Wachsleiche

Wachsleiche

Als Wachsleiche, manchmal auch Fettleiche, wird auf Grund ihres Aussehens eine Leiche bezeichnet, die durch Umgebungsbedingungen nicht oder nicht vollständig verwest, wie es innerhalb der Ruhezeit erwartet wird.

Inhaltsverzeichnis

Unterscheidung

Bei einer Mumie unterbricht Wasserentzug den Verwesungsprozess, mithin ist die Trockenheit der Umgebung Ursache einer Mumifizierung.

Bei einer Wachsleiche hingegen führt der Ausschluss von Sauerstoff zum Abbrechen der Verwesung. Dadurch werden die Körperfette zu einer wachsähnlichen Schutzschicht, den Adipociren, umgebildet. Adipocire, zu deutsch Fettwachse, entstehen, wenn die Zersetzung im Fäulnisstadium abbricht.

Normalvorgang

Bei der Erdbestattung wird der verschlossene Sarg aus Holz in einer Tiefe von ca. 1,6 Metern im Grab gelagert. Üblicherweise lässt die Luft- und Wasserdurchlässigkeit des Bodens das Holz verfaulen und die Körpersubstanz verwesen. Nach zwölf Jahren kann der Körper zersetzt sein. Eine Zersetzung der Knochen ist komplexer. Je nach Lage der Grabstelle ist eine Ruhefrist von 20 bis 30 Jahren festgelegt. In dieser Zeit der Totenruhe wird angenommen, dass sich alle Spuren des Bestatteten zersetzt haben. Die Ruhefrist kann in landesrechtlichen Bestattungsgesetzen oder regional in der Friedhofssatzung festgesetzt sein.

Störungsfaktoren

Fehlt der Zutritt von Sauerstoff, läuft der Verwesungsprozess nicht im üblichen Maße ab. In lehmigen und tonigen Böden ist die Luftdurchlässigkeit des Bodens ungenügend. Bei hohem Grundwasserstand kann die Durchlüftung in bestimmten Bereichen des Friedhofs behindert sein. Unterbleibt der Zugang von Luftsauerstoff, bilden sich die Hautfette zu sogenannten Leichenlipiden um, die sich im Gewebe einlagern. Diese weiße, krümelige Substanz lagert sich auch auf der Haut ab und behindert die Verwesung weiterhin. Der Körper ist mit einer Schutzschicht umgeben, die eine völlige Zersetzung durch Mikroorganismen verhindert.

In geringerem Maße kann die Verwesung auch durch andere Umstände behindert sein. Etwa Antibiotika oder zellschädigende Stoffe (wie bei Chemotherapie gegen Krebserkrankungen) können sich zu Lebzeiten im Verstorbenen angesammelt haben. Seltener kann der Boden so stark durch Schwermetalle, insbesondere Blei, fixiert sein, dass zu wenig Bodenorganismen für einen ausreichenden Zersetzungsprozess vorhanden sind. Auch Kunstfaserkleidung und nicht umweltgerechte Särge könnten die bakterielle Zersetzung behindern.

Zunehmendes Auftreten von Wachsleichen wird insbesondere im Süden Deutschlands beobachtet. Eine relative Ursache ist der geringere Anteil an Feuerbestattungen in katholischen Landstrichen.

Problem und Lösungsansätze

Es sind Leichen exhumiert worden, die selbst nach 45 Jahren kaum Verfallserscheinungen zeigten. Die Gesichtszüge des Toten können so über Jahrzehnte erhalten bleiben. Für die Friedhöfe besteht die Problematik, wie mit den gefundenen Körpern pietätvoll umzugehen ist. Die begrenzte Kapazität an Grabstellen in Mitteleuropa zwingt die Verwaltungen zur Neubelegung nach Ablauf der Ruhefristen. In den gesetzlichen Vorschriften wird davon ausgegangen, dass die „sterbliche Hülle des Bestatteten“ danach nicht mehr vorliegt.

Bei der Feststellung einer Wachsleiche muss die Schutzschicht aus Fettwachs zerstört werden, damit die Verwesung in gewünschter Form wieder abläuft.[1]

Vorbeugend kann in den betroffenen Bereichen der Friedhöfe eine Drainage mit Rohren überschüssiges Wasser ableiten. Oft besteht der hohe Grundwasserstand nur vorübergehend bei besonderen Wetterlagen, gleichzeitig wird dabei die Bildung der Leichenlipide eingeleitet.

Mit Bestattungen in betonierten Grabkammern soll der Abschluss von Sauerstoff durch Wasserbedeckung verhindert werden, sodass die Verwesung ablaufen kann. Eine definierte Luftfeuchtigkeit muss allerdings vorliegen. Solche Grabkammersysteme können wiederverwendbar sein, sind aber teurer als eine einfache Erdbestattung.

Literatur

  • o. N.: Steigende Zahl von Wachsleichen auf deutschen Friedhöfen. In: Bestattung, Oktober 2008. VDZB, Essen 2008. ISSN 1613-4850
  • D. Schoenen, M. C. Albrecht: Die Verwesung aus hygienischer und bodenkundlicher Sicht. Eigenverlag Verein WaBoLu. Berlin 2003 (=Schriftenreihe des Vereins für Wasser-, Boden- und Lufthygiene e. V., Band 113)
  • Geologisches Landesamt Rheinland-Pfalz (Hrsg.): Konfliktfeld Friedhof. Verwesungsproblematik, Umweltrisiko, Sanierung. Mainz 2002

Weblinks

Einzelnachweise

  1. In: Bestattung. Oktober 2008, S. 20. ISSN1613-4850

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