Verhandlungslösung

Verhandlungslösung

Die Verhandlungslösung ist ein spieltheoretisches Konzept zur Lösung von kooperativen Spielen. Dabei heißt ein Spiel kooperativ, wenn die Akteure durch ein abgestimmtes Vorgehen, d. h. durch eine gemeinsame Wahl einer Strategie, einen Zusatzgewinn gegenüber der Situation, in der jeder nur für sich spielt, erzielen können. In diesem Fall ist über die Aufteilung des Zusatzgewinns zu verhandeln, daher der Begriff Verhandlungslösung (engl. bargaining solution). Dieser Artikel beschränkt sich auf so genannte Zweipersonenspiele, also auf Spiele, an denen nur zwei Spieler beteiligt sind.

Inhaltsverzeichnis

Die nicht-kooperative Situation

Die meisten Gesellschaftsspiele erfordern häufige strategische Entscheidungen der beteiligten Spieler, um einen für sie günstigen Spielausgang herbeizuführen. Legt man diese Entscheidungen für alle denkbaren Spielsituationen bereits vor Spielbeginn fest, so hat man es nur noch mit einer Strategie pro Spieler zu tun. Die Ausführung des Spiels besteht dann nur noch in der Befolgung der bereits getroffenen Entscheidungen. Das ist die Sichtweise des Mathematikers:

Ein nicht-kooperatives Zweipersonen-Spiel Γ besteht aus zwei Mengen S1 und S2 und zwei Abbildungen a_i: S_1\times S_2\rightarrow {\mathbb R}, man schreibt kurz Γ = (S1,S2,(a1,a2)). Das Spiel besteht darin, dass jeder Spieler unabhängig vom anderen ein Element si aus seiner Strategiemenge Si wählt. Der i-te Spieler erzielt daraufhin die Auszahlung ai(s1,s2).

Sind die Strategiemengen endlich, so kann man sie nummerieren und etwa S_1=\{1,\ldots,m\}, S_2=\{1,\ldots,n\} setzen. Die Auszahlungsfunktionen sind dann durch zwei Matrizen (a_i(j,k))_{j=1 \ldots m, k=1 \ldots n} gegeben und man spricht von einem Bimatrixspiel.

Jeder Spieler kann sich durch Wahl der besten Strategie bei Unterstellung der für ihn ungünstigsten Strategiewahl des Gegenspielers einen gewissen Auszahlungsbetrag garantieren

  • Spieler 1:  \sup_{s_1\in S_1} \inf_{s_2\in S_2} a_1(s_1,s_2)
  • Spieler 2:  \sup_{s_2\in S_2} \inf_{s_1\in S_1} a_2(s_1,s_2) .

Das sind die so genannten Garantiewerte der Spieler. Werden Supremum und Infimum nicht angenommen, so hat man immerhin noch approximative Garantien.

Unter einem Nash-Gleichgewicht versteht man ein Paar (s1,s2) von Strategien aus S_1 \times S_2, so dass sich ein Spieler durch einseitiges Abweichen von seiner Strategie höchstens verschlechtern kann. In der Theorie der nicht-kooperativen Spiele, in der ein gemeinsames, abgesprochenes Abweichen nicht vorgesehen ist, kann ein Gleichgewicht als Lösung des Spiels verstanden werden.

Das Gefangenendilemma

Die wohl bekannteste spieltheoretische Situation, die den Verhandlungbegriff geradezu herausfordert, ist das Gefangenendilemma. Zwei Gefangene werden auf Grund zweifelhafter Beweislage eines gemeinschaftlichen Verbrechens beschuldigt. Jeder hat zwei Strategien zur Auswahl: 1 = Leugnen, 2 = Gestehen. Leugnen beide, so kann nur eine einjährige Haftstrafe verhängt werden, etwa wegen unerlaubten Waffenbesitzes und Ruhestörung. Gestehen beide, so werden je 8 Jahre fällig. Treffen unterschiedliche Strategien aufeinander, so geht der Geständige als Kronzeuge straffrei aus, der Leugner hingegen sieht sich einer 10-jährigen Haft gegenüber. Nimmt man als Auszahlung in diesem Bimatrixspiel das Negative der abzusitzenden Haftjahre, so gilt für die Auszahlungsmatrizen


  a_1 = \begin{pmatrix} 
    -1 & -10\\ 
    0 & -8  
  \end{pmatrix},\,\,
  a_2 = \begin{pmatrix} 
    -1 & 0\\ 
    -10 & -8 
  \end{pmatrix}

Der einzige Gleichgewichtspunkt ist offenbar (2,2), d. h. beide Gefangene gestehen. (1,1) ist kein Gleichgewicht, da sich jeder Spieler durch einen Strategiewechsel auf Kosten des anderen Straffreiheit sichern kann. Da das jeder Beteiligte weiß, erscheint die Strategiekombination (1,1) sogar sehr instabil.

Dennoch ist (1,1) sicher die optimale Lösung aus der Sicht der Delinquenten. Aber dazu müssten sie eine Absprache treffen können, d. h. über die einzusetzenden Strategien verhandeln. Das wird durch den Begriff der Kooperation modelliert.

Kooperation

Um Verhandlungen mathematisch modellieren zu können, erweitern wir die Definition des nicht-kooperativen Spiels Γ = (S1,S2,(a1,a2)) zu Γ = (S1,S2,K,(a1,a2)) mit K\supset S_1\times S_2 und a_i: K\rightarrow {\mathbb R}. Wir nennen K die Menge der kooperativen Strategien. Bei Wahl einer kooperativen Strategie k erhält der i-te Spieler die Auszahlung ai(k). Da K\supset S_1\times S_2, kann jeder Spieler auch seine eigene Strategie spielen, aber es handelt sich dabei möglicherweise um eine Absprache mit dem Mitspieler, der jetzt nicht mehr als Gegenspieler betrachtet wird.

Das Gefangenendilemma können wir mit K = S_1\times S_2 modellieren, es kommt dann nur auf die Absprachemöglichkeit an. Betrachtet man etwa zwei Wirtschaftakteure, die in der nicht-kooperativen Situation eigene Produktionsstrategien für denselben Markt haben, so sind durchaus kooperative Strategien denkbar, die über eine Absprache der Produktionsstrategien hinausgehen, z. B. die Gründung eines Kartells oder die Koordination der Produktion durch Hintereinanderschaltung verschiedener Verarbeitungsstufen. Was als kooperative Strategie erlaubt ist, ist Inhalt der Spielregeln, das Kartellgesetz ist so eine Spielregel.

Verhandlungssituationen

Verhandlungssituation (B,d)

Wir konzentrieren uns nun auf das Bild der gemeinsamen Auszahlungsfunktion (a1,a2) in {\mathbb R}^2, B = (a_1,a_2)(K) \subset {\mathbb R}^2, d. h. wir abstrahieren von den Strategien, die zu diesen Auszahlungen führen. B enthält einen Punkt d = (d1,d2), der aus Auszahlungen besteht, die sich jeder Spieler auch allein sichern kann, z. B. die oben definierten Garantiewerte. Die Spieler werden sicher nur über Auszahlungen x = (x1,x2) verhandeln, bei denen d_1 \le x_1 und d_2 \le x_2 ist, denn sonst wäre ein Spieler mit seinem Garantiewert besser gestellt. Ferner sollte eine mögliche Auszahlung x = (x1,x2) mit d1 < x1 und d2 < x2 existieren, damit es für beide Spieler überhaupt etwas zu verhandeln gibt.

Zusätzlich gestatten wir den Spielern eine gemeinsame Wahrscheinlichkeitsverteilung μ auf K zu wählen. Der Auszahlungspunkt errechnet sich dann als Erwartungswert \int_K (a_1(k),a_2(k))\,d\mu(k). Die Menge B der möglichen Auszahlungspunkte dürfen wir daher als konvex annehmen, denn durch eine gemeinsame Wahl von μ können die Spieler jede Konvexkombination von Auszahlungspunkten realisieren. Ferner können wir annehmen, dass B beschränkt ist, indem wir unbegrenzte Auszahlungsfunktionen als unrealistisch ausschließen. Nehmen wir B auch noch als abgeschlossen an, ist B sogar kompakt. Das motiviert folgende auf Ehud Kalai und Meir Smorodinsky zurückgehende Begriffsbildung:

Eine Verhandlungssituation ist ein Paar (B,d) mit folgenden Eigenschaften:

  • B\subset {\mathbb R}^2 konvex und kompakt,
  • d\in B,
  • für alle x\in B gilt komponentenweise d \le x,
  • es gibt ein (x_1,x_2)\in B mit d1 < x1 und d2 < x2.

Das Verhandlungsproblem

Ist (B,d) eine Verhandlungssituation, so nennt man die Wahl eines Auszahlungspunktes x=(x_1,x_2)\in B ein Verhandlungsergebnis. Der i-te Spieler erhält die Auszahlung xi. Das Verhandlungsproblem besteht darin, in jeder Verhandlungssituation ein solches Verhandlungsergebnis zu finden. Ist \mathcal B die Menge aller Verhandlungssituationen, so definieren wir daher:

Eine Verhandlungslösung ist eine Funktion \varphi:{\mathcal B}\rightarrow {\mathbb R}^2 mit \varphi(B,d)\in B für alle (B,d)\in {\mathcal B}.

Eigenschaften von Verhandlungslösungen

Natürlich wird man von einer Verhandlungslösung gewisse Eigenschaften fordern, die die Lösung als „vernünftig“ erscheinen lässt. So ist die Verhandlungslösung ϕ(B,d): = d für alle (B,d)\in {\mathcal B} sicher nicht sehr „vernünftig“, da kein Spieler durch die Verhandlung mehr erhält als er sich ohnehin sichern könnte. Es geht daher im Folgenden darum, sinnvolle Eigenschaften zu finden, mit dem Ziel, dadurch in jeder Verhandlungssituation einen eindeutigen Auszahlungspunkt festzulegen.

Pareto-Optimalität

Ein Pareto-optimales Verhandlungsergebnis

Eine Verhandlungslösung \varphi:{\mathcal B}\rightarrow {\mathbb R}^2 heißt pareto-optimal, wenn es für keine Verhandlungssituation (B,d)\in {\mathcal B} ein x\in B gibt mit φ(B,d) < x komponentenweise. D. h. es wird stets eine Verhandlungslösung gefunden, die keine gleichzeitige Besserstellung beider Parteien zulässt.

Diese Bedingung ist mathematisch einleuchtend. In der Praxis mag es schwierig sein, solche nicht verbesserungswürdigen Verhandlungslösungen zu finden.

Symmetrie

Ein symmetrisches Verhandlungsergebnis

Eine Verhandlungslösung ϕ heißt symmetrisch, falls folgendes gilt: Ist die Verhandlungssituation (B,d) symmetrisch, d. h. d1 = d2 und für alle (x_1,x_2)\in B ist auch (x_2,x_1)\in B, so stimmen auch die Komponenten des Verhandlungsergebnisses ϕ(B,d) überein.

Damit wird gefordert, dass sich die Verhandlungslösung in einer vollkommen symmetrischen Situation nicht ändert, wenn die Spieler ihre Rollen tauschen. Beiden Spielern wird gleiches Verhandlungsgeschick unterstellt.

Unabhängigkeit von positiven linearen Transformationen

Wir betrachten positive lineare Transformationen T:{\mathbb R}^2 \rightarrow {\mathbb R}^2,\, T(x_1,x_2) = (a_1x_1+b_1,a_2x_2+b_2) mit a1 > 0,a2 > 0. T bedeutet für beide Komponenten eine Skalenänderung zusammen mit einer Verschiebung. Eine Verhandlungslösung \varphi:{\mathcal B}\rightarrow{\mathbb R}^2 heißt unabhängig von positiven linearen Transformationen, falls für jede positive lineare Transformation T und jede Verhandlungssituation (B,d) gilt, dass T(φ(B,d)) = φ(T(B),T(d)).

Die Forderung nach Unabhängigkeit von positiven linearen Transformationen ist mathematisch sehr naheliegend und für viele mathematische Überlegungen auch unabdingbar. Für die Praxis bedeutet das, dass die Verhandlungen unabhängig vor der Skalengröße der Verhandlungsmasse verlaufen. Da Verhandlungen Zeit und Ressourcen kosten, kann man für die Praxisrelavanz dieser Forderung Bedenken anmelden.

Unabhängigkeit von irrelevanten Alternativen

Die Punkte aus \tilde{B}\setminus B sind irrelevante Alternativen

Eine Verhandlungslösung \varphi:{\mathcal B}\rightarrow {\mathbb R}^2 heißt unabhängig von irrelevanten Alternativen, wenn für zwei Verhandlungssitationen (B,d), (\tilde{B},d) mit \varphi(\tilde{B},d)\in B\subset \tilde{B} stets \varphi(\tilde{B},d) = \varphi(B,d) gilt.

Diese Forderung erscheint naheliegend, besagt sie doch, dass eine in der größeren Verhandlungsmenge \tilde{B} gefundene Lösung, die bereits in der kleineren Verhandlungsmenge B liegt, auch die Lösung für die kleinere Verhandlungsmenge sein wird, denn selbst in der größeren Verhandlungsmenge kann man nichts besseres finden. Gegen diese Forderung lassen sich wohl nur psychologische Einwände erheben: eine veränderte Verhandlungssituation ändert das Verhandlungsverhalten.

Monotonie

In der größeren Verhandlungsmenge verbessert sich die Situation für beide Spieler.

Für eine Verhandlungssituation (B,d) sei m_i(B) := \sup\{x_i; (x_1,x_2)\in B\} die maximale Auszahlung, die für den i-ten Spieler überhaupt möglich wäre. Eine Verhandlungslösung \varphi:{\mathcal B}\rightarrow {\mathbb R}^2 heißt monoton, falls für (B,0),(\tilde{B},0)\in {\mathcal B} mit m_i(B) = m_i(\tilde{B}) = 1 für i=1,2 und B\subset \tilde{B} stets komponentenweise \varphi(B,0)\le \varphi(\tilde{B},0) folgt.

Wenn sich also beide Spieler nur den Betrag 0 sichern können und beide maximal die Auszahlung 1 erzielen können, so sollte sich für keinen Spieler eine Verschlechterung ergeben, wenn man unter Beibehaltung dieser Bedingungen von einer kleineren Verhandlungsmenge zu einer größeren übergeht.

Existenz und Eindeutigkeitssätze

Die Nash’sche Verhandlungslösung

Satz von Nash: Es gibt genau eine Pareto-optimale, symmetrische, von positiven lineraren Transformationen unabhängige und von irrelevanten Alternativen unabhängige Verhandlungslösung.

Wenn zwei Spieler die hier genannten vier Forderungen an eine Verhandlungslösung akzeptieren, dann gibt es also in jeder Verhandlungssituation eine eindeutige Verhandlungslösung, diese nennt man die Nash’sche Verhandlungslösung. Diese Verhandlungslösung kann wie folgt ermittelt werden: Ist (B,d) eine Verhandlungssituation, so nimmt die Funktion f:B\rightarrow {\mathbb R},\, f(x_1,x_2) = (x_1-d_1)\cdot (x_2-d_2) in genau einem Punkt aus B das Maximum an, und dieser Punkt ist die Nash’sche Verhandlungslösung.

Die Nash’sche Verhandlungslösung ist nicht monoton!

Die monotone Verhandlungslösung

Satz von Kalai-Smorodinsky: Es gibt genau eine Pareto-optimale, symmetrische, von positiven linearen Transformationen unabhängige und monotone Verhandlungslösung.

Diese Lösung nennt man die monotone Verhandlungslösung. Zur Ermittlung der monotonen Verhandlungslösung bestimmt man zu einer gegebenen Verhandlungssituation (B,d) eine positive lineare Transformation T, so dass T(d) = 0 und m1(T(B)) = m2(T(B)) = 1. Auf der Geraden \{(x,x); x \in{\mathbb R}\} gibt es einen bzgl. der komponentenweisen Ordnung größten Punkt (x^*,x^*)\in T(B). Das gesuchte Verhandlungsergebnis ist dann T − 1(x * ,x * ).

Verhandlungslösung des Gefangenendilemmas

Es wird nur über den grau-schattierten Bereich verhandelt.

In der Situation des Gefangenendilemmas besteht die Menge der möglichen gemeinsamen Auszahlungen mit den oben genannten Zahlen aus den vier Punkten (-8,-8),(0,-10),(−10,0) und (-1,-1). Die konvexe Hülle ist das von diesen Punkten erzeugte Viereck. Der Garantiepunkt ist d=(-8,-8). Über nicht grau schattierte Punkte nebenstehender Zeichnung gibt es nichts zu verhandeln, der grau schattierte Bereich ist also die Verhandlungsmenge B. Beide Lösungskonzepte, die Nash’sche und die monotone Verhandlungslösung, führen auf (-1,-1) als Lösung.

Abschließende Bemerkungen

  • Häufig liest man von der Forderung der individuellen Rationalität, wonach das Verhandlungsergebnis stets komponentenweise nicht schlechter als der Garantiepunkt sein darf. In der hier gegebenen Darstellung steckt diese Forderung bereits in der Definition der Verhandlungssituation.
  • Zur Monotonie hätte man allgemeiner fordern können, dass sich in jeder Verhandlungssituation die Situation für beide Spieler nur verbessern kann, wenn man die Verhandlungsmenge B unter sonst gleichen Bedingungen vergrößert. Es zeigt sich, dass diese Forderung so stark ist, dass sie keine Verhandlungslösung mehr zulässt.
  • Bei der monotonen Verhandlungslösung ist gegenüber der Nash’schen Verhandlungslösung lediglich die Unabhängigkeit von irrelevanten Alternativen durch die Monotonieforderung ersetzt worden.
  • Die Nash’sche und die monotone Verhandlungslösung stimmen in symmetrischen Verhandlungssituationen überein, wie z. B. im Gefangenendilemma.

Verhandlungslösung in der Praxis

Um neben theoretischen und mathematischen Beiträgen eine Vorstellung der Verhandlungslösung in Praxis-Situationen erhalten zu können, werden nachfolgend zwei Beispiele erläutert.

Lösungsfindung im Geschäftsleben[1]

Betrachtet wird ein Hotel in einem Sommerbadeort. Der Sachverhalt besteht aus zwei Parteien – dem Hotelmanagement und der Gewerkschaft. Beide Parteien befinden sich am Anfang einer Lohnverhandlung. Wenn sich das Hotel in Betrieb befindet, macht es 1000 Dollar Gewinn pro Tag. Die Dauer der Saison beträgt 101 Tage.

Die Verhandlungen beginnen, indem die Gewerkschaft ein erstes Angebot an das Hotelmanagement richtet. Lehnt dieses das Angebot ab, gibt es am nächsten Tag ein Gegenangebot ab. Die Eröffnung des Hotels kann erst dann erfolgen, wenn eine Einigung erreicht ist. Diese entspricht der Verhandlungslösung. Die Verhandlungen ziehen sich nun so lange hin, dass das Hotel bei einer Einigung in der nächsten Runde nur noch den letzten Tag der Saison geöffnet haben kann. An diesem letztmöglichen Tag der Angebotsabgabe ist die Gewerkschaft an der Reihe, ein Angebot zu abzugeben. Das Hotelmanagement sollte an diesem Punkt jeden Vorschlag akzeptieren, da sonst beide Parteien leer ausgehen. Die Gewerkschaft könnte also den kompletten Gewinn von 1000 Dollar für sich beanspruchen – theoretisch. Praktisch würde sich das Hotelmanagement nicht mit 0 Dollar zufriedengeben. Das heißt, die Gewerkschaft müsste dem Hotelmanagement wenigstens einen Mindestanteil zugestehen, beispielsweise 100 Dollar.

Dieses Beispiel zeigt, dass um zu einer für alle Parteien befriedigenden Verhandlungslösung zu kommen, man vorausschauend handeln sollte. Das heißt, dass schon zu Anfang einer Verhandlung bereits das Ende betrachtet werden sollte. Hätten sich die Parteien im Sachverhalt des Hotels bereits am Anfang das Ende der Verhandlung vor Augen geführt, wären nicht die Verluste der ersten 100 Tage entstanden.

Lösungsfindung in Kriegssituationen[2]

Um eine Verhandlungslösung finden zu können, kann durch spieltheoretische Ansätze die bestmögliche Strategie ermittelt werden und somit zum Verhandlungserfolg für beide Seiten führen.

Das Santa Fee Institute in New Mexico hat ein Modell entwickelt, welches Bürgerkriegsparteien helfen soll, eine für beide Seiten gerechte Verhandlungslösung zu finden. Handelt es sich beispielsweise um zwei Parteien, welche das gleiche Territorium für sich beanspruchen, so muss dieses anhand einer Formel so geteilt werden, dass bei beiden Parteien Zufriedenheit und Unzufriedenheit gleich groß sind. Die Funktionsweise des entwickelten Modells besteht darin, Friedens-Hindernisse zu erfassen und Auswege dafür aufzuzeigen. Hierbei ist es bedeutsam, dass sich beide Parteien von der Alles-oder-Nichts-Haltung trennen, dass eine faire Aufteilung stattfinden kann.

Kritisch an diesem Modell ist die Möglichkeit zu betrachten, dass eine der beiden Parteien im Nachhinein doch noch versuchen könnte, sein ihm zugestandenes Gebiet auf Kosten der anderen Partei vergrößern zu wollen. Weiterhin zeigten Erfahrungen mit spieltheoretischen Modellen bereits in den Jahren 1970 bis 1980, dass keine der Parteien Risiken eingehen möchte. Diesen Sachverhalt stellten Spieltheoretiker anhand des amerikanischen und sowjetischen Militärs fest, als es um die Frage ging, wie viele Raketen von den entsprechenden Parteien gebaut werden sollten. Letztlich gaben Mathematiker die Empfehlung, lieber ein paar mehr Raketen als notwendig zu bauen.

Literatur

  • John Forbes Nash Jr.: The bargaining problem. In: Econometrica. 18, 1950, ISSN 0012-9682, S. 155–162.
  • Ehud Kalai, Meir Smorodinsky: Other solutions to Nash's bargaining problem. In: Econometrica. 43, 1975, S. 513–518.
  • Ehud Kalai: Proportional Solutions to Bargaining Situations. Interpersonal Utility Comparisons. In: Econometrica. 45, 1977, S. 1623–1630.
  • Burkhard Rauhut, Norbert Schmitz, Ernst-Wilhelm Zachow: Spieltheorie. Eine Einführung in die mathematische Theorie strategischer Spiele. Mit 50 Aufgaben und zahlreichen Beispielen. Teubner, Stuttgart 1979, ISBN 3-519-02351-2 (Leitfäden der angewandten Mathematik und Mechanik 49, Teubner Studienbücher – Mathematik).
  • Manfred J. Holler, Gerhard Illing: Einführung in die Spieltheorie. 3. verbesserte und erweiterte Auflage. Springer, Berlin u. a. 1996, ISBN 3-540-61017-0 (Springer-Lehrbuch).
  • Avinash K. Dixit, Barry J. Nalebuff: Spieltheorie für Einsteiger. Strategisches Know-how für Gewinner. Schäffer-Poeschel, Stuttgart 1997, ISBN 3-7910-1239-8.
  • Formeln sollen Frieden schaffen. In: Der Spiegel. 16. Dezember 2003.

Einzelnachweise

  1. http://www-cgi.uni-regensburg.de/Fakultaeten/WiWi/jerger/cms/upload/pdf/aktuelles/hauptstudium/st/Spieltheorie_SS2006.pdf
  2. http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,278533,00.html

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