Vaterschaftsausschlussverfahren

Vaterschaftsausschlussverfahren

Das Abstammungsgutachten ist ein wissenschaftliches Verfahren, mit dem die Verwandtschaft zwischen zwei Personen festgestellt werden soll.

Das wegen des häufigsten Anwendungsfalls im allgemeinen Sprachgebrauch als Vaterschaftstest bezeichnete Verfahren (mater semper certa est), wird im Regelfall in Gerichtsverfahren (hauptsächlich bei Vaterschaftsanfechtungsklagen) auf Anordnung des Gerichts durchgeführt. Moderne DNA-Vaterschaftstests sind einfach und kostengünstig durchführbar, so dass es seit den 1990er-Jahren Anbieter gibt, die diesen Test auch für Privatpersonen durchführen.

Inhaltsverzeichnis

Methoden

Die Methoden für Abstammungsgutachten wurden durch den Fortschritt der Wissenschaft weiterentwickelt. Es gibt u.a. die folgenden Methoden:

  • Bei Blutgruppentests werden die Blutgruppen der Mutter, des Kindes und des vermutlichen Vaters ermittelt. Die bekannten Vererbungsregeln schließen eine Reihe von Ergebniskombinationen zwingend aus.
  • Bei serologischen Gutachten werden weitere Blutbestandteile (HLA-Antigene und andere Proteine) in die Untersuchung eingezogen.
  • Bei anthropologisch-erbbiologischen Gutachten wurde mit Hilfe von vererbbaren äußeren Merkmalen (z.B. Haut-, Augen-, Haarfarbe, Kopfform, Irisstruktur) die Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft geprüft.
  • Die DNA-Analyse stellt die modernste Methode des Abstammungstests dar. Sie bietet einen fast hundertprozentig sicheren, positiven wie auch negativen Abstammungsnachweis.

Plausibilitätskontrolle anhand sichtbarer Merkmale

Die Bewertung der anthropologischen Unterschiede ist die älteste verfügbare Methode. Es handelt sich dabei um eine Plausibilitätskontrolle, bei der vorhandenes Wissen über Eltern und Nachkommen mit bekannten Vererbungsregeln und -statistiken verglichen wird. Diese Methode kann regelmäßig eine Nachkommenschaft nicht schlussendlich ausschließen, da Eltern nicht phänotypisch ausgeprägte Erbanlagen (Phänotyp und Genotyp) dennoch vererben können, sodass sich beim Kind sichtbare Merkmale zeigen, die bei den Eltern nicht sichtbar sind. Durch die phänotypische Plastizität, einschließlich Einfluss von Umwelt und im Lebensverlauf erlittenen Erkrankungen, können auch dominante Gene verschieden stark ausgeprägt werden.

  • Haarfarbe - bei der Haarfarbe ist dunkelbraun dominant zu blond, so dass auch dunkelhaarige Eltern blonde Kinder haben können. Ebenso sind rote Haare rezessiv, bei der statt des braunen Melanins das hellere Phäomelanin die Pigmentierung ausbildet.
  • Augenfarbe - blauen Augen sind rezessiv, da ein helles Blau wie bei Säuglingen eigentlich keine Pigmentierung beinhaltet. An der Vererbung der Augenfarbe sind mindestens drei Gene beteiligt, deren Funktion noch nicht vollständig verstanden ist.
  • Körpergröße - die erreichbare Körpergröße ist neben der genetischen Konstitution auch von der Ernährung, insbesondere der Eiweißzufuhr abhängig. Statistisch wahrscheinlich ist tatsächlich der Mittelwert von Vater und Mutter plus/minus 6,5cm für Söhne/Töchter.
  • Hautfarbe - der begrenzte Forschungsstand zu den genetischen Grundlagen der Hautfarbe verweist darauf, dass sich die meisten Unterschiede durch Variationen der Rezeptoren für das pigmentierende Melatonin ergeben. Für Europäer wurden bisher 18 Gene identifiziert, die einen Beitrag leisten, bei Afrikanern gibt es Populationen, die in keinem dieser Gene Variationen aufweisen.

Gerade die äußerlichen Merkmale eines Kindes geben oft den ursprünglichen Anlass, eine Vaterschaft anzuzweifeln. Die Beispiele zu den genetischen Grundlagen zeigen jedoch, dass auch große Unterschiede nur unwahrscheinlich sind, aber keinen Ausschlussgrund liefern. Das Zusammentreffen mehrerer großer Unterschiede ist unwahrscheinlicher, jedoch ist die intuitive Auffassung von Wahrscheinlichkeit teils deutlich abweichend zur bekannten Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Ausschlussverfahren anhand von Blutgruppentest

Bei Blutgruppentests werden die Blutgruppen der Mutter, des Kindes und des vermutlichen Vaters ermittelt. Anschließend wird geprüft, ob ein gemeinsamer Nachkomme der Mutter und des Vaters die gleiche Blutgruppe haben könnte wie das Kind. Dieses Verfahren kann nur in bestimmten Kombinationen eine Vaterschaft ausschließen, nicht aber bestätigen.

Die Vererbungsregeln zu Blutgruppen im AB0-System sind vollständig bekannt - und im Gegensatz zum Rhesusfaktor werden auch die Antikörper spontan bei allen Kindern im ersten Lebensjahr ausgeprägt, die per Antikörpersuchtest einfach nachzuweisen sind. Die Tests zur Blutgruppe im AB0-System und Rhesusfaktor D sind weitverbreitet, einschließlich eines Bedside-Test. Im Vergleich mit DNA-Analysen ist die Blutgruppenbestimmung billiger und für Erwachsene lässt sich die Blutgruppe leicht durch eine Blutspende kostenlos in Erfahrung bringen. Die Blutgruppe eines ungeborenen Kindes kann ohne Risiko für die Schwangerschaft ermittelt werden, da Blutkörper des Kindes zum kleinen Teil auch im Blutkreislauf der Mutter präsent sind und sich dort unterscheiden lassen - ein Eingriff wie bei der pränatalen Gendiagnostik ist hier nicht notwendig.

Jeder Mensch hat einen Genotyp im AB0-System mit genau zwei Allelen aus der Gesamtheit von kodominanten Allel A und Allel B mit dem rezessivem Allel 0. Der Genotyp eines Kindes bildet sich aus je genau einem Allel des Genotyps der Mutter und genau einem Allel des Genotyps des Vaters. Eine volkstümlich angenommene Vererbung der phänotypischen Blutgruppe gibt es dabei nicht, ein Kind von Eltern mit Blutgruppe AB (Genotyp AB) und 0 (Genotyp 00) muss entweder Blutgruppe A (Genotyp A0) oder Blutgruppe B (Genotyp B0) haben. Andere Blutgruppen sind aus dieser Elternkonfiguration nicht möglich (hier AB oder 0). Bei anderen Elternkonfiguration lassen sich durch Kenntnis der Blutgruppen der Großeltern oft einige Genotypen ausschließen.

Abstammungsgutachten anhand von DNA-Analysen

  • Durch den Genetischen Fingerabdruck (Fingerprinting) wurde von 1985 bis 1998 die so genannte Minisatelliten-DNA (auch "VNTRs" = variable number of tandem repeats) untersucht die bei jedem Individuum in einer unverwechselbaren Länge und Kombination auftreten. Mit PCR-Technik (Polymerase-Kettenreaktion) werden DNA-Abschnitte, die Minisatelliten enthalten, vervielfältigt und können mit Gelelektrophorese aufgetrennt und sichtbar gemacht werden. Da die VNTRs bei jedem Menschen unterschiedlich lang sind, ergibt sich für jeden Menschen ein spezifisches Bandenmuster.
  • Etwa ab 1998 wurden die Minisatellitentechnik fast vollständig durch die STR-Technik (Short Tandem Repeat) verdrängt.

Generell ist das Ergebnis umso sicherer, je mehr der Regionen auf Übereinstimmung geprüft werden. Jedoch ist die Sicherheit des Ergebnisses nicht nur von der Zahl der getesteten Regionen abhängig. Seit 2003 hat sich ein Testverfahren mit 15+1 DNA-Markern (DNA-Regionen) in vielen Laboratorien durchgesetzt. Es handelt sich um 15+1 Marker, da von diesen 16 Markern nur 15 für die Begutachtung der Abstammung benutzt werden können – der 16. Marker erfasst lediglich das Geschlecht der getesteten Person. Dieser Test erreicht eine Wahrscheinlichkeit von 99,9% für die Vater-Kind Abstammung, ein Test mit 25 DNA-Regionen erreicht eine Wahrscheinlichkeit von 99,99999%.

Jeweils die Hälfte der im DNA-Labor gemessenen Erbmerkmale (Allele) des Kindes müssen mit denen jedes Elternteils übereinstimmen. Da die Natur allerdings neben den Zuständen 0 und 1, im Sinne Vaterschaft ja und nein, eine Reihe von Zwischenzuständen kennt, ist der Ausschluss einer biologischen Vaterschaft nur möglich, wenn mindestens auf drei Genorten (Markern) zwischen dem möglichen Vater (Putativvater) und dem Kind keine gemeinsamen Allele vorhanden sind. Wird z. B. in einem Set von 15 untersuchten genetischen Regionen, nur eine Nichtübereinstimmung zwischen Vater und Kind gefunden, kann es sich um eine Mutation handeln. Nach der genannten Daumenregel von mindestens drei Ausschlüssen, ist der Ausschluss auf nur einem Genort nicht ausreichend, um die Vaterschaft in Frage zu stellen. In einem solchen Fall muss der Gutachter entscheiden, ob vielleicht weitere Genorte zur Untersuchung herangezogen werden müssen, um die Sicherheit des Ergebnisses zu erhöhen. Die Sicherheit des Ergebnisses ist bei der Annahme des Vorliegens einer Mutation insbesondere dann reduziert, wenn die Berechnung der Vaterschaftswahrscheinlichkeit ohne das DNA-Profil der Mutter vorgenommen wurde. In den meisten Fällen kann dann ein sicheres Ergebnis erzielt werden, wenn auch das DNA-Profil der Mutter bekannt ist. In nur wenigen Ausnahmefällen müssen tatsächlich weitere Genorte untersucht werden.

Allerdings sind Mutationen nicht der einzig mögliche Grund für ein oder zwei Nichtübereinstimmungen zwischen Vater und Kind. Gerade dann, wenn ein Verwandter des getesteten Mannes als Alternativvater in Frage kommen kann, stellt der Abstammungstest große Anforderungen an das ausführende Labor. Eineiige Zwillinge besitzen sogar ein ununterscheidbares DNA-Profil, sodass der normale DNA-Test nicht in der Lage ist, bei Zwillingen als Alternativvätern, den wahren Vater zu identifizieren. Da die DNA-Analyse nur nicht codierende DNA-Bereiche erfasst, zeigen dabei entdeckte Mutationen keinen Bezug zu genetischen Krankheiten.

Die DNA-Analyse selbst ist nicht mit der Gendiagnostik zu verwechseln, da nur die Bereiche zwischen den Genen analysiert werden. Informationen über defekte Gene und/oder Erbkrankheiten erhält man dabei nicht.

Die für den Test benötigte DNA kann z. B. mit Hilfe einer Speichelprobe (Mundschleimhautzellen), Haaren, Hautzellen, benutzten Taschentüchern, Schnullern, Zahnbürsten, Kaugummis oder anderen zellhaltigen Materialien gewonnen werden. Haare führen nur in Ausnahmefällen zu in einem Verwandtschaftstest verwertbaren DNA-Profilen, da nur die Haarwurzeln Zellen mit analytisch verwertbarem Material enthalten.

Bereits während der Schwangerschaft ist der pränatale Vaterschaftstest möglich, welches jedoch mit einem erhöhten Risiko einer Fehlgeburt verbunden ist. Daher wird dieser in der Regel nur dann durchgeführt, wenn ohnehin eine Gewebeprobe mittels Fruchtwasseruntersuchung entnommen wird, weil z. B. eine Untersuchung auf Erbkrankheiten oder andere Anomalien stattfindet.

Rechtliche Beurteilung von Vaterschaftstests

Eine heimlich durchgeführte DNA-Vaterschaftsanalyse ist in Deutschland rechtswidrig, wie jede andere Ausforschung des Genoms einer anderen Person. Sie ist deshalb nicht gerichtlich verwertbar.[1][2] Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass es dem rechtlichen Vater möglich sein muss, seine biologische Elternschaft (→ Genitor) auch ohne Einverständnis des Kindes (bzw. bis zur Entscheidungsmündigkeit ohne Einverständnis seiner gesetzlichen Vertreter) nachprüfen zu lassen. Die Feststellung der biologischen Vaterschaft soll dabei keine automatischen Auswirkungen auf die rechtliche Vaterschaft haben. Eine Regelung hierzu zu schaffen war dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 31. März 2008 gesetzt.[2][3] Deshalb hat der Bundestag am 21. Februar 2008 ein entsprechendes Gesetz beschlossen, das am 1. April 2008 in Kraft trat.

Einzelnachweise

  1. Urteile des Bundesgerichtshofs vom 12. Januar 2005 XII ZR 60/03, XII ZR 227/03
  2. a b Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Februar 2007
  3. Deutscher Bundestag: Rechtliche Beurteilung von Vaterschaftstests. Aktueller Begriff, Nr. 42/07, 30. Juli 2007.

Siehe auch

Weblinks

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