Industriestaat

Industriestaat
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HDI-Weltkarte (Daten von 2007, veröffentlicht am 4. November 2010)[1]
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Als Industriestaaten oder auch Industrieländer oder Staaten der Ersten Welt, seltener auch Industrienationen (engl. developed country), bezeichnet man allgemein technisch hoch entwickelte Staaten mit einer bedeutenden eigenen industriellen Produktion von Gütern.

Inhaltsverzeichnis

Begriff

Industriestaaten im ursprünglichen und eigentlichen Sinn, sind Staaten, die ihre Wirtschaftskraft überwiegend aus industrieller Produktion erzeugen, im Gegensatz zu den Agrarstaaten, in denen die Landwirtschaft überwiegt. Der erste Staat der Welt, auf den diese Definition zutraf, war Großbritannien. Dort setzten die Anfänge der Industrialisierung bereits Ende des 18. Jahrhunderts ein. Die Industriestaaten sind auch die wirtschaftsstärksten, die reichen Staaten. Jedoch wird der Dienstleistungssektor weltweit zunehmend bedeutender und der Begriff Industriestaat wird auch auf Staaten mit einer hoch entwickelten, starken, überwiegend auf den Dienstleistungssektor getragenen Wirtschaft ausgeweitet. Heute werden also meist die reicheren Staaten der Welt als Industriestaat bezeichnet, Staaten mit einer hohen ökonomischen Wertschöpfung.

Der Begriff 'Industriestaat' ist allerdings irreführend da er, wie in der englischen Sprache: 'industrialized country' bzw. 'Developed country', eigentlich industriell entwickelter Staat bzw. entwickelter Staat heißen müsste. In der deutschen Sprache wird er jedoch, aus verschiedenen Gründen, auch in der Umgangssprache, weiterhin im 21. Jahrhundert allgemeinsprachlich verwendet. Industriestaat gilt als Begriff zur Abgrenzung gegenüber den Schwellenländern und den Entwicklungsländern. Als Definition kann eher eine Negativabgrenzung gelten: Industriestaaten sind „reiche“ Staaten, die keine Entwicklungs- oder Schwellenländer sind.

Die Bezeichnung wird also der Bedeutung nicht mehr gerecht, da die Einteilung der Staaten vorwiegend nicht mehr nach ihrer Industrialisierung erfolgt, sondern überwiegend auf der Basis von Pro-Kopf-Einkommen bzw. nach dem Bruttonationaleinkommen-pro-Kopf. Staaten mit einem hohen Dienstleistungssektor (Anteil zwischen 60 bis 75 %) nehmen dabei in der Rangfolge einen zumeist vorderen Platz ein. In Veröffentlichungen werden deshalb Begriffe wie „OECD-Staaten und übrige marktwirtschaftlich organisierte Industriestaaten“, „advanced economies“, „reiche Staaten“ oder „Staaten der Ersten Welt“ gebraucht. Die zuletzt genannten Bezeichnungen oder auch „Wirtschaftsstarke Staaten“ sind treffender. Die treffende Bezeichnung für Staaten mit überwiegender Dienstleistungswirtschaft wäre Dienstleistungsstaat.

Erste Welt

Der Begriff „Erste Welt“ wurde auch im Kalten Krieg für die kapitalistischen Länder gebraucht, während die kommunistischen Länder als Zweite Welt bezeichnet wurden. Dieser Begriff hat seit Ende des Ost-West-Konflikts keine Bedeutung mehr.

Weltbankkriterien

Die Weltbank differenziert 2004 die Staaten nach Einkommen und Bruttosozialprodukt (BSP):

Gruppe Bruttonationaleinkommen BSP in Mrd. Bevölkerung
hoch 32.040 $ pro Einwohner 32.064 $ = 80 % 1,0 Mrd. = 15,9 %
mittel 2.190 $ pro Einwohner 6.594 $ = 17 % 3,0 Mrd. = 47,6 %
niedrig 510 $ pro Einwohner 1.184 $ = 3 % 2,3 Mrd. = 36,5 %
Gesamt 6.280 $ pro Einwohner 39.833 $ = 100 % 6,3 Mrd. = 100,0 %

Weitere Kriterien

Als weitere Kriterien der Einteilung von Staaten könnten auch gelten: Geringere Differenz in der Einkommens- und Vermögensverteilung, ausgeglichene Handelsbilanz, geringerer Auslandsverschuldung, niedrigere Arbeitslosigkeit, gute Infrastruktur, hohe Investitionstätigkeit, guten Handelsbedingungen (Terms of Trade), aber auch positive demographische Merkmale, höhere Lebenserwartung, bessere Gesundheit, höherer Bildungsstand, politische Stabilität oder bessere ökologische Bedingungen. Tatsache ist aber, dass zur begrifflichen Abgrenzung von Staaten fast ausschließlich das ökonomische orientierte Bruttonationaleinkommen-pro-Kopf dient.

Von verschiedenen Seiten (zum Beispiel Weltbank, OECD, IWF, EG) wurden in den letzten Jahrzehnten Listen mit Schwellen- oder Entwicklungsländern erstellt. Eine verbindliche Liste gibt es jedoch nicht, die Zahlen in den Listen schwanken erheblich und die Festlegungen sind auch politisch gekennzeichnet. Allgemeingültige, messbare und akzeptierte Normen fehlen.

Im Jahre 1990 wurde vom UNDP (United Nations Development Programme), dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen, der Versuch unternommen, ein differenziertes Bewertungskonzept zu entwerfen. Dabei sollten zunehmend auch soziale Faktoren berücksichtigt werden. Der Human Development Index (HDI) wird im jährlich vom UNDP herausgegebenen Human Development Report (HDR) veröffentlicht. Seit der Mitte der 90er Jahre wird jedoch, auf Bitten Indiens, der in Kritik geratene HD-Index in offiziellen UN-Dokumenten nicht mehr erwähnt.

Heutige Industriestaaten

OECD Staaten, 2010
  • 20 Gründerstaaten
  • 14 Beitrittstaaten
Länder nach Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf, 2006

Als Industriestaaten gelten heute die 34 Mitgliedstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD): Australien, Belgien, Chile, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Island, Israel, Italien, Japan, Kanada, Luxemburg, Mexiko, Neuseeland, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Schweiz, Slowakei, Slowenien, Spanien, Südkorea, Tschechien, Türkei, Ungarn, Vereinigte Staaten und Vereinigtes Königreich. (Mit Russland wurden Beitrittsverhandlungen aufgenommen).

Auch Argentinien, Südafrika, Kroatien, Rumänien, Lettland, Litauen, Malta, Russland, Singapur, Republik China (Taiwan), Zypern sowie die Ölförderländer Katar, Bahrain, Kuwait, Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate können der Kategorie der Industriestaaten zugerechnet werden.

Einige europäische Kleinstaaten können in den Bereichen von speziellen Dienstleistungen (vor allem im Versicherungs- und Finanzsektor) einen hohen Entwicklungsstand aufweisen, welcher ihren hohen sozialen Standard begründet. Dazu zählen Andorra, Liechtenstein, Monaco und San Marino. Auch in Luxemburg liegt der Anteil, den die Industrie zur Wirtschaftskraft beiträgt, mit etwa 17% deutlich weniger als in den meisten Staaten, die als Industriestaaten bezeichnet werden.

Alle oben genannten Staaten hatten 2004 ein Pro-Kopf-Bruttonationaleinkommen von über 10.000 Dollar bezogen auf die Kaufkraftparität (PPP-$: Purchasing Power Parity)[2] (siehe Liste der Länder nach Bruttoinlandsprodukt pro Kopf).

Staaten wie Brasilien, Costa Rica, Malaysia, Thailand und Venezuela entwickeln sich als Schwellenländer zunehmend zu Industriestaaten.

Daneben existieren die schwer einzuordnenden Transformationsländer, viele Staaten der ehemals realsozialistischen Zweiten Welt, dazu zählen unter anderem Albanien, Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Mazedonien, Moldawien, Montenegro, Serbien, Ukraine und Weißrussland. Viele dieser Länder sind keine Schwellenländer mehr, haben aber auch noch nicht den Status der Industriestaaten erreicht.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. [1]
  2. Klassifizierung der Weltbank basierend auf dem Pro-Kopf Bruttonationaleinkommen

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