Volksgesetzgebung in Berlin

Volksgesetzgebung in Berlin

Die Volksgesetzgebung im Stadtstaat Berlin umfasst die Instrumente der direkten Demokratie, mit deren Hilfe die wahlberechtigte Bevölkerung unmittelbar an der Gesetzgebung des Landes mitwirkt. Sie ergänzt die bestehenden Instrumente der repräsentativen Demokratie (Indirekte Demokratie), also die Wahl von Volksvertretern in das Abgeordnetenhaus, die dort ebenfalls über die Gesetzgebung abstimmen.

Inhaltsverzeichnis

Gesetzliche Bedingungen

Die rechtlichen Grundlagen der direkten Demokratie auf Landesebene finden sich in den Artikeln 59 und 61–63 und 100 der Landesverfassung, sowie in den §§ 29–40 des Abstimmungsgesetzes. Die Durchführungsbestimmungen für die Instrumente der direkten Demokratie sind darüber hinaus in mehreren Verordnungen (Abstimmungsordnung, Landeswahlordnung) geregelt.

Die Verfassungsartikel in Ihrer gültigen Fassung wurden in einem obligatorischen Referendum, welches parallel zur Abgeordnetenhauswahl am 17. September 2006 abgehalten wurde, mit einer Mehrheit von 84 % Ja-Stimmen angenommen.[Amt 1] Das Abstimmungsgesetz wurde in seiner jetzigen Fassung am 20. Februar 2008 beschlossen und erleichterte die Volksgesetzgebung in vielen Punkten. Vor der jetzt gültigen Verfassungsrechtslage gab es kaum Volksgesetzgebungsverfahren.

Instrumente der Volksgesetzgebung

Aufbau des dreistufigen Volksgesetzgebungsverfahrens im Land Berlin mit den verschiedenen Quoren.

Das Land Berlin kennt fünf Instrumente mit denen die wahlberechtigte Bevölkerung unmittelbar auf den Gesetzgebungsprozess einwirken kann:

Während die Volksinitiative als Instrument für sich alleine steht, bauen Antrag auf Einleitung eines Volksbegehrens, Volksbegehren und Volksentscheid in einem dreistufigen Verfahren aufeinander auf. Das obligatorische Verfassungsreferendum kann als einziges von der Bevölkerung nicht aktiv initiiert werden.

Obligatorisches Verfassungsreferendum

Gemäß Artikel 100 der Landesverfassung müssen im Land Berlin Änderungen der Artikel 62 und 63 der Landesverfassung obligatorisch (also: zwingend) einer Volksabstimmung unterworfen werden. In diesen beiden Verfassungsartikeln ist die Volksgesetzgebung durch Volksbegehren und Volksentscheid geregelt. Das hierfür vorgesehene Referendum soll verhindern, dass das Abgeordnetenhaus den Souverän (das Wahlvolk) ohne dessen ausdrückliche Zustimmung seiner unmittelbaren Mitwirkungsmöglichkeiten am Gesetzgebungsprozess beraubt. Versagt der Souverän seine Zustimmung, ist die Verfassungsänderung abgelehnt. Im Gegensatz zum Volksentscheid gelten für das obligatorische Verfassungsreferendum keine Abstimmungsquoren.

Volksinitiative

Mit der Volksinitiative kann ein Gesetz oder Anliegen dem Abgeordnetenhaus vorgelegt werden. Eine Volksinitiative kommt zustande, wenn 20.000 Einwohner Berlins, welche das 16. Lebensjahr vollendet und ihren Erstwohnsitz seit mindestens drei Monaten in Berlin haben diese in den sechs Monaten vor Einreichung unterzeichnen. Eine Volksinitiative kann auch ohne deutsche Staatsbürgerschaft unterstützt werden.

Nach der Einreichung der Volksinitiative werden die Unterzeichnungen von den Bezirksämtern mit den Meldelisten abgeglichen und auf Korrektheit überprüft. Die Senatsverwaltung für Inneres prüft das Anliegen der Volksinitiative auf offensichtliche rechtliche Unzulässigkeit.

Nach erfolgreicher Einreichung und Prüfung einer Volksinitiative muss das Abgeordnetenhaus diese in einer Frist von vier Monaten behandeln und abstimmen. Das Abgeordnetenhaus kann die Volksinitiative annehmen oder ablehnen, darf diese aber in ihrem Wesensgehalt nicht abändern. Die Vertrauenspersonen der Volksinitiative können bei den Beratungen im Abgeordnetenhaus teilnehmen.

Nach erfolgter Behandlung im Abgeordnetenhaus ist der Verfahrensweg abgeschlossen. Im Gegensatz zu einigen anderen Bundesländern kann in Berlin mit einer Volksinitiative also kein Volksbegehren und Volksentscheid initiiert werden.

Antrag auf Einleitung eines Volksbegehrens

Der erste Schritt zur Erwirkung eines Volksentscheids in Berlin ist der Antrag auf Einleitung eines Volksbegehrens. Der Antrag muss eine Verfassungsänderung, ein Gesetz oder einen allgemeinen Gegenstand der politischen Willensbildung beinhalten, über den auch das Abgeordnetenhaus entscheiden könnte. Das Landeshaushaltsgesetz, Abgaben, Tarife öffentlicher Unternehmen sowie Personalentscheidungen oder gegen geschlossene Verträge gerichtete Anliegen dürfen nicht Gegenstand eines Antrags auf Einleitung eines Volksbegehrens sein. Des Weiteren kann innerhalb einer Wahlperiode über den selben Sachverhalt nur einmal ein Volksentscheid abgehalten werden.

Für einen erfolgreichen Antrag müssen 20.000 gültige Unterschriften nachgewiesen werden, die maximal 6 Monate vor Einreichung geleistet wurden. Für einen Antrag der eine Verfassungsänderung oder Neuwahlen zum Ziel hat, sind 50.000 Unterschriften nötig. Unterschriftsberechtigt sind alle Bürger die ihren Erstwohnsitz seit mindestens drei Monaten in Berlin haben, die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen und das 18. Lebensjahr vollendet haben.

Nach der Einreichung des Antrags werden die Unterzeichnungen von den Bezirksämtern mit den Meldelisten abgeglichen und auf Korrektheit überprüft. Die Senatsverwaltung für Inneres prüft das enthaltene Anliegen auf offensichtliche rechtliche Unzulässigkeiten. Die Prüfungen müssen in einer Frist von 15 Tagen nach Einreichung der Unterlagen abgeschlossen sein.

Nach erfolgreicher Einreichung und Prüfung kann das Abgeordnetenhaus den Antrag auf Einleitung eines Volksbegehrens in einer Frist von vier Monaten behandeln und abstimmen. Im Gegensatz zur Volksinitiative ist die Behandlung allerdings nicht zwingend vorgeschrieben.

Volksbegehren

Bis maximal sieben Monate nach der Einreichung eines erfolgreichen Antrags auf Einleitung eines Volksbegehrens oder maximal drei Monate nach der Behandlung und ausdrücklichen Ablehnung des Antrags im Abgeordnetenhaus, haben die Initiatoren die Möglichkeit ein Volksbegehren durchzuführen. Das Anliegen des Antrags kann dabei in seiner Ausführung verändert werden, soweit sein Wesensgehalt unberührt bleibt.

Für ein erfolgreiches Volksbegehrens müssen in einer Frist von vier Monaten 7 % der Bürger unterzeichnen. Hat das Volksbegehren eine Änderung der Verfassung oder die Herbeiführung von Neuwahlen zum Ziel, müssen in der gleichen Frist 20 % der Abstimmungsberechtigten unterzeichnen. Unterschriftsberechtigt sind ebenso wie beim Antrag alle deutschen Staatsangehörigen die das 18. Lebensjahr vollendet haben und mit Erstwohnsitz seit mindestens drei Monaten in Berlin gemeldet sind. Nach der Einreichung des Volksbegehrens werden die Unterzeichnungen von den Bezirksämtern mit den Meldelisten abgeglichen und auf Korrektheit überprüft. Fällt die Prüfung positiv aus, muss innerhalb von vier Monaten (bei einem Begehren auf Neuwahlen innerhalb von zwei Monaten) ein Volksentscheid durchgeführt werden, sofern das Abgeordnetenhaus das Anliegen des Begehrens nicht unverändert übernimmt oder bei einem Begehren auf Neuwahlen nicht selbst seine Auflösung beschließt.

Volksentscheid

Ergebnisse bisheriger Volksentscheide aufgeschlüsselt nach Bezirken
Nr Bezirk THF
Ja(SB)
THF
Ja(T)
ProReli
Ja(SB)
ProReli
Ja(T)
Wasser
Ja(SB)
Wasser
Ja(T)
1 Mitte 18,0 % 58,4 % 10,9 % 44,8 % 22,0 % 97,8 %
2 Friedrichshain-Kreuzberg 12,0 % 39,2 % 06,7 % 25,8 % 26,7 % 98,2 %
3 Pankow 09,6 % 34,0 % 08,0 % 28,7 % 28,0 % 98,4 %
4 Charlottenburg-Wilmersdorf 31,0 % 71,6 % 20,7 % 60,3 % 24,0 % 98,4 %
5 Spandau 27,6 % 75,8 % 19,4 % 69,2 % 25,0 % 97,9 %
6 Steglitz-Zehlendorf 37,5 % 73,8 % 27,4 % 66,3 % 32,0 % 98,2 %
7 Tempelhof-Schöneberg 33,0 % 70,1 % 20,5 % 60,9 % 28,2 % 98,2 %
8 Neukölln 30,9 % 74,1 % 16,4 % 61,8 % 25,6 % 97,8 %
9 Treptow-Köpenick 14,7 % 44,3 % 07,2 % 26,1 % 32,8 % 98,4 %
10 Marzahn-Hellersdorf 07,7 % 33,4 % 04,9 % 22,8 % 26,3 % 98,3 %
11 Lichtenberg 07,6 % 30,4 % 05,0 % 21,3 % 23,1 % 97,8 %
12 Reinickendorf 33,3 % 77,0 % 22,9 % 69,1 % 29,7 % 98,2 %
13 Berlin insgesamt 21,7 % 60,1 % 14,1 % 48,4 % 27,0 % 98,2 %
Ja(SB): Zustimmungsanteil der Wahlberechtigten, Ja(T): Zustimmungsanteil der Teilnehmer,
Farben der Bezirksnummern: ehem. West-, ehem. Ost-, West/Ost Fusionsbezirk

Ein Volksentscheid muss spätestens vier Monate (bei Begehren auf Neuwahlen spätestens zwei Monate) nach der Einreichung des Volksbegehren durchgeführt werden. Findet in den acht Monaten nach der Einreichung eine reguläre Wahl in Berlin statt, kann der Volksentscheid mit dieser zusammengelegt werden. Bis spätestens 60 Tage vor dem Volksentscheid kann das Berliner Abgeordnetenhaus einen Alternativentwurf zum Anliegen des Begehrens formulieren, die dann zusammen im Volksentscheid abgestimmt werden.

Um im Volksentscheid angenommen zu werden, muss die Mehrheit der Abstimmenden, mindestens aber 25 % – unabhängig von der tatsächlichen Beteiligung – der abstimmungsberechtigten Berliner diesem im Volksentscheid zustimmen (so genanntes Zustimmungsquorum). Zu den Teilnehmern zählen auch ungültig abgegebene Stimmen. Bei einer Verfassungsänderung oder einem Begehren auf Neuwahlen müssen 50 % der Abstimmungsberechtigten und mindestens zwei Drittel der tatsächlich Abstimmenden mit „Ja“ stimmen.

Stehen zwei konkurrierende Vorlagen zur Abstimmung, wird zusätzlich eine Stichfrage gestellt. Auch wenn es hierzu auf Landesebene in Berlin bislang noch nicht kam, dürfte sich die Ausgestaltung der Stichfrage an dem bereits in einigen Bürgerentscheiden auf Bezirksebene praktizierten Verfahren orientieren. Die Abstimmenden können hierbei für beide Vorlagen jeweils mit „Ja“ oder „Nein“ stimmen und in der Stichfrage angeben, welche der beiden Vorlagen („A“ oder „B“) sie präferieren.

Generelles zu den Instrumenten

Gegenstand, Zulässigkeit und Verbindlichkeit

In Berlin sind Volksinitiativen und Volksbegehren grundsätzlich zur Verfassung, zu Gesetzen und zu allgemeinen Fragen der politischen Willensbildung – sofern diese in der Entscheidungszuständigkeit des Abgeordnetenhauses liegen – zulässig. Ein Anliegen darf aber nur einmal pro Wahlperiode des Abgeordnetenhauses Gegenstand eines Volksentscheids sein. Zusätzlich ist es bis maximal 46 Monate nach der Konstituierung des Abgeordnetenhauses möglich per Volksbegehren und Volksentscheid Neuwahlen herbeizuführen. Ausschließlich zum Landeshaushaltsgesetz (als Ganzes), bei gravierenden Eingriffen in den laufenden Haushalt, zu Abgaben, Tarifen öffentlicher Unternehmen und Personalentscheidungen sind Volksbegehren nicht gestattet. Volksbegehren und -initiativen die gegen das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland oder die Verfassung des Landes Berlin verstoßen sind nicht zulässig. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern (z. B. dem Saarland) können Volksbegehren nicht alleine deswegen unzulässig sein, weil sie finanzielle Auswirkungen haben.

In Berlin ist die Senatsverwaltung für Inneres und Sport für die rechtliche Prüfung der Instrumente auf Landesebene zuständig. Zunächst erfolgt eine unverbindliche und im Wesentlichen formale Prüfung bei Anmeldung des Verfahrens. Erklärt die Senatsverwaltung das Verfahren für nicht zulässig, kann die Initiative gegen diese Entscheidung vor dem Landesverfassungsgerichts Klage einreichen. Bis Oktober 2099 wurde nach Einreichung der Unterschriften eines Antrages auf Einleitung eines Volksbegehrens das Anliegen vom Senat erneut umfangreich auf materielle Zulässigkeit geprüft. Nach einer Klage des Wassertischs gegen die Nichtzulassung des Volksbegehrens »Unser Wasser« stellte das Gericht klar, dass eine umfassende verfassungsrechtliche Prüfung von Anliegen der Volksgesetzgebung generell erst nach deren Inkrafttreten (also bspw. nach einer etwaigen Annahme in einem Volksentscheid) auf dem Klageweg möglich sei. Der Senat dürfe also Begehren lediglich oberflächlich auf offensichtliche Verstöße gegen die Landesverfassung oder das Grundgesetz prüfen.

Sofern ein Volksbegehren ein Gesetz oder eine Verfassungsänderung zum Inhalt hat, ist das Ergebnis eines Volksentscheides hierzu verbindlich und ein auf diesem Weg beschlossenes Gesetz muss also in Kraft treten. Ein irgendwie gearteter Schutz vor anschließender Änderung durch das Abgeordnetenhaus besteht allerdings nicht.[1] Hat ein Volksbegehren einen allgemeinen Gegenstand der politischen Willensbildung zum Inhalt, zu dem auch das Abgeordnetenhaus keinen verbindlich Entschluss treffen darf, hat der Volksentscheid nur empfehlenden Charakter. Von den in der Verfassung festgehaltenen Ausnahmen (bspw. Abgaben und Tarife öffentlicher Unternehmen) einmal abgesehen, sind Volksentscheide den Beschlüssen des Abgeordnetenhauses gleichgestellt.

Verfahrensformalien

Für Volksinitiative, Antrag und Volksbegehren müssen in Berlin fünf Vertrauenspersonen benannt werden. Die Vertrauenspersonen fungieren sowohl für den Senat als auch die Bürger als Ansprechpartner und sind berechtigt, verbindliche Erklärungen im Rahmen des direktdemokratischen Verfahrens abzugeben.

Zu Anträgen, Volksbegehren und -initiativen muss eine Schätzung vorgelegt werden, welche Kosten durch eine Umsetzung des Anliegens mutmaßlich entstehen. Neben der Kostenschätzung der Initiative fertigt auch der Senat eine solche an.

Auf den Unterschriftslisten müssen die Trägerin des Verfahrens (die Initiative) sowie die Vertrauenspersonen namentlich genannt sein. Die Kostenschätzungen von Initiative und Senat müssen abgedruckt, sowie die wesentlichen Anliegen des Verfahrens aufgeführt werden. Auf einer Unterschriftsliste dürfen mehrere Personen ihre Unterstützung bekunden. Die Unterschreibenden müssen lesbar Ihren vollen Namen, die Adresse ihres Erstwohnsitzes, ihr Geburtsdatum sowie eine eigenhändige Unterschrift eintragen. Die Angaben müssen nicht zwingend vollständig, aber geeignet sein, den Unterschreibenden eindeutig zu identifizieren. Im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben gestaltet die Initiative die Unterschriftslisten in eigener Verantwortung, diese müssen aber vor Beginn der Sammlung vom Landeswahlleiter auf Zulässigkeit geprüft werden. Aus Gründen des Datenschutzes sind die Bezirksämter – die die Prüfung und Auszählung der Unterschriftslisten vornehmen – nach Beendigung eines Verfahrens verpflichtet, alle dort eingereichten Unterschriftslisten zu vernichten.

Anträge, Volksbegehren und -initiativen können in Berlin sowohl auf den Bürgerämtern als auch in so genannter Freier Sammlung auf der Straße durch Eintragung in, den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden, Unterschriftslisten unterzeichnet werden. Eine Briefeintragung oder Online-Unterzeichnung ist hingegen nicht möglich. Gesammelt werden darf grundsätzlich überall im öffentlichen Raum – eine besondere Anmeldung von Unterschriftssammlungen ist nicht nötig.

Spendentransparenz

In Berlin muss seit einer am 1. Juli 2010 beschlossenen Änderung des Abstimmungsgesetzes die Trägerin einer Volksinitiative bzw. eines Volksbegehrens erhaltene Spenden ab einer Gesamthöhe von 5.000 Euro zusammen mit dem Namen des Spenders offen legen.[2] Damit soll sichergestellt werden, dass die Bürgerinnen und Bürger erkennen können, ob und welche finanzstarken Interessen eine Initiative unterstützen. Diese Regelung wurde erst 2010 in Berlin eingeführt, nachdem bei den beiden ersten Volksbegehren zum Flughafen Tempelhof als auch bei ProReli massive finanzielle Unterstützung aus interessierten Kreisen ruchbar wurden, ohne dass der Öffentlichkeit genauere Informationen über die einzelnen Spender oder die Höhe der Zuwendungen vorlagen. Zuvor galt in Berlin eine Offenlegungspflicht für Einzelspenden erst ab 50.000 Euro.

Verfahrenskosten

Anträge, Volksbegehren und -initiativen verursachen zunächst keine besonderen Mehrausgaben der öffentlichen Hand, da die hierfür in den Bezirksämtern anfallenden Arbeiten (Prüfung der Unterschriften) mit den vorhandenen personellen Ressourcen geleistet werden können. Die öffentlichen Kosten für die Durchführung eines Volksentscheids können ganz erheblich differieren. Wird die Abstimmung mit einer regulären Wahl zusammengelegt, entstehen Mehrkosten nur in relativ kleinem Umfang durch den zusätzlichen Zeitaufwand der Wahlhelfer. Findet der Entscheid ohne eine solche Kopplung statt, fallen alle Kosten an, die auch für die Durchführung einer Wahl aufzuwenden wären (briefliche Benachrichtigung, Aufwandsentschädigung für Abstimmungshelfer usw.). Bei einem Volksentscheid liegen die Kosten bei etwa 1,6 Millionen Euro.[Presse 1]

Die Praxis der Volksgesetzgebung in Berlin

Anliegen bisheriger Volksinitiativen

Gegen den Transrapid

Die Volksinitiative »Bürger/innen gegen den Transrapid« war die erste Volksinitiative im Land Berlin und wandte sich gegen den geplanten Bau der Transrapid-Strecke von Berlin nach Hamburg. Vom 1. April bis zum 30. September 1998 sammelte die Initiative 122.910 Unterschriften, welche Sie am 14. Oktober 1998 einreichten. Die Anhörung im Abgeordnetenhaus fand am 13. Januar 1999 statt, die dazugehörige Abstimmung am 25. Februar. Das Anliegen der Initiative wurde mit 100 zu 79 Stimmen bei vier Enthaltungen abgelehnt. Die Initiative wurde unterstützt vom BUND und 30 weitere Gruppen darunter Bürgerinitiativen, Umweltverbänden, den Grünen der PDS sowie Teilen der SPD.

Der Bau der Transrapid-Strecke wurde aufgrund steigender Kosten schließlich von der Rot-Grünen Bundesregierung verworfen und stattdessen die ICE-Strecke zwischen Berlin und Hamburg ausgebaut.

Mehr Demokratie beim Wählen

Die Volksinitiative »Mehr Demokratie beim Wählen« wurde vom gleichnamigen Bündnis initiiert, dem neben dem Verein Mehr Demokratie, Parteien wie die ödp und die Tierschutzpartei, die Humanistische Union, der Türkische Bund[Ini 1] sowie eine Reihe weiterer Organisationen angehört. Die Volksinitiative hatte zum Einen die Ausweitung des Wahlrechts zum Ziel, als auch eine Absenkung bzw. Abschaffung der Sperrklauseln in Berlin. So wurde gefordert, das aktive Wahlrecht auch auf Landesebene auf 16 Jahre zu senken (bei den BVV-Wahlen in den Bezirken ist dies bereits der Fall). Zudem sollten auf bezirklicher Ebene auch Einwohner aus Staaten die nicht Mitglieder der Europäischen Union sind das Wahlrecht für die BVV-Wahlen erhalten. Der Senat sollte weiterhin aufgefordert werden, eine Bundesratsinitiative für die Einführung eines Wahlrechts für Bürger ohne deutsche Staatsangehörigkeit auf Landesebene zu ergreifen. Schließlich forderte die Volksinitiative eine Senkung der Sperrklauseln in Berlin. Die derzeitig gültige 3 %-Sperrklausel in den Bezirken sollte gänzlich abgeschafft, die derzeitig gültige 5 %-Sperrklausel bei Wahlen zum Abgeordnetenhaus sollte auf 3 % gesenkt werden.

Die Volksinitiative startete zeitgleich mit einem gleichnamigen Antrag auf ein Volksbegehren der weitere Forderungen bezüglich des Wahlrechts in Berlin enthielt. Die in der Volksinitiative enthaltenen Forderungen sind überwiegend nur durch eine Verfassungsänderung umzusetzen. Da die Initiatoren die Hürden für ein verfassungsänderndes Volksbegehren als faktisch nicht überwindbar einschätzten, entschloss man sich, die Anliegen über eine Volksinitiative einzubringen.

Die Unterschriftensammlung startete im März 2008 und dauerte bis September 2008. Die notwendigen 20.000 Unterschriften konnten in dieser Zeit nicht gesammelt werden, so dass sich die Initiatoren entschlossen, die Volksinitiative mit den zuletzt etwas über 10.000 gesammelten Unterschriften als Petition in das Abgeordnetenhaus einzubringen. Von der Möglichkeit einer Anhörung der Petenten machte der zuständige Ausschuss im Abgeordnetenhaus keinen Gebrauch und lehnte die Petition im Januar 2009 als Ganzes ab, ohne in der Begründung auf die einzelnen enthaltenen Forderungen gesondert einzugehen.

Schule in Freiheit

Die Volksinitiative »Schule in Freiheit« fordert die finanzielle Gleichstellung bei der Förderung von staatlichen und privaten Schulen sowie eine stärkere Unabhängigkeit von Schulen in freier Trägerschaft und staatlichen Schulen. Durch die Gleichstellung bei der Finanzierung glaubt die Initiative, dass die privaten Schulen auf Schulgeld verzichten können. Am 23. November 2010 übergab die Initiative Walter Momper, dem Präsidenten des Abgeordnetenhauses, 28.717 Unterschriften, von denen 24.420 für gültig befunden wurden. Am 13. Januar 2011 gab es eine erste Aussprache im Abgeordnetenhaus zur Volksinitiative. Am 10. März 2011 stellten die Initiatoren im Rahmen einer Anhörung ihre Volksinitiative dort vor.[3] Am 7. April gab der Ausschuss eine Beschlussempfehlung ab, in der einige Punkte der Volksinitiative in veränderter Form aufgenommen wurden. In der abschließenden Behandlung der Volksinitiative am 14. April 2011 wurde diese Beschlussempfehlung mit der Mehrheit von SPD und Linke angenommen.[4]

Verbesserung des Nichtraucherschutzes

Die Volksinitiative »Frische Luft für Berlin«[Ini 2] will eine Verbesserung des Nichtraucherschutzes in Berlin erreichen. Dazu sollen alle bislang bestehenden Ausnahmeregelungen im Nichtraucherschutz für Gaststätten aufgehoben werden, sowie das Rauchen von Tabak auch auf Kinderspielplätzen und den Freiflächen von Gesundheitseinrichtungen untersagt werden. Die Initiatoren haben sich für die Einbringung ihrer Forderungen als Volksinitiative entschieden, um das Thema noch vor den Abgeordnetenhauswahlen 2011 in den politischen Prozess einbringen zu können.

Die Sammlung für die Volksinitiative begann am 24. September 2010. Am 14. April 2011 hat die Initiative nach eigenen Angaben 27.000 Unterschriften an den Präsidenten des Abgeordnetenhauses Walter Momper übergeben.[Ini 3] Davon waren 23.633 Unterschriften gültig.[Amt 2]

Anliegen bisheriger Volksbegehren

Seit der Reform der Volksgesetzgebung in Berlin im Jahre 2006 wurde eine ganze Reihe von Volksbegehren initiiert. Nachfolgend ein Überblick über Volksbegehren die im Land Berlin seit 2006 angestoßen und politisch umgesetzt wurden oder zu einem Volksentscheid führten.[Nachweis 1]

Offenlegung der Teilprivatisierungsverträge bei den Berliner Wasserbetrieben

Das Volksbegehren »Schluss mit Geheimverträgen – Wir Berliner wollen unser Wasser zurück«, das der Berliner Wassertisch initiierte, hat die formaljuristische Offenlegung der Teilprivatisierungsverträge zwischen dem Berliner Senat und den Unternehmen Veolia Wasser und RWE Aqua zum Ziel. Die unter Geschäftsgeheimnis stehenden Verträge schloss der Rot-Rote Senat, um Schadensersatzforderungen zu verhindern, die durch ein Gerichtsurteil des Berliner Verfassungsgerichtshofs entstanden waren. Das Land Berlin und die privaten Gesellschafter erhalten eine vertraglich garantierte Verzinsung für das betriebsnotwendige Kapital, das heute 3,3 Mrd. Euro beträgt.

Im Frühjahr 2007 formierte sich das Bündnis Berliner Wassertisch als Netzwerk verschiedener Gruppen, Initiativen und Personen.[Ini 4] Die Initiative setzte sich zum Ziel, per Volksbegehren und Volksentscheid eine Änderung des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes zu erreichen. In einem weiteren Schritt wollen die Initiatoren der Kampagne den Senat zwingen, die unter Geschäftsgeheimnis stehenden Verträge nachträglich zu ändern. Der Berliner Senat sieht dieses Verfahren als verfassungswidrig an.[Presse 2] Eine Überprüfung durch den Berliner Verfassungsgerichtshof gibt es bisher nicht.

Im Sommer des selben Jahres begann der Wassertisch, Unterschriften für die Einleitung eines Volksbegehrens zu sammeln.[Amt 3] Nach schleppendem Beginn überbrachten die Initiatoren am 1. Februar 2008 dem Landeswahlleiter 39.659 Unterschriften, wovon 36.062 gültig waren. Am 4. März 2008 erklärte der Senat das Volksbegehren für ungültig. Am selben Tag kündigte die Initiative eine Klage gegen den Entscheid vor dem Verfassungsgerichtshof an.

Am 6. Oktober 2009 urteilte das Gericht, dass das Volksbegehren zulässig ist. In der Begründung äußerte sich das Gericht nicht zur Frage, ob dieses Volksbegehren gegen die Landesverfassung verstoße, sondern sprach dem Senat das Recht ab, über die Zulässigkeit eines Volksbegehrens zu entscheiden. Da eine Verhandlungslösung scheiterte, startete die Initiative am 28. Juni 2010 das eigentliche Volksbegehren. Bis zum 27. Oktober 2010 sammelte die Initiative rund 265.400 Unterschriften. Zusammen mit den auf den Bürgerämtern geleisteten Unterschriften kamen rund 320.700 Unterschriften zusammen, 280.887 Unterschriften waren gültig. Das notwendige Unterschriftenquorum von 172.000 gültigen Unterschriften wurde so deutlich überschritten. Ende November stellte der Senat das erfolgreiche Zustandekommen des Volksbegehrens fest.

Drei Tage nach Einreichung der Unterschriften veröffentlichte die taz am 30. Oktober 2010 das zentrale Dokument der Teilprivatisierungsverträge. Ihren Informanten nannte die tageszeitung nicht.[Presse 3] Am 10. November 2010 legten auch das Land Berlin[Amt 4] und Veolia[Nachweis 2] den Vertrag zur Teilprivatisierung und weitere Vertragsbestandteile offen.

Im Vorfeld der Abstimmung stand die Notwendigkeit des Volksentscheids im Zentrum der Diskussionen.[Amt 5] Senat und Abgeordnetenhaus argumentierten, dass der Teilprivatisierungsvertrag offengelegt sei und der Volksentscheid über etwas längst Geschehenes entscheide und demnach überflüssig sei. Die Initiative argumentierte, dass der zentrale Aktenordner des Vertragswerks veröffentlicht sei, während etwa 180 immer noch unter Verschluss stünden. Deshalb sei der Volksentscheid nicht überholt.

Der zur Abstimmung stehende Gesetzentwurf wurde am 13. Februar 2011 mit 665.713 Ja-Stimmen angenommen. Das entspricht einer Zustimmung von 98,2 %. Die Wahlbeteiligung lag bei 27,0 % und überschritt das notwendige Zustimmungsquorum von 25 %. Damit ist dieses Volksbegehren das erste in der Geschichte Berlins, das per Volksentscheid Gültigkeit erlangt.[Amt 6]

Die Initiatoren des Volksentscheids gehen davon aus, dass der Volksentscheid keine Auswirkungen auf den Haushalt des Landes Berlin haben werde. Das Land Berlin ist jedoch der Meinung, dass sich die Kosten nicht abschätzen lassen. Die öffentlichen Kosten für die Durchführung des Volksentscheid belaufen sich auf 1,6 bis 1,85 Millionen Euro.[Presse 4]

Verbesserung der Kita-Ausstattung

Der Landeselternausschuss Kita Berlin (LEAK) startete im Februar 2008 die Sammlung von Unterschriften zum Antrag auf das Volksbegehren »Kitakinder + Bildung von Anfang an = Gewinn für Berlin«.[Ini 5] Ziel war es, Kindern ab drei Jahren ohne Bedarfsprüfung ein Teilzeitkindergartenplatz zuzusichern, mehr pädagogisches Personal an den Berliner Kitas einzusetzen und diesen mehr Vor- und Nachbearbeitungszeit einzugestehen sowie deren Fortbildung zu intensivieren.

Der Antrag übersprang mit 66.181 abgegebenen Unterschriften mühelos das Unterschriftenquorum von 20.000 und war damit der bislang erfolgreichste Antrag auf Einleitung eines Volksbegehren in der Geschichte Berlins. Aufgrund der geschätzten jährlichen Mehrkosten von ca. 100 Millionen Euro erklärte der Senat das Volksbegehren für unzulässig. Die Initiative klagte vor dem Verfassungsgerichtshof gegen diese Entscheidung und erhielt in dessen Urteil vom 3. Oktober 2009 Recht. Das Gericht stellte klar, dass Volksbegehren nur dann unzulässig seien, wenn diese direkt in das Haushaltsgesetz oder den laufenden Haushalt des Landes eingriffen. Eine generelle Unzulässigkeit sei aber nicht allein aus der Tatsache abzuleiten, dass ein Volksbegehren hohe Mehrausgaben für künftige Haushalte vorsehe.

In den sich an das Urteil anschließenden Verhandlungen mit dem Senat konnte schließlich eine Einigung erzielt werden, die eine weitgehende Umsetzung der Anliegen des Volksbegehrens in einem auf mehrere Jahre gestreckten, mehrstufigen Plan vorsieht. Die Initiative verzichtete daraufhin auf die Durchführung des eigentlichen Volksbegehrens.

Religion als Wahlpflichtfach an Schulen

Hauptartikel: Pro Reli
Plakate von Befürwortern und Gegner des Volksbegehrens »Wir wollen Wahlfreiheit!« im Abstimmungskampf vor dem Volksentscheid (2009).

Der Verein Pro Reli e.V.[Ini 6] verfolgte mit dem Volksbegehren »Wir wollen Wahlfreiheit! Für die Einführung des Wahlpflichtbereichs Ethik/Religion!« das Ziel, durch einen Volksentscheid das Schulgesetz Berlins zu ändern.[Amt 7] Dieses sieht seit 2006 für die Klassenstufen 7 bis 10 das neu eingeführte Fach Ethik als ordentliches Lehrfach vor, während Religions- und Weltanschauungsunterricht – wie seit 1948 – in Berlin ab der ersten Klasse zusätzlich freiwillig besucht werden kann. Der stark von den christlichen Kirchen unterstützte Verein Pro Reli wollte diese Regelung durch eine nach Konfessionen getrennte Wahlpflichtfachgruppe Ethik/Religion ab der ersten Klasse ersetzen.

Das von Pro Reli initiierte Volksbegehren, war das erste nach der Reform der Direkten Demokratie in Berlin von 2006 durchgeführte Verfahren, mit dem in einem verbindlichen Volksentscheid ein Gesetz geändert werden sollte. Nachdem der Antrag mit 34.472 und das Volksbegehren mit über 265.823 gültigen Unterschriften deutlich erfolgreich waren, scheiterte die Initiative im Volksentscheid am 26. April 2009. Von den rund 713.000 Berliner die sich an der Abstimmung beteiligten, stimmten lediglich 48,4 % für, 51,4 % aber gegen den Vorschlag. Aufgrund der geringen Beteiligung wäre das Volksbegehren aber auch bei umgedrehten Mehrheitsverhältnissen deutlich am geforderten Zustimmungsquorum von 25 % der Abstimmungsbrechtigten gescheitert.[Amt 8]

Offenhaltung des Flughafens Tempelhof

Im Jahre 1996 einigte sich der Berliner Senat mit der Brandenburgischen Landesregierung auf den Bau des Großflughafens Berlin Brandenburg International (BBI), zu dessen Gunsten die beiden innerstädtischen Flughäfen Tempelhof und Tegel geschlossen werden sollte. Nach der Beendigung des Planfeststellungsverfahrens beschloss der Senat im Jahr 2003 endgültig die Schließung von Tempelhof.

Mit dem Volksbegehren »Tempelhof bleibt Verkehrsflughafen!« wollte die Interessengemeinschaft City-Airport Tempelhof e.V. (ICAT) die Offenhaltung des Flughafen Berlin-Tempelhof erreichen. Starke Unterstützung erhielt die Initiative von Beginn an von den beiden Oppositionsparteien CDU und FDP. Unmittelbar nach Reform der Direkten Demokratie in Berlin, noch im November 2006 begann die Initiative mit der Unterschriftensammlung für den Antrag auf Einleitung eines Volksbegehrens. Dieser konnte im April 2008 mit knapp 30.000 gültigen Unterschriften abgeschlossen werden. Das Volksbegehren fand zwischen dem 15. Oktober 2007 und dem 14. Februar 2008 statt. Da zu diesem Zeitpunkt die notwendigen Durchführungsverordnungen für Volksbegehren noch nicht beschlossen waren, konnten Unterschriften hierfür ausschließlich auf den Bürgerämtern geleistet werden. Bereits am 30. Januar 2008 war das notwendige Unterschriftenquorum von 172.000 gültigen Unterschriften übersprungen worden. Der Volksentscheid fand am 27. April 2008 statt und führte zu einem so genannten „unechten“ Scheitern des Anliegens. So stimmten zwar 60,1 % der Abstimmenden für das Volksbegehren, bei nur 36,1 % Nein-Stimmen, allerdings wurde das Zustimmungsquorum von 25 % verfehlt, da insgesamt nur 21,7 % der Abstimmungsberechtigten Berliner mit „Ja“ stimmten.

Bereits im Vorfeld der Abstimmung polarisierte das Volksbegehren aus vielerlei Gründen. So war der Volksentscheid, weil er kein Gesetz, sondern mit der Offenhaltung eines Flughafens einen Verwaltungsakt zum Ziel hatte, nicht verbindlich. Der Senat wäre also auch bei einem erfolgreichen Volksentscheid nicht an dessen Umsetzung gebunden gewesen. Der Regierende Bürgermeister Wowereit wies im Vorfeld der Abstimmung mehrmals über die Presse auf diesen Umstand hin und erklärte deutlich, dass der Senat unabhängig vom Ergebnis des Volksentscheids an der Schließung des Flughafens festhalten würde. Die Befürworter des Volksentscheids sahen dies als Ausweis von mangelndem Demokratieverständnis und als Versuch möglichst viele Bürger von der Teilnahme am Volksentscheid abzuschrecken. Die Gegner des Volksbegehrens kritisierten vor allem die undurchsichtigen finanziellen Interessen hinter dem Volksbegehren. So gab die Initiative für den gesamten Abstimmungsprozess mutmaßlich mehr als drei Millionen Euro aus, deren Ursprung nach wie vor nicht eindeutig geklärt ist. Zudem hätten die Unterstützer des Volksbegehrens von Beginn an gewusst, dass ein Volksentscheid unverbindlich sein würde, dies den Bürgern aber nicht klar kommuniziert.

An der Schließung des Flughafen Tempelhof wurde auch nach dem Volksentscheid festgehalten. Das letzte Flugzeug startete am 24. November 2008. Mittlerweile ist das Areal als Park geöffnet und im Jahr 2017 wird auf diesem die Internationale Gartenbauausstellung stattfinden.

Lockerung des Nicht-Raucherschutzes in Gaststätten

Der Verein Initiative für Genuß Berlin e.V.[Ini 7] wollte mit dem Volksbegehren »Wahlfreiheit für Gäste und Wirte – kein Rauchverbot in Berliner Gaststätten« eine Abschwächung des Rauchverbotes durchsetzen.[Amt 9] Dies sollte dadurch geschehen das alle lokale wählen können ob sie ein Raucher- oder Nichtraucherlokal sind und dies nur am Eingang kennzeichnen müssen. Bisherige Regelungen welche Größenverhältnisse zwischen Raucher- und Nichtraucherbereichen festlegen oder den Vertrieb von Speisen in Einraumkneipen regulieren sollten abgeschafft werden. Das Volksbegehren war nicht Erfolgreich, da nicht genug Stimmen zusammenkamen.

Verbesserung der Grundschulausstattung und Schülerhorten

Der Landeselternausschuss Kita Berlin[Ini 8] (LEAK), welcher bereits den Volksbegehrensantrag zur Kitaausstattung organisierte, welcher mit einem Verhandlungsergebnis beendet wurde, startete im Juni 2010 die Sammlung von Unterschriften zum Antrag auf das »Volksbegehren-Grundschule«[Ini 9] dessen Ziele es sind durch eine Veränderung des Personalschlüssels mehr Stellen an Grundschulen zu schaffen, insbesondere bei einer hohen Anzahl an Kindern mit Migrationshintergrund. Des Weiteren soll die Bedarfsprüfung von Grundschulkindern für Schulhorte wegfallen. Darüber Hinaus soll die Schulspeisung und die Fortbildung der Grundschullehrer verbessert werden. Am 30. Oktober 2010 wurden 28.255 Unterschriften übergeben. Die Kosten für die Umsetzung der Anliegen schätzt die Initiative auf 99 Millionen Euro im Jahr. Aufgrund der anstehenden Abgeordnetenhauswahl sahen die Initiatoren gute Umstände für eine Verhandlungslösung, da die Parteien im Abgeordnetenhaus es nicht parallel zum Wahlkampf auf ein Kräftemessen mit den Eltern ankommen lassen möchten. Da jedoch kein Verhandlungsergebis eingeleitet wurde, wurde mit der Sammlung der Unterschriften für ein Volksbegehren begonnen.

Flughafen Tempelhof als Weltkulturerbe

Das Aktionsbündnis be-4-tempelhof.de[Ini 10], welches auch ein erfolgreiches Bürgerbegehren (siehe Bürgerbegehren in Tempelhof-Schöneberg) in Tempelhof-Schöneberg zum gleichen Thema erfolgreich durchgeführt hat, möchte durch das Volksgegehren »Weltkulturerbe Tempelhof und mehr Transparenz in der Politik« ein Gesetz erwirken, dass eine Nutzung des Flughafen Tempelhofs auf Grundlage des Flächennutzungsplans von 1984 vorschreibt, sowie das Land Berlin verpflichtet sich für eine Eintragung Tempelhofs in die Liste der UNESCO-Weltkulturerbe einzusetzen. Des Weiteren soll parallel zum existierenden Informationsfreiheitsgesetzes ein Recht auf Akteneinsicht bei öffentlichen Unternehmen begründet werden, Senatoren sollen keine Nebentätigkeiten ausführen dürfen und keine Sitze in Vorständen, Aufsichts- oder Verwaltungsräten mehr innehaben können. Die Senatoren sowie der Präsident des Abgeordnetenhauses sollen alle Einkünfte, Vergünstigungen, Unternehmensbeteiligungen und Mitgliedschaften die einen Interessenkonflikt für ihre Tätigkeit darstellen könnten rückwirkend für drei Jahre offen legen. Schlussendlich sollen Senatoren analog zu den Regelungen für Managerhaftung bei Kapitalgesellschaften für durch sie entstandene Schäden haftbar sein, wobei der Bundesanwaltschaft die Ermittlungskompetenz zukommen solle.[Ini 11]

Am 29. April 2009 wurden zur Beantragung des Volksbegehrens 24.946 abgegeben von denen 21.414 für gültig erklärt wurden. Das Volksbegehren wurde vom Senat nur in Teilen zugelassen. So sei das zentrale Anliegen des Volksbegehrens nicht der Denkmalschutz, sondern vielmehr die Nutzung Tempelhofs als Verkehrsflughafen. Da gemäß Artikel 61 der Landesverfassung in der gleichen Wahlperiode des Abgeordnetenhauses zu einem Anliegen nur ein Volksbegehren durchgeführt werden darf, seien die entsprechenden Abschnitte des Volksbegehren damit unzulässig. Weiterhin lägen nicht alle enthaltenen Anliegen in der Kompetenz des Landes Berlin, bzw. seien in Teilen rechtsstaatswidrig.[Amt 10] Das Aktionsbündnis hat gegen die Nichtzulassung von zentralen Teilen des Volksbegehrens beim Landesverfassungsgericht Klage eingereicht.

Tabellarische Übersicht

Nachfolgend eine tabellarische Übersicht aller in Berlin seit 1995 durchgeführten Volksgesetzgebungsverfahren sortiert nach Verfahrenstyp.


Siehe auch

Einzelnachweise

Gesetze und Verordnungen

amtliche Quellen

  1. Andreas Schmidt von Puskás, der Landeswahlleiter: Wahlen in Berlin. Abgeordnetenhaus, Bezirksverordnetenversammlungen, Volksabstimmung über die Neuregelung von Volksbegehren und Volksentscheid in der Verfassung von Berlin in Berlin am 17. September 2006. Endgültiges Ergebnis. In: www.wahlen-berlin.de. Statistisches Landesamt Berlin, 5. Oktober 2006, S. 160, archiviert vom Original am 4. März 2011, abgerufen am 4. März 2011 (pdf, deutsch).
  2. Walter Momper: Rechtliche Zulässigkeit der Volksinitiative „Frische Luft für Berlin“. Schreiben des Präsidenten des Abgeordnetenhauses. In: Drucksache 16/4115. Abgeordnetenhaus Berlin, 11. Mai 2011, S. 3, abgerufen am 22. Mai 2011 (PDF).
  3. Berliner Wassertisch: Volksbegehren über die Offenlegung der Teilprivatisierungsverträge bei den Berliner Wasserbetrieben. In: www.wahlen-berlin.de. Dr. Petra Michaelis-Merzbach, Landeswahlleiterin Berlin, Mai 2010, S. 1, archiviert vom Original am 4. März 2011, abgerufen am 4. März 2011 (pdf, deutsch).
  4. Senat legt Verträge zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe offen. In: berlin.de, das offizielle Hauptstadtportal. Das Land Berlin, archiviert vom Original am 11. Februar 2011, abgerufen am 11. Februar 2011 (deutsch).
  5. Berliner Wassertisch; Senat von Berlin; Abgeordnetenhaus von Berlin: Amtliche Information zum Volksentscheid über die Offenlegung der Teilprivatisierungsverträge bei den Berliner Wasserbetrieben am 13. Februar 2011. In: www.wahlen-berlin.de. Dr. Petra Michaelis-Merzbach, Landeswahlleiterin Berlin, S. 20, archiviert vom Original am 5. März 2011, abgerufen am 5. März 2011 (pdf, deutsch).
  6. Dr. Petra Michaelis-Merzbach, die Abstimmungsleiterin: Bericht der Landesabstimmungsleiterin. Volksentscheid über die Offenlegung der Teilprivatisierungsverträge bei den Berliner Wasserbetrieben. In: www.wahlen-berlin.de. Amt für Statistik Berlin-Brandenburg, 14. Februar 2011, S. 4, archiviert vom Original am 14. Februar 2011, abgerufen am 14. Februar 2011 (pdf, deutsch).
  7. Initiative Pro Reli e.V.: Volksbegehren über die Einführung des Wahlpflichtbereichs Ethik/Religion. In: www.wahlen-berlin.de. Andreas Schmidt von Puskás, Landeswahlleiter Berlin, 1. Juni 2007, S. 1, archiviert vom Original am 5. März 2011, abgerufen am 5. März 2011 (htm, deutsch).
  8. Andreas Schmidt von Puskás, Landeswahlleiter Berlin: Bericht des Landesabstimmungsleiters Volksentscheid über die Einführung des Wahlpflichtbereichs Ethik/Religion am 26. April 2009. Endgültiges Ergebnis zugleich Statistischer Bericht B VII 4-1. In: www.wahlen-berlin.de. Statistisches Landesamt Berlin, Mai 2009, S. 1, archiviert vom Original am 5. März 2011, abgerufen am 5. März 2011 (pdf, deutsch).
  9. Initiative für Genuß Berlin e.V.: [http://www.webcitation.org/5wxeauK5K Volksbegehren über die Aufhebung des Rauchverbots in Gaststätten.] Wortlaut. In: www.wahlen-berlin.de. Andreas Schmidt von Puskás, Landeswahlleiter Berlin, November 2007, S. 2, archiviert vom Original am 5. März 2011, abgerufen am 5. März 2011 (pdf, deutsch).
  10. Senatsverwaltung für Inneres und Sport: Senat lässt Volksbegehren zum Denkmalschutz zu Tempelhof weitgehend zu. In: www.berlin.de. Landespressestelle, 9. Juni 2009, S. 1, archiviert vom Original am 5. März 2011, abgerufen am 5. März 2011 (html, deutsch).

Quellen von Initiativen

  1. Internetauftritt des Türkischen Bundes Berlin-Brandenburg
  2. Internetauftritt der Initiative »Frische Luft für Berlin«
  3. Volksinitiative Frische Luft für Berlin erfolgreich. Pressemeldung. Volksinitiative Frische Luft für Berlin, 14. April 2011, abgerufen am 14. April 2011.
  4. Internetauftritt des Berliner Wassertischs
  5. Internetauftritt des Volksbegehrens "Kita"
  6. Internetauftritt des Vereins Pro Reli e.V.
  7. Internetauftritt des Vereins Initiative für Genuß Berlin e.V.
  8. Internetauftritt des Landeselternausschusses Kita Berlin
  9. Internetauftritt des Volksbegehrens-Grundschule
  10. Internetauftritt des Aktionsbündnisses be-4-tempelhof.de
  11. Aktionsbündnis be-4-tempelhof.de: Flughafen Tempelhof: Neues Volksbegehren. Wortlaut des Volksbegehrens. In: www.volksentscheid-berlin.de.de. Oktober 2008, S. 1, archiviert vom Original am 5. März 2011, abgerufen am 5. März 2011 (html, deutsch).

Presseberichterstattung

  1. Sabine Beikler: Volksentscheid: Endspurt für Wassertisch. In: Der Tagesspiegel Online. Verlag Der Tagesspiegel GmbH, 19. Januar 2011, archiviert vom Original am 27. Januar 2011, abgerufen am 6. März 2011 (deutsch).
  2. Senat streitet über richtige Schlüsse aus Volksentscheid. In: Die Welt Kompakt. Axel Springer Verlag, 15. Februar 2011, archiviert vom Original am 16. Februar 2011, abgerufen am 16. Februar 2011 (deutsch).
  3. Der von der taz veröffentlichte Wasserprivatisierungsvertrag (PDF)
  4. ddp: Volksentscheid zu Wasserbetrieben am 13. Februar. In: Märkische Oderzeitung Online. Märkisches Verlags- und Druckhaus GmbH & Co. KG, Bodo Almert, 23. November 2010, archiviert vom Original am 12. Februar 2011, abgerufen am 12. Februar 2011 (deutsch).

andere Nachweise

  1. Vollständige Auflistung aller Volksgesetzgebungsverfahren in Berlin auf dem Internetauftritt des Landesverbands Berlin/Brandenburg von Mehr Demokratie e.V.
  2. Berliner Wasserverträge veröffentlicht. Pressemeldung. Veolia Wasser, 10. November 2010, archiviert vom Original am 11. Februar 2011, abgerufen am 11. Februar 2011 (deutsch).

Anmerkungen

  1. In Hamburg besteht bspw. bei einem per Volksentscheid beschlossenem und anschließend von der Bürgerschaft geänderten Gesetz bspw. die Möglichkeit eines fakultativen Referendums vor.
  2. § 40B des Abstimmungsgesetzes
  3. Wortprotokoll der Sitzung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Familie vom 10. April 2011.
  4. Beschlussempfehlung des Abgeordnetenausschusses für Bildung, Jugend und Familie.
  5. a b c Zum Zeitpunkt der Volksinitiative war eine Freie Sammlung noch nicht möglich, so dass alle Unterschriften auf Ämtern geleistet werden mussten und dort direkt auf Zulässigkeit geprüft wurden.
  6. Zum Zeitpunkt des Volksbegehrens galt ein Unterschriftenquorum von 10 % das in zwei Monaten erreicht werden musste.

Weblinks

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