Ulrich Campell

Ulrich Campell

Ulrich Campell (rätoromanisch Durich Chiampell; * um 1510 in Susch im Engadin; † um 1582 in Tschlin) war Reformator, Chronist und rätoromanischer Liederdichter. Er gilt als Begründer der rätischen Geschichtsschreibung und der rätoromanischen Schriftsprache.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Ulrich Campell wurde als Sohn des Engadiner Bauern und Kriegsmannes Chaspar Campell geboren, der sich relativ früh den Ideen der Reformation angeschlossen hatte. Ulrich bekam seine theologische Ausbildung bei Philipp Gallicius, dem ersten Reformator des Engadins.

Campell heiratete und folgte Gallicius nach Malans, als dieser dort Pfarrer wurde. Schon bald brachte seine Frau im heimatlichen Susch eine Tochter zur Welt. Da das Kind schwächlich und sein Überleben fraglich war, wurde es kurzerhand von seinem Grossvater getauft, da dieser nichts von den katholischen Priestern hielt. Diese Taufe bildet der Hintergrund für die Glaubensdisputation von Susch, die vom 29. Dezember 1537 bis 4. Januar 1538 stattfand. Campell nahm als Zuhörer daran teil und zeichnete ihren Verlauf auf. [1]

Wo er sich in den folgenden Jahren bis 1548 aufhielt, ist nicht bekannt. Möglicherweise setzte er seine Studien fort, vielleicht war er bereits als reformierter Pfarrer tätig. Zwischen 1548 und 1550 war er Pfarrer in Klosters im Prättigau, wo er ein jährliches Gehalt von 70 Gulden erhielt.

1550 kehrte er nach Susch zurück, setzte sich in den Dörfern des Engadins für die Reformation ein und verhalf ihr nach langwierigen Auseinandersetzungen zum Durchbruch. 1554 wirkte er als Prediger in Zuoz, nach 1556 war er wieder in Susch als Pfarrer tätig.

1562 erschienen die von ihm herausgegebenen Psalmenübersetzungen Ün Cudesch da Psalms, das erste Buch in rätoromanischer Sprache, sowie die geistlichen Lieder Chiantzuns Spirituals. Damit legte Campell den Grundstein für die Unterengandiner Schriftsprache Vallader. Daneben verfasste bzw. übersetzte er Dramen mit Inhalten aus der Bibel, die unter grossem Zulauf der Bevölkerung in den Engadiner Dörfern aufgeführt wurden.

1570 wurde er an die Regulakirche nach Chur berufen, wo er jedoch nur vier Jahre tätig war. Er wurde in Streitigkeiten um seinen Vorgänger Johannes Gantner verwickelt, der sich für einen Anhänger der Täuferbewegung, den Buchhändler Georg Frell, eingesetzt hatte und entlassen worden war. [2], [3]

Das Predigen in deutscher Sprache bereitete dem romanisch aufgewachsenen Campell Schwierigkeiten. Von dieser Zeit berichten die Briefe, die er an Heinrich Bullinger in Zürich schrieb. 1574 wurde er in Chur entlassen und übernahm die Pfarrstelle der abgelegenen Gemeinde Tschlin im Unterengadin, wo er vermutlich 1582 verstarb.

Werke

Neben den oben erwähnten geistlichen Werken veröffentlichte Campell mehrere Schriften. In zwei Büchern wandte er sich gegen italienische Prediger aus den Bündner Südtälern, mit deren Ansichten er nicht einverstanden war. Im einen Buch schrieb er über die Vorsehung, im andere über die Prädestination. Das erste Buch wurde in der Bündner Synode und von Zürcher Theologen zustimmend zur Kenntnis genommen. Beim zweiten Werk waren die Zürcher jedoch der Meinung, dass es besser wäre, die Angelegenheit ruhen zu lassen und die Schrift wurde nicht gedruckt.

Von besonderer Wichtigkeit waren für Campells wissenschaftliche Werke die Arbeiten des Zürcher Predigers und Professors Josias Simler. Simler sammelte Material für die Geschichte der Eidgenossenschaft und Campell über seine rätische Heimat.

Zuerst verfasste Campell die umfangreiche Raetiae alpestris topographica descriptio, zu der Simler mehrere Verbesserungsvorschläge machte. Nach dem Tod Simlers im Jahre 1576 scheiterte dessen Vorhaben einer eidgenössischen Geschichtsschreibung; erschienen war nur der Band über das Wallis. Auch ohne Simlers Unterstützung setzte Campell seine Arbeit über die rätische Geschichte (Historia Raetica) vom Altertum bis zu seiner eigenen Zeit fort.

Während Campells Arbeit über die ältere Zeit zum grossen Teil aus Legenden und ungesicherten Überlieferungen besteht, gilt seine Darstellung des 16. Jahrhunderts bis heute als eine der wichtigsten Quellen zur Geschichte Graubündens. Sie beruht zum grössten Teil auf Aussagen von Zeitgenossen und auf eigene Erfahrungen des Verfassers. Ausführlich stellt er dabei die politischen und kirchenpolitischen Händel dieser Zeit dar. Trotz aller ausschweifenden und dogmatischen Ausführungen beruft sich die Forschung bis heute auf Campells Darstellung. Auch Burgenforscher beziehen sich oft auf Campell, da dieser zahlreiche mittelalterliche Burgstellen besuchte und beschrieb. Gedruckt wurde Campells Arbeit jedoch erst im 19. Jahrhundert.

Einzelnachweise

  1. Glaubensdisputation von Susch
  2. Erich Wenneker: GANTNER, Johannes. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 15, Herzberg 1999, ISBN 3-88309-077-8, Sp. 604–607.
  3. Erich Wenneker: EGLI, Tobias. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 15, Herzberg 1999, ISBN 3-88309-077-8, Sp. 510–514.

Weblinks


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