- Heinrich Bullinger
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Heinrich Bullinger (* 18. Juli 1504 in Bremgarten, Aargau; † 17. September 1575 in Zürich) war ein Schweizer Reformator und während 44 Jahren Antistes der Zürcher reformierten Kirche. Er war einer der führenden Theologen des Protestantismus im 16. Jahrhundert. Ethelbert William Bullinger (1837-1913), ein führender Theologe des amerikanischen Protestantismus und Herausgeber der Companion Bible, ist ein direkter Nachfahr.
Inhaltsverzeichnis
Kirchengeschichtliche Zeitumstände
Bullingers Studienjahre fielen in die Anfangszeit der Reformation und während seiner langen Amtszeit in Zürich kam es zu bedeutenden Ereignissen wie der Reformation in England, der Reformation in Genf durch Johannes Calvin, dem Schmalkaldischen Krieg, dem Augsburger Religionsfrieden und der Bartholomäusnacht in Frankreich.
Leben
Heinrich Bullinger wurde 1504 in der Kleinstadt Bremgarten als Sohn des im Konkubinat lebenden katholischen Pfarrers Heinrich Bullinger geboren (1529 bekehrte sich auch der Vater zur Reformation und legalisierte seine Ehe). Bereits mit fünf Jahren besuchte er die Lateinschule. Er studierte bei Matthias Aquensis in Köln, einer ausgeprägt katholischen Hochschule Kirchenväter und alte Sprachen und schloss sich in dieser Zeit der Reformation an.
1523 wurde er mit 19 Jahren Lehrer im Zisterzienserkloster Kappel am Albis und unterrichtete nicht nur Klassiker, sondern auch Melanchthons Abhandlungen. Sein Unterricht war so interessant, dass nicht nur der Abt und alle Mönche, sondern auch Leute aus der Umgebung daran teilnahmen.
1528 ging er mit Ulrich Zwingli zum Religionsgespräch in Bern, auf das hin sich die Stadt Bern zur Reformation bekannte. Auch das Kloster Kappel schloss sich der Reformation an und Bullinger wurde neben seinem Lehramt auch Prediger im benachbarten Hausen am Albis.
1529 wurde Bullingers Vater in Bremgarten wegen seines evangelischen Bekenntnisses abgesetzt. Kurz darauf hielt jedoch sein Sohn eine Probepredigt in seiner Heimatstadt, in deren Folge die Bürger ihre Heiligenbilder verbrannten und den jungen Pfarrer zu ihrem Seelsorger wählten. Im selben Jahr heiratete er Anna Adlischwyler, die Tochter von Hans Waldmanns Leibkoch und eine der letzten Nonnen aus dem Kloster Oetenbach in Zürich. [1] Er führte mit ihr eine glückliche Ehe, die überall als Vorbild galt. Er war den gemeinsamen elf Kindern ein liebevoller Vater, der gerne mit ihnen spielte und ihnen zu Weihnachten Verse schrieb. Sein Haus war ständig angefüllt mit Flüchtlingen, Pfarrerkollegen und Rat- und Hilfesuchenden. Alle seine Söhne wurden Pfarrer.
Nach der Niederlage im Zweiten Kappelerkrieg 1531, wo Zwingli den Tod fand, musste Bremgarten mit dem übrigen Freiamt zum katholischen Glauben zurückkehren. Bullinger und zwei Amtsbrüder mussten die Stadt verlassen, auch wenn die Bevölkerung sie ungern gehen sah. Bullinger kam mit seiner Frau Anna und zwei kleinen Kindern als Flüchtling nach Zürich, wo er schon am Sonntag nach seiner Ankunft auf Zwinglis Kanzel im Grossmünster «eine Predigt herunterdonnerte, dass es vielen vorkam, Zwingli sei nicht tot, sondern gleich dem Phoenix wieder auferstanden» (Oswald Myconius).[2] Im Dezember desselben Jahres wurde er mit 27 Jahren zum Nachfolger Zwinglis als Antistes der Zürcher Kirche gewählt. Er nahm die Wahl erst an, als ihm der Rat ausdrücklich zugesichert hatte, er könne seine Verkündigung «frei, ungebunden und ohne Einschränkung» halten, auch wenn dabei Kritik an der Obrigkeit nötig sei. Er blieb in diesem Amt bis zu seinem Tod 1575.
1536 verfasste er zusammen mit Oswald Myconius und Leo Jud das erste Helvetische Bekenntnis, das von Zürich, Bern, Basel, Schaffhausen, St. Gallen, Mülhausen und Biel gemeinsam herausgegeben wurde.
Bullingers Gastfreundschaft gab in Zürich ein Beispiel und die Stadt nahm viele protestantische Flüchtlinge auf, auch aus dem Tessin, dann auch nach dem Tod von Heinrich VIII. aus England. Als diese Flüchtlinge nach dem Tod der Blutigen Maria wieder nach England zurückkehrten, nahmen sie Bullingers Schriften mit, die dort starke Verbreitung fanden. Von 1550 bis 1560 gab es in England 77 Auflagen von Bullingers Dekaden und 137 Auflagen seines Hausbuchs (zum Vergleich: die Institutiones von Calvin erlebten in der gleichen Zeit zwei englische Auflagen).
Obwohl Bullinger selbst die Schweiz nie mehr verlassen hat, seitdem er Antistes von Zürich wurde, hatte er Briefwechsel mit ganz Europa und war so ausgezeichnet informiert, dass er sogar eine Art Zeitung über politische Ereignisse herausgab.
Zusammen mit Johannes Calvin erarbeitete er den Consensus Tigurinus von 1549, der eine Einigung in der Abendmahlfrage zwischen Zwinglianern und Calvinisten bedeutete, wodurch in der Schweiz eine Separatentwicklung der verschiedenen reformierten Richtungen verhindert wurde.
Selbst schwer erkrankt und von Conrad Gessner, Stadtphysicus von Zürich gepflegt, verlor Bullinger im Jahr 1565 durch eine Pest-Epidemie seine Frau und drei Töchter.
Werke
Bullingers theologische Werke umfassen 124 Titel, darunter
- Dekaden, auch als Hausbuch bezeichnet. – Bullingers theologisches Hauptwerk. Es handelt sich um eine Zusammenstellung von fünfzig lateinischen Lehrpredigten (fünf Bücher zu je zehn Predigten, daher «Dekaden»), die zwischen 1549 und 1552 in Zürich erschienen sind. Sie behandeln alle wichtigen Punkte des reformierten Glaubens. Die Dekaden wurden auf deutsch, englisch, französisch und holländisch übersetzt und hatten einen grossen Einfluss auf Calvin, auf den Heidelberger Katechismus und insbesondere auch die englische und später amerikanische reformierte Frömmigkeit.
- Briefe – Bullingers Briefwechsel ist der umfangreichste, der aus dem 16. Jahrhundert bekannt ist. Es existieren über 12'000 Briefe von und an Bullinger, darunter z. B. allein 300 Briefe an Calvin. Bullinger korrespondierte mit Reformierten, Lutheranern, Anglikanern und Täufern und stand im Briefwechsel mit Lady Jane Grey, Heinrich II. und Franz II. von Frankreich, Heinrich VIII., Eduard VI. und Elisabeth I. von England, Christian von Dänemark, Philipp von Hessen und dem Pfalzgrafen Friedrich III. Bullinger war der persönliche Freund und Ratgeber vieler führender Persönlichkeiten der Reformation.
- Zweites Helvetisches Bekenntnis. – Von Bullinger als persönliches Glaubensbekenntnis verfasst und von Friedrich III. veröffentlicht.
- Der Wiedertäufern Ursprung, Fürgang, Sekten. (1560) – Bullingers polemische Sicht auf den Ursprung der Täufer (Abstreitung, dass diese aus der Zürcher Reformation heraus entstanden sind), diese Sicht wirkte bis weit ins 20. Jahrhundert, gilt jetzt aber als widerlegt.
- Geschichtswerke: eine Reformationsgeschichte (1564) (eine der wichtigsten historischen Quellen für die Reformation), eine Geschichte der Eidgenossen (1568) und eine Zürcher Geschichte (1574)
- Lateinische Bibelkommentare über alle Bücher des Neuen Testaments.
- Zahlreiche Predigten, darunter 66 über Daniel, 170 über Jeremia und 190 über Jesaja
- Studiorum ratio. - eine Studienanleitung für Studenten
- Eine Schrift über die Verfolgung der Christen von der Antike bis ins 16. Jahrhundert.
Einzelnachweise
- ↑ Fred Rihner: Illustrierte Geschichte der Zürcher Altstadt; Bosch Verlag, Zürich 1975
- ↑ Brief von Oswald Myconius an Simprecht Schenck vom 29. November 1531 (d. h. knapp eine Woche nach der Predigt), vgl. C[arl] Pestalozzi: Heinrich Bullinger. Elberfeld 1858, S. 72.
Literatur
- J. Wayne Baker: Heinrich Bullinger and the Covenant. The Other Reformed Tradition. Ohio University Press, Athens 1980, ISBN 0-8214-0554-3.
- Fritz Blanke: Heinrich Bullinger: Vater der reformierten Kirche. Theologischer Verlag, Zürich 1990, ISBN 3-290-10079-0.
- Fritz Büsser: Bullinger, Heinrich. In: Theologische Realenzyklopädie (TRE). Band 7, de Gruyter, Berlin/New York 1981, ISBN 3-11-008192-X, S. 375–387.
- Emidio Campi, Peter Opitz (Hrsg.): Heinrich Bullinger: Life – Thought – Influence. 2 Bände. Theologischer Verlag, Zürich 2007, ISBN 978-3-290-17387-6.
- Ulrich Gäbler, Erland Herkenrath: Heinrich Bullinger, 1504–1575: Gesammelte Aufsätze zum 400. Todestag. Theologischer Verlag, Zürich 1975. ISBN 3-290-14607-3.
- Justus Heer, E. Egli: Bullinger, Heinrich. In: Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche (RE). 3. Auflage. Band 3, Hinrichs, Leipzig 1897, S. 536–549.
- Johann Kaspar Mörikofer: Bullinger, Heinrich. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 3, Duncker & Humblot, Leipzig 1876, S. 513 f.
- Peter Opitz: Heinrich Bullinger als Theologe, eine Studie zu den «Dekaden». Theologischer Verlag, Zürich 2004, ISBN 3-290-17305-4.
- Rudolf Pfister: Bullinger, Heinrich. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 3, Duncker & Humblot, Berlin 1957, S. 12.
- Robert Stupperich: Reformatorenlexikon. Verlag Max Mohn, Gütersloh 1984, ISBN 3-579-00123-X.
Weblinks
- Literatur von und über Heinrich Bullinger im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Heinrich Bullinger. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL).
- Hans Ulrich Bächtold: Heinrich Bullinger im Historischen Lexikon der Schweiz
- Carl Pestalozzi: Heinrich Bullinger: Leben und ausgewählte Schriften, 1858 Online
- Institut für schweizerische Reformationsgeschichte - Heinrich Bullinger Werke
- Heinrich Bullinger - Texte in der Glaubensstimme
- Eintrag zu Bullinger im Index Librorum Prohibitorum von 1559
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