Urabi-Bewegung

Urabi-Bewegung
Ahmad Urabi Pascha

Die Urabi-Bewegung (arabisch ‏الثورة العرابية‎ ath-Thawra al-ʿUrābiyya, DMG aṯ-ṯaura al-ʿurābīya) war von 1879 bis 1882 eine nationale Volksbewegung der Jungägypter im osmanischen Vizekönigreich Ägypten. Ihren Namen erhielt sie von dem zum Kriegsminister Ägyptens aufgestiegenen Offizier Ahmad Urabi Pascha (1839-1911), auch Arabi Pascha genannt. Im Zuge der Niederschlagung des Aufstandes wurde Ägypten durch Großbritannien besetzt.

Inhaltsverzeichnis

Ursache

Plan des Sueskanals von 1881

Ägypten gehörte im 19. Jahrhundert offiziell zwar noch zum Osmanischen Reich, hatte aber unter der Dynastie des Muhammad Ali eine relative Unabhängigkeit erlangt. Durch einige Verwaltungsreformen, eine starke Bautätigkeit sowie eine verfehlte Finanzpolitik stieg die Staatsverschuldung unter Vizekönig Ismail Pascha kräftig an. Zum finanziellen Ruin Ägyptens führte vor allem die Beteiligung an den Baukosten des Sueskanals. Schließlich stiegen die Schulden unter Ismail Paschas so an, dass der Staat 1876 nicht mehr im Stande war, seinen Gläubigern die Zinsen zu bezahlen. Aus Staatsschulden von 3 Millionen Pfund Sterling bei seinem Amtsantritt als Vizekönig waren inzwischen 100 Millionen Pfund Sterling geworden. Schon 1875 war Ägypten faktisch bankrott. Die Besitzer der Anleihen wurden unruhig. Ismail musste unter anderem seinen Bestand an Sueskanalaktien an Großbritannien verkaufen. Am 24. November 1875 wechselten 176.602 Aktien für 3.976.582 Pfund Sterling den Besitzer. Im Folgejahr richteten Frankreich und Großbritannien eine Kontrollkommission für die zerrütteten ägyptischen Finanzen ein. Für Großbritannien hatte der Sueskanal eine enorme strategische Bedeutung. Durch seine Eröffnung hatte sich der Weg nach Indien, der wichtigsten britischen Kolonie um ca. 7.000 km verkürzt. Frankreich hatte seit der Expedition Napoleons 1798 Interesse an Ägypten. Die Entwicklung unter Ismail ließ Ägypten tief in die Schuld der europäischen Großmächte geraten. Das nutzten jene, um Konzessionen von Ismail zu erpressen. In Alexandria wurde 1875 ein gemischter Gerichtshof gegründet, welcher die bisherige Konsulargerichtsbarkeit europäischer Mächte im Lande ablöste. Er entschied über Rechtsstreitigkeiten von Ägyptern mit Ausländern und Rechtsstreite der Ausländer untereinander. Das Gremium war mit europäischen und einheimischen Richtern besetzt. Dieses Mischsystem war bei den Einheimischen eine der unpopulärsten Maßnahmen. In das ägyptische Regierungskabinett wurden auf ausländischen Druck hin der Brite Charles Rivers Wilson als Finanzminister und der Franzose Marquis de Blignières als Arbeitsminister berufen. Bis 1878 geriet der Staat vollends unter internationale Finanzaufsicht.

Verlauf

Der Aufstand

Ismail Pascha, der sich einer weiteren Einmischung der Großmächte widersetzen wollte, löste 1879 die gemischte Regierung auf. Großbritannien und Frankreich bestanden aber auf der Wiedereinsetzung ihrer Minister. Als sich der Khedive angesichts der in weiten Landesteilen herrschenden Verdrossenheit dazu nicht bereit fand, wurde er auf Betreiben der europäischen Mächte am 26. Juni 1879 vom türkischen Sultan wegen Verschwendung zur Abdankung gezwungen. Sein Amt übernahm sein Sohn Tawfiq, der sich den Wünschen der Mächte gegenüber willfähriger zeigte.

Ab 1880 verwendete Ägypten die Hälfte seiner Staatseinnahmen zu Schuldentilgung. Für das Land bedeutete dies: hohe Steuerlasten, mangelnde Bezahlung der Beamten und Entlassungen von Soldaten und Offizieren. Gegen die internationale Kontrolle von Finanz- und Wirtschaftspolitik entwickelte sich deshalb eine Opposition, um den Obersten Ahmad Urabi Pascha, die sich aus Offizierskreisen der Armee entwickelte und verschiedene soziale oppositionelle Gruppen vereinigte. Eine weitere Gruppe waren Großgrundbesitzer, die eine Beteiligung an der Macht forderten und sich gegen den Einfluss von Europäern in der Verwaltung wandten. Des Weiteren erfolgte eine Unterstützung durch verschiedene Intellektuelle und muslimische Reformer. Die Bewegung wendete sich auch gegen die autokratische Herrschaft der Ismails.

Im Herbst 1881 kam es zu Unruhen im Land. Daraufhin musste der neue Khedive Tawfiq seinen Premierminister Riaz Pascha entlassen. Neuer Premierminister wurde Sharif Pascha. Der eigentliche Herrscher wurde aber der im Februar 1882 zum Kriegsminister ernannte Ahmad Urabi. Dieser forderte unter dem Motto Ägypten den Ägyptern die Abschaffung der europäischen Finanzkontrolle. Unter dem Druck der Briten und Franzosen setzte der Khedive am 22. Mai 1882 den inzwischen zum Pascha ernannten Urabi ab. Dies führte zum Abfall der Großgrundbesitzer und der europäisierten Bildungselite und zu deren Anschluss an den Khediven Tawfiq. In einem Volksaufstand riss Urabi Pascha aber die Gewalt wieder an sich und proklamierte sich zum Haupt der Nationalpartei. Von Juli bis September 1882 war er Premierminister.

Britische Intervention

Schlacht von Tel-el-Kebir

Großbritannien verhielt sich anfänglich, trotz seiner umfangreichen finanziellen Verbindung mit dem Land, eher zögerlich. Erst als Urabi eine eigene Armee aufgestellt, das ganze Land unter seine Kontrolle gebracht und die Verbindung nach Indien über den Suezkanal bedroht hatte, änderte der liberale britische Premierminister William Ewart Gladstone seine Politik. Am 11. Juni kam es in Alexandria zu blutigen Exzessen gegen die Ausländer. Einen Monat später, am 11. Juli 1882, beschossen britische Kriegsschiffe unter Admiral Seymour Alexandria. In der folgenden Nacht verließen die ägyptischen Truppen die Stadt, nachdem sie das europäische Viertel angezündet hatten. Am nächsten Tag landeten 600 britische Marineinfanteristen in Alexandria. Die Briten führten nun Truppen aus Gibraltar und von Malta heran und General Sir Archibald Alison übernahm das Kommando. Am 6. August wurde eine Expedition entlang des Mahmoudieh Canal unternommen und es kam zu einem Gefecht.[1]

Am 15. August 1882 erreichte der britische Oberbefehlshaber General Wolseley Ägypten. Bis zum 19. August wurden britische Truppen entsandt, um eine weitere wirtschaftliche und finanzielle Durchdringung des Landes und vor allem die Kontrolle über den Suezkanal sicherstellen zu können. Wolseley beauftragte General Hamley einen Angriffsplan auf Abukir auszuarbeiten. Da aber auch Urabi mit einem Angriff auf Abukir rechnete, setzte Wolseley Hamleys Division dort ab und segelte mit dem Rest der Armee weiter nach Ismailia. Am 28. August kam es bei Mahsama zu einem Kampf zwischen 2.000 Mann unter General Gerald Graham und 10.000 Ägyptern. Am 10. September begann Wolseley mit seiner Armee durch die Wüste nach Westen in Richtung Kairo zu marschieren. Auf dem halben Weg dahin traf er auf die Armee Urabis. Am 13. September wurde diese in der Schlacht von Tel-el-Kebir geschlagen und Urabi selbst gefangen genommen. Urabi Pascha wurde durch die ägyptische Regierung zum Tode verurteilt, aber auf Drängen der Briten nach Ceylon verbannt. Am 14. September rückten die ersten britischen Truppen in Kairo ein.

Folgen

Ägypten blieb auch nach der Niederschlagung der Urabi-Bewegung besetzt. Es kam zur Britischen Herrschaft in Ägypten die bis 1922 währte. Die letzten britischen Truppen verließen Ägypten sogar erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Allerdings vermied Gladstone eine offene britische Kolonialherrschaft und installierte mit Generalkonsul Evelyn Baring, dem späteren Lord Cromer einen Berater, der den Khediven lenkte.

In der Schlacht von Tel-el-Kebir wurde die ägyptische Armee vernichtend geschlagen. Am 20. Dezember 1882 wurde sie endgültig aufgelöst. Sie wurde nun unter dem Kommando eines britischen Oberbefehlshabers, des Sirdar, neu aufgebaut.

Die Wirren in Ägypten im Zuge der Urabi-Bewegung und der Besetzung Ägyptens durch Großbritannien begünstigten die Ausbreitung der Idee des Mahdi Muhammad Ahmad im ägyptisch besetzten Sudan. Der daraus resultierende Mahdi-Aufstand gilt als der erste erfolgreiche Aufstand eines afrikanischen Landes gegen den Kolonialismus und führte am Ende des 19. Jahrhunderts zur Bildung eines eigenen Staates.

Bis zur Urabi-Bewegung und zum Mahdi-Aufstand gehörten Eritrea und Somaliland zu Ägypten. Durch den Verlust der Verbindung zu diesen Gebieten im Zuge des Aufstandes, gelang es den europäischen Kolonialmächten, diese Länder zu besetzen.

Siehe auch

Literatur

  • Ulrich Haarmann: Geschichte der Arabischen Welt. Herausgegeben von Heinz Halm. 4. überarbeitete und erweiterte Ausgabe. C. H. Beck, München 2001, ISBN 3-406-47486-1, (Beck's historische Bibliothek).
  • Rudolph Peters: Islam and Colonialism. The Doctrine of Jihad in Modern History. Mouton Publishers, The Hague u. a. 1979, ISBN 3-11-010022-3, (Religion and society 20), S. 74–84.
  • Thomas Archer: The War in Egypt and the Soudan. 4 Volumes. Blackie, London 1886.
  • W.H.G. Kingston: Blow the bugle, draw the sword. Leonaur 2007, ISBN 978-1-84677-266-5

Einzelnachweise

  1. Kingston: Blow the Bugle S. 302

Weblinks


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