William Arthur Lewis

William Arthur Lewis

Sir William Arthur Lewis (* 23. Januar 1915 in Castries, St. Lucia; † 15. Juni 1991 in Saint Michael, Barbados) war ein britischer Ökonom und Entwickler des nach ihm benannten Lewis-Modells. Er versuchte aufzuzeigen, wie die Not in den Ländern der Dritten Welt durch geeignete wirtschaftliche Maßnahmen durch ein größeres Wirtschaftswachstum zu lindern wäre. Hierbei betrachtete er insbesondere die Industrie und Landwirtschaft in den Dritte Welt-Staaten und ihre Abhängigkeiten von den Industriestaaten.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Er war von 1938 bis 1948 Dozent an der London School of Economics and Political Science anschließend war er bis 1958 Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Manchester. Von 1959 bis 1962 war er Rektor des University College of West Indies. Er war seit 1957 Berater der Vereinten Nationen und 1970 bis 1973 Präsident der Karibischen Entwicklungsbank. Von 1963 bis 1983 war er Professor für Internationale Politik an der Universität Princeton.

William Arthur Lewis wurde 1963 zum Ritter geschlagen und erhielt 1979 zusammen mit Theodore William Schultz den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften.

Forschung

William Arthur Lewis beschrieb sein Modell der dualen Wirtschaft, das später ihm zu ehren auch Lewis-Modell genannt wurde, erstmals in dem 1954 erschienen Artikel ‚Economic Development with Unlimited Supplies of Labour’. Mit dieser Veröffentlichung legte er nicht nur den Grundstein für die Entwicklung der Disziplin der Entwicklungsökonomie sondern man kann sogar soweit gehen zu sagen, dass ein Großteil der darauf folgenden Literatur Erläuterungen, der 1954 von Lewis formulierten Ideen sind. (Kirkpatrick, Barrientos 2004: 679) Auch der Gewinn des Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften 1979 steht im engen Zusammenhang mit der Entwicklung seines Modells der dualen Wirtschaft (Tignor 2004: 691) Im Zuge seines Dualismusmodells gehört Lewis zu einer überschaubaren Gruppe, die die Frage nach der Entwicklung armer Länder schon in den 50er Jahren in den Mittelpunkt ihres wissenschaftlichen Arbeitens stellten. (Tignor 2004: 708)

Als Vorarbeit für sein Modell diente ihm das Studium der heute industrialisierten Länder, wobei er ein besonderes Augenmerk auf Großbritannien legt. Besonders beeinflusst wurde er dabei von den Arbeiten von Wirtschaftshistorikern wie Barbara und John Hammond oder T. S. Ashton, die sich mit der industriellen Revolution in Großbritannien beschäftigten. (Tignor 2004: 698) Lewis kam zu dem Schluss, dass auch die britische Industrialisierung und die darauf folgenden in Europa das System der überschüssigen Arbeitskräfte angewandt hatten (Tignor 2004: 692). Lewis wollte dabei aber nicht, wie viele Kritiker glauben, dass die Industrialisierung wie sie in Großbritannien vonstatten gegangen ist in den Entwicklungsländern wiederholt werde, da diese unkontrollierte Art von Industrialisierung im England des 19. Jahrhunderts zu Slumbildung und Elend eines großen Teil der Bevölkerung geführt hatte. (Tignor 2004: 699)

Die Grundüberlegung seines Modells liegt in der Verwerfung der neoklassischen Annahme, der Produktionsfaktor Arbeit sei limitiert. Lewis nimmt dieser Ansicht entgegengesetzt an, dass eine unlimitierte Anzahl von Arbeitskräften vorhanden ist. (Tignor 2004: 697) Dieser Grundannahme liegt die Suche von Lewis nach der Lösung für zwei Probleme zu Grunde. Erstens was die relativen Preise für Stahl und Kaffee festlegt und zweitens wieso die Löhne während der industriellen Revolution obwohl die Gewinne stiegen dennoch konstant geblieben sind. Den Moment der Erkenntnis und somit die Geburtsstunde des Modells der dualen Wirtschaft beschreibt Lewis in einer selbst verfassten Biographie wie folgt: „One day in August, 1952, walking down the road in Bangkok, it came to me suddenly that both problems have the same solution. Throw away the neoclassical assumption that the quantity of labour is fixed.” (Lewis zit. in Tignor 2004: 697)

Weiters nimmt Lewis eine Dualität des Marktes an und differenziert zwischen einem traditionellen Agrarsektor und einem modernen Industriesektor. Der Agrarsektor dient dabei dem Industriesektor als andauernde und unlimitierte Versorgung mit Arbeitskräften. (Fields 2004: 724f)

Definition der beiden Sektoren:

  • traditioneller Agrarsektor: niedrige Löhne, niedrige Produktivität, wenig Kapital, keine Modernisierung
  • moderner Industriesektor: hohe Löhne, kapitalintensiv, Investitionen, Modernisierung

(Fields 2004: 727ff)

Grundsätzlich geht es um einen Arbeitskräfteübergang zwischen den beiden genannten Wirtschaftssektoren. Die überschüssigen Arbeitskräfte des Agrarsektors sollen in den Industriesektor wechseln und dort die Produktivität steigern und somit Wachstum, Industrialisierung und Modernisierung anregen. (Gosh 1985: 95)

Da der industrielle Sektor stark wächst kann dieser alle überschüssigen Arbeitskräfte aufnehmen. Wichtig dabei ist jedoch, dass durch die Arbeitskräfte die dem Agrarsektor verloren gehen die Produktivität und somit der Output desselben nicht negativ beeinflusst wird. Grundlage dieser Theorie ist die Annahme, dass der Agrarsektor einen limitierten Input und zwar Land besitzt und daher gibt es eine Anzahl an Arbeitern, die nicht essentiell am Output beteiligt, und deren Produktivität vernachlässigbar und somit gleich 0 ist. Wenn diese überschüssigen Arbeiter nun in den Industriesektor wechseln würden erhalten sie die Produktivität 1 ohne dabei den Output des Agrarsektors zu beeinträchtigen. Der Output des Agrarsektors bleibt also gleich wobei die Produktion im Industriesektor steigt. (Ghosh 1985: 95f)

Einhergehend mit diesem Arbeitskräfteübergang kommt es auch zu steigenden Löhnen. Da, wie schon erwähnt, die abwandernden Arbeitskräfte des Agrarsektors dessen Produktivität nicht senken, erhalten die, die im traditionellen Sektor verblieben sind, höhere Löhne. Im modernen Sektor sind die Löhne dahingehend in der frühen Phase der Industrialisierung eher niedrig. Die steigenden Löhne im Agrarsektor führen kurz oder lang zu einem Stopp des Arbeitskräfteüberganges und wenn dieser Wendepunkt erreicht ist, also das Arbeitskräfteangebot erschöpft ist, führt der wirtschaftliche Wachstum zu einem allgemeinen Anstieg des Lohnniveaus. (Fields 2004: 729f)

Die wichtigsten Akteure dabei stellen die Unternehmer des modernen Sektors dar, denn nur wenn sie ihre Profite reinvestieren kann es zu weiterem Wachstum kommen. Treibende Kraft der Industrialisierung ist also eine kapitalistische Klasse, die Unternehmer. (Tignor 2004: 700f)

Kritik

Theodore William Schultz, der gemeinsam mit Lewis den Nobelpreis erhielt, argumentiert gegen das Lewis-Modell mit zahlreichen Studien des Agrarsektors, die beweisen, dass die vom Agrarsektor abgezogenen Arbeitskräfte durchaus den Output des traditionellen Sektors negativ beeinflussen. Er bezweifelte also Lewis Annahme, dass viele Arbeitskräfte im Agrarsektors eine Produktivität von 0 besitzen und somit nicht am Output beteiligt sind. (Ranis 2004: 717)

Lewis legt den Schwerpunkt auf eine geschlossene Ökonomie, in der es nur marginal zu Austausch zwischen den zwei Wirtschaftsektoren kommt. Eine große Ausnahme stellt hier jedoch der Übergang von Arbeitskräften dar. Jedoch war dieser Punkt seiner Dualismustheorie häufiger Angriffspunkt für Kritiker und auch er selbst erkannte, dass der Großteil der weltweiten Ökonomien nicht geschlossen war. Aus diesem Grund begann er sich später verstärkt den offenen Wirtschaften zuzuwenden, womit er auch Erklärungen für den schleppenden ökonomischen Wandel in vielen unterentwickelten Ländern fand. (Tignor 2004: 706f)

Ein Hauptkritikpunkt an Lewis Theorie wird seine reine Konzentration auf wirtschaftliches Wachstum und der Vernachlässigung von Faktoren wie Armut und ungleiche Verteilung gesehen, die bei einer heutigen Auseinandersetzung wohl im Mittelpunkt stehen würden. (Fields 2004: 733) In einem modifizierten Lewis-Modell müssten Länder also zusätzlich Investitionen im Bereich der sozialen Sicherheit sowie zur Minimierung von Ungleichheiten tätigen, um soziale Spannungen und politische Instabilität zu vermeiden. (Mosley 2004: 760)

Kritik wird außerdem an der Vernachlässigung der Entwicklung des Agrarsektors geübt, die einhergehend mit der Förderung der Industrialisierung vonstatten geht. Auch die übermäßige Arbeitsmigration zum modernen Sektor wird beanstandet, vor allem im Licht der steigenden städtischen Arbeitslosigkeit in vielen Entwicklungsländern. (Kirkpatrick, Barrientos 2004: 684)

Rezeption

Nach Hans-Heinrich Bass kann die "Theory of Economic Growth" als eine Blaupause für staatliches Engagement in der Wirtschaft nahezu aller Entwicklungsländer bis Mitte der 1970er Jahre angesehen werden. Der vordringende Staatspessimismus habe die weitere Rezeption beendet. Zudem werde heute das dualistische Denken als inadäquat angesehen – sowohl im globalen Maßstab (v.a. durch die Differenzierung der Entwicklungsländer in Newly Industrializing und Least Developed Countries) als auch im Rahmen der Entwicklungsländer selbst (etwa durch die Anerkunng des "informellen Sektors" als eigener Produktionsweise jenseits von traditionellem und modernem Sektor).[1]

Siehe auch

Literatur

  • Hans-Heinrich Bass: Lewis, William Arthur. The Theory of Economic Growth, in: D. Herz / V. Weinberger (Hrsg.), Lexikon ökonomischer Werke. 650 wegweisende Schriften von der Antike bis ins 20. Jahrhundert, Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag 2006, S. 281-282.
  • Fields, Gary S. (2004): Dualism in the Labor Market: A Perspective on the Lewis Model after half a Century. In: The Manchester School, Vol 72 (6), S. 724- 735.
  • Ghosh, Dipak (1985): A Lewisian Model of Dual Economy with Rural-Urban Migration. In: The Scottish Journal of Political Economy, Vol 32 (1), S. 95- 106.
  • Kirkpatrick, Colin/Barrientos, Armando (2004): The Lewis Model after 50 years. In: The Manchester School Vol 72 (6), S. 679- 690.
  • Mosley, Paul (2004): Institutions and politics in a Lewis-type growth model. In: The Manchester School, Vol 72 (6), S. 751- 774.
  • Tignor, Robert (2004): Unlimited Supplies of Labor. In: The Manchester School, Vol 72 (6), S. 691- 711.
  • Ranis, Gustav (2004): Arthur Lewis's Contribution to Development Thinking and Policy. In: The Manchester School, Vol 72 (6), S. 712- 723.

Einzelnachweise

  1. Hans-Heinrich Bass: Lewis, William Arthur. The Theory of Economic Growth, in: D. Herz / V. Weinberger (Hrsg.), Lexikon ökonomischer Werke. 650 wegweisende Schriften von der Antike bis ins 20. Jahrhundert, Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag 2006, S. 281-282.

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