- Unungun
-
Die Aleuten oder Alëuten (Eigenbezeichnung von Aleutisch allíthuh 'Gemeinschaft'; regionale Selbstbezeichnung auf den östlichen Aleuten auch Unangax̂, Unangan oder Unanga 'Küstenvolk')[1] sind die Ureinwohner der gleichnamigen, etwa 150 Inseln umfassenden Inselgruppe der Aleuten, die dem Nordwesten Amerikas vorgelagert sind. Der Name der Inselkette wurde erstmals 1827 durch Johann von Krusenstern in Anlehnung an die Ureinwohner vorgeschlagen. [2]
Inhaltsverzeichnis
Abstammung
Das Volk stammt von asiatischen Einwanderern des langschädelig-mongoliden Typus ab, wie er sich auf der Halbinsel Kamtschatka findet, ein Ursprung, der auch durch ihr Geräterepertoire untermauert wird. Sie besiedelten die Inseln vor etwa 4000 Jahren von Alaska aus (Paläo-aleutische Kultur) und breiteten sich nachfolgend in westlicher Richtung über die gesamte, 1700 km lange Inselkette aus. Die Besiedelung war Mitte des 1. Jahrtausends v. Chr. abgeschlossen. Nach eigenen Angaben bewohnen sie die Inseln jedoch bereits seit 9000 Jahren und entstammten drei maritimen Völkern, die sich in verschiedene Stämme gliederten. Diese Überlieferung wird durch vereinzelte C14-datierte Skelettfunde auf Anagula Island gestützt, so dass man eine weitere, frühere Einwanderungswelle annimmt, die sich allerdings anthropologisch in den rezenten Vertretern nicht niedergeschlagen zu haben scheint. Um 1000 n. Chr. scheint es dann noch eine dritte Migrationswelle gegeben zu haben, die aus Asien gekommen sein könnte oder durch Ost-West-Wanderung von Eskimogruppen ausgelöst wurde, so dass sich aus diesen drei Einwanderungszyklen drei mythische Stämme ableiten ließen. Belegt wird dies vor allem durch ein neues Geräteinventar, vor allem polierte Schiefergeräte, wie sie schon vorher für die Thule-Kultur der arktischen Küstengebiete Nordamerikas zwischen der Labrador-Halbinsel und Alaska bis hin zur nordostasiatischen Tschuktschensee typisch gewesen sind.
Die Aleuten isolierten sich schon sehr früh als zunehmend maritime Kulturform von den übrigen arktischen Kulturen des Festlandes. Zwischen 2500 und 1900 v. Chr. lösten sie sich beim Übergang vom Arktischen Stadium II zu III völlig von der Entwicklung der Festlandeskimos, deren Mikrolithen-Techologie mit komplexen mehrteiligen Geräten bei ihnen mit am frühesten auftaucht. Sie behielten seit der Besiedelungsphase um 2000 v. Chr. eine stabile Lebensweise bei und verfügten über eine reiche Technologie der Bearbeitung von Steinabschlägen und Knochen, die sich bis zum Eintreffen der ersten Europäer im 18. Jahrhundert hielt.
Sprache
Der Name Unangan, wie oben erwähnt eine Selbstbezeichnung auf den östlichen Aleuten, die nicht auf das gesamte Volk der Aleuten anwendbar ist, bedeutet in der Sprache der dortigen Inselbewohner „Mensch“. Die Aleuten entwickelten eine eigene Kultur und sprechen ihre eigene Sprache, das Unangam Tunuu mit drei Dialekten, von denen einer, das Attuan, gegen Ende des 20. Jahrhunderts allerdings fast ausgestorben war. Die Hauptdialektgruppen sind das Ostaleutische, das Atkan und das Attuan. Innerhalb der Ostgruppe gibt es wiederum die Unterdialekte auf den Inseln Unalaska, Belkofski, Akutan, den Pribilof Islands, Kashega und Nikolski. Der Pribilof-Dialekt umfasst allerdings zur Zeit alleine mehr Sprecher als alle anderen Aleutendialekte zusammen. Das jetzt ausgestorbene Attuan war ein separater Dialekt, der sowohl Einflüsse das Atkan wie des Ostaleutischen aufwies. Alle Dialekte weisen Wortschatz-Einflüsse des Russischen auf. Der Dialekt der Cooper-Insel hat zudem viele russische Flexionsendungen angenommen.
Die Sprache der Aleuten ist mit den Eskimosprachen eng verwandt und wurde daher mit diesen von dem amerikanischen Linguisten Joseph Greenberg 1987 zu einer der drei großen amerikanischen Sprachgruppen, dem Eskimo-Aleutischen zusammengefasst (die anderen beiden sind Na-Dené und Amerind).
Lebensweise und Gesellschaft
Subsistenz: Da für die Unangan harte Naturbedingungen herrschten, entwickelten sie eine hohe Anpassungsfähigkeit. Ihr wichtigster Jagdgrund war das Meer mit seinen Fischen und Meeressäugern. Dafür entwickelten sie mehrsitzige Kajaks (Baidarkas). Unter den Meeressäugern jagten sie vor allem Bärenrobbe, Seelöwe und Seeotter. Für den Winter sammelten sie Vogeleier der großen Seevögelkolonien. In einigen Regionen jagten sie Karibus und Bären. Als Hausrat waren neben Fellen aus Gras geflochtene Matten, Taschen und Körbe vorhanden. Typisch waren die oft kegelförmigen Kopfbedeckungen. Fett, Jukola (Dörrfisch) wurden in Blasen aufbewahrt, die man aus den Mägen von Seelöwen herstellte.
Gesellschaft: Mehrere Familien lebten in großen halbunterirdischen Bauten (Barabaras) zusammen. Die Dörfer lagen ursprünglich am Meeresufer, und zwar an Stellen, an denen Boote gut zu landen waren, dazu in der Nähe von Frischwasserquellen. Wichtig war dabei auch die Verteidigungsfähigkeit, denn es bestand stets die Gefahr von Überfällen benachbarter Stämme. Nach Ankunft der Russen im 18. und 19. Jahrhundert hörten die inneren Kriege auf, und die Dörfer wurden nun an Flussmündungen angelegt, wo Lachs während der jährlichen Lachswanderungen gefangen werden konnte.
Die Dörfer bestanden gewöhnlich aus miteinander verwandten Familien. Ein Häuptling konnte dabei mehrere Dörfer auf einer Insel regieren, aber es gab nie ein Häuptling, der alle Aleuteninseln oder auch nur einige davon beherrschte. Die Häuptlingswürde wurde gewöhnlich über die männliche Linie vererbt. Die Aleuten hielten ihre Kriegsgefangenen als Sklaven. Männerhäuser, sog. kashims wie bei den Küsteneskimos Alaskas oder der Kodiak-Insel gab es bei ihnen jedoch nicht. Wegen der frühzeitigen Zerstörung ihrer Sozialstruktur gibt es relativ wenig Informationen darüber. Man weiß jedoch, dass ihr Gesellschaftssystem weitgehend matrilinear organisiert war. Monogamie und Polygamie, die sich an der wirtschaftlichen Fähigkeit eines Mannes orientierte, kamen nebeneinander vor. Es gab aber auch, wie das unter ökonomisch kritischen Umweltbedingungen gerne einmal der Fall ist, die Polyandrie. Frauen und Männer genossen weitgehend gleiche Rechte.
Die Religion der Aleuten war vom Schamanismus geprägt und Schamanen hatten große Bedeutung und Macht ganz ähnlich den sibirischen Völkern und Eskimos (Inuit). Bei den Bestattungen gab es Mumifizierungen, deren Technik beherrscht wurde, und Grabbeigaben. Initiationsriten, Amulette, Ahnenkult und Geisterglaube waren entsprechend typisch.
Moderne Geschichte
Entdeckt wurden die Inseln und deren Bewohner 1741 von dem Dänen Vitus Bering und Alexei Tschirikow. Durch die russischen Eroberer wurde das Volk seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zunehmend dezimiert und etwa ab den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts setzt denn auch der Niedergang der Unanagan und deren Kultur ein, denn die Russen entdeckten schnell den Pelzreichtum der Inseln und begannen ohne Rücksicht mit dessen Ausbeutung, in deren Verlauf sie die Eingeborenen zeitweise wie Sklaven hielten und rücksichtslos töteten, vor allem als diese sich zu wehren begannen. Auch die frühen amerikanischen Siedler, darunter Jäger, nahmen kaum Rücksicht und töteten viele Aleuten. Als 1867 Russland die Inselkette der Aleuten zusammen mit Alaska an die Vereinigten Staaten verkaufte (Alaska Purchase), verbesserte sich die Lage etwas, da fast alle Pelztiere weitgehend ausgerottet waren und somit keine Jäger mehr zu den Aleuten vorstießen. Die Anzahl der Aleuten verringerte sich von etwa 25.000 Menschen auf nur noch 2500 in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Als Japan im Zweiten Weltkrieg die USA angriff, begann die für beide Seiten verlustreiche Schlacht um die Aleuten, in deren Verlauf die Inseln Attu und Kiska besetzt wurden. Daraufhin eroberten die Amerikaner die Inseln zurück. In diesem Konflikt wurden die Bewohner der Inseln in die südlichen Teile Alaskas zwangsumgesiedelt. Ihre Dörfer und ihr Besitz wurden zerstört. Erst lange Zeit später durften einige Bewohner zurückkehren. Ihre alte Kultur, ihre sozialen Strukturen waren nun allerdings endgültig zerstört, und es gibt heute nur noch Reste davon.
Auch der rechtliche Status der Aleuten war ähnlich dem der Indianer lange von minderem Rang, denn bis 1966 galten sie als Mündel des United States Fish and Wildlife Service, also quasi als eine besondere Art von Tier. Substantielle Bürgerrechte gewährte ihnen der Kongress erst ab diesem Jahr.
Literatur
- Coe, M.D. (Hrsg.), D. Snow, Elizabeth Benson: Weltatlas der alter Kulturen: Amerika vor Kolumbus. Geschichte, Kunst, Lebensformen, 2. Aufl., S. 46f. Christian Verl., München 1985. ISBN 3-88472-091-0
- Encyclopedia Britannica, 15. Aufl., 1993. ISBN 0-85229-571-5
- Haberland, W.: Amerikanische Archäologie. Geschichte, Theorie, Kulturentwicklung, S.163. WBG, Darmstadt 1991. ISBN 3-534-07839-X
- Läng, H.: Kulturgeschichte der Indianer Nordamerikas, S. 38ff. Walter Verl., Olten 1989. ISBN 3-8112-1056-4
- Sherratt, A. (Hrsg.): Die Cambridge Enzyklopädie der Archäologie, S. 362ff. Christina Verl., München 1980. ISBN 3-88472-035-X
Einzelnachweise
Weblinks
Wikimedia Foundation.