Gottfried von Bouillon

Gottfried von Bouillon
Gottfried von Bouillon auf einem Fresko in der Burg Manta, um 1420

Gottfried von Bouillon (französisch Godefroy de Bouillon; auch Godefroid de Bouillon;[1] * um 1060; † 18. Juli 1100 in Jerusalem) war ein Heerführer beim Ersten Kreuzzug; nach der Eroberung Jerusalems wurde er der erste Regent des neu gegründeten Königreichs Jerusalem, lehnte allerdings die Königswürde ab.

Inhaltsverzeichnis

Frühe Jahre

Gottfried war der zweite Sohn des Grafen Eustach II. von Boulogne, und der Ida, Tochter des Herzogs Gottfried III. von Niederlothringen. Seine Zukunftsaussichten waren als zweiter Sohn von Hause aus begrenzt, doch sein kinderloser Onkel, Herzog Gottfried IV. von Niederlothringen, bestimmte ihn bei seinem Tod 1076 zum Nachfolger. König Heinrich IV. übertrug das aufgrund seiner Zwischenstellung zwischen Frankreich und dem deutschen Königreich wichtige Herzogtum jedoch seinem Sohn Konrad und überließ Gottfried lediglich die Mark Antwerpen und die Herrschaft Bouillon, um dessen Fähigkeiten und Loyalität zu prüfen.

Gottfried musste seine Territorien sowohl gegenüber den Ansprüchen der Witwe seines Onkels, Mathilde von Tuszien, als auch gegenüber Angriffen von außen verteidigen. Mit der Hilfe seiner Brüder Eustach III. und Balduin konnte jedoch alle Angriffe abwehren. Der Belagerung der Festung Bouillon 1077 verdankt Gottfried seinen Zunamen.

Gottfried erwies sich dem König gegenüber als loyal und hielt ihm auch im Investiturstreit die Treue. Er kämpfte auf königlicher Seite gegen den Gegenköning Rudolf von Rheinfelden und war 1084 an der Einnahme Roms beteiligt. 1089 erhielt er schließlich das Herzogtum Niederlothringen zu Lehen.

Der Erste Kreuzzug

Gottfried von Bouillon führt den Ersten Kreuzzug an. Miniatur aus dem 13. Jahrhundert
Hauptartikel: Erster Kreuzzug

Lothringen war stark durch die Cluniazensische Reform beeinflusst, und obwohl er im Investiturstreit gegen den Papst Partei ergriffen hatte, war Gottfried ein frommer Mann. Nach der Synode von Clermont 1095 verkaufte er seinen gesamten Besitz und schloss sich dem Ersten Kreuzzug an.

Gemeinsam mit seinen Brüdern Eustach III. und Balduin führte er ab August 1096 eine etwa 20.000 Mann starke Armee von Lothringen den Rhein und die Donau entlang auf den Balkan. Nach einigen Kämpfen in Ungarn, wo es ihm nicht gelang, seine Männer im christlichen Land an Plünderungen zu hindern, erreichte er im November als erster Kreuzfahrer Konstantinopel. Sehr schnell geriet er in Konflikt mit dem byzantinischen Kaiser Alexios I., der die vor den Toren seiner Stadt auftauchenden Ritter mit äußerstem Misstrauen betrachtete und von Gottfried einen Lehnseid verlangte, um die durch die Kreuzfahrer von den Moslems zurückzuerobernden Gebiete für Konstantinopel zu sichern. Wahrscheinlich legte Gottfried den Eid im Januar 1097 ab, wie auch die meisten anderen Heerführer der Kreuzzüge auf ihrem Weg durch Konstantinopel.

Mit dem Zusammentreffen der Kreuzfahrer in Konstantinopel wurde Gottfried zu einer Nebenfigur im Kreuzzug, da von da an Bohemund von Tarent und Raimund von Toulouse den Lauf der Ereignisse bestimmten. Gottfrieds einzige erwähnenswerte Leistung in dieser Zeit war sein Beitrag bei der Befreiung von Bohemunds Armee in der Schlacht von Doryläum am 1. Juli 1097, wo dieser von den Seldschuken unter Kılıç Arslan I. eingekesselt worden war. Dabei war Gottfrieds Armee ebenfalls umzingelt, bis eine weitere Kreuzfahrergruppe unter dem päpstlichen Legaten Adhemar von Le Puy das Lager der Seldschuken angriff.

1099, nach der achtmonatigen Belagerung und schließlichen Einnahme von Antiochia, entstand unter den Kreuzfahrern Uneinigkeit über das weitere Vorgehen. Die meisten Fußsoldaten wollten weiter nach Süden, nach Jerusalem, doch Raimund, der nach dem Tod Adhemars als ranghöchster Adliger der Anführer des Kreuzzugs war, zögerte im Streit mit Bohemund mit dem Weitermarsch. Gottfried nutzte die Zeit, um seinen Bruder Balduin, der inzwischen in den Besitz Edessas gelangt war, in dessen Hauptstadt zu besuchen. Er vereinigte sich erst kurz vor dem endlichen Aufbruch nach Jerusalem (Januar 1099) bei Maara wieder mit dem Hauptheer.

Im Februar 1099 nahm Gottfried an der Belagerung der Burg Arqa nahe Tripolis teil. Während dieser schloss sich ihm Tankred von Tarent, der sich mit Raimund zerstritten hatte, an und trat zu ihm in ein besonderes Treue- und Dienstverhältnis. Dies kam der Stellung Gottfrieds wesentlich zugute. Dem Murren des nach Jerusalem drängenden Heeres nachgebend, war es schließlich auch Gottfried, der entgegen dem Willen Raimunds am 15. Mai 1099 die Aufhebung der Belagerung Arqas veranlasste.

Bei der Belagerung von Jerusalem fand Gottfried Gelegenheit sich besonders hervorzutun. Am Nachmittag des 15. Juli 1099 drang er mit den Seinen als erster in die Stadt ein.

Das Königreich Jerusalem

Nachdem Raimund von Toulouse die Königskrone von Jerusalem abgelehnt hatte, weil er sich nicht in der Stadt zum König krönen lassen wollte, in der Jesus Christus die Dornenkrone getragen hatte, fand Gottfried einen Ausweg, indem er anstelle der Königswürde den Titel eines advocatus sancti sepulchri, eines "Beschützers des Heiligen Grabes" annahm, womit er sowohl seiner Position als weltlicher Herrscher als auch des geistlichen Charakters des Ortes Rechnung trug. [2]

Während seiner kurzen Regierungszeit von einem Jahr musste Gottfried das neue Königreich gegen die bisherigen Herren, die Fatimiden aus Ägypten, verteidigen, die dann am 12. August in der Schlacht von Askalon geschlagen wurden. Nach der Schlacht von Askalon betrachteten die Kreuzzugsteilnehmer ihr Kreuzzugsgelübde als erfüllt und die meisten von ihnen kehrten nach Europa zurück. Gottfried betrieb 1100 die Ausdehnung seiner Autorität, befestigte beispielsweise die Hafenstadt Jaffa und plante weitere Eroberungen.

Mit Gottfrieds Unterstützung wurde Arnulf von Chocques zum Patriarchen von Jerusalem gewählt, doch wurde die Wahl bald als unkanonisch annulliert und stattdessen Dagobert von Pisa zum Patriarchen eingesetzt. Mit diesem geriet Gottfried in Konflikt, da Dagobert des Papstes (und damit seine eigenen) Rechte über die Heilige Stadt Jerusalem betonte und Gottfried lediglich als ausführenden Arm betrachtete. Auf Dagoberts Drängen hin, versprach Gottfried Jerusalem und das noch uneroberte Jaffa dem Papst zu übergeben, sobald die Kreuzfahrer Ägypten erobert hätten, was Gottfried ersatzweise erhalten solle. Die Invasion Ägyptens fand nie statt, und Gottfried starb kurz darauf im Juli 1100.

Tod und Nachfolge

Über Gottfrieds Tod im Juli 1100 existieren verschiedene Aussagen: Nach dem Bericht das arabischen Chronisten Ibn al-Qalanisi soll er während der Belagerung von Akko durch einen Pfeil getötet worden sein. Christliche Quellen erwähnen dies jedoch nicht, Albert von Aachen und Ekkehard von Aura schreiben dagegen, er sei in Caesarea erkrankt und an dieser Krankheit in Jerusalem gestorben. Es gab auch Gerüchte, die von Vergiftung sprachen, doch diese konnten nicht bestätigt werden.[3] Gottfried wurde in der Grabeskirche in Jerusalem beigesetzt. Die Inschrift auf der 1808 entfernten Grabplatte, lautete: "Hier ruht Gottfried, der berühmte Graf von Bouillon. Er eroberte dies Land für den christlichen Kult. Dass seine Seele mit Christus regiere. Amen!" Nach anderen Angaben lautete die Inschrift: "Hier liegt Gottfried von Bouillon, welcher dieses ganze Land dem Christenthum gewonnen hat. Seine Seele ruhe in Christo!"

Bei Gottfrieds Tod war die Frage, wer Jerusalem regieren solle, zunächst offen. Der Adel nutzte die Abwesenheit Dagoberts, der sich bei den Jaffa belagernden Truppen aufhielt, um Gottfrieds jüngeren Bruder Balduin zum König auszurufen. Der zurückgekehrte Dagobert weigerte sich zunächst den aus Edessa herbeigeeilten Balduin zu krönen, doch einigte man sich schließlich auf eine Krönung in Betlehem am 25. Dezember 1100.

Gottfried in Geschichte und Legende

Bronzefigur von Gottfried von Bouillon in der Hofkirche (Innsbruck)

Da Gottfried der erste Herrscher über Jerusalem war, wurde er später christlich idealisiert und mythisiert: er wurde als Anführer des Kreuzzugs, König von Jerusalem und als Gesetzgeber bezeichnet, der die Schwurgerichte in Jerusalem einführte. Seit dem 14. Jahrhundert wurde er zu den idealen Rittern gezählt, die als die Neun Guten Helden bekannt wurden. Als Teil dieser wurde er etwa um 1390 an der Fassade des Sommerhauses auf Schloss Runkelstein gemeinsam mit König Artus und Karl dem Großen dargestellt. Tatsächlich war all dies Legendenbildung. Adhemar, Raimund und Bohemund führten den Kreuzzug, Balduin war der erste „König“, und die Schwurgerichte das Ergebnis einer schrittweisen Entwicklung.

Gottfrieds Rolle im Kreuzzug wurde zunächst von Albert von Aachen, dem anonymen Autor der Gesta Francorum, und von Raimund von Aguilers beschrieben. In der Romanliteratur war Gottfried der Held zweier französischer Chansons de geste, die den Kreuzzug behandeln, die Chanson d’Antioche und die Chanson de Jerusalem. Seine Familie und sein Leben vor dem Kreuzzug wurden ebenso Thema von Legenden. Sein Großvater sei Helias, Ritter des Schwans, gewesen, einer der Brüder, deren Abenteuer in der Schwanenritterlegende, einer Abwandlung der Lohengrin-Legende, erzählt werden. Torquato Tasso feierte ihn in seinem großen Epos Gerusalemme liberata (1575).

In einer weitverbreiteten jüdischen Legende wird Gottfried von Bouillon ein bedrohlicher Charakter zugeschrieben: Gottfried lässt Raschi (Rabbi Schlomo ben Jizchak) rufen, um sich von ihm den Ausgang des Kreuzzuges vorhersagen zu lassen. Als Raschi nicht bei dem Fürsten erscheint, sucht dieser ihn im Lehrhaus in Begleitung seiner Truppen auf. Raschi prophezeit ihm den unglücklichen Ausgang des Kreuzzuges in Einzelheiten, deren letztes Detail sich erfüllt, als der zurückkehrende Gottfried Raschis Heimatstadt betritt.

Pierre Plantard bezeichnete Gottfried von Bouillon als Gründer einer „Bruderschaft vom Berg Zion“ (Prieuré de Sion). Die angeblichen Quellen wurden als Fälschungen entlarvt, aber das Thema wurde immer wieder in Verschwörungstheorien in Literatur und Populärkultur aufgegriffen, beispielsweise im Roman Sakrileg.

Quellen

Literatur

  • Amin Maalouf: Der Heilige Krieg der Barbaren. Die Kreuzzüge aus Sicht der Araber. Kreuzlingen 2001. ISBN 3-89631-420-3
  • Hans Prutz: Gottfried IV. (Herzog von Niederlothringen). In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 9, Duncker & Humblot, Leipzig 1879, S. 471–473.
  • Diederich von dem Werder: Gottfried von Bulljon oder das erlösete Jerusalem, hrsg. Gerhard Dünnhaupt. Tübingen 1974 (Ndr. d. Ausg. 1626). ISBN 3-484-16020-9
  • Lucia Raspe: Jüdische Hagiographie im mittelalterlichen Aschkenas. Tübingen 2006, S. 199-241.
  • Dr. Heinrich Graetz: Volkstümliche Geschichte der Juden, I, O-Leiner 1914; Gilbert und Lilly Klapermann: Geschichte des jüdischen Volkes, I, 1958 Feldheim, Schulbuch auf traditioneller jüdischer Grundlage mit vielen Karten, Bildern und Fragen
  • Rabbi Joseph Telushkin: Jewish Literacy, Morrow NYC 1991; Haim Hillel Ben-Sasson: Die Geschichte des jüdischen Volkes, Dvir 1969 / CH-Beck 1978

Filme

  • Fritz, Nathalie / Martin, Jacques: 'Gott will es!'. Gottfried von Bouillon und der erste Kreuzzug. B/F 2010. Arte/RTBF. HD.

Bilder Gottfrieds

Weblinks

 Commons: Gottfried von Bouillon – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. J. Collin de Plancy: La chronique de Godefroid de Bouillon et du Royaume de Jérusalem, Paris 1848.
  2. Arnold Bühler et alii: Das Mittelalter, Stuttgart 2004, S. 248.
  3. Amin Maalouf: Der Heilige Krieg der Barbaren. Die Kreuzzüge aus Sicht der Araber, Kreuzlingen 2001.
Vorgänger Amt Nachfolger
Konrad Herzog von Niederlothringen
1089–1100
Heinrich
-- König von Jerusalem
als "Advocatus sancti sepulchri"

1099–1100
Balduin I.

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