- Wilhelm von Tyrus
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Wilhelm von Tyrus (* um 1130 in Jerusalem; † 29. September 1186 ebenda) war Erzbischof von Tyrus, Kanzler des Königreichs Jerusalem und gilt als einer der bedeutendsten Geschichtsschreiber des Mittelalters.
Er stammte aus einer wohlhabenden Familie, die Anfang des 12. Jahrhunderts aus Italien oder Frankreich nach Palästina ausgewandert war.
Inhaltsverzeichnis
Leben und Werk
Hauptquelle zu seinem Leben ist sein Geschichtswerk und die darin enthaltenen autobiographischen Kapitel.
Um das Jahr 1145 ging Wilhelm in den Westen, um dort fast 20 Jahre lang zu studieren. Sein Studium der freien Künste begann er in Paris. 1155 wechselte er zur Theologie und führte es ab 1160 in Orléans fort. Von dort ging er 1161 oder 1162 nach Bologna, um an der dortigen berühmten Universität Rechtswissenschaften zu studieren. Er ist damit der einzige bekannte Palästinenser, der im 12. Jahrhundert im Abendland studierte.
1165 kehrte er nach Palästina zurück, wurde Kanonikus an der Bischofskirche von Akkon und erhielt am 1. September 1167 von Erzbischof Friedrich von Tyrus die Weihe zum Erzdiakon. Im Frühjahr 1167 trat er in die Dienste von König Amalrich I. von Jerusalem, der ihn dazu brachte, die Geschichte der Kreuzfahrerstaaten zu schreiben. Wilhelm war auch der Erzieher des Königssohns, des späteren Königs Balduin IV., der ihn nach seiner Thronbesteigung 1174 zum Kanzler des Königreichs Jerusalem ernannte.
Um das Jahr 1170 begann er mit seiner Chronica, auf deutsch „Geschichte der Kreuzfahrerstaaten“ (früher Historia rerum in partibus transmarinis gestarum, etwa: Geschichte der Taten jenseits des Meeres). Der gelehrteste aller lateinischen Chronisten der Kreuzzüge überging dabei staatsmännisch einige der düsteren Kapitel der Staatsgründung, auch unterliefen ihm einige Fehler. Dennoch stellt es ein beachtliches Werk und eine wichtige Quelle für die Geschehnisse in Outremer dar. Wilhelm von Tyrus benutzte (wie Albert von Aachen) überlieferte wie auch verschollene Quellen. Zusätzlich standen ihm Urkunden aus den Archivkammern des Königreiches zur Verfügung.
Anders als viele andere Chronisten beschrieb er die Muslime nicht ausschließlich negativ, auch wenn er ihren Machtzuwachs beklagte. Er beklagte die mangelhafte Bildung vieler Geistlicher und ihre allzu weltliche Einstellung, den Ritterorden und Byzantinern brachte er nur wenig Sympathie entgegen.
Er hat auch eine „Geschichte des Morgenlandes“ verfasst, die der Vergessenheit und möglicherweise auch den Feuern muslimischer Eiferer anheim gefallen ist. Seine Haltung gegenüber Muslimen ist durch sein Studium bedingt moderater als die seiner Kollegen. Am 8. Juni 1175 erhielt Wilhelm die Weihe zum Erzbischof von Tyrus.
1179 nahm er am 3. Laterankonzil teil und verbrachte bei seiner Rückkehr nach Jerusalem sieben Monate am Hofe des byzantinischen Kaisers Manuel I. Komnenos. 1180 kandidierte er für das Patriarchat von Jerusalem, wurde jedoch nicht gewählt. Im Jahr 1184 (spätestens aber im Frühjahr 1185) trat er vom Amt des Kanzlers zurück.
Wilhelm von Tyrus war der einzige der Kreuzzugschronisten, der in Palästina geboren wurde. Er gehörte außerdem auch zu jenen Geschichtsschreibern, die einen Großteil ihres Werkes aufgrund eigener Erfahrung schrieben.
Die Chronica
Das auch als "Historia rerum in partibus transmarinis gestarum" bekannte Werk Wilhelms von Tyrus entstand zwischen ca. 1168 und 1184 oder 1186 und behandelt im Wesentlichen die Geschichte der Kreuzzüge und der Kreuzfahrerherrschaften, angefangen beim Konzil von Clermont 1095 und abbrechend im Jahr 1184.
Das in 23 Bücher mit einzelnen Kapiteln gegliederte Werk ist konzeptionell zweigeteilt: Der erste Abschnitt behandelt in den Büchern I-VIII den Ersten Kreuzzug. Im darauffolgenden dynastisch geordneten Abschnitt werden jedem Herrscher Jerusalems, angefangen bei Gottfried von Bouillon, zumeist zwei Bücher gewidmet.
Die Chronica wurde bis ins 13. Jh durch verschiedene Fortsetzungen ergänzt und erhielt durch ihre Übertragung ins Französische einen beinahe kanonischen Charakter für die Darstellung der Kreuzzüge im Spätmittelalter.
Ihr Erstdruck erfolgte im Jahre 1549.
Für die Zeit nach dem ersten Kreuzzug bildet die Chronica die einzige größere, wenn auch chronologisch fehlerhafte Quelle aus dem Osten.
Quellen Wilhelms von Tyrus
Für die Zeit des ersten Kreuzzugs diente Albert von Aachen als Referenz, zusammen mit eigenen Ergänzungen. Danach, bis 1127, war Fulcher von Chartres Quelle. Bis etwa 1145 nutzte Wilhelm mündliche, z.T. wohl schriftliche Aussagen anderer, ergänzt durch eigene Erinnerungen. Ab 1163 überwiegen die eigenen Erfahrungen Wilhelms, die durch seine politische und kirchliche Karriere bedeutsam sind. Viele Urkunden (Königsdiplome), Briefe (u.a. des Papstes) und Staatsverträge fanden den Weg in die Chronica.
Ausgaben
- Willelmi Tyrensis archieposcopi Chronicon / Guillaume de Tyr Chronique. Édition critique par R. B. C. Huygens. Identification des sources historiques et détermination des dates par H. E. Mayer et Gerhard Rösch. Brepols, Turnholti 1986, (Corpus Christianorum. Continuatio mediaeualis 63)
Literatur
- Rudolf Hiestand: Zum Leben und zur Laufbahn Wilhelms von Tyrus. In: Deutsches Archiv 34 (1978), S. 345 ff.
- Rudolf Hiestand: Wilhelm von Tyrus. In: Volker Reinhardt (Hrsg.): Hauptwerke der Geschichtsschreibung. Kröner, Stuttgart 1997, ISBN 3-520-43501-2, (Kröners Taschenausgabe 435).
Weblinks
Commons: Wilhelm von Tyrus Manuskripte – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Literatur von und über Wilhelm von Tyrus im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Wilhelm von Tyrus. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL).
- Wilhelm II. bei mittelalter-genealogie.de
- Geschichte des Wilhelm von Tyrus in einer dt. Übersetzung
Vorgänger Amt Nachfolger Friedrich Erzbischof von Tyrus
1175–1186unbekannt Kanzler des Königreichs Jerusalem
1174–1184Lambert Kategorien:- Römisch-katholischer Bischof (12. Jahrhundert)
- Hofbeamter
- Historiker des Mittelalters
- Christlicher Orient
- Chronist der Kreuzzüge
- Geboren im 12. Jahrhundert
- Gestorben 1186
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