Waldhausen (Lorch)

Waldhausen (Lorch)
Waldhausen
Stadt Lorch
Wappen von Waldhausen
Koordinaten: 48° 47′ N, 9° 38′ O48.784479.63849275Koordinaten: 48° 47′ 4″ N, 9° 38′ 19″ O
Höhe: 275 m ü. NN
Einwohner: 1.012 (1. Jan. 2009)
Eingemeindung: 1. Jan. 1972
Postleitzahl: 73547
Vorwahl: 07172
Waldhausen von Nordwesten

Waldhausen ist ein Ort im Remstal in Baden-Württemberg, war bis 1971 selbständige Gemeinde und ist seit 1972 Stadtteil von Lorch.

Inhaltsverzeichnis

Ehemalige Ortsteile

Die Beschreibung des Oberamts Welzheim vom 1845 nennt neben dem Hauptort folgende Siedlungen:[1]

  • Weitmars
  • Rattenharz
  • Erlenhof
  • Marbächle
  • Pulzhof
  • Schneiderhof
  • Walkersmühle
  • Vogelhof mit Elisabethenberg (s. u.)

Geologie

Das Remstal ist zwischen Mögglingen und Endersbach aus Keuperschichten ausgewaschen. Bei Waldhausen liegt dabei eine Grenze: Flussabwärts liegen leichter auswaschbare Gipskeuper-Schichten, dementsprechend ist das Tal dort breiter; flussaufwärts liegen Schilf-, Kiesel- und Stubensandsteine. [2]

Im Tal, insbesondere im Bereich der Einmündung von Seitentälern, lagerten sich große Kiesbänke ab, die das Gelände sumpfig machten. Der Kies zwischen Waldhausen und Lorch, wo der Walkersbach einmündet, wurde im 20. Jahrhundert weitgehend abgebaut, wodurch Baggerseen entstanden. Die Seen, von denen einer zwischenzeitlich als Mülldeponie genutzt wurden, stehen heute teilweise unter Naturschutz; viele Vogelarten haben sich neu angesiedelt und Brutstätten gebaut.[3]

Geschichte

Mittelalter

Die Namensendung „-hausen“ legt eine Siedlungsentstehung im 7. Jahrhundert nahe.[4] Als erste Erwähnung Waldhausens gilt eine Urkunde von Kaiser Barbarossa vom 25. Mai 1181. In einem Schutzbrief für das Kloster Adelberg werden die Herren „Egino und Adelbert von Waldhausen“ als Zeugen genannt.[5] Die Herrschaftsgeschichte von Waldhausen spielte sich auf der Burg auf dem nördlich gelegenen Elisabethenberg ab. Bei den dort residierenden Herren von Waldhausen handelt es sich der Forschung nach um Ministeriale der Staufer. Die Burg wurde 1188 erstmals urkundlich erwähnt.[4] Um 1250 ging die Burg in Besitz der Grafen von Württemberg über;[6] im Reichskrieg 1311 wurde sie zerstört.[4]

Auf dem Elisabethenberg steht eine Kapelle, die der heiligen Elisabeth von Thüringen geweiht war.[4] und vermutlich dem Berg den Namen gegeben hat.[7]

Ortsansicht von Andreas Kieser, 1685

1519 wurde der Ort im Rahmen eines Rachezuges des Obervogtes von Göppingen, Jörg Staufer von Bloßenstaufen, gegen Herzog Ulrich von Württemberg bis auf zwei Häuser niedergebrannt. 1535 wurde gemeinsam mit Lorch in Waldhausen die Reformation eingeführt.[1]

Neuzeit

Waldhausen 1899, Ansicht vom Elisabethenberg

Die nördlich des Ortes jenseits der Rems vorbeiführende Remsbahn wurde 1861 im Abschnitt Bad Cannstatt–Wasseralfingen eingeweiht, allerdings zunächst ohne Station bei Waldhausen.

Da der bei Waldhausen vorkommende Schilfsandstein früher beim Hausbau begehrt war, wurde er in bis zu vier Steinbrüchen östlich von Waldhausen abgebaut, in denen um 1900 bis zu 25 Arbeiter beschäftigt waren.[2]

1930 bestanden in Waldhausen nur zwei Industriebetriebe. Infolge der Weltwirtschaftskrise mussten beide schließen. Die früher in Waldhausen ausgeprägten alten Handwerksberufe waren bedeutungslos geworden. Praktisch alle Jugendlichen des Ortes waren arbeitslos.[8] Am weit überdurchschnittlichen Ergebnis der NSDAP bei der Reichstagswahl 1933 ist der Zuspruch für den Nationalsozialismus abzulesen: 61,2 % gegenüber 41,9 % im Landesschnitt[9]

Zum Ende des Zweiten Weltkrieges waren in Waldhausen 635 durch Bombenangriffe obdachlos gewordene Großstadteinwohner untergebracht. Anfang April 1945 bauten Volkssturm und Pioniere der Wehrmacht auf Waldhäuser Markung sechs Panzersperren und viele Schützenpositionen auf. Am Morgen des 20. April stießen Einheiten der amerikanischen 44. Infanteriedivision[10] sowohl nach Weitmars im Nordosten als auch von Lorch aus über Kirneck nach Rattenharz im Süden vor, wo sie Artillerie aufbauten. Der Einwohnerschaft gelang es, die meisten Panzersperren zu beseitigen; bei der letzten hinderten jedoch fünf Wehrmachtssoldaten sie daran. Die Amerikaner stellten ein Ultimatum und drohten, 20 Waldhäuser Bürger zu erschießen, worauf auch hier die Durchfahrt frei wurde.[11]

Nach dem Zweiten Weltkrieg

In den 1950er-Jahren ließen sich einige Speditionen in Waldhausen nieder, weil Waldhausen innerhalb der Güternahverkehrszone sowohl des Heilbronner Hafens als auch der Stadt Ulm lag; dieser Zustand hielt sich aber nur wenige Jahre bis zu einer Neuvermessung der Zonen.[12]

Vom 2. bis 5. Mai 1956 setzte ein Hochwasser der Rems viele Straßen und Keller unter Wasser.[13] 1967 wurde die Hauptschule Waldhausen geschlossen; die Schüler wurden der Hauptschule Lorch zugeordnet. 1969 wurde die Sammelkläranlage Lorch-Waldhausen, in Waldhausen stehend und mit der Nachbarstadt realisiert, in Betrieb genommen.[14]

Rathaus der ehemaligen Gemeinde Waldhausen

Anfang der 1970er-Jahre zeichnete sich im Rahmen der Gebietsreform in Baden-Württemberg ab, dass Waldhausen, damals 2800 Einwohner, auf Dauer nicht selbständig bleiben konnte. Die zentrale Planung sah vor, einen Lorch und Waldhausen umfassenden Verwaltungsraum zu schaffen. Dem entsprach, dass es bereits durch Kirchenbezirk, Schulbezirke, Kläranlage u. A. Verflechtungen mit Lorch gab. Da aber auch der Landkreis Schwäbisch Gmünd zur Disposition stand, kamen in Waldhausen Wünsche auf, durch Zusammenschluss mit Plüderhausen Anschluss an den damaligen Landkreis Waiblingen und damit an den Raum Mittlerer Neckar (heute Region Stuttgart) zu bekommen. Bei einer Bürgerbefragung im November 1970 standen drei Optionen zur Wahl: Beibehaltung der Selbständigkeit, Zusammenschluss mit Lorch und Zusammenschluss mit Plüderhausen. Bei hoher Beteiligung fielen fast gleiche Anteile auf jede Option, wobei der Zusammenschluss mit Plüderhausen knapp vorne lag. Die damit verbundene Umgliederung Waldhausens zum Landkreis Waiblingen stieß jedoch beim Innenministerium auf Ablehnung. Daraufhin trieb die Gemeinde den Zusammenschluss mit Lorch voran. Am 12. September 1971 wurde dieser durch eine sehr knapp ausgegangene Bürgerabstimmung bestätigt, am 14. September vom Gemeinderat einstimmig beschlossen und am 17 September unterzeichnet. Der Zusammenschluss trat zum 1. Januar 1972 in Kraft.[15]

Bevölkerungsentwicklung

Die Zahlen beinhalten Waldhausen, Weitmars, Rattenharz und die weiteren Gehöfte.

1845 1474
1895 1320
1900 1418
1905 1421
1910 1447
1925 1596
1939 1609
1945 2169
1948 2137
1950 2218
1955 2394
1960 2474
1965 2644
1970 2973
1975 3172
1980 3260
1990
2000
2009 4012
2010

Bauwerke

Kirchen

Evangelische Martin-Luther-Kirche

1507 wurde die Ortskirche als Marienkirche erbaut, und nach dem Dreißigjährigen Krieg 1659 restauriert.[1]

Sie wurde 1957 wegen Baufälligkeit abgetragen. Sie war auch zu klein und der Innenraum laut einer Notiz aus dem 19. Jahrhundert „mit Emporen also verstellt, daß dem Licht nur ein spärlicher Zutritt zu ihr gestattet wird"[16][17]. Von 1954 bis 1956 wurde mit der Martin-Luther-Kirche direkt daneben eine neue evangelische Kirche gebaut, die am 15. April 1956 eingeweiht wurde.

Am 12. November 1972 wurde die katholische Kirche St. Elisabeth geweiht.[18]

Elisabethenberg

Elisabethenberg um 1907
Elisabethenberg 2009

Den Elisabethenberg, dessen mittelalterliche Geschichte oben erwähnt ist, kaufte 1876 Eduard Weitzel, Theosoph und Führer einer Sonnensekte. Er ließ die Grundmauern der zerstörten Burg freilegen und darauf unter Verwendung alter Buckelquader ein Landhaus bauen, sowie ein Laboratorium zur Erzeugung esoterischer Kräuterschnäpse. Nachbesitzer erweiterten das Anwesen und eröffneten 1899 eine Kuranstalt mit Schwimmbad und Park. Die Anstalt diente während des Ersten Weltkriegs als Reservelazarett. 1920 erwarb die Reichsbahnbetriebskrankenkasse die Anstalt und betrieb ein Erholungsheim für Eisenbahner. Ab 1939 betrieb die Reichsbahnversicherungsanstalt eine Kindertuberkuloseheilstätte, welche die Bundesbahnversicherungsanstalt als deren Rechtsnachfolgerin nach 1948 weiter betrieb und ausbaute. Da die Kindertuberkulose zurückging, verkaufte sie das Anwesen 1968 an die Heil- und Pflegeanstalt Stetten. Diese nutzt es seitdem als Heim für geistig Behinderte, und betreibt dort auch Werkstätten für behinderte Menschen.[19]

Öffentliche Einrichtungen

Feuerwehr

Die Freiwillige Feuerwehr wurde Ende 1872 gegründet. 1958 wurde in Rattenharz ein überdeckter Feuersee eingeweiht. Das derzeitige Feuerwehrhaus Waldhausen wurde 1965 eingeweiht.[20]

Literatur

  • Lorch-Waldhausen, 800 Jahre Waldhausen, Lorch, 1981

Einzelnachweise

  1. a b c Beschreibung des Oberamtes Welzheim, 1845, laut Lorch-Waldhausen, S. 27 ff.
  2. a b Lorch-Waldhausen, S. 11 ff
  3. Lorch-Waldhausen, S. 15 ff
  4. a b c d Lorch-Waldhausen, S. 35 ff
  5. Lorch-Waldhausen, S. 57
  6. Lorch-Waldhausen, S. 51
  7. Lorch-Waldhausen, S. 185
  8. Lorch-Waldhausen, S. 107
  9. Manfred Schramm (Redaktion), Geschichtswerkstatt der VHS Lorch (Hrsg.): Stadt und Kloster Lorch im Nationalsozialismus, Schwäbisch Gmünd 2004, ISBN 3-936-37315-9, S. 29
  10. Walter Hees: Die Amerikaner kommen …, Remshalden 2006, ISBN 3-927-98184-2
  11. Albert Deibele: Das Kriegsende 1945 in Waldhausen, in Lorch-Waldhausen, S. 117 ff.
  12. Lorch-Waldhausen, S. 134
  13. Lorch-Waldhausen, S. 128
  14. Lorch-Waldhausen, S. 131
  15. Lorch-Waldhausen, S. 134 ff.
  16. Lorch-Waldhausen, S. 95
  17. Lorch-Waldhausen, S. 145 ff.
  18. Lorch-Waldhausen, S. 155
  19. Lorch-Waldhausen, S. 161 ff.
  20. Lorch-Waldhausen, S. 201 ff.

Weblinks


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