- Vizekönigreich Neukastilien
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Das Vizekönigreich Peru, das zunächst Vizekönigreich Neu-Kastilien hieß (auf spanisch: Virreinato del Perú bzw. Virreinato de Nueva Castillia), war eine spanische Kolonie in Südamerika. Es wurde im Jahre 1542 gegründet und umfasste zunächst den Großteil des von den Spaniern beherrschten Südamerika, bis es durch die Gründung 1717 des Vizekönigreichs Neugranada (heute Kolumbien, Ecuador, Panama und Venezuela, letzteres war zuvor Teil des Vizekönigreichs Neuspanien) und durch die Gründung 1776 des Vizekönigreichs des Río de la Plata (Argentinien, Bolivien, Paraguay und Uruguay) an Größe verlor. Das Vizekönigreich Peru ging mit der Unabhängigkeit Chiles im Jahre 1818 und Perus 1821 unter.
Während des 17. Jahrhunderts umfasste das Vizekönigreich sechs Audiencias oder Provinzielle Verwaltungseinheiten: Panamá, Santa Fé de Bogotá (Kolumbien), Quito (Ecuador), Lima (heutiges Peru), Charcas (Bolivien, Paraguay, Argentinien und Uruguay) sowie Chile.
Inhaltsverzeichnis
Präkolumbische Zeit
Das Gebiet des späteren Vizekönigreiches umfasst die Territorien verschiedener präkolumbischer Gesellschaften, die teilweise eine einfache Stammesorganisation, im Falle des Inka-Reiches aber auch eine ausgeprägte Staatlichkeit aufwiesen. Am Anfang des 11. Jahrhunderts soll unter den Aymara, den Umwohnern des Titicacasees, ein Mann namens Manco Cápac aufgetreten sein, der sich Sohn der Sonne nannte, die Stadt Cuzco erbaute und mit seiner ebenso mythischen Gattin Mama Ocllo das Inkareich gegründet haben soll. Die nachfolgenden Inka-Herrscher vergrößerten durch Unterwerfung angrenzender Volksstämme ihr Reich so sehr, dass es zur Zeit seines Falles das Gebiet von Quito bis an den Río Maule in Chile und vom Pazifik bis zu den Urwäldern des Marañón umfasste.
Entdeckung durch Francisco Pizarro und Unterwerfung der Inka
Nachdem die Spanier 1522 von einem mächtigen Reich gehört hatten, das sie nach der zuerst erreichten kleinen Landschaft Biru Perú nannten, begannen Francisco Pizarro, Diego de Almagro, ein Abenteurer, und Hernando de Luque, ein Priester, 1524 in Panama die Entdeckungsfahrten von der darischen Landenge aus. Mit zwei einfachen Schiffen und 114 bewaffneten Seeleuten segelten Pizarro und Almagro an der Westküste Südamerikas südwärts, gelangten aber 1524 nur bis Biru und auf einer zweiten Fahrt 1526 bis Tumbes und kehrten um, weil sie sich zu einem Eroberungszug zu schwach fühlten.
Pizarro begab sich daher nach Spanien, und nachdem er 26. Juli 1529 vom Kaiser Karl V. die Erlaubnis erwirkt hatte, Peru zu erobern und dort als Generalkapitän zu herrschen, wenn er auf eigene Kosten die nötigen Truppen ausrüste, landete er 1531 in der Bai San Matheo mit drei Schiffen, 280 Fußsoldaten und 27 Pferden. 1525 war der 12. Inka, Huayna Cápac, gestorben und hatte seinem älteren Sohn Huáscar, Peru, dem jüngeren, Atahualpa, das neueroberte Shyrireich (Quito) übergeben. Huáscar suchte es ihm zu entreißen, unterlag aber in einer Schlacht am Fuß des Chimborazo und wurde gefangen genommen.
Diese inneren Kriege sowie eine im Volke umgehende Weissagung vom Untergang der Herrschaft der Inkas durch weiße, bärtige Männer, Kinder der Sonne, begünstigten das tollkühne Vordringen der Spanier. Von der Bai San Miguel aus, wo Pizarro im Mai 1532 die erste spanische Kolonie in Peru gegründet hatte, trat er im September den Marsch ins Innere an, erreichte auf einem beschwerlichen Weg über die Kordilleren glücklich Cajamarca, wo sich das Heerlager Atahualpas befand, und ließ diesen, als er sich bei einer Unterredung 16. November weigerte, Christ zu werden, ins Gefängnis werfen, während zahllose Peruaner niedergemetzelt wurden. Nachdem Atahualpa Huáscar hatte ertränken lassen, wurde er selbst unter der falschen Beschuldigung, einen Aufstand erregt zu haben, zum Feuertod verurteilt und, als er sich die Taufe hatte gefallen lassen, zur Erdrosselung begnadigt (29. August 1533).
Um die Eroberung Perus zu erleichtern, erhob Pizarro einen Bruder Huáscars, Manco Cápac II., zum Scheinkönig unter spanischer Oberhoheit und besetzte Cuzco, die alte Hauptstadt des Landes, wo er noch ungeheure Beute machte. Die neue Hauptstadt wurde im Jahr 1534 zunächst Jauja, das im Jahr 1535 von Lima abgelöst wurde. Zwar unternahmen die Peruaner, welche bisher die Herrschaft der Spanier und die Ausbreitung des Christentums in stumpfer Resignation ertragen hatten, 1536 unter Führung Manco Cápacs einen verzweifelten Aufstandsversuch, konnten jedoch Cuzco den tapferen Brüdern Pizarros nicht entreißen, und selbst der zum offenen Kampf entbrennende Streit zwischen dem Eroberer von Chile, Almagro, und den Pizarros, der 1538 mit der Niederlage und Hinrichtung Almagros endete, besserte ihre Lage nicht. Die Peruaner führten von den Schluchten und Berghöhen der Anden aus noch lange einen erbitterten kleinen Krieg; an der Küste und in den fruchtbaren Ebenen bekämpften sich aber die Spanier fortdauernd und Pizarro organisierte mit großem Geschick die Kolonisation des Landes.
Tod Pizarros und Gründung des Vizekönigreichs Neu-Kastilien, des späteren Vizekönigreichs Peru
Aber am 26. Juni 1541 wurde er durch eine Verschwörung des Sohns und der Freunde Almagros ermordet. Die spanische Regierung setzte darauf Cristóbal Vaca de Castro als Vizekönig ein. Dessen Nachfolger Blasco Núñez de Vela (seit 1542) wurde 1544 von Gonzalo Pizarro gestürzt, doch konnte sich dieser gegen den neuen Vizekönig, Pedro de la Gasca, nicht behaupten und wurde 1548 hingerichtet. Ab 1667 regierte Pedro Antonio Fernández de Castro Andrade, (* 1632 in Monforte de Lemos; † 1672 in Lima), der Conde de Lemos als Vizekönig bis zu seinem Tod. Neu-Kastilien wurde später in Vizekönigreich Peru umbenannt, da eine spanische Provinz gleichen Namens entstanden war und es so oft zu Verwechslungen kam. Diesen Namen trug das Gebiet bis zur Unabhängigkeit im 19. Jahrhundert.
Teilung des Vizekönigreichs
Ein Vizekönig, der in Lima seinen Sitz hatte, verwaltete seitdem mit Zuziehung der Audiencia (des höchsten Gerichtshofs in Lima) das Vizekönigreich Peru, zu dem noch Chile, Paraguay, Buenos Aires und Terra Firma geschlagen wurden; erst 1739 wurde die Terra Firma nebst Quito als eine besondere Statthalterschaft unter dem Namen Neugranada und 1776 Buenos Aires als ein eigenes Vizekönigreich des Río de la Plata von Peru getrennt. Während am Hof des Vizekönigs in Lima Reichtum und glänzender Luxus herrschten, wurden die Indianer zu der schwersten Arbeit in den Bergwerken gezwungen, der sie massenweise erlagen. Der hoch entwickelte Ackerbau der Inkazeit, die blühenden Gewerbe gingen zu Grunde, die Straßen und Wasserleitung verfielen, der Verkehr mit dem Ausland war gänzlich untersagt, der im Innern in die engsten Fesseln eingeschnürt. Mehrere Male fanden noch Indianeraufstände statt, dann sank die eingeborene Bevölkerung in ihr Phlegma zurück, und in Perú herrschte Ruhe, selbst dann noch, als schon alle anderen spanisch-amerikanischen Länder die Herrschaft des Mutterlandes abgeworfen hatten.
Unabhängigkeitskampf
San Martín
Siehe Hauptartikel: Expedition von San Martín
Von Peru aus wurden 1809 Neugranada und 1813 Chile zurückerobert, und Argentinien fühlte sich nicht sicher, solange noch die spanische Herrschaft in Perú bestand. Nachdem daher der argentinische General José de San Martín der Revolution in Chile zum Sieg verholfen hatte, landeten die verbündeten Argentinier und Chilenen am 8. September 1820 in Pisco, südlich von Callao. Arenales, ein chilenischer Offizier, drang im Oktober in das Innere vor, brachte am 6. Dezember unfern von Pasco dem spanischen Brigadier O'Reilly eine empfindliche Niederlage bei und blieb von nun an Gebieter der Gebirgsprovinzen im Osten von Lima.
Von allen Seiten strömte ihm die Bevölkerung zu, der Aufstand verbreitete sich auch über die Nordprovinzen, und Abfall und Verräterei in den eignen Reihen machten die Lage des Vizekönigs immer gefährlicher. Die spanischen Befehlshaber, untereinander uneinig, bildeten endlich eine Kriegsjunta, von welcher der Vizekönig Pezuela entsetzt und an seiner Stelle der General Laserna gewählt wurde. Am 6. Juli musste Laserna Lima räumen und sich in das Innere bis Iauja zurückziehen, worauf am 28. Juli 1821 die Unabhängigkeit Perus proklamiert und am 3. August der chilenische Oberbefehlshaber San Martín zum Protektor der neuen Republik erwählt wurde.
San Martin bekundete jedoch bald Gelüste nach unbeschränkter Macht. Dazu entstanden zwischen ihm und dem chilenischen Admiral Lord Cochrane Streitigkeiten. Am 4. Mai 1822 brach in Lima ein heftiger Aufstand aus. San Martin legte endlich den Oberbefehl nieder und schiffte sich im August nach Chile ein. Während ein Militäraufstand den Kongress zwang, den Obersten Riva Aguero zum Präsidenten der Republik zu ernennen, gewannen die Spanier wieder mehr Boden, schlugen die Republikaner 1823 in mehreren Gefechten und nahmen am 19. Juni Lima ohne Waffengewalt ein.
Bolívar
Die Spanier sahen sich zwar schon am 16. Juli genötigt, Lima wieder aufzugeben; doch erlitten die Patrioten in mehreren Gefechten fast nur Verluste, und ganz Oberperu fiel wieder in die Hände der Spanier. Die Parteikämpfe in Spanien seit 1820 fanden indes auch in Perú ihren Widerhall, indem auch unter den dortigen spanischen Offizieren zwei Parteien bildeten. Die eine verwarf jeden Vergleich mit den Patrioten, die andere riet im Geiste der spanischen Cortes zu Unterhandlungen und war bereit, den Amerikanern das Recht selbständiger innerer Verwaltung zu gewähren. Infolge davon brach zwischen dem Vizekönig Laserna und General Olaneta ein offener Kampf aus. Die Kunde hiervon bewog Simón Bolívar, der am 10. Februar 1824 vom peruanischen Kongress zum Diktator ernannt worden war, an der Spitze von wohldisziplinierten 11.000 Mann zu einem Einfall in Perú.
Er schlug die Spanier am 6. August bei Junin auf der Hochebene der Anden und am 9. Dezember in der Ebene von Ayacucho. Der Vizekönig fiel verwundet in Gefangenschaft, und Canterac kapitulierte am 10. Dezember 1824 mit dem Reste des Heers. Nur Callao blieb bis 22. Januar 1826 im Besitz der Spanier. Am 6. August 1825 erfolgte die Unabhängigkeitserklärung Oberperus, dessen Provinzen Charcas, La Paz, Cochabamba, Potosí und Santa Cruz sich unter dem Namen Bolivia zu einer besonderen Republik vereinigten. Bolívar strebte danach, Peru wie Bolivien mit Kolumbien zu einem Staat zu vereinigen, und oktroyierte Perú wie schon früher Bolivien am 9. Dezember 1826 eine antidemokratische Konstitution. Doch empörte sich Peru dagegen, wählte Andrés de Santa Cruz an Stelle Bolívars zum Präsidenten und begann 1829 mit einem Einfall in Ecuador den Krieg gegen den Befreier, welcher nach dessen Tod mit der Sicherung der Selbständigkeit Perus endete.
Siehe auch
Spanische Eroberung Perus, Liste der Vizekönige von Peru, Peru, Geschichte Perus, Geschichte Ecuadors
Dieser Artikel basiert auf einem gemeinfreien Text („public domain“) aus Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage von 1888–1890. Bitte entferne diesen Hinweis nur, wenn Du den Artikel so weit überarbeitet oder neu geschrieben hast, dass der Text den aktuellen Wissensstand zu diesem Thema widerspiegelt und dies mit Quellen belegt ist, wenn der Artikel heutigen sprachlichen Anforderungen genügt und wenn er keine Wertungen enthält, die den Wikipedia-Grundsatz des neutralen Standpunkts verletzen.
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