Verwaltungsgebäude des Ministeriums für Straßenbau

Verwaltungsgebäude des Ministeriums für Straßenbau
Ansicht von Osten
Ansicht von Nordwesten

Das Verwaltungsgebäude des Ministeriums für Straßenbau in Tiflis, Georgien wurde 1975 fertiggestellt. Der Entwurf stammt von den Architekten George Tschachawa und Zurab Dschalagonia[1]. Heute ist es im Besitz der Bank of Georgia.[2]

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Das Grundstück liegt außerhalb des Stadtzentrums an der Kura. Es fällt sehr steil von Westen nach Osten ab. Das Gebäude ist aufgeständert, die Landschaft „fließt" ungehindert unter dem Gebäude hindurch, inklusive einem kleinen Bach. Das Gebäude ist weithin sichtbar, drei Ausfallstraßen nach Norden führen an dem Gebäude vorbei. Das Gebäude wird von beiden Seiten des Grundstücks erschlossen.

Der Baukörper besteht aus fünf horizontalen, zweigeschossigen Gebäuderiegeln. Sie wirken, als wären sie übereinander gestapelt worden. Drei verlaufen in Ost-West-Richtung, quer zum Hang und zwei in Nord-Süd-Richtung, längs zum Hang. Sie kragen weit über die darunterliegenden Riegel aus. Das Gebäude lastet auf drei Gebäudekernen, die die horizontalen Riegel vom Grund abheben. Sie enthalten die vertikale Erschließung. Der höchste Kern hat 18 Geschosse. Das Tragwerk besteht aus Stahl und Stahlbeton und gründet auf massivem Fels.

Das Gebäude hat eine Fläche von 10.960 Quadratmetern.[2]

Geschichte

Zum Zeitpunkt, als das Gebäude geplant wurde, war Tschachawa Minister für Straßenbau und damit verantwortlicher Vertreter des Bauherren und leitender Architekt in einer Person. Das Grundstück konnte er selbst aussuchen.[3] Der Auftrag wurde direkt vom Staat vergeben, ohne einen vorherigen Architektenwettbewerb. Das Gebäude war eines der ersten individuell von einem Architekten entworfenen Gebäude in Georgien während der Zeit in der Sowjetunion. Beteiligt an der Planung war außerdem der Ingenieur Temur Tkhilava. Die Baukosten betrugen sechs Millionen Rubel.

Nach dem Zusammenbruch der UdSSR zog das Ministerium um die Jahrtausendwende aus dem Gebäude aus. 2006 wurde das Gebäude von der Bank of Georgia gekauft. Aufgrund der zu erwartenden hohen Renovierungskosten und dem schlechten Image des Gebäudes im Land (Ablehnung der Sozialistischen Vergangenheit und der Architekturmoderne im Allgemeinen) zögerte die Bank, die Arbeiten zur Nutzung als Hauptquartier anzugehen. Daher stand es bis 2010 ungenutzt leer.

2007 wurde das Gebäude als Nationales Monument unter Denkmalschutz gestellt.

Im April 2010 beschloss der Bankvorstand - ermutigt durch aktuelle Planungen von OMA (The Interlace, 2009)[4] und die internationale Aufmerksamkeit für das Gebäude - die Renovierungsarbeiten im Sommer 2010 zu beginnen[5]. Im Juli 2010 fand in dem Gebäude eine Sommerakademie unter dem Titel Frozen Moments: Architecture Speaks Back. Research & Leisure mit Künstlern, Akademikern, Architekten, Kuratoren, Wirtschaftsfachleuten und Einwohnern von Tiflis statt.[6] Gleich danach begannen die Umbauarbeiten zum Hauptquartier der Bank.

Architekten

Der leitende Architekt des Gebäudes, George Tschachawa (გიორგი ჩახავა) wurde 1923 in Tiflis geboren. 1941 beendete er die Schule und ging danach zum Militär. Er wurde später für seine Teilnahme am Zweiten Weltkrieg ausgezeichnet. Nach dem Krieg studierte er Architektur an der Architekturfakultät der staatlichen Polytechnischen Hochschule und graduierte 1949. Seitdem ist er als Architekt tätig und hat Projekte in Georgien, aber auch in der Ukraine, Usbekistan, Tadschikistan und Afghanistan verwirklicht. Nach eigenen Angaben ist seine Hauptinspiration die Landschaft seiner Heimat Georgien mit ihren traditionellen Bergdörfern. Die bergige Landschaft ist ein wichtiges Element in Tschachawas Architektur, er sagt, je komplexer das Relief sei, desto mehr Möglichkeiten habe der Architekt. Tschachawa wurde mehrfach ausgezeichnet, vom Georgischen Architektenverband, vom Architektenverband der Sowjetunion, 1983 mit dem Staatspreis des Ministerrates der Sowjetunion und 1991 als Ehrenmitglied der International Academy of Architecture of oriental countries.[7] Chakhava starb am 25. August 2007.[2]

Architektur

Yamanashi Kommunikationszentrum

Der Entwurf basiert auf einem in Georgien patentierten Muster, der sogenannten Raumstadt. [8] Idee ist es, durch die Aufständerung weniger Grundfläche zu verbrauchen, so dass der Raum unter dem Gebäude der Natur zurückgegeben werden kann. Nach Angaben des Architekten beruht das Konzept auf dem Prinzip des Waldes, die Gebäudekerne entsprechen den Baumstämmen, die Riegel den Baumkronen. Zwischen Grund und der Baumkrone gibt es offene, lichte Freiräume. Die Anwendung dieses Prinzips auf das Gebäude soll zum psychischen Wohlbehagen und dem Wohlbefinden der Nutzer beitragen.[2] Tschachawa wendete das Prinzip auch später bei anderen Entwürfen an, die allerdings nicht realisiert wurden.

Die Idee, dass die Landschaft unter dem Gebäude "hindurchfließt" und relativ unberührt bleibt, wurde auch von anderen Architekten verfolgt. Theoretisch beschäftigte sich Le Corbusier mit dem "Haus auf Stützen / Pilotis" und setzte dies zum Beispiel bei der Unité d'Habitation ab 1947 um. Auf einmalige Weise wurde die Idee von Frank Lloyd Wright bei Fallingwater 1935 verwirklicht. Glenn Murcutt setzte das Sprichwort "Diese Erde leicht berühren" (Touch This Earth Lightly) in einigen seiner Entwürfe praktisch um. Ein zeitgenössisches Beispiel ist das Musée du quai Branly von Jean Nouvel, bei dem unter dem Gebäude ein Garten liegt.

Der Entwurf greift Ansätze der russischen Konstruktivisten aus den 1920er Jahren auf[1]. Der Architekt El Lissitzky entwarf mit seinem Wolkenbügel von 1924 eine formal ähnliche Struktur, bei der Gebäudekern und Büroflächen in vertikale und horizontale Bauteile zerlegt werden. Der Wolkenbügel wurde aus einem ideellen Ansatz heraus entwickelt, als Antithese zum Wolkenkratzer.[9].

Das Gebäude kann aufgrund des Einsatzes von Sichtbeton und der klaren, geometrischen Körper dem Brutalismus zugeordnet werden. Das Konzept der Raumstadt zeigt jedoch enge Verbindungen zum Strukturalismus. Im Spannungsfeld dieser Bewegungen entstanden auch in anderen Ländern ähnliche Gebäude. Beispiele sind das Yamanashi Kommunikationszentrum in Kofu von Kenzō Tange oder Habitat 67 von Mosche Safdie, beide 1967 fertiggestellt.

Es lassen sich auch formale Bezüge zwischen Architektur und Nutzung herstellen. Kultermann spricht von einer Konstruktionsform [..]. die einer inhaltsbetonten Lösung am meisten gemäß war[1] und meint damit die formale Assoziation zu Brücken und Straßen.

Einzelnachweise

  1. a b c Udo Kultermann: Zeitgenössische Architektur in Osteuropa, S.59f
  2. a b c d Nach Angaben von MD PhD George Chakhava (Junior) und MD PhD Nino Kandelaki
  3. http://www.nytimes.com/2007/05/16/arts/design/16cold.html?n=Top%2fNews%2fWorld%2fCountries%20and%20Territories%2fGeorgia
  4. http://www.archinect.com/features/article.php?id=91729_0_23_0_C Artikel über das Projekt The Interlace
  5. http://ruinsofourtimes.wordpress.com/
  6. http://www.laura-palmer.pl/en/projects/43/frozen-moments-architecture-speaks-back-research--leisure/
  7. http://www.chakhava.ge/bio.htm
  8. Georgisches Patentzertifikat Nr. 1538
  9. vgl. Müller / Vogel: dtv Atlas Baukunst, Band 2, S. 509

Literatur

  • Josef Baulig, Maia Mania, Hans Mildenberger, Karl Ziegler: Architekturführer Tbilisi (deutsch/georgisch), Saarbrücken 2004; ISBN 3-936890-39-0
  • Udo Kultermann: Zeitgenössische Architektur in Osteuropa (DuMont Dokumente), Köln, DuMont 1985, 254 Seiten, ISBN 978-3-7701-1554-9
  • (EN) Coverstory von Time Europe am 8. März 1976: It's a hard live for Ivan - Ultramodern office complex under construction in Tblisi
  • (EN) Arthur Drexler: Transformations in modern architecture, Taschenbuch, 168 seiten, Herausgeber New York Graphic Society (1979), ISBN 978-0-87070-608-0
  • (IT/EN): domus Ausgabe 577, Dez 1977, Seiten 36 und 37

Weblinks

 Commons: Department of Automobile Roads of Georgia – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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