- Unfehlbarkeit
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Unfehlbarkeit bedeutet Irrtumslosigkeit, Fehlerlosigkeit, Perfektion im Tun. Eine Person oder Institution wäre dann unfehlbar, wenn sie frei von Fehleinschätzungen, irrtümlichen Entscheidungen und fehlerhaften Handlungen wäre. Nach menschlichem Ermessen ist dies nicht möglich. Im Glauben einzelner Religionen, Konfessionen und Ideologien spielt die Unfehlbarkeit eine Rolle.
In einem spezielleren Sinn meint Unfehlbarkeit (Infallibilität, lat.: Infallibilitas) eine Eigenschaft, die - nach römisch-katholischer Lehre (1. Vatikanisches Konzil 1870) - dem römischen Bischof (Papst) zukommt, wenn er in seinem Amt als "Lehrer aller Christen" eine Glaubens- oder Sittenfrage als endgültig entschieden verkündet.[1]
Inhaltsverzeichnis
Römisch-katholische Kirche
Grundlagen und Definitionen
Grundlage theologisch begründeter Unfehlbarkeit ist hier nicht der Mensch, sondern Gott, der einem Menschen die Unfehlbarkeit aus bestimmten Gründen verleiht. Ein allmächtiger Gott kann nach dieser Meinung die Unfehlbarkeit eines Menschen bewirken. Nach römisch-katholischem Glauben hat Christus seiner Kirche zugesagt, der Heilige Geist werde sie in der Wahrheit lehren und erhalten (Joh 16,13 EU), und in ihr das Bischofs- und Priesteramt für den Dienst der Einheit in der Wahrheit gestiftet (Mt 16,18 EU). Daher gelten bestimmte Entscheidungen eines Konzils oder des Papstes als Nachfolger des Apostels Petrus als unfehlbar. Die katholische Kirche glaubt, da die von Menschen geschriebenen biblischen Texte zugleich das unfehlbare Wort Gottes seien, dass Gott auch weiterhin Menschen in bestimmten, amtlich nachvollziehbaren Fällen (Bischöfe, Papst) zu unfehlbaren Aussagen befähige. Hingegen ist ein amtsungebundenes, unfehlbares Charisma der katholischen Kirche unbekannt. Schon deshalb kann nach katholischer Auffassung die Begründung neuer Konfessionen nicht irrtumsfrei sein.
Die kirchenamtliche, geistliche Unfehlbarkeit bezieht sich nur auf als letztgültig (unwiderruflich) proklamierte Glaubens- (oder Moral-) Lehrentscheidungen. Sie wurde mit dem Konzilsdekret Pastor Aeternus auf dem Ersten Vatikanischen Konzil am 18. Juli 1870 unter Papst Pius IX. selbst als (unfehlbarer) Glaubenssatz verkündet. Die Definition lautet:[3]
„Zur Ehre Gottes, unseres Heilandes, zur Erhöhung der katholischen Religion, zum Heil der christlichen Völker lehren und erklären wir endgültig als von Gott geoffenbarten Glaubenssatz, in treuem Anschluss an die vom Anfang des christlichen Glaubens her erhaltene Überlieferung, unter Zustimmung des heiligen Konzils: Wenn der Römische Papst in höchster Lehrgewalt (ex cathedra) spricht, das heißt: wenn er seines Amtes als Hirt und Lehrer aller Christen waltend in höchster apostolischer Amtsgewalt endgültig entscheidet, eine Lehre über Glauben oder Sitten sei von der ganzen Kirche festzuhalten, so besitzt er aufgrund des göttlichen Beistandes, der ihm im heiligen Petrus verheißen ist, jene Unfehlbarkeit, mit der der göttliche Erlöser seine Kirche bei endgültigen Entscheidungen in Glaubens- und Sittenlehren ausgerüstet haben wollte. Diese endgültigen Entscheidungen des Römischen Papstes sind daher aus sich und nicht aufgrund der Zustimmung der Kirche unabänderlich. Wenn sich jemand — was Gott verhüte — herausnehmen sollte, dieser unserer endgültigen Entscheidung zu widersprechen, so sei er ausgeschlossen.“
Nur wenn in aller Form (ex cathedra) eine Glaubensüberzeugung zum Dogma erklärt wird, gilt diese als verbindlich und irrtumsfrei. Es können jedoch nur solche Glaubensüberzeugungen als „festzuhalten“ zum Dogma erklärt werden, die nicht im Widerspruch zur Bibel und zur apostolischen Tradition stehen, wie sie in der katholischen Kirche geglaubt (sensus fidei) werden. Die Intention der päpstlichen Unfehlbarkeit ist also, dass der Papst bei einem Streit innerhalb der Kirche das „letzte Wort“ hat. Das Unfehlbarkeitsdogma darf nicht als Freibrief für willkürliche Erfindungen interpretiert werden.
Als unfehlbar gilt nur die dogmatische Aussage, die mit der Formel definimus et declaramus (oder vergleichbaren Formulierungen) eingeleitet wird; es gibt keine Pflicht, auch die theologischen und historischen Begründungen und weitergehenden Ausführungen innerhalb des Dokuments, in dem ein Dogma definiert wird, zu glauben.
Im Jahr 1854, also bereits vor dem Inkrafttreten des Dogmas, gab es bereits eine Verkündung, die dessen Bedingungen erfüllte, nämlich die von der „Unbefleckten Empfängnis Mariae“. Die römisch-katholische Kirche partizipiert an dem Dogma insofern, als dadurch Glaubenszweifel ausgeräumt werden, entsprechend Katechismus der Katholischen Kirche von 1992, Paragraph 889:
„Um die Kirche in der Reinheit des von den Aposteln überlieferten Glaubens zu erhalten, wollte Christus, der ja die Wahrheit ist, seine Kirche an seiner eigenen Unfehlbarkeit teilhaben lassen.“
Da das Erste Vatikanische Konzil mit dem Ausbruch des deutsch-französischen Krieges abgebrochen wurde, sind die Bestimmungen zur Unfehlbarkeit unvollständig geblieben. Über die Frage der Unfehlbarkeit der Kirche als ganzer und ihres Verhältnisses zur Unfehlbarkeit des Papstes sowie der Notwendigkeit der Rezeption eines ausgesprochenen Dogmas durch die Kirche gibt es dort keine gleichermaßen ausführlichen Bestimmungen wie für die päpstliche Unfehlbarkeit.
Das Zweite Vatikanische Konzil hat die Lehre von der Unfehlbarkeit in Lumen Gentium wiederholt und in die Lehre vom Kollegium der Bischöfe integriert. Dieses Kollegium konstituiert sich jedoch nach katholischem Verständnis nur mit und unter dem Papst, so dass ein Bischof außerhalb der Gemeinschaft mit dem Papst nur unvollständige Amtsgewalt innehaben kann.
Anwendung des Dogmas
Verglichen mit den Kontroversen, welche die Verkündung des Dogmas 1870 hervorgerufen hat, ist seine praktische Bedeutung sehr gering. Nur einmal hat ein Papst, Pius XII., seither davon Gebrauch gemacht, als er 1950 mit dem Schreiben Munificentissimus Deus die leibliche Himmelfahrt Marias verkündete.
Sein Nachfolger, Johannes XXIII., hat sogar zu Beginn seiner Amtszeit erklärt, dass er nicht beabsichtige, von dem Dogma weiteren Gebrauch zu machen. Als Kandidat für die nächste Dogmatisierung eines Glaubensartikels galt gerüchteweise die Coredemptrix-Formel, die Maria neben Christus zur „Miterlöserin“ erklären soll. Allerdings hat sich Papst Benedikt XVI. in seiner Zeit als Kardinal gegen ein solches Dogma ausgesprochen. Darüber hinaus gelten solche Dogmatisierungen, wie die Dogmen der unbefleckten Empfängnis und der Aufnahme Mariens in den Himmel, heute vielen als nicht opportun, zumal sie auch dem ursprünglichen Sinn dogmatischer Definitionen nicht entsprechen, in einer aktuell heftig umstrittenen Glaubensfrage eine verbindliche Entscheidung herbeizuführen. Allerdings hat Papst Paul VI. anlässlich des Konzils 1964 die Jungfrau Maria zur Mater Ecclesiae proklamiert, zur „Mutter der Kirche“. Das zeitgleich beschlossene Schlusskapitel von Lumen Gentium enthält nach Auffassung von Papst Johannes Paul II. alle wesentlichen Aussagen zu Maria, so dass mit weiteren Dogmen, die nurmehr „schmückende Wirkung“ hätten, nicht mehr zu rechnen ist.
Ausformungen und theologische Diskussion
Die Unfehlbarkeit wurde auch innerhalb der Kirche durchaus kritisch betrachtet und führte beispielsweise zur Trennung zwischen den Altkatholiken und den römischen Katholiken.[4] Andererseits ging die Definition des Ersten Vatikanischen Konzils anderen nicht weit genug. Über die Definition des Konzils hinaus wird die Unfehlbarkeit gelegentlich auch anderen Rechtsinstanzen der römisch-katholischen Kirche zugeschrieben. In jedem Fall gelten jedoch die Elemente obiger Definition für die Unfehlbarkeit als unverzichtbar. So muss die als unfehlbar vorgetragene Lehre vom Papst (mit-) verkündet werden und bei der Verkündigung der Lehre muss hinreichend deutlich auf die Unfehlbarkeit der Lehrentscheidung verwiesen werden.
Der Papst im Allgemeinen
Nach obiger Definition der Unfehlbarkeit gelten Entscheidungen des Papstes in Glaubensfragen nur dann als unfehlbar, wenn er ex cathedra spricht. Dies beinhaltet, dass er seine Aussage sinngemäß als endgültig und verbindlich bezeichnen muss. Darüber hinaus wird gelegentlich irrtümlich die Meinung vertreten, er sei immer dann unfehlbar, wenn er sein Lehramt ausübe, beispielsweise bei Predigten, Apostolischen Rundschreiben oder Enzykliken. In der Kirchengeschichte finden sich einige Male irritierende Lehrmeinungen von Päpsten, die später von anderen Päpsten oder Konzilien als Irrtümer beurteilt wurden. So fanden sich bei Liberius uneindeutige Positionen zum Arianismus, bei Honorius I. ein „verdächtiger“ Vorschlag zum Monotheletismus, bei Nikolaus I. eine für ungenügend erachtete Taufformel und bei Johannes XXII. eine Tendenz zu einer quasi frühmodern abgeschwächten Auffassung von der visio beatifica der Verstorbenen (vgl. Benedictus Deus). Diese Lehrmeinungen wurden auch brieflich oder als Predigten und somit im Rahmen des gewöhnlichen Lehramts vorgetragen, jedoch nie mit Entscheidungsanspruch in der Sache. Die Zahl der unsicheren Fälle ist aber extrem gering.
Der häufig als „Beweis“ päpstlichen Irrtums zitierte Fall Galileo Galilei betrifft das päpstliche Amt nur mittelbar, da die sehr komplexe Materie von einer nachgeordneten Stelle beurteilt wurde. Außerdem betraf der theologische Streitpunkt die Bibelauslegung, nicht aber den wissenschaftlichen Erkenntnisstand. Für diesen ist das Papsttum nach eigener Auffassung jedenfalls unzuständig, da wissenschaftliche Erkenntnisse nie Teil der göttlichen Offenbarung sind.
Dem Papst wird aber auch in Ausübung seines ordentlichen Lehramts keine definitive Unfehlbarkeit zugestanden. Trotzdem gilt ein Vertrauensprinzip über den schmalen Bereich expliziter Definitionen hinaus. Was die Kirche in breiter Kontinuität ununterbrochen lehrt, darauf darf der Gläubige sich im Wesentlichen verlassen. Die umstrittene Enzyklika Humanae Vitae betreffend, sagt etwa eine wachsende Zahl von moraltheologischen Experten, dass zuverlässig nicht sündigt, wer dieser päpstlichen Affirmation des überlieferten Ehebildes folgt. Explizite Definitionen zur Sittenlehre hat das kirchliche Lehramt allerdings bislang noch nicht ausgesprochen. Es ist im Allgemeinen zu vermuten, dass die Bischöfe oder der Papst in Ausübung des ordentlichen Lehramtes die wahre Lehre Christi verkünden. Dies gilt allenfalls nicht bei bekannten Häretikern. Auch ist der Papst nicht sündenfrei, weshalb er wie andere Gläubige die Beichte ablegt.
Bischöfe
Gelegentlich wird einzelnen Bischöfen oder bestimmten Bischofsversammlungen die Unfehlbarkeit zugesprochen. Allerdings wurden in der Kirchengeschichte jedoch sowohl von einzelnen Bischöfen als auch von Bischofskollegien Meinungen gelehrt, die später von der Kirche als Häresie abgelehnt wurden. Ein Beispiel sind die Beschlüsse einer Synode von Ephesus im Jahr 449 ("Räubersynode"), die im Jahr 451 vom Konzil von Chalkedon abgelehnt und zurückgewiesen wurden.[5] Aus diesem Grund wird einzelnen Bischöfen und Bischofssynoden nicht die Unfehlbarkeit zugestanden. Den Bischöfen im Allgemeinen und in ihrer kollegialen Gesamtheit wird die Unfehlbarkeit nur insoweit zugestanden, als sie eine unfehlbare Lehrentscheidung in Einheit mit dem Papst vortragen. Die Unfehlbarkeit wird immer dann durch die Mitwirkung des Papstes sichergestellt.
Konzilien
Konzilien besitzen gemäß katholischer Lehre dann die Unfehlbarkeit, wenn sie eine Lehre als endgültig und verbindlich bezeichnen und wenn der Papst dem jeweiligen Dokument zustimmt. Allerdings bezieht sich die Unfehlbarkeit nicht auf alle Konzilstexte, sondern lediglich auf die hinreichend als unfehlbar gekennzeichneten Passagen. Auch in diesem Fall wird die Unfehlbarkeit durch die Mitwirkung des Papstes sichergestellt. Interessant ist zwar, dass der Papst ohne Zustimmung eines Konzils, das Konzil jedoch nur in Einheit mit dem Papst Glaubenssätze dogmatisieren kann; somit ist die Zustimmung eines Konzils nicht erforderlich.[6] Es widerspräche aber dem sakramentalen Begriff der Kirche, würde man daraus eine päpstliche Befugnis zur Despotie herleiten. Der Papst wird nicht gegen die Überzeugung des Kollegiums der Bischöfe entscheiden können, ohne selbst den Boden des katholischen Glaubens zu verlassen.
Konzilstexte im Allgemeinen werden nicht als unfehlbare Definitionen angesehen. Darüber hinaus wird es bei der großen Menge veröffentlichter Konzilstexte als vermessen angesehen, alle Texte wären vollkommen fehlerfrei. Die Dogmatisierung umfangreicher Abhandlungen würde eher zu Glaubensunsicherheit denn zu einer Präzisierung des Glaubens führen, insbesondere wenn der jeweilige Text mehr als eine Interpretation zulässt. Daher wurde in vielen Konzilsdokumenten (beispielsweise in der Dogmatischen Konstitution über die Kirche Christi des ersten vatikanischen Konzils) genau festgelegt, welche Absätze unfehlbar sind. Außerdem werden die als dogmatisch verbindlich verkündeten Glaubensinhalte besonders prägnant formuliert, um den Interpretationsspielraum zu reduzieren.
Ein besonderes Beispiel ist das Zweite Vatikanische Konzil, es verzichtete vollkommen darauf, neue Glaubenssätze zu verkünden und als dogmatisch, endgültig oder verbindlich einzustufen. Formulierungen wie „wir erklären feierlich“, „wir lehren endgültig“ fehlen. Papst Johannes XXIII. brachte dies zum Ausdruck, indem er das Konzil als pastoral (im Gegensatz zu definitiv) einberief. Da den Konzilsvätern andererseits die einschlägigen theologischen Argumente und Formfragen zur Unfehlbarkeit bekannt waren, wird davon ausgegangen, dass sie absichtlich auf die Dogmatisierung einzelner Aussagen verzichteten. Dennoch gelten die wesentlichen Aussagen des II. Vaticanum als verbindliche Lehre der Kirche, die sich überdies auf diesem Konzil erstmals ausführlich mit ihrer eigenen Struktur und Aufgabe zusammenhängend befasst hat.
Allgemeines Glaubensgut und Tradition
Allgemein nimmt die katholische Kirche an, dass das gesamte, von Gott in Jesus Christus geoffenbarte Glaubensgut (auch Depositum fidei genannt) seit der Urkirche vorhanden ist (Abschluss der Offenbarung)[7], soweit es für die Kirche notwendig ist. Sie nimmt ferner an, dass die mit dem Ende apostolischer Zeit vollständige Offenbarung zwar örtlich und zeitlich begrenzt von Irrtum verfälscht wurde, aber von der kirchlichen Tradition im Allgemeinen zuverlässig weitergegeben wurde. Zu unterscheiden ist der wesentliche Gehalt des Glaubens von den zeitgebundenen Ausdrucksformen. Das Kriterium der Unterscheidung ist dem kirchlichen Lehramt, Papst und Bischöfen, nicht aber einzelnen Bischöfen oder Theologen anvertraut. Glaubenssätze dürfen folglich, auch wenn ihr Verständnis zur Entwicklung fähig ist, im Kern nicht dem widersprechen, was „immer und überall“ von der Kirche geglaubt worden ist. Dies bedeutet, dass der betreffende Glaubenssatz auch unabhängig von einer Dogmatisierung wahr ist, dass lediglich die Kirche kein endgültiges Urteil darüber abgegeben hatte.
Hierbei werden gelegentlich die Irrtumslosigkeit der göttlichen Offenbarung, in kirchlicher Tradition des Wortes Gottes selbst, mit der päpstlichen Unfehlbarkeit verwechselt oder gleichgesetzt. Hierbei bezieht sich jedoch die päpstliche Unfehlbarkeit auf das päpstliche Urteil, welche Glaubensinhalte nun der göttlichen Offenbarung entsprechen, welche Aussagen aber Verfälschungen darstellen. Das Papsttum hat bewusst fast alle Streitfragen der theologischen Schulen bislang offen gelassen, so sogar im Fall der Aufnahme Mariens in den Himmel (definiert 1950) die Frage, ob die Mutter Jesu gestorben ist, bevor sie mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen wurde. Diese Zurückhaltung im Amtsgebrauch mahnt dazu, das Papsttum nicht vom Unfehlbarkeitsanspruch ausgehend „abwärts“, sondern von seinem täglichen Auftrag im Leben der Kirche her „aufsteigend“ zu verstehen.
Orthodoxe Kirche
Die Orthodoxe Kirche kennt nur die Unfehlbarkeit der Kirche. Dieser Glaube besagt, der Heilige Geist werde nicht zulassen, dass die gesamte Kirche sich in Irrlehren verliert, sondern werde einen Weg schaffen, dies zu verhindern. Jedoch ist keine einzelne Person oder Institution automatisch unfehlbar – ein Ökumenisches Konzil gilt zwar als unfehlbar, aber nicht jedes Konzil, das sich selbst als Ökumenisches Konzil bezeichnet, muss deswegen auch eines sein. Diesen Status erhält ein Konzil erst durch die nachträgliche Rezeption durch die Kirche. Dies ist nicht nur ein theoretisches Konstrukt, es existieren auch konkrete Beispiele; am bekanntesten ist die sogenannte Räubersynode von Ephesus im Jahre 449, die ökumenischen Status beanspruchte, aber hiermit keine Anerkennung fand.
Altkatholische Kirche
Die altkatholische Kirche entstand aus einer innerkatholischen Widerstandsbewegung, die das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes nicht akzeptierte. Sie kennt daher keine unfehlbare Instanz in der Kirche, steht aber dem oben genannten Glauben der orthodoxen Kirche über die Unfehlbarkeit der Kirche nahe.
Evangelische Kirchen
Die evangelischen Kirchen lehnen die Lehre von der wie auch immer gearteten Unfehlbarkeit vergangener oder heute lebender Personen oder Amtsinhaber (außer Jesus Christus selber) ab. Auch die Reformatoren gelten nicht als unfehlbar, aber als in ihrer Zeit berechtigt, das Evangelium gegen eine Art von Verdunklungsgefahr zu schützen.
Manche evangelischen Kirchen – insbesondere im protestantischen Fundamentalismus und einigen Gruppen in der evangelikalen oder Pfingstbewegung – betrachten jedoch die Bibel als unfehlbar, wobei diese Unfehlbarkeit unterschiedlich definiert bzw. verstanden wird, bis hin zu der Auffassung, dass die Bibel auch die Erschaffung der Welt wissenschaftlich korrekt beschreibt (Kreationismus).
Islam
Bei den Zwölfer-Schiiten gibt es die „Vierzehn Unfehlbaren“. Zu ihnen zählen der Prophet Mohammed, die zwölf Imame und Mohammeds Tochter Fatima. Die Sunniten glauben dagegen nicht an menschliche Unfehlbarkeit, auch wenn sie annehmen, dass Mohammed nur sehr wenig Falsches geäußert hat und vor allem nichts davon unkorrigiert blieb. Der Koran gilt den Muslimen als Werk Allahs, nicht Mohammeds, und wird daher von der großen Mehrheit als unfehlbar angesehen; das menschliche Verständnis des Korans dagegen gilt wiederum als fehlbar und stets korrekturbedürftig.
Bahai
Bei den Bahai wird über die Unfehlbarkeit der Beschlüsse des international gewählten Hauses der Gerechtigkeit diskutiert[8].
Kunst
Film: Dogma
Der Film Dogma geht davon aus, dass ein Verstoß gegen die Unfehlbarkeit Gottes zugleich den Zusammenbruch des Universums bedeuten würde. Zwei Engel, die von Gott auf die Erde verbannt wurden, bekommen einen Brief zugespielt, in dem ihnen ein Schlupfloch gewiesen wird. Wenn sie durch das Portal einer gewissen Kirche gehen, werden ihnen alle Sünden vergeben und sie können zurück in den Himmel. Da das aber gegen Gottes ursprüngliches Gebot verstieß, ist die Weltordnung in Gefahr.
Siehe auch
- Chicago-Erklärung (zur Irrtumslosigkeit der Bibel)
Einzelnachweise
- ↑ Allgemeine Kirchenversammlung im Vatikan, 4. Sitzung (1870): Lehrentscheid über die Kirche Christi, 4. Kapitel. Das unfehlbare Lehramt des römischen Papstes
- ↑ Hier ist Leo XIII. am Steuerruder der Kirche Gottes. Nach einem Gemälde des Kunstmalers Friedrich Stummel in der Wallfahrtskirche von Kevelaer. Die katholischen Missionen, Freiburg im Breisgau, September 1903.
- ↑ Siehe Glaubenssatz 388 auf den Seiten 234 und 235 in: Josef Neuner S.J. und Heinrich Roos S.J.: Der Glaube der Kirche in den Urkunden der Lehrverkündigung. Vierte verbesserte Auflage, herausgegeben von Karl Rahner S.J. – Regensburg: Verlag Friedrich Pustet, 1954. Imprimatur 27. Juni 1949.
- ↑ Hubert Jedin: Kleine Konziliengeschichte, Herder, Freiburg 1978, S. 124-126
- ↑ Hubert Jedin: Kleine Konziliengeschichte, Herder, Freiburg 1978, S. 27f
- ↑ Katechismus der Katholischen Kirche. Kompendium, Pattloch, München 2005, S. 78 (Nr. 185)
- ↑ Katechismus der Katholischen Kirche. Kompendium, Pattloch, München 2005, S. 27 (Nr. 9)
- ↑ http://bahai-library.org/bsr/bsr09/9B1_schaefer_infallibility.htm
Literatur
- Hans Küng: Unfehlbar? Eine unerledigte Anfrage. Erweiterte Neuausgabe. Piper, München u. a. 1989, ISBN 3-492-11016-9 (Serie Piper 1016), (erw. Neuausgabe von Unfehlbar? Eine Anfrage).
- August Bernhard Hasler: Wie der Papst unfehlbar wurde. Macht und Ohnmacht eines Dogmas. Mit einem Geleitwort von Hans Küng. 2. Auflage. Piper, München u. a. 1980, ISBN 3-492-02450-5.
Weblinks
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