Vierzehenschildkröte

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Vierzehenschildkröte
Vierzehenschildkröte (Testudo horsfieldii) in Baikonur, Kazakhstan.

Vierzehenschildkröte (Testudo horsfieldii) in Baikonur, Kazakhstan.

Systematik
Klasse: Reptilien (Reptilia)
Ordnung: Schildkröten (Testudinata)
Unterordnung: Halsberger-Schildkröten (Cryptodira)
Familie: Landschildkröten (Testudinidae)
Gattung: Testudo
Art: Vierzehenschildkröte
Wissenschaftlicher Name
Testudo horsfieldii
Gray, 1844

Die Vierzehenschildkröte (Testudo horsfieldii), auch Steppenschildkröte oder Russische Landschildkröte genannt, ist eine Art der Familie der Landschildkröten, die häufig in die Gattung Testudo gestellt wird. Einige Wissenschaftler ordnen sie der monogenerischen Gattung Agrionemys zu.[1] Die Schildkrötenart wurde erstmals 1844 von John Edward Gray wissenschaftlich beschrieben.

Inhaltsverzeichnis

Erscheinungsbild

Charakteristisch für die Vierzehenschildkröte ist der ovale bis kreisrunde Rückenpanzer, der insgesamt deutlich flacher ist als bei allen anderen Testudo-Arten. Die Färbung reicht von gelblich über oliv bis braun mit verschieden großen dunklen Flecken. Sehr alte Tiere können fast schwarz (Afghanistan), aber auch fast zeichnungslos gelbbraun sein. Die Weichteile sind gelb bis braun, der Schwanzschild ungeteilt und an den kräftigen Vorderbeinen befinden sich, im Gegensatz zu den anderen Testudo-Arten, grundsätzlich nur vier Zehen, die sehr kräftige Krallen tragen. Der Schwanz endet mit einem Hornnagel. Die Art erreicht eine Größe von 15 cm (Männchen) bis etwa 25 cm, sehr selten 28 cm Körperlänge (Weibchen) und wiegt dann etwa zwischen einem halben und zwei Kilogramm. Bei Männchen ist der Bauchpanzer zudem konkav geformt, außerdem haben diese einen längeren und dickeren Schwanz.

Verbreitung und Lebensraum

Die Tiere besiedeln in vier Unterarten die Region östlich des Kaspischen Meeres über Kasachstan, Usbekistan, Tadschikistan, Turkmenistan und südwärts bis Ost-Iran, Nord-Afghanistan, Pakistan und West-Belutschistan bis hinein in das westliche China. Dem Hauptverbreitungsgebiet nach handelt es sich um eine asiatische Art. Es gibt jedoch ein Vorkommen südlich von Kuibyschew, womit dies die am nördlichsten vorkommende Testudine wäre. Die Vierzehenschildkröte heißt auch Steppenschildkröte, denn sie bewohnt ausgesprochen aride, teilweise steinige Landstriche wie auch Lehmsteppen. Ein dritter Name – nämlich Russische Landschildkröte – ist immer noch geläufig, da die Hauptexportländer Kasachstan und Usbekistan über einen langen Zeitraum Teil des Russischen Reiches und dann der Sowjetunion waren. Von den Siebziger- und Achtzigerjahren bis heute wurden und werden die Tiere in großen Mengen eingesammelt und exportiert.

Zum Lebensraum der Steppenschildkröte zählen lehmige Wüsten, Steppenbereiche in der Umgebung von Oasen sowie grasige Flächen in der Nähe von Quellen und Fließgewässern.

Lebensweise

Halden 016.jpg

Die kräftigen Krallen an den starken Vorderbeinen und der flache Panzer ermöglichen der Vierzehenschildkröte das Graben bis zu zwei Meter langer Gänge, die wiederholt genutzt werden. Nachts, bei großer Hitze, während der Sommer- und der Winterruhe zieht sie sich in diese zurück, da sie Sicherheit vor Fressfeinden bieten und die Temperaturen in der Erde relativ konstant bleiben. Oft sieht man sie morgens bei ungewissem Wetter abwartend am Höhleneingang sitzen. Im Verbreitungsgebiet herrscht sommerheißes und trockenes sowie winterfeuchtes und eiskaltes Kontinentalklima vor. Dieses ist gekennzeichnet durch große tägliche und jahreszeitliche Temperaturschwankungen bis zu 40 °C, wobei Regenfälle den Hochsommer über oft völlig ausbleiben. Diese Umstände verlangen den Tieren in ihren kargen Lebensräumen eine enorm große Anpassungsfähigkeit ab.

Die Winterruhe dauert bis Mitte oder Ende März. So hart und kalt die Winter sind, so schnell und übergangslos bricht die warme Jahreszeit mit einer anfangs ausgiebigen Pflanzenfülle herein. Nur drei bis fünf Monate stehen diesen Schildkröten zur Verfügung, um zu fressen, zu wachsen und sich zu vermehren. Schon im Frühsommer machen die hohen Tagestemperaturen und die beginnende Trockenheit die Futtersuche tagsüber immer schwerer, so dass die Morgen- und Abendstunden dafür genutzt werden müssen. Im Hochsommer ist es in vielen Lebensräumen so heiß und trocken, dass sich die Tiere wegen Futtermangels und der Hitze zu einer ein- bis zweimonatigen Sommerruhe (Ästivation) zurückziehen und, wenn überhaupt, erst im September wieder erscheinen. Den kurzen Zeitraum bis zur Winterruhe nutzen sie nochmals zur ausgiebigen Futtersuche, bis sie sich Mitte bis Ende Oktober aufgrund der nächtlichen, oft sehr kräftigen Minustemperaturen wieder in die Winterruhe begeben. Besonders Testudo horsfieldii ist eine Schildkrötenart, die in freier Natur enorm große Reviere besiedelt. 10 Hektar für ein Männchen und bis zu 30 Hektar für ein Weibchen sind üblich. Die Schildkröten begegnen sich deshalb nur selten. Gerade diese Umstände machen die Steppenschildkröte aber zu einer stark spezialisierten Art, die mit der üblichen Haltungsweise einer europäischen Landschildkrötenart auf Dauer nicht zurecht kommt.

Fortpflanzung

Agrionemys horsfieldii, DNZ 2005

Wann immer ein Männchen ein Weibchen erblickt, nähert es sich werbend dem Weibchen. Mit weit ausgestrecktem Hals und auf- und abnickendem Kopf umrundet der potenzielle Paarungspartner seine Auserkorene. Schließlich beißt er sie in die Vorderbeine, um sie zum Stillhalten zu zwingen. Die Männchen besitzen in der Regel einen viel längeren Schwanz mit einem hornigen Schwanznagel, der bei zu häufigen Paarungsversuchen beim Weibchen schwere Verletzungen in der Kloakenregion verursachen kann. Während der Kopulation nimmt das Männchen eine fast senkrechte Position hinter dem Weibchen ein. Gleichzeitig öffnet das Männchen das Maul, die rote fleischige Zunge wird sichtbar, und es stößt piepsende Laute aus. Die Weibchen legen etwa zwei bis vier Wochen nach der Paarung erstaunlich große Eier ab, in der Regel 2–5 (bis zu maximal 9) Stück. In der Form sind diese länglich-oval, etwa 35–40 Millimeter lang und etwa 15–20 g schwer. Die fast runden Jungtiere schlüpfen bei künstlicher Bebrütung der Eier bei 28–32 °C nach sechzig bis maximal 100 Tagen. Eine einzige erfolgreiche Paarung genügt, um die Eier für mehrere Gelege zu befruchten. Deshalb und wegen der enormen, fast schon lästigen Paarungslust der Männchen ist es sinnvoll, in menschlicher Obhut Männchen und Weibchen außerhalb der eigentlichen Paarungszeit voneinander getrennt zu halten, um eine stressfreie Haltung sicherzustellen.

Nahrung

Die extrem kargen natürlichen Lebensverhältnisse sind in den Tieren so stark verankert, dass sie auch in menschlicher Obhut alles an Futter nützen, was sie erlangen können. Deshalb neigen sie besonders stark zur Fettleibigkeit. Das kann so weit gehen, dass die Weichteile aus dem Panzer hervorquellen und sie letztendlich an Leberverfettung sterben. Sie fressen auch noch bei relativ niedrigen Temperaturen. Vor allem im Frühjahr ist ihr Appetit enorm groß. Die Hauptnahrung muss deshalb eine kontrollierte Menge einer ausgewogenen Mischung aus stark rohfaserreichen Wildkräutern und daraus hergestelltem Heu sein. Das Futterangebot sollte, dem natürlichen Lebensraum entsprechend, dem Sommer zu immer geringer und rohfaserreicher werden. Gern gefressen wird Löwenzahn, Wilde Malve, Wegerich, Klatschmohn, aber auch Brombeerblätter, Glockenblume, Lichtnelke, Wicke, Erdbeerblätter uvm. Auch faseriger Lauch und Blätter von Linde oder Weide werden gerne angenommen. Auf Salat sollte man nur in Ausnahmefällen zurückgreifen (zu ballaststoff-, vitamin- und mineralstoffarm, zu eiweißreich) – nur wenige Sorten sind annähernd geeignet (Romana, Rucola, Italienischer Riesenlöwenzahn). Bei der Auswahl der Futterpflanzen kommt es ganz besonders auf einen hohen Rohfaseranteil über 20 Prozent und einen recht niedrigen Protein-Anteil unter 10 Prozent an. Obst und Gemüse gehören nicht auf den Speiseplan. Zusätzlich sind die Tiere auf eine ausreichende Kalzium-Versorgung angewiesen. In freier Natur geschieht dies über mineralhaltigen Boden, Knochen oder Schneckenhäuser. In menschlicher Obhut sollten Sepiaschulp oder abgekochte Eierschalen separat zum Benagen angeboten werden, was gleichzeitig auch den Hornschnabel in der richtigen Form hält.

Schutzstatus und Gefährdung

Seit 1975 untersteht diese Art dem Washingtoner Artenschutzabkommen, wo sie in Anhang II gelistet wurde. Die Artenschutzverordnung der Europäischen Union listet die Art in Anhang B. Daraus folgt, dass sie nur als Nachzucht und nur mit einem Herkunftsnachweis den Besitzer wechseln darf, in dem ausgewiesen ist, wo und wann die Schildkröte nachgezüchtet wurde. Weiterhin sind die Tiere innerhalb der EU bei der örtlich zuständigen Artenschutzbehörde meldepflichtig (= kostenlos).

Von der IUCN wird die Vierzehenschildkröte als "vom Aussterben bedroht" eingestuft.

Anmerkungen

  • Die Vierzehenschildkröte wird von manchen Wissenschaftlern der monotypischen Gattung Agrionemys zugerechnet. Überwiegend wird sie aber als Testudo horsfieldii bezeichnet [2]
  • Für diese Art wird bei der European Studbook Foundation ein Zuchtbuch geführt.

Bilder

Nachweise

Einzelnachweise

  1. Siehe beispielsweise Rogner, S. 77
  2. Testudo horsfieldii in The Reptile Database, abgerufen am 22. Januar 2011.

Literatur

  • Indraneil Das: Die Schildkröten des Indischen Subkontinents, Edition Chimaira, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-930612-35-6
  • Manfred Rogner: Schildkröten – Biologie, Haltung, Vermehrung, Eugen Ulmer KG, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-8001-5440-1

Weblinks

 Commons: Vierzehenschildkröte – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

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