Ulfberht

Ulfberht

Ulfberht ist eine moderne Transkription der Inschrift +VLFBERH+T, welche typischerweise auf frühmittelalterlichen, germanischen Schwertern des 8. bis 11. Jahrhunderts zu finden ist. Es existieren viele Variationen der Inschrift, wie zum Beispiel +VLFBERHT+ oder auch VLFBERH+T.[1] Allgemein vermutet man, dass es sich dabei ursprünglich um eine fränkische Person handelte, dessen Name und Werkstätte später eine Art Handelsmarke begründeten.

Inhaltsverzeichnis

Geschichtliche Einordnung und archäologische Bedeutung

Die meisten Schwerter sind nach der Oakeshott-Klassifikation als Typ X einzustufen, wobei der Übergang zu hochmittelalterlichen Schwertformen eher fließend ist. Auch finden sich nahezu alle zeittypischen Griffgestaltungen nach der Petersen-Gefäßtypologie (siehe Stalsberg S.8). Gemäß der Klassifikation der Schwerter nach Alfred Geibig[2][3] besteht ebenfalls keine Uniformität. Es ist davon ausgehen, dass diese Inschrift über mehrere Jahrhunderte gebraucht wurde, und zwar nicht nur von einer einzelnen Werkstatt oder Person. Die Art der Inschrift (das Vorhandensein von Kreuz-Symbolen vor und nach den eigentlichen Buchstaben) lässt auch Schlüsse auf die Herkunft und Bedeutung solcher Markierungen (siehe Stalsberg S.16) zu.

Die Tatsache, dass die meisten der Schwerter mit der Inschrift „Ulfberht“ in Skandinavien gefunden wurden, zeugt von ausgeprägten Handelsbeziehungen zwischen dem Frankenreich und Nordeuropa. Es sind Funde aus Osteuropa und sogar aus dem Nahen Osten belegbar (siehe Stalsberg S.20), die oft mit Gefäßen (Parierstange + Griff + Knauf) versehen wurden welche den örtlichen Gepflogenheiten entsprachen. Die allermeisten Klingen stammen jedoch aus dem fränkischen Rheingebiet, welches schon zur Latènezeit eine ausgeprägte Metallurgie aufwies.

Metallografische Forschung

Die Ergebnisse der modernen metallografischen Forschung belegen, dass die frühmittelalterlichen fränkisch-alemannischen Schwerter zu ihrer Zeit Spitzenprodukte darstellten, welche auf höchstem handwerklichen Niveau hergestellt wurden. Die Arbeiten des Dr. Stefan Mäder beweisen, dass die damaszierten Schwerter des Frühmittelalters einen oft hochkomplexen Aufbau aufwiesen und selektiv gehärtet wurden.[4][5] Die Forschungsergebnisse von Alan Williams[6] haben außerdem gezeigt, dass die „Ulfberht“-Exemplare aus durchaus gutem Stahl bestehen. Diese Ergebnisse decken sich ebenfalls mit den metallografischen Daten des Schwertes aus der Essener Domschatzkammer, welches aus mustergeschweißtem Stahl besteht, sehr geringe Anteile an Schwefel und Phosphor hat und Spitzenwerte von 1,1% Kohlenstoff aufweist.[7]

Der Aufbau frühmittelalterlichen Klingen war höchst variabel: es gab einfache aufgekohlte Eisenschwerter und komplexe Kompositklingen.[8] Bei damaszierten Schwertern wurde oft der Korpus aus Torsionsdamast geformt und die Schneiden separat angeschweißt. Spätkarolingische Schwerter mit der +VLFBERH+T-Inschrift hatten jedoch in der Regel keine sichtbaren Damaststrukturen; in dieser Zeit beginnt schon der zunehmende Verzicht auf komplexe Damaszierungen aufgrund der Verbesserung der Rennofentechnik.[9] Es kann also angenommen werden, dass der Wert der „Ulfberht-Handelsmarke“ aus der zur damaligen Zeit fortschrittlichen Rennofen- und Schmiedetechnik resultierte. Die eigentliche Inschrift wurde dann mithilfe glühenden Eisendrahtes oder anderen Materialien in den Klingenkorpus eingeschweißt. Die oben erwähnten Charakteristika und das metallurgische Wissen der frühmittelalterlichen Schmiede machte die Schwerter zu „High-Tech-Waffen“ der damaligen Zeit, was zur Wertschätzung und Bevorzugung bestimmter Erzeugnisse führte. Außer +VLFBERH+T sind auch andere Inschriften bekannt, wie zum Beispiel LEUTFRIT oder INGELRII.

Massenmediale Kontroverse

Bereits seit dem 19. Jahrhundert bestehen viele Schwert-Mythen, welche dem Prinzip nach eher urbane Legenden darstellen, die aber selbst heute noch Eingang in die Medien finden. Es existiert heute eine gewisse Tendenz zur Verklärung der alten Schmiedekunst, die sowohl Europa als auch Nahen und Fernen Osten betrifft.[10]

Es gab in der Vergangenheit Berichte[11], die unter Berufung auf Arbeiten von Alan Williams aus den 1970er Jahren davon ausgingen, dass „Ulfberht“-Schwerter anhand ihrer Inschrift +VLFBERH+T erkennbar sind und einen für ihre Herstellungszeit hohen Kohlenstoffanteil aufweisen, der das Material hart und dennoch elastisch machte. Diese Berichte weisen jedoch eine Reihe von fachlichen Fehlern auf:

Der von Williams gemessene Kohlenstoffgehalt von rund 1,0% (den er damals als ein Anzeichen von Tiegelstahl erklärte), konnte ebenfalls im Essener Zeremonialschwert nachgewiesen werden, welches nachgewiesenermaßen aus einheimischem Gärbstahl besteht. Die gleichmäßige Verteilung des Kohlenstoffes in europäischem Stahl (anders als bei Aufkohlung von Eisen, wo nur die Oberfläche des Materials kohlenstoffreich wird), wurde unter anderem von Stefan Mäder belegt. Laut J.D. Verhoeven sind Karbidbildner wie Vanadium und Molybdän in deutlich erhöhten Mengen bis 0,3% typisch für spezielle indische Eisenerze, welche auch in originalen Wootz-Klingen nachgewiesen wurden.[12] Dieser Nachweis bleibt bei europäischen Klingen bis heute aus.

Der zweite Fehler: kohlenstoffreicher Stahl ist spröde, kohlenstoffarmer Stahl ist jedoch duktil und neigt zum Verzug – falsche „Ulfberhte“ aus Eisen würden sich verbiegen, was bei Schwertern minderer Qualität auch oft geschah. Hier wird nämlich die (nicht durch Quellen belegte und physikalisch unmögliche) Legende bemüht, nach welcher damaszener Stahl zwei gegensätzliche Eigenschaften wie hohe Härte und Elastizität in sich vereinigte.

Des Weiteren wird behauptet, dass im Gegensatz zu herkömmlichen Schwertern, die einen Kern aus Eisen und Klingenkanten aus Stahl aufwiesen, die Kanten und der Kern der „Ulfberht“-Schwerter durchweg aus Stahl bestanden. Wenn man den technischen Sinn und Zweck der Damaszierungen außer acht lässt, bleibt hier die offensichtliche Unkenntnis der Tatsache, dass man in Europa bereits im Verlaufe des 10. Jahrhunderts zunehmend auf Damaszierungen verzichtete und Klingen nur aus Raffinierstahl herstellte, wobei Ganzstahlschwerter wie Kompositklingen nachgewiesen werden können.[13] Auch ist ab dem 11. Jahrhundert hochwertiger Stahl in größeren Mengen verfügbar, bedingt durch die Verbesserung der Rennofentechnik. Für die Verwendung von Tiegelstahl in europäischen Waffen gibt es also bis heute keine reproduzierbaren stichhaltigen Belege, denn die geringen Mengen an Schlacke und Stahlschädlingen (Schwefel, Phosphor), gleichmäßige Verteilung des Kohlenstoffes und sein hoher Gehalt könnten, durch neuere Forschungsergebnisse bestätigt, auch mit zu damaliger Zeit modernster Rennofentechnik produziert werden.

Letztendlich ist die Behauptung, dass gefälschte „Ulfberht“-Schwerter daran erkennbar waren, dass die Inschrift das zweite Kreuz hinter dem T aufwies und das H vor dem R stand („+VLFBEHRT+“), nicht verifizierbar, denn die Schreibweise +VLFBEHRT+ ist historisch nirgendwo belegt (siehe Stalsberg S. 6) und muss als massenmediale Desinformation betrachtet werden.

Siehe auch

Literatur

  • Ewart Oakeshott: The Sword in the Age of Chivalry, 1994, ISBN 978-0851153629
  • Alan R. Williams, Methods of Manufacture of Swords in Medieval Europe: Illustrated by the Metallography of Some Examples, Gladius 13 (1977), S. 75 - 101.
  • M. Müller-Wille: Ein neues ULFBERHT-Schwert aus Hamburg. Verbreitung, Formenkunde und Herkunft, Offa 27, 1970, 65-91
  • Ian Peirce: Swords of the Viking Age. The Boydell Press, 2002, ISBN 978-0851159140

Mediale Rezeption

  • Die Deutschen, zweite Staffel - Teil 1: Karl der Große und die Sachsen.

Einzelnachweise

  1. Anne Stalsberg: The Vlfberht sword blades reevaluated
  2. The Sword Typology of Alfred Geibig
  3. Geibig, Alfred: Beiträge zur morphologischen Entwicklung des Schwertes im Mittelalter. Eine Analyse des Fundmaterials vom Ausgehenden 8. bis zum 12. Jahrhundert aus Sammlungen der Bundesrepublik Deutschland. © 1991 Karl Wachholtz Verlag ISBN 3-529-01171-1
  4. Stähle, Steine und Schlangen. Zur Kultur- und Technikgeschichte von Schwertklingen des frühen Mittelalters.
  5. Mado wo akeru - Ein Fenster öffnen
  6. David Edge & Alan Williams: Some early medieval swords in the Wallace Collection and elsewhere.
  7. Alfred Pothmann (Hrsg.): Das Zeremonialschwert der Essener Domschatzkammer. Aschendorff, Münster 1995, ISBN 3-402-06243-7
  8. Klingenhärte und Aufbau
  9. Herbert Westphal: Zur Entwicklung mittelalterlicher Waffen (S.53)
  10. Mythos Damaszener Stahl
  11. Spiegel Online: „Markenpiraterie im Mittelalter - Wikinger fielen auf billige Schwert-Kopien herein“
  12. The Key Role of Impurities in Ancient Damascus Steel Blades
  13. Kirpichnikov, A. N., Bergman, L. T., Jansson, I. 2001: A New Analysis of Viking Age Swords from the Collection of the Statens Historiska Museer, Stockholm, Sweden. Russian History/Histoire Russe

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