- Étienne Geoffroy Saint-Hilaire
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Étienne Geoffroy Saint-Hilaire (* 15. April 1772 in Étampes; † 19. Juni 1844 in Paris) war ein französischer Zoologe.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Saint-Hilaire wurde im Dorf Étampes in der Nähe von Paris, als das jüngste von vierzehn Kindern geboren. Sein Vater Gerard Jean Geoffroy war Rechtsanwalt. Der junge Geoffroy Saint-Hilaire (dies ist sein voller Nachname) schlägt zunächst eine kirchliche Laufbahn ein. Hilaire besucht das Collège d'Étampes und studiert anschließend am Collège de Navarre in Paris. Dort förderten Abbé de Tessier und der Botaniker Antoine de Jussieu (1686–1758) seine Auseinandersetzung mit der Naturlehre. Seine ursprünglichen klerikalen Interessen verlagerten sich abrupt mit dem Beginn der Französischen Revolution (1789 bis 1799). So folgte er der Empfehlung seines Vaters und nahm das Jurastudiums auf. Er erhielt sein Diplom im Jahre 1790. Im August 1792 wurden verschiedene seiner Lehrer und Kollegen von Jakobinern verhaftet; er unternahm – unter Einsatz seines Lebens – einen Befreiungsversuch, der nur teilweise gelang. Später 1788 absolviert er dennoch einen Abschluss in der Theologie und wird vorübergehend Kanonikus in der Gemeinde Sainte Croix in seiner Heimatstadt[1]. Dann folgte er seinen eigentlichen Neigungen zur Medizin und den Naturwissenschaften und begann am Collège du Cardinal Lemoine zu studieren.[2] Es waren die Veranstaltungen des Professors für Naturgeschichte Mathurin Jacques Brisson (1723–1806), die ihn beeinflussten. Aber auch viele andere Wissenschaftler seiner Zeit, René-Just Haüy (1743–1822), Antoine Laurent de Lavoisier (1743–1794) und Claude-Louis Berthollet (1748–1822).
Danach besuchte er die Vorlesungen von Louis Jean-Marie Daubenton (1716–1799) am Collège de France und Antoine François de Fourcroy (1755–1809) im Jardin des Plantes. Im März 1793 bot ihm Louis Jean Marie Daubenton, durch die Intervention von Jacques Henri Bernardin de Saint-Pierre (1737–1814), die Position eines Assistenzanwärters sous-garde et d'assistant in dem Muséum national d'histoire naturelle an. Durch das am 10. Juni 1793 verabschiedete Gesetz wird der ursprüngliche Jardin du Roi (königlicher Garten) in das Muséum national d'histoire naturelle umgewandelt, und Hilaire wird einer der zwölf ernannten Professoren dieses neu konstituierten Museums. Ihm wurde der Lehrstuhl für Zoologie zugewiesen. Im selben Jahr beschäftigte er sich mit der Bildung einer Menagerie an der Einrichtung[3]. Dort lernte er den Naturhistoriker Jean-Baptiste Lamarck (1744–1829) kennen und verschaffte dem noch unbekannten Georges Cuvier (1769–1832) eine Stelle als Assistent. Durch dieses Trio hatte das Museum großen Einfluss auf die Entwicklung der Paläo-Biologie im 19. Jahrhundert, siehe auch Pariser Akademiestreit von 1830.
Gemeinsam mit Cuvier schrieb Hilaire fünf Artikel über die Naturgeschichte (Sur la classification des mammifères, 1795). In seiner Schrift Histoire des Makis, ou singes de Madagascar (1796) brachte er erstmals seine Ansicht von einem einheitlichen Plan in der Entwicklungsgeschichte der Lebewesen zum Ausdruck. Er begleitete Napoléon Bonapartes Truppen von 1798 bis 1801 als Wissenschaftler nach Ägypten (Ägyptische Expedition).
Sein Sohn Isidore Geoffroy Saint-Hilaire wurde am 16. Dezember 1805 in Paris geboren[4][5].
Im September 1807 wurde er Mitglied der französischen Akademie der Wissenschaften. Von 1809 an beschäftigte er sich als Professor für Zoologie an der Universität Paris intensiv mit Anatomie. 1818 erschien der erste Teil seiner Philosophie anatomique, dem vier Jahre später der zweite Teil folgte.
In seinen späten Lebensjahren befasste sich Hilaire vor allem mit organischen Missbildungen. 1840 erblindete er, einige Monate später erlitt er einen Schlaganfall und gab seine Ämter auf[6].
Wissenschaftliche Leistungen
In der Philosophie anatomique (1818–1822) entwickelte Hilaire die Theorie, dass der Körperbau von Wirbeltieren und Wirbellosen einen gemeinsamen Grundbauplan aufweist. Da es – nach seiner Ansicht – in der Entwicklung der Arten keine Sprünge gegeben hat, müssten selbst überflüssig gewordene Organe heute noch als Rudimente aufzufinden sein (wie etwa das os intermaxillare, das Goethe beim Menschen entdeckte).
Hilaire versuchte den Körperbau der Wirbeltiere und Wirbellosen zu analogisieren und gelangte so zu einer Theorie der Einheit des Bauplans unité de plan, zu einer Theorie von den Analogien (modern als Homologien bezeichnet), woraus er schloss, dass die Entwicklung der Lebewesen von einem einzigen Bauplan hergeleitet werden könne. Durch diese Hypothese geriet er aber mit Georges Cuvier (1769–1832) in Streit, bekannt als Pariser Akademiestreit (1830–1832), der eine Aufspaltung in vier verschiedene und unabhängige Grundbaupläne im Tierreich postulierte. Der Disput wurde europaweit verfolgt, auch Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) - mit dessen Ansichten Hilaire weitgehend übereinstimmte – schaltete sich ein. Sein früherer Mitstreiter G. Cuvier war ferner ein Verfechter der Katastrophentheorie oder Kataklysmentheorie.
Hilaire entdeckte viele Ähnlichkeiten zwischen verschiedensten Wirbeltieren und gelangte zur Überzeugung, dass die Vögel von urzeitlichen Reptilien abstammten. Er war somit der erste, der eine fortdauernde Entwicklung zwischen fossilen und rezenten Lebewesen postulierte. Andererseits glaubte er nicht daran, dass es in der Gegenwart noch Artenentwicklung gebe.
Durch verschiedene Experimente erkannte er, dass Umwelteinflüsse Missbildungen bei Embryos von Wirbeltieren auslösen können. Er gilt zusammen mit Johann Friedrich Meckel von Helmsbach (1781–1833) als Begründer der Teratologie,[7] der Lehre der Missbildungen.
Im Jahre 1822 schlug er vor, dass die Segmente der Gliederfüßer und die Wirbelsäule der Säugetiere jeweils Beispiele für einen einheitlichen Organisationsplan der Tiere sind. Diese Überlegung ist im Hinblick auf die Wirkung der Hox-Gene, einer Familie von regulativen Genen, deren Genprodukte als Transkriptionsfaktoren, die Aktivität anderer, funktionell zusammenhängender Gene im Verlauf der Individualentwicklung (Morphogenese) steuern, durchaus aktuell[8].
Durch seine vergleichenden Untersuchungen in Anatomie, Paläontologie und Embryologie gab Hilaire der modernen Evolutionstheorie entscheidende Anstöße.
Im übrigen führte er lebhafte Briefwechsel, z. B. mit George Sand (1804–1876), die ihn sehr bewunderte. [9] Weitere Freunde sind u. a. Jules Michelet (1798–1874) und Henri de Saint-Simon (1760–1825).
Werke
- Geoffroy Saint-Hilaire, E.: Philosophie anatomique. 1818
- Geoffroy Saint-Hilaire, E.: Histoire naturelle des mammifères. 1820–1842 - 7 Bände
- Geoffroy Saint-Hilaire, E.: Philosophie zoologique. 1830
- Geoffroy Saint-Hilaire, E.: 1821, Mémoire sur plusieurs déformations du crâne de l’Homme, suivi d’un essai de classification des monstres acéphales, Mem. Museum Hist. Nat., VII, 85-162.
- Geoffroy Saint-Hilaire, E.: 1822, Des faits anatomiques et physiologiques de l’anencéphalie, observés sur un anencéphale humain né à Paris en mars 1821. Dans Philosophie Anatomique, tome II, 125-153.
- Geoffroy Saint-Hilaire, E.: 1826a, Note sur un monstre humain (anencéphale) trouvé dans les ruines de Thèbes en Egypte par M. Passalacqua, Arch. Génér. de Médecine, X, 154-126.
- Geoffroy Saint-Hilaire, E.: 1826b, Description d’un monstre humain, né avant l’ère chrétienne, et considérations sur le caractère des monstruosités dites anencéphales, Ann. Sc. Naturelles, VII, 357-381.
Literatur
- Isidore Geoffroy Saint-Hilaire: Vie, travaux et doctrine scientifique d'Étienne Geoffroy Saint-Hilaire. Bertrand, Paris 1847
- Panchen, A.L. : Étienne Geoffroy St.-Hilaire: father of „evo-devo“? Evolution & Development Volume 3, Issue 1, pages 41–46, January-February 2001 7 JUL 2008
Weblinks
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Commons: Étienne Geoffroy Saint-Hilaire – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
- Literatur von und über Étienne Geoffroy Saint-Hilaire im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Tératologie und Paleopathologie (PDF)
Einzelnachweise
- ↑ http://www.1911encyclopedia.org/Etienne_Geoffroy_Saint_Hilaire
- ↑ http://www.amphilsoc.org/mole/view?docId=ead/Mss.B.G287p-ead.xml;query=;brand=default
- ↑ http://fr.wikisource.org/wiki/Vie,_travaux_et_doctrine_scientifique_d'%C3%89tienne_Geoffroy_Saint-Hilaire
- ↑ http://correspondancefamiliale.ehess.fr/document.php?id=1378
- ↑ http://correspondancefamiliale.ehess.fr/docannexe.php?id=3464
- ↑ http://www.ucmp.berkeley.edu/history/hilaire.html
- ↑ http://www.didac.ehu.es/antropo/10/10-8/Charon.pdf
- ↑ http://www.strangescience.net/geoffroy.htm
- ↑ http://www.corpusetampois.com/cle-19-georgesand1837ageoffroysainthilaire1.html
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