbericht die Existenzanerkennung seiner Identität, die er bereits von Anfang des Verfahrens an besitzt, verwehrt und zum Gegenstand einer geschlechtlichen Fremdbestimmung gemacht. Im Alternativbericht, der in New York vorgestellt wurde, wird nicht nur auf die konkreten Auswirkungen der Existenzrechtsaberkennung hingewiesen – wie zum Beispiel Missbräuche durch die Gutachter oder Verschleppungen medizinisch notwendiger Leistungen – sondern auch auf den bislang unfalsifizierten, aber vorwiegend von der Psychoanalyse propagierten Terminus „Geschlechtsidentitätsstörung“ eingegangen, der laut der Initiative Menschenrecht und Transsexualität automatisch mit einer Nichtrespektierung der geschlechtlichen Identität einhergehen muss, weil hier das Körpergeschlecht eines Menschen (wie Penis oder Vagina) als geschlechtsbestimmender angesehen wird, als die Psyche des Menschen bzw. sein Gehirngeschlecht.

Die Kritik der Gruppe „Menschenrecht und Transsexualität“, das Transsexuellengesetz widerspreche internationalem Menschenrecht, wurde Anfang 2009 im Rahmen der Berichterstattung zum internationalen Frauenrechtsabkommen CEDAW vom für die Überprüfung der Einhaltung des Abkommens zuständigen UN-Komitee aufgegriffen, das die Aufgabe hat, die Staaten zu ermahnen, welche sich nicht ausreichend an die Verpflichtungen halten, die sich aus CEDAW ergeben.[11] In einer Befragung im Februar 2009 in Genf, wurde die Bundesrepublik Deutschland dazu aufgefordert, der Regelung, nachdem Frauen sich zu „psychisch kranken Männern“ erklären müssen, um als Frauen anerkannt zu werden, „ein Ende zu setzen“. Das brasilianische Komiteemitglied Silvia Pimentel forderte die deutsche Regierung auf, das bisher im Transsexuellengesetz beinhaltete Gutachterverfahren abzuschaffen und ein Antragsverfahren einzuführen, bei dem jeder Menschen zu einem beliebigen Zeitpunkt entscheiden kann, welchen Geschlechtseintrag er haben möchte.[12] Das UN-Komitee verlangt außerdem „ausdrücklich, dass der Unterzeichnerstaat Deutschland mit den NGOs von intersexuellen und transsexuellen Menschen den Dialog aufnimmt, um deren Anliegen besser zun verstehen und um effektive Anstrengungen zu unternehmen, deren Menschenrechte zu schützen.“ Zudem wurde die Bundesregierung daran erinnert, dass das CEDAW-Abkommen eine verpflichtende Vereinbarung ist.

Am 29. Juli 2009 veröffentlichte der Menschenrechtskommissar des Europarates Thomas Hammarberg ein 12 Punkte umfassendes Positionspapier, aus welchem hervorgeht, dass Zwangssterilisationen wie zum Beispiel im Transsexuellengesetz bis heute gefordert, nicht im Einklang mit der Rechtsprechung Europas stehen.[13] Damit stützt Hammarberg Positionen der meisten Transsexuellen- und Transgendergruppierungen Deutschlands, welche das Transsexuellengesetz als nicht-menschenrechtskonform bezeichnen,[14] da das Gesetz die Geschlechtsidentität transsexueller und/oder transgender Menschen nicht umfassend respektiere, wie zum Beispiel in den Yogyakarta-Prinzipien gefordert.[15]

Behobene Kritikpunkte

Menschen mit anderer Staatsangehörigkeit

Die Geltung (mit wenigen Ausnahmen) nur für deutsche Staatsangehörige war problematisch; Menschen mit anderer Staatsangehörigkeit hatten daher, wenn dieser Staat die Möglichkeit einer Vornamens- oder Personenstandsänderung nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten zulässt, keinerlei Möglichkeit, an Ausweispapiere zu kommen, welche mit ihrem Äußeren übereinstimmen, was im Alltag zu großen Problemen führt.

Anfang November 2006 erklärt das Bundesverfassungsgericht den entsprechenden Paragraphen des Transsexuellengesetzes für nichtig, und fordert in einer Frist bis Sommer 2007 die Überarbeitung des Gesetzes durch den Gesetzgeber.[16] Dies ist nunmehr gesetzlich so geregelt worden, dass das TSG auch auf rechtmäßig in Deutschland ansässige Ausländer anwendbar ist, deren Heimatrecht keine vergleichbare Regelung kennt.

Mindere Rechte für „nur Vornamensgeänderte“

Auch der Status minderen Rechts, den Menschen haben, bei welchen nur der Vorname geändert ist, wurde häufig kritisiert; so war es ihnen ursprünglich faktisch unmöglich, zu heiraten (eine eingetragene Lebenspartnerschaft jedoch konnten sie stattdessen eingehen) und Kinder zu bekommen, da in diesen Fällen die Vornamensänderung automatisch rückgängig gemacht würde.

Das Bundesverfassungsgericht hat den automatischen Vornamensentzug bei Eingehung der Ehe am 6. Dezember 2005 jedoch für verfassungswidrig und damit nichtig erklärt (s.o.).

Probleme ergaben sich für Transsexuelle, die nur ihren Vornamen, nicht jedoch ihren Personenstand haben ändern lassen, bei Reisen ins passpflichtige Ausland. Da der europäische Reisepass ein Geschlechtskennzeichen („F“, „M“ oder „X“) beinhaltet, wird durch den Widerspruch zwischen dem Geschlecht des Vornamens (und einem diesem oft entsprechenden Erscheinungsbild) und dem Geschlechtskennzeichen der transsexuelle Hintergrund der betreffenden Person offengelegt. Bisher war es für diesen Personenkreis möglich, einen fünf Jahre gültigen vorläufigen Reisepass nach altem Muster ohne Geschlechtskennzeichen zu bekommen. Dieser alte Reisepass wird jedoch seit Januar 2006 nicht mehr ausgestellt, viele Länder – voran die USA – erkennen ihn auch nicht mehr an. Der neue maschinenlesbare vorläufige Reisepass enthält wiederum ein Geschlechtskennzeichen. Je nach Land führte das zu teilweise erheblichen Schikanen oder sogar zur Einreiseverweigerung. Insbesondere im arabischen Raum gab es Probleme, wenn der Geschlechtsvermerk im Reisepass nicht zu den äußeren Geschlechtsmerkmalen passte. Nach dem inzwischen überarbeiteten Passgesetz können Transsexuelle ohne Personenstandsänderung auf Antrag das ihrem Vornamen entsprechende Geschlecht eintragen lassen.

Zwangsscheidung für eine Personenstandsänderung

Ebenso kritisch wurde die Anforderung, nicht verheiratet zu sein gesehen: Es kommt durchaus vor, dass Ehen (und auch eingetragene Lebenspartnerschaften) von Transgendern, die vor dem Geschlechtsrollenwechsel geschlossen wurden, diesen Wechsel der Geschlechtsrolle überstehen. Dann blieb der betreffenden Person also nur der Status als nur vornamensgeändert, oder die Ehe oder Lebenspartnerschaft hätte aufgelöst werden müssen, um später als Lebenspartnerschaft oder Ehe neu geschlossen zu werden. Es wurde daher ein Verfahren gefordert, mit dem eine Ehe in eine Lebenspartnerschaft umgewandelt werden kann und umgekehrt, denn die vorherige Praxis verletzte den grundgesetzlich verankerten Schutz von Ehe und Familie.

Hierzu wurde am 23. Juli 2008 eine entsprechende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Mai 2008 veröffentlicht, wodurch eine Personenstandsänderung auch bei bestehender Ehe erfolgen kann.[17]

Kritik an der Kritik

Klassifikation nach ICD-10
F64.- Störungen der Geschlechtsidentität
F64.0 Transsexualismus
F64.1 Transvestitismus unter Beibehaltung beider Geschlechtsrollen
F64.2 Störung der Geschlechtsidentität des Kindesalters
F64.8 Sonstige Störungen der Geschlechtsidentität
F64.9 Störung der Geschlechtsidentität, nicht näher bezeichnet
ICD-10 online (WHO-Version 2011)

Einige Transsexuelle, und auch einige Sexualmediziner wiederum stellen sich gegen diese Reformbestrebungen, ebenso meist gegen medizinische geschlechtsangleichende Maßnahmen für nicht-transsexuelle Transgender im Sinne der Definition des ICD-10, F64.0[18].

Einige Transsexuelle befürchten, dass dadurch, dass auch nicht-transsexuellen Transgendern Zugang zu Vornamens- und/oder Personenstandsänderung gewährt würde, oder durch eine Vereinfachung des Verfahrens der „Wert“ ihrer eigenen Vornamens- und Personenstandsänderung gemindert würde oder dass die dadurch erfolgende rechtliche Anerkennung von nicht-transsexuellen Transgendern ihrem „guten Ruf“ schaden würde. Es besteht die Gefahr, dass andersartige Identitätsarrangements als Norm anerkannt werden und Transsexuellen so der Zugang zu wichtigen medizinischen Leistungen verwehrt wird.

Einige Sexualmediziner lehnen dies ebenfalls ab, meist mit dem Argument, dass die Kategorisierung im ICD-10 korrekt sei, es also tatsächlich nur Transsexuelle und Transvestiten gebe, von denen die letzteren zu ihrem eigenen Schutz unter keinen Umständen medizinische oder juristische geschlechtsangleichende Maßnahmen erhalten dürften. Diese Argumentation übersieht, dass selbst das ICD-10 neben diesen beiden Kategorien schon „sonstige“ und „nicht näher bezeichnete“ Störungen der Geschlechtsidentität vorsieht und dass das DSM 4 Geschlechtsidentitätsstörungen nur noch unter gender identity disorders aufführt, ohne strikt in „Transsexuelle“ und „Transvestiten“ zu unterteilen. Weiterhin übersieht diese Argumentation, dass es bereits in der Vergangenheit viele „Transsexuelle“ gab, welche die entsprechenden Diagnosekriterien keineswegs vollständig erfüllten, die aber dennoch offensichtlich von entsprechenden Maßnahmen profitierten. Die Anzahl dieser nicht-transsexuellen Transgender nimmt seit einigen Jahren stark zu.

Die Praxis der nicht fachgerechten Begutachtungen ist in der einschlägigen juristischen (s. Sieß) als auch psychiatrischen (s. Pfäfflin) Literatur als Problem erkannt. Auch medizinisch-psychologische Arbeitskreise widmen sich dem Thema. Grundsätzlich aber kann kein Unterschied zu inhaltlich mangelhaften psychiatrischen Gutachten in anderen Rechtsbereichen (zum Beispiel Strafrecht, Betreuungsrecht) gesehen werden.

Literatur

  • Pfäfflin, Friedemann: Begutachtung der Transsexualität. In: Foerster, K. (Hrsg.): Psychiatrische Begutachtung. Elsevier, München 2004; S. 525–538.
  • Sieß, Gerhard: Die Änderung der Geschlechtszugehörigkeit. Das Transsexuellengesetz und seine praktische Anwendung in der Freiwilligen Gerichtsbarkeit. Hartung-Gorre, Konstanz 1996. (Konstanzer Schriften zur Rechtswissenschaft; Bd.103)

Einzelnachweise

  1. Bundesgesetzblatt Jahrgang 2011 Teil I Nr. 5 vom 10. Februar 2011, S. 224.
  2. Beschluss - 1 BvR 3295/07 - des BVerfG vom 11. Januar 2011
  3. „Regelung im Transsexuellengesetz über Verlust des geänderten Vornamens bei Eheschließung ist verfassungswidrig“ – Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts (20. Dezember 2005)
  4. „§ 7 Abs. 1 Nr. 3 des Transsexuellengesetzes verletzt das von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Namensrecht …“, BVerfG, 1 BvL 3/03 vom 6. Dezember 2005, Absatz-Nr. (1 - 73)
  5. Bundesverfassungsgericht:§ 8 I Nr.2 Transsexuellengesetz verfassungswidrig
  6. Transsexuellengesetz-ÄnderungsgesetzVorlage:§§/Wartung/buzer vom 17. Juli 2009 auf buzer.de
  7. Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichtes zum Aktenzeichen 1 BvR 3295/07 vom 28. Januar 2011.
  8. Bundesgesetzblatt Jahrgang 2009, Teil 1, Nr. 43, vom 22. Juli 2009, Seite 1978.
  9. „Bundesverfassungsgericht fordert zügige Reform des Transsexuellengesetzes“ – Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) (7. November 2006)
  10. Alternativbericht CEDAW Transsexualität auf UN-Server
  11. Pressemeldung UN
  12. O-Ton Silvia Pimentel, CEDAW-Ausschuss
  13. Human Rights and Gender Identity, Europarat
  14. Übersicht der Stellungnahmen zur geforderten TSG-Reform 2009
  15. Yogyakarta-Prinzip 3
  16. „Anwendbarkeit des Transsexuellengesetzes auf ausländische Transsexuelle“ – Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts (7. November 2006)
  17. Welt: Nach Geschlechtsumwandlung: Transsexuelle dürfen verheiratet bleiben
  18. „Störungen der Geschlechtsidentität“ – (ICD-10 F64.-) bei LuMriX.net (2005)

Weblinks

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