Villa Wach

Villa Wach
Villa Wach, Südseite mit Terrassensubstruktion

Die Villa Wach, vorher auch Villa Göschen und Haus Metzsch, war ein Herrenhaus im Stadtteil Oberlößnitz der sächsischen Stadt Radebeul, im Augustusweg 62. Namensgebender Besitzer war der sächsische Amtshauptmann und Geheimrat Felix Wach. Heute ist in dem Herrenhaus ein Kinder- und Jugendhilfezentrum untergebracht, und auf dem weitläufigen, ehemaligen Weinbergsanwesen steht die Mittelschule Oberlößnitz.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Villa Wach, Ostseite mit Eingang

Vor 1668 war das Weinbergsanwesen im Besitz des Dresdner Hofapothekers Wechinger als erstem namentlich bekannten Eigentümer; nach späteren Besitzern hieß der Weinberg auch Abelhardtscher Berg beziehungsweise Saulscher Oberberg.

1672 stand an gleicher Stelle der Villa Wach bereits ein repräsentatives Berg- und Lusthaus, das im frühen 19. Jahrhundert mehrfach als „Palast“ erwähnt wurde.

Der Bankier Freiherr Christian Friedrich von Gregory, Besitzer des benachbarten Haus Sorgenfrei, schuf mit dem Erwerb dieses und weiterer Weinberge 1790/1791 den mit etwa 10 Hektar lange Zeit größten zusammenhängenden Weinbergsbesitz der Oberlößnitz. Nach Gregory war dieses Anwesen jahrzehntelang im Besitz der Grafen v. Loß.

Nach diesen folgte die Bankiers- und Kaufmannsfamilie Göschen, der dort 1847 der spätere britische Diplomat Edward Goschen geboren wurde. Die Familie Göschen baute das Herrenhaus Mitte des 19. Jahrhunderts grundlegend zur Villa Göschen um. Zwei Schwestern von Eduard (Edward) und dessen Bruder, George Joachim Goschen, heirateten Mitglieder der nicht weit entfernt im Bennoschlösschen wohnenden Familie Metzsch, so 1869 Marion (1845–1877) den späteren sächsischen Ministerpräsidenten Georg von Metzsch,[1] ihre Schwester den späteren Kammerherrn und Landtagsabgeordneten Gustav von Metzsch (1835–1900). Dieser zog in die Villa Göschen ein, was ihr den Namen Haus Metzsch verschaffte, während sein Bruder in Dresden wohnte.[2]

Ein weiterer grundlegender Umbau erfolgte 1913/1914 zur Villa Wach, nachdem 1912 Katharina (Käthe) Wach das Anwesen erworben hatte. Katharina Wach (1876–1956) war eine Tochter Ernst von Mendelssohn-Bartholdys, des Seniorchefs einer der bedeutendsten deutschen Privatbanken[3], Mendelssohn & Co., Berlin. Ihr Ehemann, der sächsische Staatsbeamte und Geheimrat Dr. jur. Felix Wach (1871–1943), ein Sohn Adolf Wachs und mütterlicherseits ein Enkel von Felix Mendelssohn Bartholdy, arbeitete unter anderem als Amtshauptmann in Oschatz und Pirna. Gemeinsam hatten sie drei Kinder, darunter den Religionswissenschaftler und Soziologen Joachim Wach, dem es 1935 gelang, in die USA zu emigrieren. Der Umbau des Herrenhauses, zu dem zu jener Zeit die heutigen Grundstücke 62–76 gehörten,[4] erfolgte durch den Architekten Hugo Wach[5] (1872–1939), einen Bruder von Felix.[6] Dabei wurde zur Ausgestaltung der Prunkhalle der Künstler Wilhelm Köppen hinzugezogen.[5]

Felix Wach wurde nach dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums am 13. August 1933 als „Nichtarier“ mit 62 Jahren in den Ruhestand versetzt. Um der drohenden Enteignung ihres eigenen Anwesens zu entgehen, übertrug Katharina Wach im Sommer 1938 den Besitz auf ihren Ehemann. Mit Schreiben vom 30. Dezember 1938 wurde dieser Vorgang durch den Kreishauptmann zu Dresden-Bautzen untersagt, da Felix Wach „Mischling ersten Grades und mit einer Jüdin verheiratet“ sei und damit als Jude gelte. Nach der Aufhebung der Entscheidung, weil Wach „nur Mischling 2. Grades, also Vierteljude“ war, folgte eine ausführliche Stellungnahme des seinerzeitigen Radebeuler Oberbürgermeisters Heinrich Severit vom 15. April 1939 mit der Erläuterung, dass Wach zwar nur einen „volljüdischen“ Großelternteil habe, jedoch noch anderes „artfremdes“ (französisches) Blut in sich trage. Doch nicht nur dadurch zeige sich, dass er kein Deutscher sei, sondern auch durch sein Verhalten: Wach hatte Ende 1936 im Namen der Familie gegen den Abriss der Mendelssohn-Statue in Leipzig protestiert. Da der Übertragung erhebliches öffentliches Interesse entgegenstehe, wurde sie am 16. Juni 1939 für unwirksam erklärt. Anschließend wurde das Anwesen „arisiert“, und die Familie Wach musste nach Dresden in die Karcher-Allee ziehen. Felix Wach verstarb am 21. August 1943 in Dresden. Seine Frau Katharina Wach wurde mit der Tochter Susanne am 11. Januar 1944 in das KZ Theresienstadt deportiert, konnte jedoch dank Intervention von höherer Stelle („Auch die Fürsprache […][von] Prof. Martin Hammitzsch […], der mit Hitlers Halbschwester Angela […] verheiratet war, soll zur Rettung vor dem sonst unvermeidlichen Schicksal beigetragen haben.“[4]) durch schwedische und Schweizer Verwandte ausgekauft werden und lebte bis zu ihrem Tod 1956[7] in der Schweiz. Auch ihre Tochter überlebte[8] und starb 95-jährig in Locarno.[4]

Die Villa Wach, an deren Ziergiebel ein Reichsadler angebracht wurde, ging 1940 als Landesführerschule[8] und (wahrscheinlich später als) Lazarett[9] an das Deutsche Rote Kreuz.

1946 wurde das Anwesen, das von 1945 bis 1957 durch die sowjetische Armee beschlagnahmt war, wiederum verstaatlicht und 1951 in das Eigentum der Stadt Radebeul überführt. Zu dieser Zeit nutzte die sowjetische Armee das ehemalige Kutscherhaus als Gefängnis.

Von 1958 bis 1972 betrieb die Stadt Radebeul das ehemalige Herrenhaus als zweites Schulhaus der Oberlößnitzer Schule, danach wurde dort ein Kinderheim errichtet, in das auch die Kinder aus dem Kinderheim im Augustusweg 105 verlegt wurden. Das Kinderheim wurde 1992 als Kinder- und Jugendhilfezentrum Oberlößnitz in die Trägerschaft der Kinderarche Sachsen übergeben.

In den Nebengebäuden des Grundstücks waren bereits ab 1958 Turnhalle und Hort untergebracht und auf dem weitläufigen Parkgrundstück waren Sportanlagen entstanden. 1972 wurden diese durch einen Neubau zur heutigen Mittelschule Oberlößnitz ergänzt.

Literatur

  • Frank Andert (Redaktion); Große Kreisstadt Radebeul. Stadtarchiv Radebeul (Hrsg.): Stadtlexikon Radebeul. Historisches Handbuch für die Lößnitz. 2. Auflage. Stadtarchiv, Radebeul 2006, ISBN 3-938460-05-9. 
  • Ingrid Lewek, Wolfgang Tarnowski: Juden in Radebeul 1933–1945. Erweiterte und überarbeitete Ausgabe. Große Kreisstadt Radebeul/ Stadtarchiv, Radebeul 2008, ISBN 978-3-938460-09-2

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Karlheinz Blaschke: Georg Graf von Metzsch-Reichenbach. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 17, Duncker & Humblot, Berlin 1994, S. 263.
  2. Schriftliche Auskunft des Stadtarchivs Radebeul an Benutzer:Jbergner am 2. September 2009.
  3. Christof Biggeleben: Das "Bollwerk des Bürgertums". Die Berliner Kaufmannschaft 1870–1920 (= Schriftenreihe zur Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, Bd. 17); München: C. H. Beck 2006, S. 153.
  4. a b c Kathrin Wallrabe (Hrsg.): Susanne Heigl-Wach, geb. Wach. Urenkelin des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy. In: Frauenzimmer - Frauen im Zimmer? Textsammlung. Stadt Radebeul, Radebeul 2005, S. 33.
  5. a b Monumentalmalerei im Spannungsfeld zwischen Historismus und Jugendstil. Das Werk von Wilhelm Köppen (1876–1917). S. 133–136
  6. Stammbaum der Familie Mendelssohn (Auszug)
  7. Katharina Marie VON MENDELSSOHN-BARHTOLDY
  8. a b Ingrid Lewek; Wolfgang Tarnowski: Juden in Radebeul 1933–1945. Erweiterte und überarbeitete Ausgabe. Große Kreisstadt Radebeul/ Stadtarchiv, Radebeul 2008, S. 28 f.
  9. Frank Andert (Redaktion): Stadtlexikon Radebeul. Historisches Handbuch für die Lößnitz. 2., leicht geänderte Auflage. Stadtverwaltung, Radebeul 2006. S. 202 f.
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