Ismail Pascha

Ismail Pascha
Ismail Pascha
Grab Ismail Paschas in der Kairoer Al-Rifa'i-Moschee

Ismail Pascha (arabisch ‏إسماعيل باشا‎, DMG Ismāʿīl Paša; * 31. Dezember 1830 in Kairo; † 2. März 1895 in Konstantinopel) war von 1863–1879 osmanischer Vizekönig von Ägypten. Er ist auch unter dem Beinamen Ismail der Prächtige bekannt. Ismail führte eine umfangreiche Modernisierung Ägyptens durch, stürzte das Land aber auch in schwere Schulden. Unter seiner Herrschaft erreichte Ägypten die größte Ausdehnung, bis ins Gebiet des heute südsudanesischen Gondokoro.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Ismail wurde in Kairo als zweiter von drei Söhnen Ibrahim Paschas geboren. Er war ein Enkel des Begründers der bis 1953 regierenden Dynastie des Muhammad Ali. Ismail wurde gemeinsam mit seinem ältesten Bruder Achmed in Paris erzogen. Als sein Vater 1849 starb, kehrte er an den Nil zurück. Nach dem Tod seines älteren Bruders wurde er Erbe seines Onkels Muhammad Said, des Wali von Ägypten. Dieser berief ihn 1855 in den Staatsrat und betraute ihn mit wichtigen amtlichen Funktionen. Ismail wurde unter anderem in diplomatischer Mission ins Ausland gesandt, so zum Papst, zum französischen Kaiser Napoléon III. und zum türkischen Sultan. 1861 leitete Ismail bei einer längeren Abwesenheit seines Onkels an dessen Stelle die Regierung. Gegen Jahresende erhielt er die Order, einen im Sudan ausgebrochenen Aufstand zu unterdrücken. An der Spitze eines 14.000 Mann starken Korps vollendete er den Auftrag erfolgreich.

Nach dem Tode seines Onkels Muhammad Said am 18. Januar 1863 wurde er ohne Widerspruch zu dessen Nachfolger proklamiert. Er bekam 1867, gegen die Verdoppelung des Tributs, von Sultan Abdülaziz den erblichen Titel Khedive verliehen.

Ismail führte die Staatsgeschäfte sowohl mit Geschick als auch verschwenderisch. Nach seiner erzwungenen Abdankung verließ der Khedive Ägypten. Ein Aufenthalt in Konstantinopel wurde ihm anfangs verwehrt. Am 30. Juni 1879 reiste Ismail mit einem Zug voller Güter in Kairo ab. Er schiffte sich am 1. Juli 1879 von Alexandria mit seinem Harem nach Neapel ein und bemühte sich vergeblich, durch Rundreisen zu den europäischen Mächten die Wiederherstellung seiner Herrschaft zu erlangen. Der Sultan Abdülhamid II. gestattete Ismail Pascha schließlich, sich auf seinen Palast Emirgan am Bosporus zurückzuziehen. Dort blieb er, mehr oder weniger ein Staatsgefangener, bis an sein Lebensende. Der ehemalige Vizekönig starb 1895 in Konstantinopel. Nachfolger als Khedive wurde sein Sohn Tawfiq (1879 – 1892). Sein jüngerer Sohn Fuad I. wurde 1922 der erste König von Ägypten.

Politisches Wirken

Ismail führte die an freisinnigen Grundsätzen orientierte Politik seines Vorgängers fort. Seine verschwenderische Hofhaltung, Investitionen und Rüstungsausgaben verschlangen enorme Mittel und belasteten Ägypten zunehmend mit Schulden. Ismail drückte dem Volk, besonders den Fellachen, Steuern und Frondienste auf, um die hohen Summen aufzubringen. Dessen ungeachtet erwarb er sich bedeutende Verdienste um sein Land: Er

  • führte die Baumwollkultur in Ägypten ein und schuf eine Zuckerindustrie.
  • setzte die Vollendung des Sueskanals gegen von England angestiftete türkische Intrigen durch.
  • berief 1866 eine ägyptische Notabelnversammlung ein, um über innere Reformen zu beraten.
  • gestaltete das Steuersystem und das Postwesen um.
  • baute Paläste, be- und unterhielt verschwenderisch eine Oper und ein Theater, errichtete in Kairo ein Museum, eine Bibliothek und die Sternwarte.
  • erweiterte Kairo groß nach Westen hin und baute den neuen Stadtteil nach Pariser Vorbild. Auch Alexandria wurde städtebaulich verbessert.
  • initiierte ein Projekt zum Eisenbahnbau.

Hauptsächlich war Ismails Augenmerk darauf gerichtet, die Herrschaft seiner Dynastie zu festigen und sich vom türkischen Sultan unabhängig zu machen. Im Mai 1866 erhielt er die Zustimmung der Hohen Pforte zur Regelung der Erbfolge in direkter Linie. Ein Jahr später, als das osmanische Reich wegen eines Aufstandes auf Kreta seiner Hilfe bedurfte, gewährte ihm der Sultan Abdülaziz den Titel „Khedive“ („Vizekönig“) und einige Zugeständnisse für die Selbstständigkeit der Verwaltung Ägyptens.

Ismail ging dann daran, sich ein starkes Heer nach europäischem Muster und eine Flotte von Panzerschiffen anzuschaffen. Als er 1869 eine Reise an die europäischen Höfe antrat, über die Neutralisierung des Sueskanals und die Aufhebung der Konsulargerichtsbarkeit selbstständige Verhandlungen mit den Mächten anknüpfte und so sein Streben nach Unabhängigkeit kundtat, schritt die Pforte ein. Ismail, welcher für einen Krieg auf keine fremde Hilfe hoffen konnte, musste sich im Dezember 1869 dem türkischen Sultan unterwerfen, eine Begrenzung des Heeres auf 30.000 Mann zusichern und der Pforte im März 1870 seine Panzerschiffe ausliefern. Im Juli 1870 und den Jahren 1872 und 1873 besuchte Ismail Konstantinopel. Mit einer Bakschisch-Politik versuchte er seine Position zu verbessern. Durch reichliche Geldgeschenke an Sultan Abdülaziz und dessen vornehmste Beamte erlangte er einen neuen Ferman vom 8. Juni 1873, der ihm zwar einen Tribut von 1 Million Taler (= 3 Millionen Goldmark) auferlegte, ihm jedoch einen höheren Rang und eine sehr weit reichende Unabhängigkeit dem Vizekönigreich garantierte.

Dieser - frühere ersetzende - neue Ferman bestätigte dem Kairoer Khediven die direkte Erbfolge für männliche Nachkommen (Erstgeburtsrecht). Außerdem wurde in dem Sultanserlass

  • die vollständige Unabhängigkeit der ägyptischen Verwaltung und Justiz,
  • das Recht, Verträge mit fremden Mächten (über den Handel und innere Landesangelegenheiten, nichtpolitische und Staatsverträge) abzuschließen,
  • das Münzrecht (jedoch mit des türkischen Sultans Namenszug) und
  • die Befugnis zur Aufnahme von Anleihen oder anderer Schulden,

verankert.

Ismails kriegerische Unternehmungen führten zur Eroberung von Darfur. Das Sultanat wurde am 9. Dezember 1874 annektiert. Ein Feldzug ins nördliche Abessinien brachte hingegen keinen Erfolg. 1877 schlossen Ägypten und Abessinien einen Friedensvertrag.

Die gesamten Entwicklungen ließen Ägypten tief in die Schuld der europäischen Großmächte geraten und das nutzten jene, um Konzessionen von Ismail herauszupressen. In Alexandria wurde 1875 ein internationaler Gerichtshof gegründet, welcher die bisheriger Konsulargerichtsbarkeit europäischer Mächte im Lande ablöste. Er entschied über Rechtsstreitigkeiten von Ägyptern mit Ausländern und Rechtsstreite der Ausländer untereinander. Das Gremium war mit europäischen und einheimischen Richtern besetzt. Dieses Mischsystem war bei den Einheimischen eine der unpopulärsten Maßnahmen.

Durch die Verwaltungsreformen, eine starke Bautätigkeit sowie eine verfehlte Finanzpolitik stieg die Staatsverschuldung kräftig an. Zum finanziellen Ruin Ägyptens führte vor allem die Beteiligung an den Baukosten des Sueskanals. Schließlich expandierten die Schulden unter Ismail Paschas so, dass der Staat 1878 nicht mehr im Stande war, seinen Gläubigern die Zinsen zu bezahlen. Aus Staatsschulden von 3 Millionen Pfund Sterling bei seinem Amtsantritt als Vizekönig waren inzwischen 100 Millionen Pfund Sterling geworden. Schon 1875 war Ägypten faktisch bankrott. Die Besitzer der Anleihen wurden unruhig. Ismail musste unter anderem seinen Bestand an Sueskanalaktien an Großbritannien verkaufen. Am 24. November 1875 wechselten 176.602 Aktien für 3.976.582 Pfund Sterling den Besitzer. Im Folgejahr richteten Frankreich und Großbritannien eine Kontrollkommission für die zerrütteten ägyptischen Finanzen ein.

Der Staat geriet 1878 vollends unter internationale Finanzaufsicht. In das ägyptische Regierungskabinett unter Premierminister Nubar Pascha wurden auf ausländischen Druck hin der Brite Charles Rivers Wilson als Finanzminister und der Franzose Marquis de Blignières als Arbeitsminister berufen. Das mochten viele Ägypter nicht hinnehmen und scharten sich um den unzufriedenen Obersten Ahmad Urabi. Die Urabi-Bewegung verbrauchte Ägypten in den folgenden Jahren. Ismail Pascha tat wenig, der Revolte entgegenzutreten, weil er hoffte, die europäischen Mächte dadurch loszuwerden. Er löste die Regierung auf. Großbritannien und Frankreich bestanden aber auf der Wiedereinsetzung ihrer Minister. Als sich der Khedive angesichts der in weiten Landesteilen herrschenden Verdrossenheit dazu nicht bereit fand, wurde er auf Betreiben der europäischen Mächte am 26. Juni 1879 vom türkischen Sultan wegen Verschwendung zur Abdankung gezwungen. Sein Amt übernahm sein Sohn Tawfiq (auch „Tewfik“ geschrieben), der sich den Wünschen der Mächte gegenüber willfähriger zeigte.

Sonstige Initiativen

  • 1869 eröffnete Ismail den Sueskanal. Er veranstaltete hierzu ein Fest von beispiellosem Ausmaß und lud Würdenträger rund um die Welt dazu ein.
  • Die Stadt Ismailia am Suezkanal ist nach ihm benannt.
  • Der deutsche Afrikaforscher Gerhard Rohlfs erhielt vom Khediven den Auftrag für eine Expedition zu den Kufra-Oasen.
  • Ismail Pascha gab beim italienischen Komponisten Giuseppe Verdi eine Oper für Kairos Opernhaus in Auftrag. Es entstand Aida.
  • Khartum wird Gouverneurssitz und damit Hauptstadt des Sudan.

Ehrungen und Auszeichnungen

Literatur

  • Thomas Archer: The war in Egypt and the Soudan. An episode in the history of the British Empire, being a descriptive account of the scenes and events of that great drama, and sketches of the principal actors in it. 4 Bände. Blackie & Son, London 1885–1887 (Digitalisate: Band 1, Band 2, Band 3, Band 4).
  • Evelyn Baring, Earl of Cromer: Das heutige Aegypten. Band 1. Siegismund, Berlin 1908.
  • Elbert Eli Farman: Egypt and its Betrayal. An account of the country during the periods of Ismaîl and Tewfik Pashas, and of how England acquired a new Empire. Grafton Press, New York 1908.

Weblinks

 Commons: Ismail Pascha – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien


Vorgänger Amt Nachfolger
Muhammad Said Vizekönig von Ägypten
1863–1879
Tawfiq

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