Winfred Gaul

Winfred Gaul

Winfred Gaul (* 9. Juli 1928 in Düsseldorf; † 3. Dezember 2003 in Düsseldorf-Kaiserswerth; eigentlich Winfried Gaul) war ein deutscher Künstler des Informel und der analytischen Malerei.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Geboren in Düsseldorf, verbrachte Gaul wegen der Versetzung seines Vaters als Lehrer nach Ostpreußen dort von 1931 bis 1944 seine Kindheit und Jugend. Noch kurz vor Kriegsende wurde er 1944 als 16-Jähriger als Soldat an die Ostfront eingezogen.

Nach seinem Abitur 1948 in Düsseldorf begann Gaul eine Bildhauerlehre. Von 1949 bis 1950 studierte er Kunstgeschichte und Germanistik an der Universität Köln. Von 1950 bis 1953 studierte er an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart bei Willi Baumeister und Manfred Henninger. Es folgte ein Aufenthalt in Paris, bei dem er Jean-Pierre Wilhelm und Pierre Restany kennenlernte. Ein Schlüsselerlebnis wurde für ihn die Begegnung mit Werken von William Turner in der Tate Gallery in London in der Anfangszeit seiner Malerei.[1]

1955 richtete er in Düsseldorf-Kaiserswerth sein Atelier ein und schloss sich der Gruppe 53 an, einem Kreis von Künstlern des Informel, mit denen er gemeinsam im In- und Ausland ausstellte. 1958 erhielt er den Preis des Kulturkreises im Bundesverband der Deutschen Industrie und 1964 den Villa Romana Preis für Malerei. 1964/65 lehrte er an der Bremer Staatlichen Kunstschule und 1965/66 als Visiting Lecturer an der Bath Academy und am Regional College of Arts in Hull. 1984 ernannte ihn der Minister für Wissenschaft und Forschung des Landes NRW zum Professor h.c.. 1994 wurde er mit dem Lovis-Corinth-Preis ausgezeichnet.

Gaul war mit der Künstlerin Annah (d. i. Barbara Gaul) verheiratet und lebte mit ihr in Ligurien, Antwerpen und Kaiserswerth. Er ist auf dem Friedhof in Düsseldorf-Kalkum beigesetzt.

Werk

Dank Gauls „lebenslangem Experimentieren mit den Mitteln der Form und Farben“[2] lassen sich in seinem Schaffen mehrere Phasen unterscheiden. Bereits in der Phase seiner frühen informellen Arbeiten (1955-59) entstanden die skripturalen „Poèmes Visibles“ (gemalte Gedichte) und „Farbmanuskripte“ (1956-60).[3] Diesen folgte die Phase der „Wischbilder“ und „weißen Bilder“ (1959-61). In den späteren 1960er Jahren entstanden die plakativen „Signale & Verkehrszeichen“, bevor er sich in den 1970er Jahren der „analytischen Malerei“ mit der Werkgruppe „Markierungen“[4] und wiederum später der Serie „Recycling“ (ab 1981) zuwandte. Auch mehrteilige Bilder (Dyptichen und Tryptichen)[5] sowie Bilder „ohne rechten Winkel“[6] gehörten zu seinem Repertoire.

Seine erste bedeutende Einzelausstellung fand 1957 in der auf das Informel spezialisierte, von Jean Pierre Wilhelm und Manfred de la Motte geführten Düsseldorfer Galerie 22 statt. 1957 erfolgte auch der erste Museumsankauf. Die Kunsthalle Mannheim kaufte aus der von ihr kuratierten Ausstellung „Eine neue Richtung in der Malerei“ Gauls Bild „Pracht der Zerstörung“.

Es folgten zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen in Galerien und Museen des In- und Auslands. Hervorzuheben sind von diesen die documenta II 1959 und die documenta 6 1977 in Kassel, auf denen Gaul 1959 mit drei informellen Bildern, 1977 mit Arbeiten aus der Serie „Farbmarkierungen“ vertreten war.

Das Museum am Ostwall, Dortmund, veranstaltete zwei Jahre nach seinem Tod, vom 3. Juli bis 2. Oktober 2005, eine große Retrospektive seiner Werke von 1958 bis 2003.[7] In der großen repräsentativen Ausstellung Le grand geste! Informel und abstrakter Expressionismus 1946-1964, die das museum kunst palast 2010 in Düsseldorf präsentiert, ist Gaul mit mehreren informellen Bildern vertreten.[8]

Viele seiner Veröffentlichungen und Ausstellungskataloge enthalten Aufzeichnungen und Notate zur künstlerischen Erfahrung und Selbstreflexion, die neben dem malerischen auch Gauls schriftstellerisches Talent erkennen lassen.

„Die Anfänge des Informel standen ganz im Zeichen von Revolte und Anarchie. Wir rebellierten gegen den Versuch, die alte Ordnung wieder zu etablieren, die sich als unfähig erwiesen hatte, die Menschheit gegen den Braunen Terror zu schützen. Als Maler protestierten wir in der Sprache der Malerei: gegen die Komposition, gegen die Zeichnung, gegen die Figur, gegen das Abbild, gegen das Gewohnte und Tradierte.“

Winfred Gaul: 1987, Picasso und die Beatles, S. 76.

Schriften, Ausstellungskataloge, Werkverzeichnis

  • Winfred Gaul: Picasso und die Beatles. Verlag bei Quensen, Lamspringe 1987.
  • Winfred Gaul: Notizen und Bilder. Eremiten-Presse, Düsseldorf 1989.
  • Winfred Gaul: Die Malerei ist eine eifersüchtige Geliebte. Eremiten-Presse, Düsseldorf 1992.
  • Winfred Gaul: Das Frühwerk. DruckVerlag Kettler, Bönen/Westfalen 1997.
  • Winfred Gaul: Ohne rechten Winkel. Malerei 1964-1989. Von der Heydt Museum, Wuppertal 1998.
  • Winfred Gaul: Recycling 1981-1997. DruckVerlag Kettler, Bönen/Westfalen 1999.
  • Winfred Gaul: Nachts im Atelier allein. Malerei auf Papier. 50 Arbeiten. Mit Notaten des Künstlers. Radius-Verlag, Stuttgart 2001.
  • Geplante Malerei (Ausstellungskatalog). Westfälischer Kunstverein, Münster 1974.
  • Siegfried Gnichwitz (Hrsg.): Winfred Gaul. Unterwegs zum Bild. Fragmente, Skizzen, Experimente. Kettler Kunst, Bönen/Westfalen 2003.
  • Angela Madesari: Winfred Gaul. Die Linie. Ausstellungskatalog der Galleria Bianconi, Milano 2011.
  • Manfred de la Motte (Hrsg.): Winfred Gaul. Arbeiten 1953-1961. Galerie Hennemann, Bonn 1979.
  • Kurt Wettengl (Hrsg.): Winfred Gaul. In Bildern denken. Malerei von 1958 bis 2003. Mit Beiträgen von Lothar Romain und Jürgen Weichardt. Museum am Ostwall, Dortmund 2005.
  • Lothar Romain: Winfred Gaul. Werkverzeichnis Band I: 1949-61, Band II: 1962-83. Düsseldorf 1991 und 1993.

Literatur über Gaul

  • Nicola Carola Heuwinkel: Entgrenzte Malerei. Art Informel in Deutschland. Kehrer, Heidelberg-Berlin 2010 (darin Kapitel über W. Gaul: Spannung zwischen Linie und Farbe, S. 194-204, sowie zahlreiche Abbildungen).
  • Lothar Romain: Winfred Gaul. Der Maler. Hirmer Verlag, München 1999.
  • Walter Vitt; Vom Reden über Kunst. Kunst, Künstler und Kunstvermittler. Redetexte aus über zwei Jahrzehnten. Steinmeier, Deiningen 2010 (darin Kapitel über W. Gaul: Winfred Gaul - Nordhorn 1972, S. 416-420).

Einzelnachweise

  1. Nicola Carola Heuwinkel: Entgrenzte Malerei. Art Informel in Deutschland. Kehrer, Heidelberg-Berlin 2010, S. 195.
  2. Jürgen Weichard: Malerei in mehreren Phasen. In: Begegnung mit Winfred Gaul. Werkverzeichnis des Künstlers aus der Sammlung Ingrid und Willi Kemp. Düsseldorf 1989, S. 16.
  3. Siehe dazu Winfred Gaul: Poème Visibles, Poèmes Découpèes, Farbmanuskripte. In: Ders.: Picasso und die Beatles. Verlag bei Quensen, Lamspringe 1987, S. 215f. / Walter Israel: Skriptur als Bildstruktur. Gauls intellektuelle Lust am Schriftgestus. In: Winfred Gaul: Das Frühwerk. DruckVerlag Kettler, Bönen/Westfalen 1997, S. 21-42.
  4. Siehe dazu Angela Madesari: Winfred Gaul. Die Linie. Ausstellungskatalog der Galleria Bianconi, Milano 2011.
  5. Jürgen Weichard: Dyptichen und Tryptichen im Werk von Winfred Gaul. In: Ausstellungskatalog Malerei in 2.3. n. Phasen. Galerie Schüppenhauer, Köln 1988, S. 3-8.
  6. Ausstellungskatalog: Winfred Gaul: Ohne rechten Winkel. Malerei 1964-1989. Hrsgg. von Sabine Fehlemann, Von der Heydt Museum, Wuppertal, 6. September bis 18. Oktober 1998.
  7. Ausstellungskatalog: Winfred Gaul. In Bildern denken. Malerei von 1958 bis 2003. Hrsgg. von Kurt Wettengl mit Beiträgen von Lothar Romain und Jürgen Weichardt. Museum am Ostwall, Dortmund 2005.
  8. Ausstellungskatalog: Le grand geste! Informel und abstrakter Expressionismus 1946-1964. museum kunst palast, Düsseldorf, 10. April bis 1. August 2010.

Weblinks


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