Galileo Galilei

Galileo Galilei
Galileo Galilei – Porträt von Justus Sustermans, 1636
Galileis Unterschrift
Briefmarke, 1964

Galileo Galilei (* 15. Februar 1564 in Pisa; † 8. Januar 1642 in Arcetri bei Florenz) war ein italienischer Philosoph, Mathematiker, Physiker und Astronom, der bahnbrechende Entdeckungen auf mehreren Gebieten der Naturwissenschaften machte.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Herkunft und Lehrjahre

Galileo Galilei stammte aus einer verarmten Florentiner Patrizierfamilie. Sein Familienzweig hatte den Namen eines bedeutenden Vorfahren angenommen, des Arztes Galileo Bonaiuti (15. Jahrhundert). Galileis Vater Vincenzo war Tuchhändler, Musiker und Musiktheoretiker und hatte als solcher auch mathematische Kenntnisse und Interessen; er untersuchte den Zusammenhang zwischen Saitenspannung und Tonhöhe und erkannte dabei eine nichtlineare Beziehung der Physik.

Galilei wurde als Novize im Kloster der Vallombrosaner erzogen und zeigte Neigung, in den Benediktinerorden einzutreten, wurde aber von seinem Vater nach Hause geholt und 1580 zum Medizin-Studium nach Pisa geschickt.

Nach vier Jahren brach er sein Studium ab und ging nach Florenz, um bei Ostilio Ricci, einem Gelehrten aus der Schule von Nicolo Tartaglia, Mathematik zu studieren. Er bestritt seinen Lebensunterhalt mit Privatunterricht, beschäftigte sich mit angewandter Mathematik, Mechanik und Hydraulik und begann, in den gebildeten Kreisen der Stadt mit Vorträgen und Manuskripten auf sich aufmerksam zu machen. Vor der Accademia Fiorentina glänzte er mit einem geometrisch-philologischen Referat über die Topografie von Dantes Hölle (Due lezioni all’Accademia fiorentina circa la figura, sito e grandezza dell’Inferno di Dante, 1588). 1585/86 veröffentlichte er erste Ergebnisse zur Schwere fester Körper (Theoremata circa centrum gravitatis solidorum) und löste ein antikes Problem (Heron) durch Konstruktion einer hydrostatischen Waage zur Bestimmung des spezifischen Gewichts (La bilancetta, Manuskript).

Standbild; Uffizien, Florenz

Lektor in Pisa, 1589–1592

Im Jahr 1589 erhielt er eine Stelle als Lektor für Mathematik an der Universität Pisa. Der Lohn reichte kaum zum Überleben; dennoch gelang es Galilei, vorzügliche Instrumente zu bauen und zu verkaufen. Auch entwickelte er ein – noch sehr ungenau arbeitendes – Thermometer. Er untersuchte die Pendelbewegung und fand, dass die Periode nicht von der Auslenkung oder dem Gewicht des Pendels, sondern von dessen Länge abhängt. Bis in seine letzten Lebensjahre beschäftigte ihn das Problem, wie man diese Entdeckung zur Konstruktion einer Pendeluhr nutzen könne.

Zur Untersuchung der Fallgesetze führte Galilei, ausgehend von der Bewegung des Pendels, die schiefe Ebene als Versuchsanordnung ein. Er experimentierte an dieser schiefen Ebene mit Kugeln aus verschiedenen Materialien. Diese Idee erlaubte es erstmals, die Geschwindigkeit der langsam anrollenden Kugeln zu messen. So entdeckte er die Beschleunigung und die Tatsache, dass diese etwas von der Geschwindigkeit völlig verschiedenes ist. Dies wiederum ließ sich am besten in der Formelsprache der Mathematik darstellen. Am deutlichsten formulierte Galilei diese neue Einstellung zur Physik 1623, im Saggiatore:

„Die Philosophie steht in diesem großen Buch geschrieben, dem Universum, das unserem Blick ständig offen liegt. Aber das Buch ist nicht zu verstehen, wenn man nicht zuvor die Sprache erlernt und sich mit den Buchstaben vertraut gemacht hat, in denen es geschrieben ist. Es ist in der Sprache der Mathematik geschrieben, und deren Buchstaben sind Kreise, Dreiecke und andere geometrische Figuren, ohne die es dem Menschen unmöglich ist, ein einziges Wort davon zu verstehen; ohne diese irrt man in einem dunklen Labyrinth herum.“

Galileis Schüler und erster Biograf Vincenzo Viviani behauptete, Galilei habe in Pisa auch Fallversuche vom Schiefen Turm unternommen. In Galileis Schriften und Manuskripten findet sich jedoch kein Hinweis auf solche Versuche, die mangels hinreichend genauer Uhren quantitativ nicht auswertbar gewesen wären. Davon zu unterscheiden ist das Turmargument als Gedankenexperiment, auf das Galilei in seinem Hauptwerk Dialogo sehr wohl selbst eingeht.

Galilei fasste die Ergebnisse seiner mechanischen Untersuchungen in einem Manuskript zusammen, das heute als De motu antiquiora zitiert wird und erst 1890 gedruckt wurde. Darin enthaltene Angriffe auf Aristoteles wurden von seinen konservativen Kollegen in Pisa unfreundlich aufgenommen. Galileis Anstellung wurde 1592 nicht verlängert; seine materielle Situation wurde zusätzlich dadurch verschärft, dass 1591 sein Vater starb.

Professor in Padua, 1592–1610

Dank guter Protektion wurde Galilei 1592 auf den Lehrstuhl für Mathematik in Padua berufen, auf den sich auch Giordano Bruno Hoffnungen gemacht hatte. In Padua, das zur reichen und liberalen Republik Venedig gehörte, blieb Galilei 18 Jahre lang.

Obwohl seine Stelle wesentlich besser dotiert war als die vorige in Pisa, besserte Galilei sein Salär auf, indem er neben seinen akademischen Vorlesungen vornehmen Schülern Privatunterricht erteilte, darunter zwei späteren Kardinälen. Ferner vertrieb Galilei ab 1597 einen Proportionszirkel. Für die Fertigung dieses Vorläufers des Rechenschiebers, der Compasso genannt wurde und dessen Konstruktion er erheblich verbessert hatte, beschäftigte er einen eigenen Mechaniker. Bereits in diesem Jahr ließ er in einem Brief an Johannes Kepler deutlich erkennen, dass er das heliozentrische Weltsystem gegenüber dem vorherrschenden Glauben an das geozentrische Weltbild favorisierte: „…unser Lehrer Copernicus, der verlacht wurde“.

Die heute nach Kepler benannte Supernova von 1604 veranlasste ihn zu drei öffentlichen Vorträgen, in denen er die aristotelische Astronomie und Naturphilosophie angriff. Aus der Tatsache, dass keine Parallaxe festgestellt werden konnte, schloss Galilei wie bereits 1572 Tycho Brahe, dass der neue Stern weit von der Erde entfernt sei und sich deshalb in der Fixsternsphäre befinden müsse. Nach herrschender Lehre wurde diese Sphäre für unveränderlich gehalten und Galilei vertrat damit ein weiteres Argument gegen die Anschauungen der Peripatetiker, wie man die Aristoteles-Schüler auch nannte. Seine Untersuchungen zu den Bewegungsgesetzen setzte er auch in diesen Jahren fort.

Aufzeichnungen zu Galileis Entdeckung der Jupitermonde (1610)

1609 erfuhr Galilei von dem im Jahr zuvor in Holland von Jan Lippershey erfundenen Fernrohr. Er baute aus käuflichen Linsen ein Gerät mit ungefähr vierfacher Vergrößerung, lernte dann selbst Linsen zu schleifen und erreichte bald eine acht- bis neunfache, in späteren Jahren bis zu 33-fache Vergrößerung.

Galilei führte sein Instrument, dessen militärischer Nutzen auf der Hand lag und das im Gegensatz zum wenig später entwickelten Keplerschen Fernrohr eine aufrecht stehende Abbildung lieferte, am 25. August 1609 der venezianischen Regierung – der Signoria – vor. Das Instrument machte einen tiefen Eindruck und Galilei überließ der Signoria das völlig illusorische alleinige Recht zur Herstellung solcher Instrumente, woraufhin sein Gehalt erhöht wurde. Entgegen der Darstellung in Brechts Drama hat Galilei die Grundidee des Teleskops wohl nicht als seine eigene Erfindung ausgegeben. Eine Gehaltskürzung [-suspension ?] im folgenden Jahr deutet aber an, dass sich die Signoria durchaus hinters Licht geführt fühlte.

Als einer der ersten Menschen nutzte Galilei ein Fernrohr zur Himmelsbeobachtung. Dies bedeutete eine Revolution in der Astronomie, denn bis dahin waren die Menschen auf Beobachtungen mit dem bloßen Auge angewiesen. Er stellte fest, dass die Oberfläche des Mondes rau und uneben ist, mit Erhebungen und Klüften, und skizzierte bald einen großen Mondkrater am Terminator. Er erkannte zudem, dass die dunkle Partie der Mondoberfläche von der Erde aufgehellt wird (sog. Erdschein) und dass die Planeten – im Gegensatz zu den Fixsternen – als Scheiben zu sehen sind. Er entdeckte die vier größten Monde des Jupiter, die er in Vorbereitung seines Wechsels an den Medici-Hof die Mediceischen Gestirne nannte und die heute als die Galileischen Monde bezeichnet werden. Er beobachtete, dass die Milchstraße nicht – wie es dem bloßen Auge vorkommt – ein nebliges Gebilde ist, sondern aus unzähligen einzelnen Sternen besteht. Diese Entdeckungen und eine von ihm selbst angefertigte Federzeichnung der Mondoberfläche wurden im Sidereus Nuncius (Sternenbote) von 1610 veröffentlicht und machten Galilei auf einen Schlag berühmt. Der Sidereus Nuncius war innerhalb weniger Tage vergriffen.

Federzeichnung aus dem Sidereus Nuncius und Foto

Hofmathematiker in Florenz, ab 1610

Im Herbst 1610 ernannte der Großherzog der Toskana und ehemalige Schüler Cosimo II. de’ Medici Galilei zum Hofmathematiker, Hofphilosophen und zum ersten Mathematikprofessor in Pisa ohne jede Lehrverpflichtung. Galilei bekam damit volle Freiheit, sich ganz seinen Forschungen zu widmen.

Spätestens bei der Umsiedlung nach Florenz trennte sich Galilei von Marina Gamba, seiner Haushälterin, mit der er drei Kinder hatte: Virginia (Ordensname: Maria Celeste; 1600–1634), Livia (Ordensname: Arcangela; 1601–1659) und Vincenzio (1606–1669). Mit Hilfe eines Bewunderers, des Kardinals Maffeo Barberini und späteren Papst Urban VIII., brachte Galilei seine Töchter noch vor Erreichen des Mindestalters in einem Kloster unter, denn sie hatten als uneheliche Kinder kaum Aussichten auf eine standesgemäße Heirat. Der Sohn wurde 1613 zu seinem Vater nach Florenz geschickt, nachdem Marina Gamba einen Mann namens Giovanni Bartoluzzi geheiratet hatte. Galilei legitimierte ihn später.

Weitere astronomische Entdeckungen

Büste von Galilei am Galileiplatz in München-Bogenhausen

Galilei setzte seine astronomischen Beobachtungen fort und fand heraus, dass der Planet Venus Phasen wie der Mond hat. Dies interpretierte er derart, dass die Venus zeitweise jenseits der Sonne, zu anderen Zeiten aber zwischen Sonne und Erde steht. Darüber korrespondierte er mit den römischen Jesuiten um Christophorus Clavius (mit diesem hatte er bereits 1587 eine kontroverse Diskussion geführt), welche die Phasengestalt der Venus bereits unabhängig von ihm entdeckt hatten. Über die kosmologischen Konsequenzen und darüber, dass das Ptolemäische Weltbild nicht mehr länger haltbar war, waren sich der jesuitische Mathematiker und der Astronom mehr oder weniger im Klaren.

In seiner Begeisterung über seine wissenschaftlichen Erkenntnisse sandte er in seiner Werkstatt gefertigte Fernrohre an Freunde und andere Wissenschaftler. Jedoch erreichten nur wenige Exemplare das gewünschte Auflösungsvermögen. So konnte es geschehen, dass manche die Jupitermonde etc. nicht erkennen konnten und ihm Täuschungsabsichten unterstellten.

Im Jahr 1611 besuchte Galilei Rom. Er wurde für seine Entdeckungen hoch geehrt und machte mittels seines Teleskops seinen Freunden – darunter auch Jesuiten – unverzüglich „le cose nuove del cielo“ (die neu entdeckten Gegenstände am Himmel) zugänglich: Den Jupiter mit seinen vier Begleitern, den gebirgigen, zerklüfteten Mond, die „gehörnte“ d. h. sichelförmige Venus und den „dreifachen“ Saturn. Er wurde daraufhin zum sechsten Mitglied der Accademia dei Lincei ernannt. Diese Ehre war ihm so wichtig, dass er sich fortan Galileo Galilei Linceo nannte.

Bei diesem Aufenthalt hatte er eine Audienz bei Papst Paul V. und traf seinen alten Bewunderer Maffeo Barberini. Ein Jahr später war Barberini dabei, als Galileo eine weitere, unhaltbare Behauptung des Aristoteles mit einem simplen, aber überzeugenden Experiment widerlegte: Eis schwimmt auf Wasser nicht deswegen, weil es zwar schwerer, aber flach ist, sondern weil es leichter ist.

Zwischen Ende 1610 und Mitte 1611 beobachtete Galilei erstmals mit dem Teleskop dunkle Flecken auf der Sonnenscheibe. Diese Entdeckung der Sonnenflecken verwickelte ihn in eine Auseinandersetzung mit dem Jesuiten Christoph Scheiner: Man stritt sowohl um die Priorität als auch um die Deutung. Um die Vollkommenheit der Sonne zu retten, nahm Scheiner an, dass die Flecken Satelliten seien, wogegen Galilei die Beobachtung anführte, dass Sonnenflecken entstehen und vergehen. Er veröffentlichte diese Erkenntnis 1613 in Lettere solari, einem der ersten wissenschaftlichen Werke, die nicht in lateinischer Sprache, sondern in Umgangssprache verfasst wurden.

Für Galilei war es offensichtlich, dass seine astronomischen Beobachtungen das heliozentrische Weltbild des Nicolaus Copernicus stützten, aber keinen zwingenden Beweis lieferten: Sämtliche Beobachtungen wie etwa die Venus-Phasen waren auch mit dem Weltmodell des Tycho Brahe kompatibel, in dem sich Sonne und Mond um die Erde, die übrigen Planeten aber um die Sonne drehen. Tatsächlich gelang es erst James Bradley im Jahr 1729 mit der stellaren Aberration die Eigenbewegung der Erde gegenüber der Fixsternsphäre nachzuweisen.

Galilei hielt sich bei der Interpretation seiner astronomischen Beobachtungen zunächst zurück. Jedoch war ihm wohl schon in seiner Zeit in Pisa der Gedanke gekommen, die Drehungen (revolutiones) der Erde um ihre Achse und um die Sonne seien die Ursache für die Gezeiten: „die Gewässer würden dabei beschleunigt und hin- und herbewegt“. Damit glaubte er, einen Beweis für das kopernikanische Weltbild in Händen zu haben. Erst Isaac Newton konnte jedoch beweisen, dass neben der Zentrifugalkraft auch die Anziehungskräfte der Massen von Mond und Sonne für Ebbe und Flut ursächlich sind.

Kontroverse Diskussionen am Florentiner Hof veranlassten Galilei zu erklären, dass eine mit dem Kopernikanischen System verträgliche Bibelauslegung möglich sei (Brief an seinen Schüler und Nachfolger in Pisa, Benedetto Castelli, 21. Dezember 1613[1]; Brief an die Großherzogin-Mutter Christine von Lothringen, 1615[2], jedoch erst 1636 veröffentlicht). Der Brief an Castelli wurde in fehlerhafter Abschrift der Inquisition zugespielt, was Galilei veranlasste, eine korrekte Abschrift hinterherzusenden und in Person nach Rom zu reisen, um seinen Standpunkt zu vertreten.

Im März 1614 gelang es Galilei, das spezifische Gewicht der Luft als ein 660stel des Gewichts des Wassers zu bestimmen – herrschende Meinung war bis zu diesem Zeitpunkt, dass Luft keinerlei Gewicht hat. Dies war eine weitere Widerlegung aristotelischer Anschauungen. In dieser Zeit war er häufig als Gutachter für den Großherzog in technisch-physikalischen Fragen tätig. Als Forscher beschäftigte er sich insbesondere mit Hydrodynamik, Lichtbrechung in Glas und Wasser sowie Mechanik mit der mathematischen Beschreibung der Beschleunigung beliebiger Körper.

In den Jahren 1610–1614 hielt er sich häufig auf dem Landgut seines Freundes Filippo Salviati auf, um seine seit Jahren angeschlagene Gesundheit wiederherzustellen.

Das Verfahren von 1616

Im Jahr 1615 veröffentlichte der Kleriker Paolo Antonio Foscarini (ca. 1565–1616) ein Buch, das beweisen sollte, dass die Kopernikanische Astronomie nicht der Heiligen Schrift widersprach. Daraufhin eröffnete die Römische Inquisition nach Vorarbeit des bedeutenden Kirchenlehrers Kardinal Robert Bellarmin ein Untersuchungsverfahren. 1616 wurde Foscarinis Buch gebannt. Zugleich wurden einige nichttheologische Schriften über Kopernikanische Astronomie, darunter auch ein Werk von Johannes Kepler, auf den Index (Librorum Prohibitorum) gesetzt. Das Hauptwerk des Copernicus, De Revolutionibus Orbium Coelestium, in dessen Todesjahr 1543 erschienen, wurde nicht verboten, sondern „suspendiert“: Es durfte fortan bis 1822 im Einflussbereich der Römischen Inquisition nur noch in Bearbeitungen erscheinen, die betonten, dass das heliozentrische System ein bloßes mathematisches Modell sei.

An diesem Verfahren, das nicht zu den Inquisitionsprozessen gezählt werden kann, war Galilei offiziell nicht beteiligt. Seine Haltung war jedoch ein offenes Geheimnis, auch wenn das Schreiben an die Großherzogin-Mutter noch nicht veröffentlicht war. Wenige Tage nach der förmlichen Index-Beschlussfassung schrieb Bellarmin an Galilei einen Brief mit der Versicherung, Galilei habe keiner Lehre abschwören müssen; gleichzeitig jedoch enthielt dieses Schreiben die nachdrückliche Ermahnung, das kopernikanische System in keiner Weise als Tatsache zu verteidigen, sondern allenfalls als Hypothese zu diskutieren. Dieser Brief wurde im Prozess von 1632/33 als Beweis für Galileis Ungehorsam zitiert. Allerdings gab es in den Akten zwei verschiedene Fassungen, von denen nur eine korrekt unterschrieben und zugestellt war, weshalb im 19. und 20. Jahrhundert einige Historiker annahmen, die Inquisitionsbehörde habe 1632 zu Ungunsten Galileis einen Beweis gefälscht.

Galilei hielt sich von nun an mit Äußerungen in der Öffentlichkeit zum kopernikanischen System zurück. Ab 1616 beschäftigte er sich intensiv mit der Möglichkeit, die Bewegungen der Jupitermonde als Zeitmesser zu nutzen, um das Längengradproblem zu lösen. Allerdings blieb er damit erfolglos. Auch veränderte er erstmals ein Teleskop in ein Mikroskop. Die Mikroskopie selbst blieb für ihn aber immer eine Beschäftigung, der er kein besonderes Interesse widmete.

Saggiatore

Titelseite von Il Saggiatore, Kupferstich von Francesco Villamena, 1623

1623 wurde Galileis alter Förderer, Kardinal Maffeo Barberini, zum Papst gewählt (Urban VIII.). Galilei widmete ihm sogleich seine Schrift Saggiatore, eine Polemik gegen den Jesuitenpater Orazio Grassi über die Kometenerscheinungen von 1618–1619, über atomistische und methodologische Fragen. In diesem Buch, an dem er seit 1620 gearbeitet hatte, äußerte Galilei seine berühmt gewordene Überzeugung, die Philosophie (nach dem Sprachgebrauch der Zeit ist damit die Naturwissenschaft gemeint) stehe in dem Buch der Natur, und dieses Buch sei in mathematischer Sprache geschrieben: Ohne Geometrie zu beherrschen, verstehe man kein einziges Wort. Seither gilt Galilei als Begründer der modernen, mathematisch orientierten Naturwissenschaften, gleichzeitig enthielt dies eine klare Absage an Alchemie und Astrologie.

Im Saggiatore griff er auf eine Theorie des Aristoteles über Meteore zurück und interpretierte die Kometen als erdnahe optische Effekte, vergleichbar den Phänomenen wie Regenbogen oder Polarlicht. Zur Zeit der Kometenerscheinungen war Galilei allerdings aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, selbst Beobachtungen anzustellen. Seine empirisch nicht fundierte Polemik gegen die Theorie der Kometen, die Tycho Brahe und Orazio Grassi vertraten, ist als indirekte Verteidigung des kopernikanischen Systems zu verstehen, das durch die Annahme sich nicht auf Kreisbahnen bewegender Himmelskörper bedroht gewesen wäre.

Das Saggiatore wurde anonym wegen Atomismus und damit Verstoß gegen die die Eucharistie betreffenden Dogmen des tridentinischen Konzils angezeigt. Unter Zuhilfenahme eines Gefälligkeitsgutachtens Pater Giovanni Guevaras ließen die Gönner Galileis im Vatikan diese Anzeige versanden. Der Wissenschaftshistoriker Pietro Redondi vermutet deshalb, dass auch dem Prozess 1633 eine Anzeige wegen Atomismus und damit häretischen Ansichten bezüglich des Abendmahls zugrunde liegt, die jedoch durch Intervention der eigens geschaffenen päpstlichen Untersuchungskommission auf die weit weniger brisante Frage des Kopernikanismus bzw. des Ungehorsams abgelenkt wurde.

Der Dialog über die zwei Weltsysteme

Titelblatt von Galileis Dialog: Aristoteles, Ptolemäus und Copernicus diskutieren

1624 reiste Galilei nach Rom und wurde sechs Mal von Papst Urban empfangen, der ihn ermutigte, über das kopernikanische System zu publizieren, solange er dieses als Hypothese behandle; den Brief von Bellarmin an Galilei aus dem Jahr 1616 kannte Urban damals nicht. Nach langen Vorarbeiten und wieder unterbrochen durch Krankheiten vollendete Galilei 1630 den Dialogo di Galileo Galilei sopra i due Massimi Sistemi del Mondo Tolemaico e Copernicano (Dialog über die zwei wichtigsten Weltsysteme, das Ptolemäische und das Kopernikanische). In diesem Buch erklärte Galilei unter anderem sein Relativitätsprinzip und seinen Vorschlag zur Bestimmung der Lichtgeschwindigkeit. Die erste präzise Messung der Lichtgeschwindigkeit auf der Erde gelang erst 1849 Fizeau. Als vermeintlich stärkstes Argument für das kopernikanische System diente Galilei seine – irrige – Theorie der Gezeiten.

Im Mai 1630 reiste Galilei erneut nach Rom, um bei Papst Urban VIII. und dem für die Zensur verantwortlichen Inquisitor Niccolò Riccardi ein Imprimatur zu erwirken. Er erhielt daraufhin eine vorläufige Druckerlaubnis. Zurück in Florenz entschied Galilei aus verschiedenen Gründen, sich mit dem Imprimatur durch den Florentiner Inquisitor zu begnügen und das Werk in Florenz drucken zu lassen.

Zwei dieser Gründe waren der Tod des Herausgebers Fürst Cesi, Gründer der Accademia dei Lincei, und eine Pestepidemie. Aufgrund verschiedener Schwierigkeiten, ausgelöst durch Riccardi, konnte der Druck aber erst im Juli 1631 beginnen. Im Februar 1632 erschien der Dialogo. Das Buch widmete Galileo Galilei dem Großherzog Ferdinand II. und händigte ihm das erste gedruckte Exemplar am 22. Februar aus.[3] In zweierlei Hinsicht setzte der Dialogo im aktuellen, astronomischen und eben auch weltanschaulich-theologischen Diskurs neue Akzente: 1. An die Stelle der Wissenschaftssprache Latein trat die Volkssprache Italienisch, denn die Diskussionen sollten gezielt über die Kreise der Wissenschaft hinausgetragen werden. 2. Er verschwieg bewusst das von den Jesuiten – u. a. Clavius, Giovanni Riccioli, Grimaldi – favorisierte Tychonische Planetenmodell. Es hätte analog zu Koperniks Modell einige Phänomene wie die Phasengestalt der Venus und die veränderliche Größe der Planetenscheibchen erklärt. Im Kampf um die Deutungshoheit des astronomischen Weltbildes bekämpfte Galilei den Konkurrenten Tycho Brahe mit Totschweigen.

Der Zensurauflage, das Werk mit einer Schlussrede zugunsten des ptolemäischen Systems zu beschließen, meinte Galilei nachzukommen, indem er diese Rede in den Mund des offensichtlichen Dummkopfs Simplicio legte. Überdies beging er den Fehler, sich über einen Lieblingsgedanken Barberinis (Urban VIII.) lustig zu machen: dass man eine Theorie niemals über die von ihr vorhergesagten Effekte nachweisen könne, da Gott diese Effekte jederzeit auch auf anderem Wege hervorbringen könne. Damit hatte Galilei den Bogen überspannt und die Protektion des Papstes verspielt, der – möglicherweise auch aus außenpolitischen Gründen – nun mit voller Härte reagierte.

Der Prozess gegen den Dialog

Im Juli 1632 wies Riccardi den Inquisitor von Florenz an, er solle die Verbreitung des Dialogo verhindern. Im September bestellte der Papst Galilei nach Rom ein. Mit Bitte um Aufschub, ärztlichen Attesten, langwieriger Anreise und obendrein Quarantäne infolge der Pestepidemie verging jedoch der gesamte Winter.

In Rom wohnte Galilei in der Residenz des toskanischen Botschafters. Anfang April 1633 wurde er offiziell vernommen und musste für 22 Tage ein Apartment der Inquisition beziehen. Am 30. April bekannte er in einer zweiten Anhörung, in seinem Buch geirrt zu haben, und durfte wieder in die toskanische Botschaft zurück.

Am 10. Mai reichte er seine schriftliche Verteidigung ein, eine Bitte um Gnade. Am 22. Juni 1633 fand der Prozess in der Basilika Santa Maria sopra Minerva statt. Zunächst leugnete Galilei, auf die Dialogform seines Werkes verweisend, das kopernikanische System gelehrt zu haben.

Ihm wurde der Bellarminbrief (welche Fassung, ist nicht bekannt) vorgehalten, und man beschuldigte ihn des Ungehorsams. Nachdem er seinen Fehlern abgeschworen, sie verflucht und verabscheut hatte, wurde er zu lebenslänglicher Kerkerhaft verurteilt und war somit der Hinrichtung auf dem Scheiterhaufen entkommen.

Dass Galilei überhaupt verurteilt wurde, war unter den zuständigen zehn Kardinälen durchaus strittig; drei von ihnen (darunter Francesco Barberini, der Neffe des Papstes) unterschrieben das Urteil nicht.

Galilei selbst hielt an seiner Überzeugung fest. Die Behauptung, der zufolge er beim Verlassen des Gerichtssaals gemurmelt haben soll, „Eppur si muove“ (und sie [die Erde] bewegt sich doch), ist historisch nicht belegt und äußerst unwahrscheinlich. Sie wurde jedoch schon zu seinen Lebzeiten verbreitet, wie ein spanisches Gemälde von ca. 1643/45 zeigt. Diese Worte wurden erstmalig 1757 in den Italian Libraries von einem Giuseppe Baretti erwähnt.

Galilei sah zeitlebens die Kreisbahnen als zentralen Bestandteil des kopernikanischen Systems an und lehnte elliptische Bahnen aus diesem Grund ab. Kepler, mit dem er in Briefkontakt stand, hatte mit seinem Modell der Ellipsenbahnen praktisch alle Ungereimtheiten zwischen Beobachtung und dem heliozentrischen Weltbild beseitigt. Zur Rettung seines Konzepts der Kreisbahnen nahm Galileo in Kauf, dass es die beobachtete Position des Planeten Mars wesentlich schlechter voraussagte als die geozentrischen Modelle von Ptolemaios oder Brahe.

Dass Galilei die Kometen zu atmosphärischen Erscheinungen uminterpretierte, weil die alternative Erklärung von sich im Sonnensystem umherbewegenden Objekten sein Weltbild gefährdet hätte, dürfte der Glaubwürdigkeit seines Modells ebenfalls eher abträglich gewesen sein. Bei den nur unter großen Gefahren für das Augenlicht beobachtbaren Sonnenflecken kam hinzu, dass deren Zahl nach 1610 abfiel und sie von 1645 an sogar für fast 75 Jahre nahezu völlig ausblieben (sog. Maunderminimum).

Schließlich diskutierte Galilei in seinem Dialog wohlweislich nur die beiden Weltsysteme von Copernicus und Ptolemaios (Letzteres hatte er anhand der Venusphasen empirisch widerlegt), nicht jedoch das geozentrische Modell von Brahe, das sich mit seinen Beobachtungen ebenfalls vertrug.

Hausarrest 1633–1642 und die Discorsi

Galilei blieb nach dem Urteil unter Arrest (in der Botschaft des Herzogtums Toscana in Rom). Nach wenigen Wochen wurde er in die Aufsicht des Erzbischofs von Siena gestellt, der allerdings sein glühender Bewunderer war und ihn nach Kräften unterstützte. In Siena konnte er seine tiefe Niedergeschlagenheit über den Prozess und seinen Ausgang überwinden.

Nach fünf Monaten (Dezember 1633) durfte er in seine Villa Gioiella in Arcetri zurückkehren, blieb jedoch unter Hausarrest, verbunden mit dem Verbot jeglicher Lehrtätigkeit. Als er wegen eines schmerzhaften Leistenbruchs um Erlaubnis bat, Ärzte in Florenz aufsuchen zu dürfen, wurde sein Gesuch abgelehnt mit der Warnung, weitere solche Anfragen würden zu Aufhebung des Hausarrestes und Einkerkerung führen.

Gemäß dem Urteil hatte er über drei Jahre lang wöchentlich die sieben Bußpsalmen zu beten; diese Verpflichtung übernahm – solange sie noch lebte – seine Tochter Suor Celeste. Zudem wurden seine sozialen Kontakte stark eingeschränkt. Immerhin war es ihm gestattet, mit seinen weniger kontroversen Forschungen fortzufahren und seine Töchter im Kloster San Matteo zu besuchen. Sämtliche Veröffentlichungen waren ihm verboten, jedoch führte er einen ausgedehnten Briefwechsel mit Freunden und Gelehrten im In- und Ausland und konnte später zeitweilig Besucher empfangen (darunter Thomas Hobbes und John Milton, ab 1641 seinen ehemaligen Schüler Benedetto Castelli).

Galilei hatte seit längerem Probleme mit seinen Augen; 1638 erblindete er vollständig – sei es als Folge seiner anfangs ohne ausreichenden Schutz unternommenen Sonnenbeobachtungen oder aufgrund einer genetisch bedingten Veranlagung. Jedoch entdeckte er noch kurz vor dem völligen Verlust seiner Sehkraft die Libration des Mondes. Ein Gnadengesuch auf Freilassung wurde abgelehnt. Seine letzten Jahre verbrachte er in seinem Landhaus in Arcetri.

Ab dem Juli 1633 – noch in Siena – hatte Galilei an seinem physikalischen Hauptwerk Discorsi e Dimostrazioni Matematiche intorno a due nuove scienze gearbeitet. Obwohl das Inquisitionsurteil kein explizites Publikationsverbot enthielt, stellte sich eine Veröffentlichung im Einflussbereich der katholischen Kirche als unmöglich heraus. So geschah es, dass die Welt zuerst durch Matthias Berneggers lateinische Übersetzung von Galileis Werk Kenntnis erhielt (erschienen unter dem Titel Systema cosmicum, Straßburg: David Hautt 1635). Ein Druck des italienischen Texts der Discorsi erschien erst ein Jahr danach 1636 bei Louis Elsevier in Leiden.

Inhaltlich griff Galilei in den Discorsi Ansätze und Ergebnisse aus seinen frühen Jahren wieder auf. Die beiden neuen Wissenschaften, die Galilei darin begründet, sind in moderner Sprache Elastizitätstheorie und Kinematik. Er wies unter anderem nach, dass die bogenförmige Bewegung eines Geschosses aus zwei Komponenten besteht: Die horizontale wird von der Trägheit bestimmt, die nach unten gerichtete dagegen von stetiger Beschleunigung. Das Zusammenwirken beider führt zu einer parabelförmigen Flugbahn.

Im Spätherbst 1641 löste der begabte Evangelista Torricelli seinen langjährigen (seit 1637) Begleiter Vincenzo Viviani als Assistent und Privatsekretär ab, doch war bereits klar, dass Galilei nicht mehr lang zu leben hatte. Er starb am 8. Januar 1642 in Arcetri. Ein feierliches Begräbnis in einem prunkvollen Grab, das der Großherzog vorgesehen hatte, wurde unterbunden. Dennoch findet man heute ein Grabmal in der Kirche Santa Croce in Florenz.

Grab des Galileo, Santa Croce, Florenz

Galileo und die Kirche

Nachdem es ihnen gerade erst gelungen war, mithilfe der Dominikaner- und Jesuitenorden ihren Einfluss in Italien im Kampf gegen die Reformation wieder zu festigen, deuteten die Päpste und Kardinäle die Förderung der Wissenschaften in Großbritannien, Holland und Deutschland als fortdauernde Angriffe auf die Erklärungshoheit ihrer Institutionen – des dekretierten Consensus patrum. Im Abwehrkampf gegen die heraufziehende Aufklärung sahen sie sich zu aus heutiger Sicht starrsinnigem Beharren auf dem Althergebrachten gezwungen. „Gott begründet den Erdkreis unbeweglich …“ (1 Chr 16,30 EU). Gleichzeitig gab es schon damals mächtige kirchliche Stimmen, die sich von der wörtlichen Auslegung der Schrift entfernt hatten und die Argumentation, Glauben und Wissenschaft seien getrennte Sphären, akzeptiert hatten. So schrieb Kardinal Bellarmin, ein bedeutender Theologe und zentrale Persönlichkeit der Kurie und Inquisition, dass man, läge ein wirklicher Beweis für das heliozentrische System vor, bei der Auslegung der heiligen Schrift in der Tat vorsichtig vorgehen müsse.[4] Ausdruck der kirchlichen Ambivalenz ihm gegenüber ist die recht milde Ermahnung von 1616, Galilei sei im „Irrtum des Glaubens“ und möge darum „von einer Verbreitung des kopernikanischen Weltbildes absehen“.[5]

Erst nachdem Galilei 1632 mit dem Dialogo wieder für das kopernikanische Weltbild polemisierte und die ersten Exemplare auch noch an seine erklärten Gegner wie z. B. den Inquisitor Serristori schickte, wurde ein formales Verfahren gegen ihn eröffnet. Auch jetzt noch war das Klima verglichen mit anderen Ketzerprozessen, die zu Folter und Scheiterhaufen führten, freundlich und das Urteil milde. Nachdem Galilei geschworen hatte, „… stets geglaubt zu haben, gegenwärtig zu glauben und in Zukunft mit Gottes Hilfe glauben zu wollen alles das, was die katholische und apostolische Kirche für wahr hält, predigt und lehret“, erhielt er „lediglich“ Kerkerhaft, die bereits nach wenigen Wochen in Hausarrest umgewandelt wurde. In einem Kerker hat Galilei jedoch nie eingesessen.[6]

Die Tragik von Galileos Wirken liegt darin, dass er als ein zeitlebens tiefgläubiges Mitglied seiner Kirche den Versuch unternahm, eben diese Kirche vor einem verhängnisvollen Irrtum zu bewahren. Seine Intention war es nicht, die Kirche zu widerlegen oder zu spalten, sondern vielmehr war ihm an einer Reform der Weltsicht der Kirche gelegen. Seine verschiedenen Aufenthalte in Rom bis zum Jahr 1616 hatten auch den Zweck, Kirchenmänner wie Bellarmin davon zu überzeugen, dass die Peripatetiker nicht unfehlbar waren und die Heilige Schrift nicht immer buchstabengetreu gelesen werden müsse. Auch war Galilei der Überzeugung, die wunderbaren Werke des Herrn durch Experiment und Logik früher oder später vollständig klären zu können. Papst Urban VIII. dagegen vertrat die Überzeugung, dass die vielfältigen Naturerscheinungen, die der Allmächtige bewirke, sich dem beschränkten Verstand der Menschen für immer entzögen.[7]

Nachgeschichte, Nachruhm

Der Inquisitionsprozess gegen Galilei hat zu endlosen historischen Kontroversen und zahlreichen literarischen Bearbeitungen angeregt; unter anderem in Bertolt Brechts Leben des Galilei.

1741 gewährte das Heilige Offizium – umgangssprachlich Inquisition genannt – auf Bitte Benedikts XIV. das Imprimatur auf die erste Gesamtausgabe der Werke Galileis. Unter Pius VII. wurde 1822 erstmals ein Imprimatur auf ein Buch erteilt, das das Kopernikanische System als physikalische Realität behandelte. Der Autor, ein gewisser Settele, war Kanoniker. Für Nicht-Kleriker war das Interdikt wohl längst belanglos geworden.

1979 beauftragte Johannes Paul II. die Päpstliche Akademie der Wissenschaften, den berühmten Fall aufzuarbeiten. [8] Am 31. Oktober 1992 wurde der Kommissionsbericht übergeben, und Johannes Paul II. hielt eine Rede, die oft verkürzt als eine bloße Entschuldigung dargestellt wird. [9] Tatsächlich ging es dem Papst darum, das gegenseitige Missverstehen von Wissenschaft und Kirche zu heilen. Am 2. November 1992 wurde Galileo Galilei von der römisch-katholischen Kirche formal rehabilitiert, er soll nun eine Statue im Vatikan erhalten[10]. Im November 2008 distanzierte sich der Vatikan erneut von der Verurteilung Galileis durch die päpstliche Inquisition. Der damalige Papst Urban VIII. habe das Urteil gegen Galilei nicht unterzeichnet, Papst und Kurie hätten nicht geschlossen hinter der Inquisition gestanden[11]. Galilei wurde wiederholt vorgeworfen, einige der von ihm beschriebenen und als Beleg für die Korrektheit seiner Theorien ausgegebenen Experimente niemals selbst durchgeführt zu haben. Siehe dazu: Betrug und Fälschung in der Wissenschaft

Wissenschaftliche Leistungen

Methodisches

In methodischer Hinsicht ist die streng mathematische, und zwar geometrische Vorgehensweise Galileis bemerkenswert. Seine wichtigste Arbeit zur Bewegungslehre, die Lehre „De motu locali“ (über die örtliche Bewegung) im „Dritten Tag“ der Discorsi von 1638, beginnt mit der „gleichförmigen Bewegung“ de motu aequabili. Zu deren Darstellung bedient er sich zweier skalierter Linien IK und GH, wobei IK „die Zeit an sich“ und GH „den Raum an sich“ repräsentiert. An diesen Linien – als absoluten, invarianten Maßstäben – misst er sodann variable „relative Räume“ und „relative“ Zeiten der Bewegung, aus deren Verhältnis zueinander sich die „Geschwindigkeit“ der Bewegung ergibt. Zugrunde liegt dem eine geometrische Messtheorie von „relativen Räumen“ am absoluten Raum und von „relativen Zeiten“ an der absoluten Zeit, die zu einer Definition der Geschwindigkeit absoluter oder wirklicher geradlinig-gleichförmiger Bewegung nach dem Muster einer viergliedrigen Proportion (tetraktys) führt: Die Wege s und die Zeiten t verhalten sich zueinander ebenso, wie die Elemente S und T der absoluten Maßstäbe „Raum“ und „Zeit“ sich zueinander verhalten. Das Verhältnis S/T ist konstant, da die Maßstäbe unveränderlich sind. Damit tritt in diesem geometrischen Beweis des Maßes der Geschwindigkeit gleichförmig-geradliniger Bewegung erstmals eine Naturkonstante auf; ihre Dimension ist [Raumelement durch Zeitelement, oder L/T]. Sie bindet die Bewegungslehre an ein metrisches absolutes raumzeitliches Maß- und Bezugssystem. In den später üblich gewordenen und in Lehrbüchern zu findenden analytisch-algebraischen Darstellungen der Bewegungslehre Galileis und Newtons ist diese Konstante verloren gegangen; sie erscheint erst wieder in der modernen Physik (jetzt unter der Bezeichnung „Vakuumlichtgeschwindigkeit“).

Kinematik

Der Leuchter, an dem Galilei die Pendelgesetze untersucht haben soll

Die gleichmäßig beschleunigte Bewegung beschäftigte Galilei über vierzig Jahre lang. Seine experimentelle Innovation bestand in der Verwendung der schiefen Ebene, mit der er die Fallgesetze auf einer verlangsamten Zeitskala studieren und – über seinen Puls oder mit Wasseruhren – quantitativ überprüfen konnte.

In seinem frühen Manuskript De motu (1590) vertrat er noch die Meinung, die Beschleunigung hänge von der Dichte ab. Später kam er dann zum Schluss, dass im Vakuum alle Körper die gleiche Beschleunigung erfahren. Im Zusammenhang mit dem Turmargument finden sich kinematische Überlegungen im Dialog über die zwei Weltsysteme; voll ausgearbeitet werden die Fallgesetze im dritten und vierten Tag der vier Tage der Discorsi e Demonstrazioni von 1636/38.

Mit den Fallgesetzen hängt auch das Relativitätsprinzip eng zusammen. Es wird in der modernen Physik durch die Galilei-Invarianz beschrieben und besagt, dass ein gleichmäßig bewegter Beobachter die gleichen physikalischen Gesetze wahrnimmt wie ein ortsfester. Galilei kam bei seinen Schlussfolgerungen dem ersten Bewegungsgesetz Isaac Newtons recht nahe. Das zweite Gesetz nahm er in gewisser Weise bereits vorweg, was Newton später selbst zugab.

Neuere wissenschaftsgeschichtliche Arbeiten betonen, dass Galilei mit seinen Forschungen zur Kinematik nicht alleine stand. Mit dem Thema befassten sich unter anderem Alessandro Piccolomini, Nicolo Tartaglia, Giovanni Battista Benedetti, Francesco Maurolico, Bernardino Baldi, Guidubaldo del Monte, Michael Varro (De motu, Genf 1584) und Francesco Buonamicida (De motu, Florenz 1591).

Christiaan Huygens entwickelte später seine Idee einer von einem Pendel gesteuerten Uhrmechanik zur Praxisreife.

Elastizitätstheorie

Wie aus dem Titel der discorsi hervorgeht, veröffentlichte Galilei seine Ergebnisse über die Elastizität eines Balkens mit dem vollen Bewusstsein, damit eine neue Wissenschaft zu begründen. Die weitere Entwicklung hat ihm recht gegeben; sein Beitrag kann tatsächlich als Begründung der Elastizitätstheorie gelten.

Galilei stellte fest, dass die Tragfähigkeit eines Balkens größer ist, wenn man ihn hochkant, nicht flachkant stellt. Er setzte als erster die äußere Belastung in Relation zu den inneren Spannungen. Eine quantitative Theorie konnte er allerdings noch nicht aufstellen. Den heute Neutralfläche genannten Bereich verschwindender Spannung ordnete er am unteren Rand des eingespannten Balkens statt in der Mitte des Balkenquerschnittes an. Korrekturen dieses Irrtums konnten sich im 17. und 18. Jahrhundert nicht durchsetzen; erst Anfang des 19. Jahrhundert sorgte Navier erfolgreich für eine Richtigstellung.

Astronomie

Galileis astronomische Entdeckungen sind im biografischen Teil bereits aufgeführt. Einige davon zogen bahnbrechende Erkenntnisse der Geisteswissenschaften nach sich:

Vermischte Erfindungen

Mehrere von Galileis Erfindungen sind heute nur in seinen Aufzeichnungen und Skizzen erhalten. Er zeichnete unter anderem Skizzen von Geräten wie einer Kombination aus Kerze und Spiegel, um damit das Licht durchs ganze Haus leiten zu können, einen automatischen Tomatenpflücker, einen Taschenkamm, der auch als Besteck verwendet werden konnte, und eine Art Vorläufer des Kugelschreibers. Der von ihm entwickelte Temperaturmesser wurde von Fahrenheit (1714) entscheidend verbessert.

Galileis naturwissenschaftliche Werke

Galilei veröffentlichte seine wissenschaftlichen Erkenntnisse in den folgenden Hauptwerken (weitere Werke, die heute von vornehmlich biografischem Interesse sind, werden in der Biografie genannt):

  • Sidereus Nuncius, 1610
    deutsch: Nachricht von neuen Sternen, Frankfurt a. M. 1965
  • Saggiatore (Prüfer mit der Goldwaage), 1623
  • Dialogo sopra i due massimi sistemi, Florenz 1632
    deutsch: Dialog über die beiden hauptsächlichen Weltsysteme, Leipzig 1891
  • Discorsi e dimostrazioni matematiche, Leiden 1638
    deutsch: Unterredung und mathematische Demonstration über zwei neue Wissenszweige die Mechanik und die Fallgesetze betreffend, Leipzig 1890
Nach Galilei benannt sind

Rezeption in Kunst und Literatur

Eine überraschende Deutung zu Galileis Entdeckung der Jupitermonde findet sich in der Geschichte von

  • Andreas Venzke: Der Blick auf eine neue Welt – Galileo Galilei und die moderne Wissenschaft. In: Weltgeschichte in Geschichten. Würzburg 2004, S. 97–104. ISBN 3-401-05442-2

Musik

  • Haggard: Eppur Si Muove (Konzeptalbum über Galileo Galilei, 2004, Metal); „Eppur Si Muove“ heißt auf deutsch „und sie (die Erde) bewegt sich doch“.

Film

  • 1947 verfilmten in den USA Ruth Berlau und Joseph Losey die Broadway-Aufführung von Brechts Leben des Galilei mit Charles Laughton in der Titelrolle. Es handelt sich um einen Schwarz-weiß-Stummfilm von 30 Minuten Dauer.
  • In einer deutschen Fernsehverfilmung nach Brechts Leben des Galilei [13] unter der Regie von Egon Monk, spielte Ernst Schröder den Galilei. Mit 150 Minuten Spiellänge ist das die bisher längste Umsetzung des Stoffes im Fernsehen.
  • In der 76 minütigen amerikanischen Fernsehverfilmung Lamp at Midnight[14] (1966), die nicht auf Brecht beruht, wurde Galilei von Melvyn Douglas gespielt.
  • 1975 führte Joseph Losey Regie in Galileo[15] (USA), einem Spielfilm, der wiederum auf Brechts Stück beruht. Chaim Topol spielte den Gelehrten in dem 145 Minuten dauernden Eastmancolor-Film.

Literatur

Quellenangaben

  • Galileo Galilei, Anna Mudry (Hrsg.): Schriften, Briefe, Dokumente. Albus im VMA-Verl., München 1987, Wiesbaden 2005, ISBN 3-928127-94-2.
  • Pietro Redondi: Galilei – der Ketzer. München 1989, ISBN 3-406-33981-6 (Darstellung des Inquisitionsprozesses von 1633, mit z.T. erstmals veröffentlichten Dokumenten).
  • Col, Joël. Entre Galilée et l’Église: la Bible., Une mise au point. Étude. AutoEdition Méguila, ISBN 2-9520299-0-3.

Biografien

  • Mario Biagioli: Galilei, der Höfling. Entdeckung und Etikette. Vom Aufstieg der neuen Wissenschaft. Fischer, Frankfurt a.M. 1999, ISBN 3-10-009628-2.
  • Stillman Drake: Galileo At Work. University of Chicago Press, Chicago 1978, ISBN 0-226-16226-5. (deutsch) Freiburg 2004, ISBN 3-926642-38-6.
  • David Freedberg: The Eye of the Lynx. Galileo, his friends and the beginning of modern natural history. University of Chicago Press, Chicago Ill. 2002, ISBN 0-226-26147-6.
  • Pascual Jordan: Galileo Galilei. In: Kurt Fassmann (Hrsg.): Die Großen der Weltgeschichte. Bd 5. Calvin bis Huygens. Zürich 1974, S. 468–491 (Kurzbiografie).
  • Thomas de Padova: Das Weltgeheimnis. Kepler, Galileo und die Vermessung des Himmels. Piper, München 2009, ISBN 3-492-05172-3.
  • William R. Shea, Mariano Artigas: Galileo Galilei. Aufstieg und Fall eines Genies. Primus, Darmstadt 2006, ISBN 3-89678-559-1.
  • István Szabó: Geschichte der mechanischen Prinzipien und ihrer wichtigsten Anwendungen. Birkhäuser, 1979, ISBN 3-7643-1735-3.
  • Albrecht Fölsing: Galileo Galilei – Prozess ohne Ende. Piper 1983, Rowohlt 1996, ISBN 3-499-60118-4.
  • Michael White: Galileo antichrist: a biography; London: Weidenfeld & Nicolson, 2007, ISBN 978-0-297-84868-4
  • James Reston: Galileo. New York: HarperCollins, 1994 (dt.: Gelileo Gálilei: eine Biographie. Aus d. Amerikan. von Helmut Viechtbauer. München: Goldmann, 1998. ISBN 3-442-12744-0).

Einzelne Aspekte

  • Oswald Loretz: Galilei und der Irrtum der Inquisition. Naturwissenschaft – Wahrheit der Bibel – Kirche. Butzon & Bercker, Kevelaer 1966.
  • Volker Remmert: Widmung, Welterklärung und Wissenschaftslegitimierung. Titelbilder und ihre Funktionen in der Wissenschaftlichen Revolution. (Wolfenbütteler Forschungen 110) Harrassowitz, Wiesbaden 2005, ISBN 3-447-05337-2.
  • Horst Bredekamp: Galilei der Künstler. Die Zeichnungen, der Mond, die Sonne. Akademie Verlag, Berlin 2007.
  • Hans Bieri: Der Streit um das kopernikanische Weltsystem im 17. Jahrhundert. Galileo Galileis Akkomodationstheorie und ihre historischen Hintergründe. Bern 2007 Erklärt Galileis methodischen Vorschlag zu einer biblischen Exegese, welche die Texte als angepasst an menschliche Verstehensmöglichkeiten auffasst und zugrundeliegende Traditionen; mit Textedition und Kommentar.

Weblinks

 Wikisource: Galileo Galilei – Quellen und Volltexte (Italienisch)
 Commons: Galileo Galilei – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien
Überblicksseiten
Primärtexte
Deutschsprachige Übersetzungen der Werke
Sichtweise der katholischen Kirche

Einzelnachweise

  1. Originaltext
  2. Originaltext
  3. Quellen zum Erscheinungsdatum des „Dialogo“
  4. Brief Bellarmins vom 12. April 1615 an Foscarini. In: Galileo Galilei: Schriften – Briefe – Dokumente, Bd. 2; hrsg. von Anna Mudry; Beck, München 1987; ISBN 3-928127-94-2; S. 47.
  5. Brandmüller, Walter: Galilei und die Kirche oder Das Recht auf Irrtum. Pustet Verlag, Regensburg, 1982. ISBN 3-7917-0743-4
  6. Fölsing, Albrecht: Galileo Galilei: Ein Prozess ohne Ende. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg, 1996. ISBN 3-499-60118-4
  7. Dorn, Matthias: Das Problem der Autonomie der Naturwissenschaften bei Galilei. S. 75f. Verlag Franz Steiner, Stuttgart 2000. ISBN 3-515-07127-X
  8. "Es genügt dem Mathematiker." wienerzeitung.at,(abgerufen am 5.Februar 2010)
  9. Ansprache Johannes Paul II an die Teilnehmer d.Vollversammlung der papstlichen Akademie der Wissenschaften vom 31. Oktober 1992 vatican.va, (abgerufen am 5. Februar 2010)
  10. http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,540342,00.html SPIEGEL ONLINE, „Vatikan setzt Galileo Galilei ein Denkmal“, 9. März 2008]
  11. DLF, 28. Nov. 2008, „Aus Religion und Gesellschaft“ (Nachrichten in der Reihe „Tag für Tag“, 09:45 Uhr
  12. MARS,GALILAEI Mars Gazetteer,National Science Space Data Center; USGS Astrogeology Science Center (zugriff=4.April 2010)
  13. [1] (1962)
  14. Lamp at Midnight
  15. [2]
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