- Türkmenen
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Die Turkmenen (turkmenisch Türkmen, Türkmenler) sind ein Turkvolk oghusischer Herkunft in Zentralasien. Sie bilden die Titularnation der unabhängigen Republik Turkmenistan, wo sie heute rund 85 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Die Turkmenen sind bis heute stark in zahlreiche Stämme gegliedert. In der Steppe leben sie meist nomadisch und in den Städten sind sie sesshaft.
Inhaltsverzeichnis
Namensvarianten
Die Turkmenen werden auch als Türkmenen, in Russland als Truchmenen (russisch Трухмены) bezeichnet. Eine deutsche und englische Altbezeichnung für die Turkmenen lautet Turkomanen bzw. Turkcomen.[1]
Historisch ist der Name Türkmen seit dem Mittelalter bis zur Gegenwart eine Sammelbezeichnung für verschiedene Turkvölker, die im Iran hauptsächlich in den Provinzen Golestan und Chorassan, sowie in der Türkei, in Syrien, im Irak, in Jordanien, im Mittleren Osten und in Zentralasien leben.
Turkomanen
Mit dem Begriff Turkomanen bezeichnet man heute überwiegend die turkstämmigen Bewohner des Iraks, Syriens, weiten Teilen des Iran und Russlands. Die Anzahl der als „Turkomanen“ bezeichneten Turkmenen ist in den betreffenden Ländern bis heute stark umstritten. Die meisen Turkomanen sprechen einen aserbaidschanischen Dialekt.
Größe und Siedlungsgebiete
Zu den Turkmenen rechnen sich rund fünf Millionen Menschen.[2] Sie leben vor allem in der nach ihnen benannten Republik Turkmenistan. Als Minderheiten sind sie auch in Russland (33.500), Aserbaidschan, Tadschikistan (20.487),[3] Usbekistan (121.578)[3] und im Iran (2 Millionen, davon ca. 800.000 ethnische Turkmenen im Nordiran), Nordwest-Afghanistan (ca. 400.000 in den Provinzen Faryag und Baghlan) ansässig. Eine große turkmenische Minderheit ist auch im Nordwest-Irak (ca. 300.000), in Nordsyrien und eine kleine in Jordanien anzutreffen. Rund 150.000 Turkmenen leben im anatolischen Teil der Türkei.
Hinsichtlich der Feststellung der Volkszugehörigkeit kommt bei den Turkmenen außerhalb Turkmenistans und Afghanistans erschwerend hinzu, dass die Turkmenen des Iran, Irak und Syriens sowie Jordaniens einer anderen Sprachgruppe angehören. So werden die Turkmenen Syriens, des Iraks und des Iran überwiegend der aserbaidschanischen und die Turkmenen Jordaniens der türkischen Sprachgruppe zugerechnet.
Religion
Turkmenen sind überwiegend sunnitische Muslime.
Namensherkunft
Es gibt viele Theorien für den Ursprung des Namens:
- Der Name Türkmen kommt aus dem Persischen und bedeutete ursprünglich: „Den Türken ähnlich“ (persisch: Turk-mânand) und bezeichnete ab dem 10. Jahrhundert die muslimischen Türken Asiens (Seldschuken). Moderne Studien lehnen diese populäre persische Etymologie allerdings ab.[4]
- Eine weitere verbreitete These ist, dass der Name Türkmen aus dem Türkischen stammt und für die muslimischen Türken verwendet wurde. Der Name soll sich aus „Türk“ (Türke) und „iman“ (Glaube) gebildet haben.
- Eine andere Variante der Namensgebung ist, dass der Name „Türkmen“ vom Nomen Türk (Türke) und dem Suffix men (-schaft) zusammengesetzt wurde. Dann wären die heutigen Turkmenen mit: „die Türkenschaft“ zu übersetzen.
Erstmals erscheint der Name in Form von trwkkmn in einem sogdischen Brief aus dem 8. Jahrhundert. Falls dieses Wort in diesem Brief nicht „Übersetzer“ (trkwmn) bedeutet, wäre es die erstmalige Referenz auf dieses Ethnonym. Das chinesische Geschichtswerk T’ung-tien (um 801) schreibt über die T’e-chü-meng in Sogdien, was ein weiterer Verweis auf die Turkmenen sein kann. Erst später bezeichnete Türkmen ausschließlich jene Oghusen, die zum Islam übergetreten waren.[5]
Geschichte
Die einst vollnomadischen Turkmenen bildeten sich etwa im 10. Jahrhundert aus. Ab dem 11. Jahrhundert eroberten die oghusischen Turkmenen Persien und Teile Anatoliens. Sie bildeten das Großreich der Seldschuken.
Im 15. Jahrhundert gründeten turkmenische Stämme der Akkonyunlu und der Karakonyunlu ein sunnitisches und schiitisches Nomadenreich.
Die Turkmenen in Zentralasien (Turkestan) standen als autonome Nomaden lange unter der Oberherrschaft Persiens, bevor sie im 13. Jahrhundert durch den Mongolenherrscher Dschingis Khan unterworfen wurden. Nach dessen Tod (1227) zerbrach das Mongolenreich rasch und im Siedlungsraum der Turkmenen entstanden persisch-geprägte Nachfolgereiche der Erben Dschingis Khans. Die Khanate der Dschingiskhaniden gerieten erneut unter dem Einfluss Persiens und wurde erst mit der russischen Eroberung im 19. Jahrhundert abgelöst.
Zwischen 1881 und 1885 wurden die Turkmenen gewaltsam von Russland unterworfen. So sollen 1881 bei der Schlacht um den Göktepe rund 14.500 Turkmenen den Tod gefunden haben.[6] Die wenigen Überlebenden zogen sich auf persisches und afghanisches Gebiet zurück. Mit Abschluss der russischen Eroberung Turkestans war das Gebiet aber noch nicht lange befrieden. Vor allem die Turkmenen leisteten bis Mitte des 20. Jahrhunderts Widerstand und führten zahlreiche Aufstände gegen die russische Vorherrschaft, die nur durch die moderne Bewaffnung der Kolonisten niedergeschlagen werden konnten.[7]
Nach der Zerschlagung des einstigen Turkestans wurde 1918 auf dem Gebiet der Turkmenen die Autonome Sozialistische Sowjetrepublik Turkestan gebildet, und die neue Sowjetführung versuchte nun, die alten Stammestraditionen der Turkmenen zu brechen. So wurden die Beyler, die turkmenische Oberschicht, auf Befehl Josef Stalins als sogenannte Kurlaken (Wucherer) ermordet. Doch erst 1935 wurde der letzte turkmenische Widerstand gebrochen.[8] Aber alle Versuche der Sowjetführung, die turkmenischen Stämme zu einer eigenständigen Nation zu formen, schlugen fehl: Die Turkmenen fühlten sich weiterhin den Stämmen wie der Tekke, Ersary, Alili usw. verbunden. Anstelle der staatlich verordneten „turkmenische Hochsprache“ wurden von den Turkmenen weiterhin die alten Dialekte verwendet. Auch weigerten sich die Turkmenen, Russisch zu lernen. So beherrschten bis 1989 nur etwa 27,8 Prozent der Turkmenen nach eigenen Angaben diese Sprache.[9]
Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion (1941) erklärten sich rund 180.000 Turkemenen zur Kollaboration mit den Deutschen bereit.[1]
Mit dem beginnenden Zerfall der UdSSR begann auch ab 1989 in Turkmenistan die Rückbesinnung auf alte Traditionen und die eigene Geschichte. So räumte auch die turkmenische Sowjetführung mit der Legende auf, die Turkmenen hätten sich freiwillig der russischen Herrschaft unterstellt.
Am 22. August 1990 erklärte sich die turkmenische Führung für souverän und rief am 27. Oktober 1991 die Unabhängigkeit aus. Seit dem Untergang der UdSSR gehören die Turkmenen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten an.
siehe auch
Literatur
- Karl Reichl: Türkmenische Märchen: mit Übersetzung, Glossar und Anmerkungen; Materialia Turcica, 4; Bochum: Studienverlag Brockmeyer, 1982; ISBN 3-88339-265-0
- Roland Götz, Uwe Halbach: Politisches Lexikon GUS; Beck’sche Reihe; München: Beck, 1992; ISBN 3-406-35173-5
- Erhard Stölting: Eine Weltmacht zerbricht. Nationalitäten und Religionen in der UdSSR; Frankfurt/Main: Eichborn, 1990; ISBN 3-8218-1132-3
- Monika Sattrasai, Monika Baumüller, Eckhard Schuster: Die Völker der Erde. Menschen, Kulturen, Lebenswelten; Faszination Erde; München: Kunth, 2006; ISBN 978-3-936368-24-6
- Carter Vaugn Findley: The Turks in World History; Oxford: Oxford University Press 2005; ISBN 0-19-517726-6
- Heinz-Gerhard Zimpel: Lexikon der Weltbevölkerung. Geografie – Kultur – Gesellschaft; Hamburg: Nikol, 2000; ISBN 3-933203-84-8
- Helmut Glück (Hrsg.): Metzler Lexikon Sprache; Stuttgart, Weimar: J. B. Metzler, 1993; ISBN 3-476-00937-8
Belege
- ↑ a b Heinz-Gerhard Zimpel: Lexikon der Weltbevölkerung; S. 557
- ↑ Die Völker der Erde. Menschen, Kulturen, Lebenswelten; S. 80
- ↑ a b Helmut Glück: Metzler Lexikon Sprache, S. 567
- ↑ Artikel Türkmen in: Encyclopaedia of Islam, Band 10; Leiden: Brill, 2000; ISBN 9004112111; S. 682
- ↑ Peter B. Golden: An Introduction to the History of the Turkic Peoples: Ethnogenesis and State-Formation in Medieval and Early Modern Eurasia and the Middle East; S. 212f.
- ↑ Erhard Stölting: Eine Weltmacht zerbricht; S. 187
- ↑ Erhard Stölting: Eine Weltmacht zerbricht; S. 169.187
- ↑ Erhard Stölting: Eine Weltmacht zerbricht; S. 169
- ↑ Erhard Stölting: Eine Weltmacht zerbricht; S. 189
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