Volkspark Rehberge

Volkspark Rehberge
Volkspark Rehberge
Der Möwensee im Volkspark Rehberge

Der Volkspark Rehberge liegt im Berliner Bezirk Mitte (Ortsteil Wedding) und wurde in den Jahren 1926–1929 erbaut. Das Gartendenkmal hat eine Größe von ca. 70 ha (mit Goethepark ca. 115 ha) und bietet den Besuchern neben Spazier- und Radwegen sowie Liegewiesen auch Tiergehege, Spielplätze, eine Rodelbahn mit 20 Metern Höhenunterschied, Sportplätze, Gastronomie und eine Freilichtbühne. Insgesamt drei Gewässer waren bereits vorhanden: der größere Möwensee (1,7 ha, mittl. Tiefe 1,5 m), der kleinere Sperlingssee und der mit ihm verbundene, angrenzende Entenpfuhl. Das Stadion Rehberge ist Heimstätte des „BSC Rehberge 1945“, einem Berliner Fußballverein. In der Nähe befindet sich der U-Bahnhof Rehberge.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die ehemalige Dünenlandschaft ist Teil des Berliner Urstromtals. Geologisch wurden über Mittelsande (Talsande) im Spätglazial feinere Flugsande abgelagert, die teilweise hohe Dünen bildeten. Das Gebiet hatte bis in das frühe 19. Jahrhundert – mit Ausnahme der Gewässerufer – einen hohen Kiefern- und Eichenbestand.

Auf dem Gelände des heutigen Volksparkes wurde teilweise der sandige Aushub des in den Jahren 1848–1859 erbauten Berlin-Spandauer Schifffahrtskanals abgeladen. Das sandige Gebiet diente später dem preußischen Militär als Schießplatz und Übungsgelände.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts plante Carl Hagenbeck aus Hamburg, auf diesem Gebiet einen sogenannten Zukunftstierpark anzulegen, in dem Tiere in einer Landschaft leben sollten, die ihrer eigentlichen Heimat sehr nahe kommt. Obwohl das Projekt schon in einer Ausgabe des Baedeker Reiseführers erwähnt wird, kam es nie zur Realisierung, da 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach.

Der erste Winter nach Kriegsende in den Jahren 1918–1919 war besonders kalt, und so holzte die Berliner Bevölkerung den Baumbestand in diesem Gebiet ab. Der fehlende Bewuchs führte zu Erosion, es türmten sich Dünen auf, und der Flugsand war der Gesundheit der in der Nachbarschaft lebenden Menschen wenig zuträglich. Nach den Plänen der Gartenbaudirektoren Rudolf Germer (1884–1938) und Erwin Barth (1880–1933) wurde der Volkspark in den Jahren 1926–1929 neu gestaltet. Dabei wurde auch die erste Dauerkleingartenanlage Berlins angelegt, die bis heute existiert. Bis zu 1.200 Arbeitslose waren bei den Arbeiten tätig, welche Teil des Notprogrammes gegen die Arbeitslosigkeit waren. Der Park folgt – wie schon der Volkspark Humboldthain – der Idee eines Landschaftsparks; auf geometrische Formen wurde verzichtet.

Am Ende des Zweiten Weltkrieges wurde von den Einwohnern wieder Holz zum Heizen entnommen, erst später konnte eine Aufforstung vorgenommen werden. Zweimal wurde das Gelände des Volksparks Rehberge erweitert: durch Einbeziehung der Kleingartenkolonie Plötzensee (1946) und Zukauf eines Areal am Dohnagestell (1952/53).[1]

Nach mehreren Jahren mit großen Schäden durch Vandalismus und der dadurch vergeblichen Suche nach einem neuen Betreiber wurde 1998 die Freilichtbühne vom Bezirksamt als Veranstaltungsort geschlossen. 2008 wurde sie für den symbolischen Preis von 1 Euro an einen privaten Betreiber verkauft, der den Spielbetrieb mit Freilichtkino- und Theatervorführungen nach der nötigen Sanierung im Sommer 2009 wieder aufnahm.[2]

Rathenau-Denkmal

Rathenau-Denkmal, 1987
Arbeitsmodell von Harald Haacke, 1986
Rathenau-Denkmal in Betrieb, 1987

Im Oktober 1930 wurde am Ende der großen Sicheldüne auf Anregung des damaligen Berliner Oberbürgermeister Gustav Böß der Rathenau-Brunnen aufgestellt. Eine ungewöhnlich lange Planungsphase war vorausgegangen: Georg Kolbes Idee, das Rathenau-Denkmal nicht figürlich, sondern als reine, abstrakte Form zu gestalten, war anfangs auf Widerstand gestoßen.

Der Bildhauer berichtete: Ganz verdutzt war die Berliner Kunstdeputation (einige 30 Männer und Frauen), als sie zur Entscheidung über meinen Entwurf zum Rathenau-Brunnen zusammentrat. Keine einzige Figur gab es da zu sehen! Somit erfolgte einstimmige Ablehnung: Dank einiger einsichtsvoller Männer setzte sich die Brunnenidee nach einundeinhalbjährigem Hängen und Würgen durch. Sogar eine einfache Treppenanlage durfte ich ausführen.

Vor allem dank der Unterstützung des Oberbürgermeisters Gustav Böss kam im November 1929 der Vertrag zur Errichtung des Rathenau-Brunnens zustande. Den Auftrag vergab die Stadt Berlin; die Finanzierung soll von der AEG übernommen worden sein. Die einfachen Formen der Treppenanlage und des großen Brunnens waren abgestimmt auf die einzigartige Lage am Ende eines lang gezogenen Höhenrückens - dieser bildet gleichsam den Sockel für das plastische Bildwerk. Nur eine groß gesehene Form konnte hier bestehen. So ist es verständlich, dass Kolbe - der Figuren-Bildner par excellence - leidenschaftlich für sein abstraktes Rathenau-Projekt kämpfte.

1931 beschreibt der bekannte Kunsthistoriker Paul Ortwin Rave die Anlage: Die letzte Strecke geht, zwischen Reihen frisch gepflanzter Rüstern, schnurstracks auf den Brunnen zu, hinter dem dann das Rasengelände, winters als Rodelbahn genutzt, sacht abfällt. Man erfreut sich, diese Via triumphalis Weddingensis wandelnd, mannigfacher Ausblicke. Diese etwa 100 m lange Allee läuft am Ende auf einen gering erhöhten runden Platz aus. Acht Stufen führen hinauf, aus Granit, wie auch die seitlichen Treppenwangen, die an der Vorderseite die flachen Bronzetafeln mit den Bildnissen von Emil und Walther Rathenau tragen. Das kraftvoll stämmige Gebilde aus dunklem Erz soll der zarte Schleier ringsum niederrieselnden Wassers hüllen, damit der Eindruck einer sich dauernd kreisenden aufwärts windenden Bewegung, die künstlerische Verherrlichung eines kräfteumsetzenden Triebwerks, voll erstehe. Und das Wasser kreist in der riesigen Schale am Boden von außen nach innen geleitet durch die geschickte Führung der Ablaufbahnen, um in der Mitte strudelnd zu verschwinden.

In einer zeitgenössischen Kritik hieß es: Ein Brunnen ohne Symbolgestalten, ohne Denkmalswucht und Pathetik. In Deutschland, das die Wilhelminische Denkmäler-Inflation noch kaum überwunden hatte, war dieses Werk von besonderer Modernität. In seiner Größe, Einfachheit und Dynamik, war es ein adäquateres, ausdrucksstärkeres Zeichen, als figürliche Allegorien es sein konnten. Gerade wegen der abstrakt-strengen Form des Brunnens kann er heute noch zeitgemäß wirken - anders als viele Denkmäler der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Der Rathenau-Brunnen stand nur knapp vier Jahre und wurde im Volksmund, in Anspielung auf steigende Steuern, auch die Steuerschraube genannt. 1934 wurde die Bronze-Spirale entfernt; man gab vor, den Hügel als Aufmarsch-Gelände umgestalten zu wollen (was unterblieb). Der Grund für die Demontage war der, dass die Nationalsozialisten kein Denkmal für jüdische Bürger stehen lassen wollten. Deshalb wurden auch die Bronzereliefs Emil und Walther Rathenaus entfernt; dies wohl von unsachgemäßer Hand, was Ausbrüche am linken Granitpfeiler deutlich zeigten. Das Brunnenbecken wurde vorerst auf dem Gelände der Garten-Verwaltung Wedding gelagert. Versprechungen, es an anderer Stelle wieder aufzurichten, wurden nicht eingehalten. 1941 schmolz man es ein und verwendete (?) die Bronze zum Nachguss des beschädigten Schiller-Denkmals von Begas (Bronze: Schillerpark, Wedding; Marmorfigur des Dichters: Lietzensee-Park (Rückgabe erfolgte seinerzeit nach Ost-Berlin).

Ein zeitgenössischer Kommentator berichtete: Das Material hierfür (Schiller-Denkmal) besaß die Reichshauptstadt von einem Bildwerk, das ein expressionistischer Bildhauer in der Systemzeit auf der Terrasse des Volksparks Rehberge in Form einer Spirale, im Volksmund Steuerschraube genannt, hergestellt hatte.

Die Treppenanlage mit den seitlichen Granitpfeilern und die große Granitunterlage des Brunnens blieb erhalten. So ist es nicht verwunderlich, dass der Gedanke einer Wiederherstellung des Rathenau-Brunnens mehrmals ins Gespräch kam. Vor allem der Weddinger Bürgermeister Mattis hatte sich dafür eingesetzt.

Der Bildhauer Richard Scheibe und Margit Schwarzkopf, die erste Leiterin des Kolbe-Museums, wurden zu Rate gezogen. 1962 unterbreitete die Bildgießerei Noack einen ersten Kostenvoranschlag (DM 250.000,--). Die AEG stiftete 1964 58.000 DM für die Rekonstruktion des Brunnens. Doch dem damaligen Bürgermeister Mattis gelang es nicht, die benötigten Gesamtmittel zu beschaffen. Die AEG-Spende wurde später für den ‚Walther-Rathenau-Saal’ im Rathaus Wedding verwendet.

Die Rekonstruktion des Bildwerkes und der beiden Portrait-Reliefs besorgte der Bildhauer Harald Haacke - Meisterschüler von Richard Scheibe - in Zusammenarbeit mit der auch schon beim Erstguss beauftragten Bildgießerei Noack unter der Projektleitung von Dipl.-Ing. Michael Hennemann. Harald Haacke hatte 1951 den Georg-Kolbe-Preis erhalten und führte seitdem u. a. Aufträge (Rekonstruktionen und Neuentwürfe) für die Verwaltung der Schlösser und Gärten, für den Berliner Landeskonservator und vergleichbare Institutionen aus (später z.B. die vergrößerte Skulptur von Käthe Kollwitz ‚Mutter mit totem Sohn’ in der Neuen Wache’ in Berlin-Mitte.)

Der Bronzeguss des Rathenau-Brunnens erfolgte – letztendlich ein zweites Mal - in der Bildgießerei Noack. Die Mittel für die Realisierung wurden aus dem Sonderfond für Maßnahmen zur Erhaltung und Verbesserung des Stadtbildes Berlins bereitgestellt.

Rekonstruktionsdaten
Bauherr: Bezirksamt Wedding von Berlin
Rekonstruktion des Brunnens und der Portrait-Reliefs: Harald Haacke, Bildhauer
Rekonstruktion der Außenanlagen und Gesamtprojektleitung: Dipl.-Ing. Michael Hennemann, Garten- und Landschaftsarchitekt BDLA
Baukosten: 1,7 Mio DM
Bauzeit 1985 – 1987
Einweihung zur 750-Jahr-Feier Berlin am 9. Juli 1987 um 11.00 Uhr.

Literatur

  • Dietmar Land und Jürgen Wenzel (Hrsg.): Heimat, Natur und Weltstadt. Leben und Werk des Gartenarchitekten Erwin Barth. Verlag Koehler & Amelang. Leipzig, 2005 ISBN 3-7338-0338-8
  • Clemens Alexander Wimmer: Parks und Gärten in Berlin und Potsdam; ed. Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz, Abt. III – Gartendenkmalpflege; Nicolaische Verlagsbuchhandlung: 3. Aufl. Berlin 1989; ISBN 3-87584-267-7; S. 52-54.
  • Rainer Stürmer: Vom Friedrichshain zum Volkspark Rehberge – Kommunales Grün in Berlin; in: Marie-Louise Plessen (Hg.in): Berlin durch die Blume oder Kraut und Rüben. Gartenkunst in Berlin-Brandenburg; Nicolaische Verlagsbuchhandlung: Berlin 1985; ISBN 3-87584-147-6; hier: S. 168f., 182f.

Einzelnachweise

  1. Angela M. Arnold, Gabriele von Griesheim: „Trümmer, Bahnen und Bezirke – Berlin 1945 bis 1955“; Seiten 245 ff, Eigenverlag, Berlin, ISBN 3-00-009839-9
  2. Berliner Woche, Lokalausgabe für Wedding vom 16. Juli 2008

Weblinks


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