Wilhelmine von Lichtenau

Wilhelmine von Lichtenau
Wilhelmine Enke, spätere von Lichtenau, Anna Dorothea Therbusch, 1776

Wilhelmine Gräfin von Lichtenau, Gräfin seit 1794, eigtl. Wilhelmine Enke (auch Encke) (* 29. Dezember 1753 in Potsdam; † 9. Juni 1820 in Berlin) war die Maitresse Friedrich Wilhelms II. von Preußen.

Inhaltsverzeichnis

Die preußische Pompadour

Wilhelmine wurde als Tochter des Dessauer Trompeters Johann Elias Enke geboren. Der Vater war „kgl. Cammer-Musikus“ in Diensten Friedrichs II. und betrieb eine Gastwirtschaft an der Spandauer Straße in Berlin.

Wilhelmine und der König

1764 lernte Wilhelmine den Kronprinzen Friedrich Wilhelm kennen. Dem König war eine gefestigte Bindung zu Wilhelmine Enke lieber als wechselnde Affären mit ausländischen Frauen, und so wurde Wilhelmine 1769 auf Befehl Friedrich II. zur offiziellen Maitresse des Kronprinzen. Sie erhielt ein Haus in Charlottenburg und eine Apanage von jährlich 30.000 Talern.

Der Beziehung entstammten fünf Kinder, von denen drei dem Kindstod erlagen. Der Lieblingssohn Friedrich Wilhelms II. blieb der Nachwelt in Erinnerung durch sein von Johann Gottfried Schadow geschaffenes Grabmal: Graf Alexander von der Mark (1779–87), der von Friedrich II. in den Adelsstand erhoben wurde, jedoch in jugendlichem Alter ebenfalls verstarb. Länger lebte die Tochter der beiden, die Gräfin Marianne von der Mark (1780–1814). Im Jahr 1782 löste Friedrich Wilhelm die offizielle Beziehung und verheiratete Wilhelmine mit seinem Kammerdiener, späteren Geheimrat und Kämmerer Johann Friedrich Ritz (1755–1809). Bei einem oder zwei weiteren Kindern aus der Ehezeit mit Ritz ist strittig, ob sie von Friedrich Wilhelm stammen oder von Dritten.

Nach dem Tod Friedrichs II. hatte Friedrich Wilhelm II. der kleinen Marianne das Niederländische Palais in der Straße Unter den Linden in Berlin geschenkt, wo Wilhelmine bald einen Nebenhof etablierte, der nun zum Schauplatz des anrüchigen Treibens um den neuen König wurde.

Friedrich Wilhelm erhob am 28. April 1796 Wilhelmine durch eine um zwei Jahre zurück datierte Urkunde zur Gräfin Lichtenau. Zu dieser Zeit errichte er für sie das intime Schloss auf der Pfaueninsel. Wegen des Todes Friedrich Wilhelms II. im November 1797 konnte sie es jedoch nicht mehr nutzen.

Nach dem Tod Friedrich Wilhelms II.

Gräfin Lichtenau (1794) in Marmor, von Johann Gottfried Schadow

Friedrich Wilhelm III. ließ nach dem Tode seines Vaters umgehend unter anderem wegen Hochverrats und Unterschlagung gegen Wilhelmine ermitteln. Obwohl die Ermittlungen ins Leere liefen, wurde Lichtenau in Festungshaft genommen und nach Glogau verbannt. 1800 wurde ihr gesamtes Vermögen konfisziert, stattdessen erhielt sie eine Pension. Erst 1811 wurde Lichtenau vollständig rehabilitiert, nachdem sie – auf Intervention Napoleons I. – für ihr enteignetes Vermögen 1809 in Teilen entschädigt worden war und nach Berlin zurückkehren durfte.

Am 3. Mai 1802 heiratete die achtundvierzigjährige „schöne Wilhelmine“ in Breslau den 26 Jahre jüngeren Theaterdichter Franz Ignaz Holbein von Holbeinsberg, der unter dem Künstlernamen „Fontano“ auch als Schauspieler auftrat. Nach vier Jahren wurde die Ehe wieder geschieden. 1820 starb Wilhelmine und wurde in der Nähe ihres Wohnhauses Unter den Linden in der Gruft der Hedwigskirche beigesetzt. Die Gruft wurde 1943 leergeräumt, um als Luftschutzkeller zu dienen. Zusammen mit 80 weiteren teilweise sehr bekannten Berliner Persönlichkeiten wurde sie – nun in einem schlichten Sarg – auf den Hedwigskirchhof an der Liesenstraße umgebettet. Ihr Grab wurde 1961 noch einmal abgeräumt, da es nun im Todesstreifen der Berliner Mauer lag.

Der ehemalige Todesstreifen ist heute wieder als Grünfläche zugänglich. Der Ort ihrer Grabstelle wurde jüngst mittels einer eingelassenen kleinen Platte kenntlich gemacht. Sie liegt neben dem ebenfalls wieder kenntlich gemachten Grab des bedeutenden und spendablen Kunstsammlers Graf Athanasius von Raczynski.

Wirken

Inwieweit Wilhelmine mit den Rosenkreuzern Bischoffwerder und Wöllner gemeinsame Sache machte, um Kontrolle über den König zu erhalten, ist umstritten. Wenig umstritten ist, dass sie eine gemäßigt musisch geprägte Person ohne auffällige Raffinesse war, die ganz im Gegensatz zu ihren berühmten oder berüchtigten Zeitgenossinnen gleicher Position keinerlei merkliches Interesse an politischer Machtausübung entwickelte. Dennoch wurde sie gelegentlich als „preußische Pompadour“ bezeichnet.

Nachleben

1984 wurde ihr Leben im Vierteiler „Die schöne Wilhelmine“ nach dem gleichnamigen Roman von Ernst von Salomon mit Anja Kruse in der Hauptrolle verfilmt.

Literatur

  • August Wilhelm Baranius, Versuch einer Biographie der Frau Gräfin von Lichtenau, einer berühmten Dame des vorigen Jahrhunderts, Zürich und Lindau 1800
  • Paul BailleuLichtenau: Wilhelmine Enke, … Gräfin Lichtenau. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 18, Duncker & Humblot, Leipzig 1883, S. 534–536.
  • Sonja Schnitzler (Hrsg.), Die Mätresse Wilhelmine: Spottschriften wider die schöne Gräfin Lichtenau, Berlin 1989
  • Edelgard Abenstein, Die Mätresse des Königs. Gräfin Lichtenau alias Wilhelmine Encke, Berlin 2006, ISBN 3-89479-187-X
  • Alfred Hagemann, Wilhelmine von Lichtenau (1753–1820). Von der Mätresse zur Mäzenin, Köln 2007, ISBN 978-3-412-24006-6



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