Verband Groß-Berlin

Verband Groß-Berlin
1885 – „Alt“-Berlin noch scharf abgegrenzt

Im Jahr 1920 bildeten Alt-Berlin, sieben weitere Stadtgemeinden, 59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirke die damals neu entstandene Stadtgemeinde Groß-Berlin mit 3,8 Millionen Einwohnern. Vorläufer des Zusammenschlusses war der Zweckverband Groß-Berlin, der von 1912 bis 1920 bestand. Als größte und bleibende Leistung des Verbandes gilt der Dauerwaldvertrag zum Ankauf großer Waldflächen, auch außerhalb Berlins in Brandenburg.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund und Zielsetzung

Die nach der Industrialisierung rasant wachsende Region Berlin bedurfte zu Beginn des 20. Jahrhunderts dringend einer Koordination des Verkehrsnetzes, der Bauplanung und der Freiflächen. Handel, Industrie und Handwerk beklagten sich über ein ausuferndes Kompetenzgerangel der vielen Behörden. Mit dem Zwecksverbandsgesetz für Groß-Berlin vom 19. Juli 1911, das am 1. April 1912 in Kraft trat, wurden die kreisfreien Städte Berlin, Charlottenburg, Deutsch-Wilmersdorf, Lichtenberg, Neukölln, Schöneberg und Spandau sowie die Landkreise Niederbarnim und Teltow zu einem Zweckverband mit 4,2 Millionen Einwohnern auf rund 3500 Quadratkilometern Fläche zusammengeschlossen. Drei Aufgaben sollte der Verband wahrnehmen:

  1. Regelung des Verhältnisses zu öffentlichen, auf Schienen betriebenen Transportanstalten mit Ausnahme der Staatseisenbahnen,
  2. Beteiligung an der Feststellung der Fluchtlinien und Bebauungspläne für das Verbandsgebiet und Mitwirkung an dem Erlasse von Baupolizeiverordnungen,
  3. Erwerbung und Erhaltung größerer von der Bebauung freizuhaltender Flächen (Wälder, Parks, Wiesen, Seen, Schmuck-, Spiel-, Sportplätze usw.).

Ein politischer Hintergrund bestand in dem Versuch des Preußischen Staates, über das neu geschaffene Zweckverbandsgesetz der größten infrastrukturellen Probleme der Metropole Berlin Herr zu werden, ohne dass es zum Machtzuwachs eines tatsächlichen Zusammenschlusses käme. Das durch den Zusammenschluss befürchtete Erstarken liberaler und linker Strömungen sollte auf diese Weise verhindert werden. Das Kunstgebilde Zweckverband, dem es zudem an administrativer Gewalt fehlte, konnte denn auch nur in einem der drei Aufgabenbereiche einen nachhaltigen Erfolg vorweisen: im Bereich Freiflächen mit dem Dauerwaldvertrag, auch ‚Dauerwaldkaufvertrag‘ oder ‚Jahrhundertvertrag‘ genannt. In den übrigen Bereichen setzte der Verband kleinere Korrekturen durch, wie beispielsweise im Frühjahr 1918 die Vereinheitlichung der Straßenbahntarife – bei fünfzehn verschiedenen kommunalen und privaten Betreibern (1912) durchaus eine beachtliche Leistung.

Dauerwaldvertrag

Erfolg des Zweckverbandes: Kauf der Parforceheide

Die Erhaltung und Ausdehnung der Berliner Wälder erfolgte aus gesundheitspolitischen Gründen, ferner, um die Wasserversorgung des Ballungsraumes zu sichern und um die zu dieser Zeit ausufernde Spekulation mit Waldflächen einzudämmen. Die Überlegungen fanden ihren Niederschlag im sogenannten ‚Dauerwaldvertrag‘ aus dem Jahr 1915 zwischen dem Zweckverband und dem Königlich-Preußischen Staat zum Erwerb von rund 100 km² Waldfläche – auch außerhalb Berlins in Brandenburg – für 50 Millionen Goldmark. Die heutige Großstadt Berlin, die fünf Jahre später aus dem Zweckverband hervorging, trat als Rechtsnachfolgerin in den Vertrag ein. „Immerhin ist es ein bleibendes Verdienst des Zweckverbandes, daß Berlin – verglichen mit anderen Millionenstädten – über Waldflächen von einzigartiger Ausdehnung verfügt.“

Auflösung 1920 - Groß-Berlin

Mit dem Ausruf der Republik nach der Novemberrevolution 1918 war der Weg zum Zusammenwachsen Berlins auch politisch frei, der Zweckverband löste sich auf. Das Gesetz über die Bildung einer neuen Stadtgemeinde Berlin (Groß-Berlin-Gesetz) vom 27. April 1920 regelte, dass die namentlich aufgezählten Gemeinden oder Gutsbezirke, „soweit sie zu den Kreisen Teltow, Niederbarnim und Osthavelland und der Provinz Brandenburg gehören, aus diesen Verbänden aus[scheiden] und […] die neue Stadtgemeinde Berlin“ bilden.

Heutige Ortsteile wie Charlottenburg, Wilmersdorf oder Schöneberg kamen erst zu diesem Zeitpunkt zu Berlin. Alt-Berlin mit rund zwei Millionen Einwohnern umfasste im Wesentlichen die heutigen Innenstadtbereiche im Bezirk Mitte mit Tiergarten, Moabit und dem Wedding, Prenzlauer Berg (Prenzlauer Tor), Teile des heutigen Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg sowie die sogenannten ‚Vorstädte‘ Schöneberg und Tempelhof. Während sich die Einwohnerzahl auf rund vier Millionen verdoppelte, verdreizehnfachte sich die Fläche von 66 auf knapp 880 Quadratkilometer – bis heute hat sich die Gestalt Berlins in ihren groben Zügen so erhalten.

Siehe auch

Literatur

  • Verband Groß Berlin: Verwaltungsbericht für die Zeit des Bestehens des Verbandes vom 1. April 1912 bis 30. September 1920. Berlin, 1921.
  • Michael Erbe: Berlin im Kaiserreich (1871–1918). In: Geschichte Berlins, Zweiter Band. Hrsg. Wolfgang Ribbe. Verlag C.H.Beck München, 1987. ISBN 3-406-31591-7 Zitat Seite 750
  • Martin Klees: Der Berliner Waldbesitz im Wandel der Zeiten. In: AFZ – Allgemeine Forstzeitschrift 29, 1963, S. 450ff.
  • Reiner Cornelius: Geschichte der Waldentwicklung, Hrsg. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz Berlin, Reihe Monitoringprogramm Naturhaushalt, Heft 3, Vertrieb durch Kulturbuchverlag Berlin, 1. Aufl. 1995 ISSN 0946-3631

Weblinks


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