Zwittertum

Zwittertum

Hermaphroditismus oder Zwittrigkeit bzw. Zwittertum bezeichnet in der Biologie das Vorkommen von doppelgeschlechtlichen Individuen, also Individuen mit männlicher und weiblicher Geschlechtsausprägung und die sowohl männliche als auch weibliche Keimzellen ausbilden, bei einer Art. Bei (meist unvollständig) doppelgeschlechtlichen Individuen von Arten, bei denen die Getrenntgeschlechtlichkeit der Regelfall ist, spricht man dagegen von Pseudohermaphroditismus oder Intersexualität, wobei letzterer Begriff heute vornehmlich beim Menschen verwendet wird. Die Individuen selbst werden als Hermaphroditen oder Zwitter bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Hermaphroditismus bei Pflanzen

Tulpenblüte mit männlichen (Staubbeutel) und weiblichen (Fruchtknoten) Geschlechtsorganen

Insbesondere im Pflanzenreich ist die Zwittrigkeit weit verbreitet. Bei Samenpflanzen unterscheidet man zwei Arten der Zwittrigkeit: Einhäusige Pflanzen haben auf einer Pflanze sowohl männliche als auch weibliche Blüten, echt zwittrige Pflanzen haben nur eine Art von Blüten, in denen sich gleichzeitig männliche und weibliche Geschlechtsorgane befinden. Über verschiedene Strategien der Selbstinkompatibilität wird eine Eigenbefruchtung bei den meisten Arten vermieden.

Hermaphroditismus bei Tieren

Bei Tieren kommt Hermaphroditismus vor allem bei wirbellosen Tieren wie den Regenwürmern oder Nesseltieren vor. Unter den Schnecken sind nur die Landlungenschnecken und manche Süßwasserschnecken zwittrig.

Hermaphroditismus stellt bei Tieren einen normalen Teil des Lebenszyklus dar. Häufig sind Hermaphroditen hier die sich sexuell fortpflanzenden Tiere innerhalb einer sich ansonsten asexuell vermehrenden Art. Innerhalb der Wirbeltiere ist Hermaphroditismus vor allem bei verschiedenen Fischarten (Serranus), seltener bei Landwirbeltieren (einzelne Unken und Krötenarten) zu finden. Hier hat gewöhnlich das Männchen am oberen Ende des Hodens einen rudimentären Eierstock; hingegen besitzt das Weibchen bisweilen einen rudimentären, nicht funktionierenden Hoden. Auch bei den Karpfen und einigen anderen Fischen kommt dies gelegentlich vor.

Hermaphroditismus in der Humanmedizin

In der Medizin ist Hermaphroditismus eine heute wenig gebräuchliche Bezeichnung für Menschen mit nicht eindeutigen körperlichen Geschlechtsmerkmalen. Die systematische und korrekte Bezeichnung ist Intersexualität, obwohl auch heute einige Betroffene die Bezeichnung Hermaphrodit vorziehen.

Klassifikation nach ICD-10
Q56 Unbestimmtes Geschlecht und Pseudohermaphroditismus
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

In der Regel ist bei Intersexualität das Geschlechtsorgan ungewöhnlich verformt, u.a. eine Klitoris vergrößert, selten ist die Bestimmung des Geschlechts visuell unmöglich. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde dies bald nach der Geburt operativ korrigiert und damit ein geschlechtstypisches Aussehen hergestellt; mittlerweile ist diese Praxis umstritten.[1]

Pseudohermaphroditismus

Unter dem Begriff Pseudohermaphroditismus versteht man Zustände, bei denen das chromosomale Geschlecht und das gonadale Geschlecht (die inneren Geschlechtsorgane) nicht mit dem Aussehen der Genitalien (dem genitalen Geschlecht), sowie den sekundären Geschlechtsmerkmalen übereinstimmen. Man spricht auch häufig von Androgynität. Klinisch kommt es zum Auftreten eines virilisierten weiblichen oder eines mangelhaft virilisierten männlichen Genitales.

Es gibt zwei Arten des Pseudohermaphroditismus: masculinus (männlich) und femininus (weiblich). Beim männlichen Pseudohermaphroditismus ist das gonadale Geschlecht männlich, das äußere Erscheinungsbild aber weiblich (Ursache z. B. Komplette Androgenresistenz), während es beim weiblichen Pseudohermaphroditismus umgekehrt ist (Ursache z. B. Adrenogenitales Syndrom).

Psychischer Hermaphroditismus

Als psychischer Hermaphroditismus bezeichnet man Menschen, die sich nicht ausschließlich mit einem der beiden Geschlechter identifizieren können, sondern nur mit beiden zugleich (siehe auch Drittes Geschlecht).

Etymologie und Wortgeschichte

Das Wort Hermaphrodit ("zweigeschlechtliches Wesen") leitet sich von Hermaphroditos ab, einer Figur aus der griechischen Mythologie. Ovid beschrieb in seinen Metamorphosen, wie aus dem Sohn Aphrodites und Hermes' durch die feste Umarmung der verliebten Nymphe Salmakis ein zweigeschlechtliches Wesen entstand, und deutet dies als Ätiologie der Zwitterbildung.

Im Englischen sind im 18. Jahrhundert als korrumpierte Formen von engl. hermaphrodite auch mophrodite und (durch Metathesis) morphodite entstanden, wovon die letztere Form auch heute noch besonders in Umgangssprache und Slang gebräuchlich ist zur Bezeichnung einer zweigeschlechtlichen Person, einer Person mit unbestimmter Geschlechstzugehörigkeit oder eines Homosexuellen[2]. In deutschen Übersetzungen aus dem Englischen wird morphodite mit Morphodit wiedergegeben, das im Deutschen ansonsten aber nicht gebräuchlich ist.

Siehe auch

  • Dichogamie (Proterandrie, Proterogynie, Protogynie)

Literatur

  • Spektrum Lexikon der Biologie auf CD-ROM. Spektrum-Verlag Heidelberg 2003

Einzelnachweise

  1. Andrea Brandt, Barbara Supp: Und Gott schuf das dritte Geschlecht. Hamburg 2007.
  2. Frederic G. Cassidy u.a. (Hrsg.): Dictionary of American Regional English, Bd. III, Harvard University Press, Cambridge (Mass.) 1996, S. 661 s.v. "morphodite"

Weblinks


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