Max Egon zu Hohenlohe-Langenburg

Max Egon zu Hohenlohe-Langenburg

Maximilian Egon Prinz zu Hohenlohe-Langenburg (* 19. November 1897 in Rothenhaus bei Komotau, Böhmen, Österreich-Ungarn); † 13. August 1968 in Marbella, Malaga, Spanien) gehörte zum europäischen Hochadel.

In der Sudetenkrise 1938 war er vermittelnd tätig, mit dem Ziel, einen Krieg zu verhindern. Während des Zweiten Weltkrieges versuchte er vielfach, für Hermann Göring und Heinrich Himmler Friedenskontakte zu knüpfen. Hierbei kamen ihm sein gewandtes Auftreten und seine vielfältigen Kontakte zustatten: Er wurde von Papst Pius XII. empfangen, kannte Adolf Hitler, Winston Churchill, Carl Jacob Burckhardt, Diplomaten, deutsche und britische hohe Beamte und viele andere mehr.

Inhaltsverzeichnis

Persönliches

Verheiratet war er mit María Piedad de Iturbe, der Tochter eines spanischen Granden. Er war begütert im Sudetenland, in Spanien und in Mexiko. 1922 erwarb er die Staatsbürgerschaft von Liechtenstein, später die spanische.[1] Bekannt wurde sein Sohn Alfonso zu Hohenlohe-Langenburg.

Vermittlungsversuche in der Sudetenkrise 1938

Schon vor der Sudetenkrise setzte sich Hohenlohe für eine Gleichstellung der deutschen Bevölkerung in der Tschechoslowakei, d.h. der Sudetendeutschen ein. Er vermittelte ein Gespräch zwischen Konrad Henlein, dem Vorsitzenden der Sudetendeutschen Partei (SdP) und dem tschechoslowakischen Ministerpräsidenten Milan Hodža und nahm selbst auch an diesem teil. Hodža zeigte Verständnis für die Beschwerden Henleins, verwies aber auch auf seinen beschränkten politischen Spielraum. Dennoch wollte er sich für eine „großzügige Lösung“ einsetzen, die dann auch die Kriegsgefahr bannen würde.[2]

Im folgenden Jahr 1938 kam es zur Sudetenkrise, in der Hitler beabsichtigte, die Tschechoslowakei zu zerschlagen und deren tschechischen Teil in das Deutsche Reich einzuverleiben. Für die Öffentlichkeit jedoch ging es jedoch lediglich darum, die Diskriminierung der Sudetendeutschen zu beenden durch Eingliederung des Sudetenlandes in das Deutsche Reich.[3]

Die britische Regierung betrachtete diese Krise mit großer Besorgnis. Sie fürchtete, dass diese in einem europäischen Krieg münden würde, für den Großbritannien nicht gerüstet war. Im Juli 1938 besuchte Hohenlohe im Auftrage Henleins Robert Vansittart, bis vor kurzem höchster Beamter des britischen Foreign Office und jetzt Berater des Außenministers. Er legte Hitlers geheime Pläne offen, die zu einem Weltkrieg noch vor dem September führen konnten. Er schilderte Henleins Sorgen. Dessen Ziel war eine Volksabstimmung. Die würde zwar zu einem Anschluss an das Deutsche Reich führen. Dennoch hoffte er, seine unabhängige Stellung bewahren zu können.[4]

Von sich aus schlug Hohenlohe eine britische Vermittlung vor. Genau das plante die britische Regierung bereits. Leiter einer „inoffiziellen“ Delegation wurde Lord Walter Runciman, der eine Verhandlungslösung zwischen der tschechoslowakischen Regierung und den Sudetendeutschen herbeiführen sollte. Bei einem weiteren Besuch einige Tage später begrüßte Hohenlohe dies sehr und überbrachte auch den Wunsch Hodžas, dass massiver britischer Druck die widerstrebenden tschechischen Politiker kompromissbereit machen möge. Sodann erreichte er gemeinsam mit einem britischen Unterhändler, dass auch Henlein die Runciman-Mission wenigstens vier Wochen lang unterstützen wollte. Hohenlohe wusste nicht, dass Henlein mit Hitler vereinbart hatte, Verhandlungen nur zum Schein zuzustimmen.[5]

Runciman weilte vom 2. August bis zum 16. September 1938 in der Tschechoslowakei. In dieser Zeit wurde Hohenlohe für Runciman und seine Delegation ein wichtiger Informant und Kontaktmann. Er zeigte auch die Schwierigkeiten einer Vermittlung auf: Ein schwankender Henlein wurde von seiner radikaleren Umgebung gedrängt, auf dem Anschluss zu beharren. Er führte ein mehrere Treffen zwischen Runciman und Henlein herbei, das erste fand am 18. August in seinem Schloss Rothenhaus statt. Henlein gab sich kompromissbereit.[6]

Angesichts der zunehmenden Spannungen machte am 22. August der tschechoslowakische Präsident Edvard Beneš einen Kompromissvorschlag, der erstmals eine begrenzte regionale Autonomie vorsah. Hodža musste den Inhalt allerdings nachträglich durch Hohenlohe erfahren. Schon zuvor war dieser nach Berlin gereist und hatte den Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Ernst von Weizsäcker, über die tschechoslowakische Verhandlungsbereitschaft informiert. Die SdP beharrte jedoch auf ihren ursprünglichen Forderungen.[7]

Am 5. September schließlich legte Beneš einen weiteren Plan vor, der die sudetendeutschen Forderungen fast völlig abdeckte. Hohenlohe war es, der diesen der Parteiführung der SdP überbrachte. Diese konnte nicht ablehnen, war aber skeptisch hinsichtlich der Umsetzung, hatte teilweise auch Hintergedanken. Jetzt schien eine Verhandlungslösung in Sicht. Jedoch brachte The Times am 7. September den Vorschlag, sämtliche mehrheitlich nicht von Tschechen bewohnten Gebiete abzutrennen. Dies war eine private Meinung, wurde aber als Auffassung der britischen Regierung verstanden. Nach – von Deutschland aus inszenierten ‒ Unruhen im Sudetenland und Zusammenstößen mit der Polizei brach Henlein die Verhandlungen ab und forderte nur noch den Anschluss. Auch Hohenlohe sah jetzt diesen als die einzige verbliebene Lösung an. Runciman schloss sich an.[8] Aber es bedurfte des Münchener Abkommens, um Hitler ‒ vorübergehend ‒ von seinen Angriffsplänen abzubringen.

In dieser Krise zeigte Hohenlohe, wie er – ohne offizielle Funktion ‒ sich mühelos in unterschiedlichsten Kreisen bewegen konnte: beim britischen Foreign Office, bei seinen Landsleuten, beim tschechischen Präsidenten und Ministerpräsidenten, beim Staatssekretär in Berlin, bei der britischen Delegation. Stets war er bemüht, Gesprächspartner zusammenzubringen, stockende Verhandlungen wiederzubeleben, immer mit dem Ziel, einen Krieg zu verhindern.

Der Erhalt des Friedens

Im Sommer 1939, versicherte Hitler seiner Umgebung, England und Frankreich würden bei einem Überfall gegen Polen nicht eingreifen. Hohenlohe versuchte, diese Illusion zu zerstören. Die Stimmung in England kannte er aus eigener Anschauung und aus Gesprächen mit dem Foreign Office. Bei Hermann Göring fand er offene Ohren, als er ihn am 12. August mit dem Sohn Lord Runcimans, Leslie, zusammenbrachte. Seine Warnungen gingen auch an Walter Hewel, Verbindungsbeamter des Auswärtigen Amtes zu Hitler. Letzterer freilich war nicht zu beeinflussen.[9]

Keine Ausweitung der Kämpfe

Während die Wehrmacht im September 1939 in wenigen Wochen Polen überrannte (s. Polenfeldzug), war Hohenlohe bemüht, die Ausweitung der Kämpfe zu verhindern. Bei einem Gespräch mit einem unbekannten Engländer in Bern wurde deutlich, daß es mit Hitler keine Verhandlungen geben würde. Göring jedoch erschien akzeptabel. Ähnliche Sondierungen führte Hohenlohe am 25. Oktober 1939 mit dem britischen Group Captain Malcolm C. Christie (1881-1971) (Biographische Daten s. The Papers of Group Captain Malcolm Christie), einem hervorragenden Deutschland-Kenner, der Berichte sowohl für das Foreign Office als auch für den Geheimdienst erstellte. Weitere Gespräche sollten folgen. Im Dezember traf er sich mit dem neuen britischen Botschafter in der Schweiz, Sir David Kelly (1891-1959), auch dies das erste Treffen von mehreren. In diesen und weiteren Kontakten verfolgte Hohenlohe stets die Linie, dass Deutschland sich aus seinen Eroberungen zurückziehen und Hitler entmachtet werden müsse. Auch warnte er die deutsche Seite: Der Krieg würde lange dauern und durch das Eintreten der Vereinigten Staaten aussichtslos werden.[10]

Frieden oder Invasion Englands?

Nach der Besetzung Dänemarks und der Eroberung Norwegens im April 1940 (siehe Unternehmen Weserübung) brachen die Kontakte zunächst ab. Mit dem Westfeldzug im Mai und Juni 1940 änderte sich die militärische Lage dramatisch: Frankreich, Belgien und die Niederlande waren besetzt, England unmittelbar durch eine Invasion bedroht. Hitler erwartete jetzt Englands Friedensangebot. Das blieb aber aus. Am 14. Juli traf sich Hohenlohe mit Kelly, überbrachte diesem ein Schreiben Hewels mit der Zusage, das britische Empire werde nicht zerstückelt werden. Begierig nahm Kelly dies auf – im Foreign Office aber blieb die Skepsis bestehen. Nach Hitlers Friedensangebot vom 19. Juli und dessen sofortiger Ablehnung durch Churchill war auch dieser Faden abgerissen.[11]

Entmachtung Hitlers?

Im Dezember 1940 wurde Hohenlohe mit einer Bescheinigung der SS ausgestattet, nach welcher er in deren Auftrag in die Schweiz reise. Wer damals sein Gesprächspartner in der SS war, ist unklar, vermutlich war es Reinhard Höhn. Ab 1942 war es jedenfalls Walter Schellenberg und spätestens 1943, eher wohl früher, Heinrich Himmler. Wiederum führte er mehrere Gespräche mit Kelly.[12]

Nach längerer Pause, kam es im Mai 1942 in Madrid zu einem Kontakt mit dem britischen Militärattaché Torr. Hohenlohe deutete an, dass Himmler und seine SS Hitler und Göring würden beseitigen können. Torr hingegen konnte sich den so sehr verhassten Himmler nicht als Verhandlungspartner vorstellen. Hohenlohe lenkte ein: Himmler könne man nach einem Umsturz fallen lassen.[13]

Ein halbes Jahr später, im Dezember 1942, konnte Carl Langbehn im Auftrag Himmlers, einen Kontakt zum amerikanischen Geheimdienst herstellen, dem Office of Strategic Services (OSS) in Bern, geleitet von Allen Dulles. Auch Hohenlohe führte hier mehrere Gespräche zwischen Januar und Dezember 1943. Wiederum trugen Himmlers Unterhändler vor, dass die SS Hitler würde beseitigen können und dann als wichtige Ordnungsmacht verbliebe. Mit den Westmächten sollte ein Separatfrieden abgeschlossen, der Krieg gegen die Sowjetunion aber fortgesetzt werden. Dulles war interessiert: Er selbst hatte die Befürchtung, dass nach einer deutschen Niederlage Europa zu großen Teilen an die Sowjetunion fallen würde. Deshalb sollte Deutschland als Bollwerk gegen den Bolschewismus erhalten bleiben. Die amerikanische Regierung aber verfolgte eine anderes Ziel: die totale Kapitulation.[14]

Hohenlohe war nicht einfach das Sprachrohr Görings oder Himmlers. Vielmehr agierte er als unabhängiger Vermittler, voller Initiative, mit eigenen Auffassungen, die er beiden Seiten darlegte. Seine Friedensbemühungen mussten aber erfolglos bleiben, weil keine der beiden Seiten zu einer Beendigung des Krieges bereit war.

Literatur

  • Heinz Höhne: Der Orden unter dem Totenkopf: die Geschichte der SS. Gütersloh 1967. Nachdruck Orbis Verlag, München 2002. ISBN · 3-572-01342-9.
  • Ian Kershaw: Hitler. Bd. 2: 1936 – 1945. Dt. Taschenbuch Verlag, München 2002, ISBN 3-423-30842-7.
  • Bernd Martin: Friedensinitiativen und Machtpolitik im 2. Weltkrieg 1939 – 1942. Droste Verlag, Düsseldorf 1974, ISBN 3770003594.
  • Helmuth G. Rönnefarth: Die Sudetenkrise in der internationalen Politik: Entstehung – Verlauf – Auswirkung. 2 Bde. Steiner, Wiesbaden 1961.
  • Ulrich Schlie: Kein Friede mit Deutschland: die geheimen Gespräche im Zweiten Weltkrieg 1939 – 1941. Langen Müller, München 1994, ISBN 3-7844-2467-8.
  • Reinhard Spitzy: So haben wir das Reich verspielt. Bekenntnisse eines Illegalen. Langen Müller, München 3. Aufl. 1988, ISBN 3-7844-2132-6.
  • Paul Vyšný: The Runciman mission to Czechoslovakia, 1938: prelude to Munich. Basingstoke, Palgrave Macmillan, Hampshire u.a. 2003. ISBN 978-0333731369.
  • Karl-Günter Zelle: Hitlers zweifelnde Elite: Goebbels – Göring – Himmler – Speer. Ferdinand Schöningh, Paderborn 2010, ISBN 3-506-76909-X.

Weblinks

Zur Familie: Geneall.net: Maximilian Egon, Prinz zu Hohenlohe-Langenburg

Einzelnachweise

  1. Martin, 1974, S. 85, FN 15.
  2. Rönnefarth, 1961, Bd. 1, S. 167-170.
  3. Kershaw, 2002, Bd. 2, S. 153, 161.
  4. Vyšný, 2003, S. 62ff., 116f.
  5. Vyšný, 2003, S. 118f.; Rönnefarth, 1961, S. 218-219.
  6. Vyšný, 2003, S. 147-171.
  7. Vyšný, 2003, S. 172-216; Akten zur deutschen Auswärtigen Politik 1918-1945. Serie D Bd.2. Imprimerie Nationale. Baden-Baden 1960, Dok. 376, S. 475.
  8. Vyšný, 2003, S. 263-280; Rönnefarth, 1961, S. 491-495.
  9. Martin, 1974, S. 85; Schlie 1994, S. 103.
  10. Martin, 1974, S. 86; 102f.; Schlie, 1994, S. 103-107, 227-229.
  11. Kershaw, 2002, S. 403-404, 410-411; Schlie, 1994, S. 231-232.
  12. Martin, 1974, S. 294.
  13. Zelle, 2010, S. 222-223.
  14. Zelle, 2010, S. 224, 227.-228

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