Zivilverfahren (Österreich)

Zivilverfahren (Österreich)
Zivilverfahren
  Erkenntnisverfahren
  Zivilprozess
(streitiges Verfahren)
Außerstreitverfahren
(Verfahren außer Streitsachen)
Vollstreckungsverfahren
  Exekutionsverfahren
Insolvenzverfahren

Das Zivilverfahren, auch zivilgerichtliches Verfahren genannt, umfasst in Österreich alle zivilrechtlichen Verfahren der ordentlichen Gerichtsbarkeit, also alle Formen der Geltendmachung von privatrechtlichen Ansprüchen oder Rechten.

Das Zivilverfahren (Judikative) ist vom Verwaltungsverfahren (Exekutive) zu unterscheiden. Die Abgrenzung erfolgt nach der Subjektionstheorie.

Ein Zivilverfahren kann grundsätzlich aus zwei Abschnitten bestehen, dem Erkenntnisverfahren und dem Vollstreckungsverfahren.

Inhaltsverzeichnis

Erkenntnisverfahren

Im Erkenntnisverfahren stellt das Gericht den zugrundeliegenden Sachverhalt fest und wendet auf ihn die entsprechenden Rechtsnormen an. Oft findet eine mündliche Verhandlung statt, in der die Parteien gehört werden und ein Beweisverfahren durchgeführt wird. Das Erkenntnisverfahren endet meist – sofern kein Vergleich oder Ähnliches zustandekommt – mit einem Urteil, das (bei Leistungsurteilen) einen Exekutionstitel schafft.

Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Erkenntnisverfahren, nämlich streitige und außerstreitige Verfahren (Verfahren außer Streitsachen). Das streitige Verfahren, der Zivilprozess, ist der Regelfall. Bestimmte Zivilrechtssachen, wie z. B. Obsorge über Kinder, Adoptionen, Bestellung von Sachwaltern, Verlassenschaftsverfahren oder Grundbuchverfahren werden hingegen im außerstreitigen Verfahren abgehandelt.

Streitiges Verfahren

Das streitige Verfahren richtet sich nach der Zivilprozessordnung (ZPO). Dem entsprechend wird es auch als „Zivilprozess“ bezeichnet. Es zeichnet sich dadurch aus, dass sich Kläger und Beklagter gegenüberstehen, aus gegenläufigen Interessenspositionen (kontradiktorisch) vor Gericht auftreten und mittels Anträgen auf dieses einwirken. Das Gericht gibt in seinem Urteil dem Begehren des Klägers statt oder weist es ab.

Wichtige Rechtsquellen: Zivilprozessordnung (ZPO), Jurisdiktionsnorm (JN)

Außerstreitverfahren

Das Außerstreitverfahren ist, genauer formuliert, ein „Verfahren außer Streitsachen“, d. h. ein Verfahren, das nicht ein herkömmliches streitiges Verfahren ist, sondern nach den besonderen Regeln des Außerstreitgesetzes (AußStrG) abläuft.

Außerstreitsachen sind eine heterogene Gruppe von Rechtsmaterien, die sich grob in drei Bereiche einteilen lassen:

Wichtige Rechtsquellen: Außerstreitgesetz (AußStrG), Jurisdiktionsnorm (JN)

Vollstreckungsverfahren

Das Vollstreckungsverfahren dient der Verwirklichung der Gläubigerrechte durch staatlichen Zwang. Der Anspruch des Gläubigers, der in der Regel im Erkenntnisverfahren festgestellt worden ist, wird im Vollstreckungsverfahren zwangsweise verwirklicht. Bei Leistungsurteilen kann auf das Erkenntnisverfahren das Zwangsvollstreckungsverfahren folgen. Nun wird das Urteil vollzogen, indem, je nach Exekutionsart, z. B. Sachen gepfändet und anschließend verwertet werden.

Exekutionsverfahren

Bei einem Exekutionsverfahren wird die Exekution auf einzelne Vermögensstücke des Schuldners betrieben (Spezialexekution). Es gilt das Prioritätsprinzip: Die Gläubiger werden nach ihrem Rang befriedigt.

Wichtigste Rechtsquelle: Exekutionsordnung (EO)

Insolvenzverfahren

Ein Insolvenzverfahren kann in Form eines Konkursverfahrens oder in Form eines Ausgleichsverfahrens stattfinden.

Konkursverfahren

Bei einem Konkursverfahren wird Exekution auf das gesamte Vermögen des Gläubigers geführt (Generalexekution). Es gilt das Paritätsprinzip: Die Gläubiger werden anteilig (quotenmäßig) befriedigt.

Wichtigste Rechtsquelle: Konkursordnung (KO)

Ausgleichsverfahren

Das Ausgleichsverfahren zielt hingegen auf die Sanierung des Schuldners ab und ist mit einem teilweisen Forderungserlass verbunden.

Wichtigste Rechtsquelle: Ausgleichsordnung (AO)


Das Vollsreckungsverfahren
Merkmal Exekutionsverfahren Insolvenzverfahren
Umfang des Vermögenszugriffs: Spezialexekution oder Singularexekution:
Vollstreckung erfolgt in einzelne Vermögensobjekte des Schuldners.
Generalexekution oder Universalexekution:
Vollstreckung umfasst das gesamte Schuldnervermögen.
Stellung des Gläubigers richtet sich nach: Prioritätsprinzip:
rasch handelnde Gläubiger werden vorrangig befriedigt.
Paritätsprinzip:
Gläubiger werden gleich behandelt (ausgenommen bevorzugte Gläubiger).
Umfang der Gläubigerbefriedigung: Prioritätsprinzip:
Umfang richtet sich nach dem Zeitpunkt der Exekutionsbewilligung
Perzentualität:
Quotative Befriedigung, die dem Verhältnis der Aktiven zu den Passiven des Schuldnervermögens entspricht.
Voraussetzung: Zahlungsfähigkeit des Schuldners/Verpflichteten Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Gemeinschuldners
Verfahrenszweck: Befriedigung von Gläubigerforderungen Regelung der Insolvenzsituation durch bestmögliche Gläubigerbefriedigung bzw. Sanierung
Ziele: * Geldexekution
* Naturalexekution
* Exekution zur Sicherstellung
* Liquidation
* Sanierung
* Reorganisation

Literatur

  • Rechberger/Simotta: Zivilprozessrecht – Erkenntnisverfahren. 6. Aufl.
  • Matthias Neumayr: Das neue Außerstreitverfahren. 1. Aufl.
  • Hannes Seiser: Exekutionsrecht. 6. Aufl.
  • Herbert Fink: Insolvenzrecht. 5. Aufl.
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