ΔE

ΔE

Delta E, meist dE oder ∆E geschrieben, ist ein Maß für den Farbabstand. Als Farbabstand bezeichnet man die Entfernung zwischen einem Ist-Farbwert und einem Soll-Farbwert in einem Farbraum. Damit können Arbeiten, die sich mit Farben befassen, quantifiziert werden.

Inhaltsverzeichnis

Definition

Der Farbabstand[1] wird normalerweise als Delta E angegeben. In DIN 5033 Teil 2 wird der Begriff Farbabstand gegenüber dem Begriff Farbdifferenz bevorzugt. Gegenüber Farbunterschied steht er für die quantifizierte Form. Jeder real auftretenden Farbe, auch jeder von einem Geräte abgegebenen oder gemessenen Farbe, lässt sich in einem geeigneten dreidimensionalen Raum ein Farbort zuordnen. Diese Möglichkeit ist im Graßmannschen Gesetz begründet. Der Abstand ist die im jeweiligen Farbraum definierte kürzeste Verbindung vom Farbort der Probe zum Farbort des gewählten Vergleichs.

Ziel der Farbabstandsmessung, eine Aufgabe der höheren Farbmetrik, ist es ein Maß zu finden, das für „alle real auftretenden“ Farben „gleichabständig“ ist, angestrebt wird also ein empfindungsgenaues System.

Der Wert von Delta E wird entsprechend der Festlegungen in ISO 12647 und ISO 13655 als euklidischer Abstand nach dem Satz des Pythagoras im dreidimensionalen Raum berechnet:

\Delta E_{\rm a{,}b}=\sqrt{\Delta L^2+\Delta a^2+\Delta b^2}

Wobei ΔL = L1L2, Δa = a1a2 und Δb = b1b2 ist. Die Sterne bei L*, a*, b* sind der Einfachheit halber in der Formel weggelassen.

Die Einheit von Delta E ist somit „1“.

Notwendigkeit

Ein wichtiges und praktisches Problem der Beurteilung von Farben ist die Gleichabständigkeit. Das Ziel ist die „numerische Angabe“ eines Farbabstandsmaßes solcher Art, dass gleiche Zahlen in allen Farbnuancen einem von (möglichst allen) Menschen empfundenen gleichen Farbabstand entsprechen. In der betrieblichen Praxis und der Standardisierung ist die Angabe von Toleranzen üblich und notwendig. Auf Farben angewandt bedeutet dies, dass ein festgehaltener Farbabstand ΔE für jeden Farbton, jeden Träger und jeden Zustand gleich sein sollte, sodass in Lieferbedingungen Toleranzen zu Farbangaben möglich sind. Diese Bedingung war für den Lab-Farbraum erstmals hinreichend gegeben. In der älteren xy-Farbtafel („Schuhsohle“) war Gleichabständigkeit so nicht möglich. Lange Zeit war dies Gegenstand von Verbesserungen und Weiterentwicklungen. Bereits David MacAdam stellte bei Versuchen zur Empfindung von Farbabständen Toleranzellipsen fest, deren Richtung und Größe vom Farbort abhängig sind.  \Delta E = \sqrt {(L^*_p - L^*_v)^2 + (a^*_p - a^*_v)^2 +(b^*_p - b^*_v)^2}

Bewertung von ΔE

Für Farbdifferenzen ΔE als euklidischer Abstand der L*a*b*-Werte (oder aus den Polarkoordinaten L*C*h*) wird üblicherweise die in der folgenden Tabelle benannte Beurteilung angegeben. (siehe dazu Entwicklung der Abstandsformeln)

ΔE Bewertung
0,0 … 0,5 kein bis fast kein Unterschied
0,5 … 1,0 Unterschied kann für das geübte Auge bemerkbar sein
1,0 … 2,0 merklicher Farbunterschied
2,0 … 4,0 wahrgenommener Farbunterschied
4,0 … 5,0 wesentlicher Farbunterschied, der selten toleriert wird
oberhalb 5,0 die Differenz wird als andere Farbe bewertet

Im CMC-System wird der Wert ΔE = 1, als „noch tolerierbare Farbabweichung“ notiert. Da Farbräume trotz der erreichten Verbesserungen nur in der nahen Umgebung des Farbortes empfindungsgemäß sind, ist ein ΔE = 10 und höher bevorzugt als andere Farbe zu sehen.

Gras ist grün: Farbkonstanz und Farbabstand

Es gibt mehrere Studien dazu, welcher geringste Farbabstand vom gewöhnlichen Betrachter („usual user“) noch unterschieden werden kann.[2] Als Ergebnis wurden (etwas abhängig vom Untersuchungsziel) sowohl ΔE = 1, als auch ΔE = 2,5 gefunden. Bei visuellen Abmusterungen spielt auch immer die Einhaltung der Anpassungszeit ein Rolle, die von der Übung des Betrachters auf Farbunterschiede beeinflusst ist. Die menschliche Wahrnehmung ist auf Farbkonstanz geübt: "Bäume und Wiesen sind grün". Dennoch lassen sich bei genügender Aufmerksamkeit hier Farbnuancen von grünem Gelb bis zu blauem Grün finden.

Derartige Betrachtungen sind für technische System wichtig, da im Verlaufe des gesamten Farbmanagementprozesses (whole color reproduction workflow) geräte- und systembedingte Abweichungen von durchgeführten Kalibrierungen auftreten. Im gewollten Qualitätsmanagement dieses Prozesses besteht aber die Forderung, dass dem „üblichen Betrachter“ produktionsbedingte Farbdifferenzen nicht auffallen dürfen. Technisch normale Abweichungen liegen im Offset und Rollentiefdruck bei Farbabständen von 2…4 ΔE, bei Desktopdruckern und ähnlichen Ausgabegeräten können sogar höhere Abweichungen auftreten.[3][4]

Die Studie von Stokes u.a.[5] besagt, dass Fehler unter 2,5 ∆E in Realaufnahmen, die auf Röhrenbildschirmen betrachtet werden, nicht sichtbar sind.

Um verwertbare Ergebnisse bei der Beurteilung von Farbabweichungen zu bekommen, müssen die Rahmenbedingungen genau festgelegt sein. Dazu zählen unter Anderem Beleuchtungsstärke, gegebenenfalls mit Toleranzangabe, Zeit zur Helligkeits- und Farbadaptation an die Beleuchtung und an Farbe bzw. Helligkeit der nahen und weiteren Umgebung des Betrachtungsfeldes. Bei visuellen Betrachtungen dienen sog. Abmusterungskabinen zur Einhaltung der Rahmenbedingungen.

Weiterentwicklungen von Abstandsformeln

Der Lab-Farbraum ist für praktische Anwendungen nicht ausreichend gleichabständig. Bei den gesättigten Farben werden Unterschiede geringer empfunden als das ΔE erwarten lässt, Blautöne werden falsch bewertet. So wurde die Berechnung des Farbabstands mit dem Lab-Modell von der CIE weiterentwickelt. Die Modifikationen am euklidischen Abstand berücksichtigen unter anderem eine bessere Bewertung des Farbabstands im blauen Bereich und den Einfluss der Umgebungshelligkeit, die Adaptation an die Helligkeit, in einfacher Form. Auch wurde der Einfluss der Helligkeitswahrnehmung (hellere und dunklere Töne) auf das Farbempfinden neu bewertet.

ΔE94 und ΔE00 sowie CIE94 und CIEDE2000 sind die verbreitetsten Nachfolgeformeln, die sich durch teilweise sehr komplizierte Modifikationen der CIELAB-Farbabstandsformel an eine visuelle Gleichabständigkeit besser annähern. Die Anwendung dieser Modelle ist wegen der komplexen Berechnungen allerdings umständlich, es hat lange gedauert, bis sie eine breitere Anwendung finden konnten. Es gibt Softwarepakete für Bildanalyse, Farbraumtransformation und die Kalibrierung der Geräte, die diese aktuelleren von der CIE empfohlenen Farbabstandsfomeln schon verwenden.

Das Modell ΔECMC(l:c) wurde vor allem für die Textilindustrie entwickelt. Es wird in dieser Branche eingesetzt, da Besonderheiten dieser Branche, wie die Fadenstruktur von Gewebe, mit geeigneten Faktoren berücksichtigt werden.

Der neue Farbraum DIN99 ist die Alternative zu den eingeführten Formeln CIE94 und CIEDE2000. In seiner Genauigkeit vergleichbar mit beiden Farbdifferenzformeln ist die Berechnung von ΔE99 ungleich einfacher, die Berechnung des Farbabstandes ist identisch mit ΔE. Mit empfindungsgerechter Gestaltung des Farbraumes und dem somit anders beschriebenen Farbort sind euklidische Abstände möglich. Trotz seines großen praktischen Nutzens und Potentials zur Kosteneinsparung ist DIN99 in der amerikanisch dominierten wissenschaftlichen Gemeinschaft faktisch unbekannt.

Die alte ΔE-Berechnung aus LAB-Koordinaten aus den 1980er Jahren ist noch weit verbreitet, obwohl die Unzulänglichkeiten wohlbekannt sind. Das Argument die Umstellung auf bessere Farbabstandsformeln sei zu teuer, beachtet nicht die Folgekosten durch falsche Farbabstandsbewertung mit ΔE.

Dennoch ist die Ermittlung von Farbabständen für manche Zwecke unzulänglich, zumal die Qualitätsanforderungen ebenfalls steigen. So wurde mit CAM (Color Appearance Models, Modelle zur Farberscheinung) und IAM (Image Appearance Models, Modelle zur Bilderscheinung) ein neuer grundsätzlicher Ansatz gemacht, der nicht von der Berechnung über Farbkoordinaten zu Farbabständen gelangt. Die neuen Modellkategorien basieren auf der geänderten Fragestellung: "Wie erscheint eine bestimmte Farbe oder ein Bild im allgemeinen Kontext der näheren und ferneren Umgebung eines Bildes?". Dadurch sind weiterführende Schritte in Richtung wahrnehmungsgerechter Gleichabständigkeit der Farbräume und der Ergebnisse von Korrekturformeln möglich gemacht. Das Umfeld der Farbbeobachtung soll einbezogen werden, solche Kriterien sind Adaptation, HDR, Simultankontrast, die chromatische Adaptation. Ziel sind Aussagen darüber, wie ein Bild (also das Zusammenspiel der Farben) auf den Betrachter wirkt.

Anwendungen

Drucktechnik

Bei Druckerzeugnissen müssen Abstände zwischen Original und Reproduktion numerisch angegeben werden können, die auch der Empfindung von einer überwiegenden Anzahl an Betrachtern akzeptiert wird. Ziel ist es einen Zahlenwert zu erhalten, um über Farbabstand kommunizieren zu können und nachfolgend in Verträgen über Druck- und Reproduktionsdienstleistungen Toleranzen festlegen zu können.

Für die zulässigen Unterschiede zwischen Prüfdruck (Proof) und dem zu erwartendem gedruckten Ergebnis im Fortdruck sind, bestimmte Werte vorgegeben, wie etwa im Medienstandard Druck.

Dabei entspricht ein ∆E = 1 einem geringem, kaum sichtbaren Unterschied. Ein ∆E von 5 ist deutlich sichtbar. Näherungsweise ist dies ein Farbabstand wie zwischen einem Grau mit 50 % Schwarzanteil und einem solchen mit 55 % Schwarz. Der Abstand von fünf ΔE-Einheiten zwischen dem abgelieferten Druckergebnis und der gewünschten Farbe der Druckvorlage wird vom Dienstleister normalerweise einen Neudruck oder einen Preisnachlass, also einen wirtschaftlichen Verlust bringen.

Für die praktische Anwendung der Farbmessung ist der empfindungsgemäße Abstand von Bedeutung, um eine gute Übereinstimmung mit der farblichen Erfahrung zu erreichen. Allerdings kann der Farbabstand auch Maß für andere Zwecke sein, dennoch sollte der beurteilte Abstand in allen Farbarten gleichwertig sein.

metamere Farben

Der Metamerieindex gibt an, wie weit sich bedingt gleiche Farben bei unterschiedlicher Beleuchtung unterscheiden. Das Maß ist hier Delta E der untersuchten Farbe bei zwei festgelegten (geeigneten) Lichtarten.

Bei (Körper-)Farben unterscheidet man

bedingt gleich:Zwei bedingt gleiche Farben sind bei einer bestimmten Lichtart durch das Auge nicht zu unterscheiden. Man bezeichnet diese Farben auch als metamer. Die Farbvalenz ist gleich, das zugrunde liegende Spektrum ist unterschiedlich. Ein Beispiel ist die Farbdarstellung auf einem Monitor: ohne Metamerie wäre die Darstellung und Repräsentation von Farbbildern mit nur drei schmalbandigen Primärfarben (Leuchtstoffen) Rot, Grün und Blau nicht möglich.
unbedingt gleich:Zwei unbedingt gleiche Farben sehen bei allen Lichtarten gleich aus, da das Absorptionsspektrum identisch ist und damit auch die Wahrnehmung.

Farbrezeptierung

Bei der Farbnachstellung lässt sich mit dem aktuellen Farbabstand zwischen Farbmuster und Standard feststellen welche Rezepturanpassungen erfolgen müssen, um die Qualität des Farbmusters zu verbessern. Farbrezeptierung in diesem Sinne ist überhaupt erst möglich, seitdem (Körper-)Farben numerisch erfasst und quantifiziert werden können.

Dispergierbarkeit

Der Farbabstand wird als Vergleichsmaß genutzt, um die Dispergierbarkeit von Buntpigmenten beurteilen zu können.

Alterungsvorgänge

Farbige Produkte unterliegen während ihrer Lebensdauer einer Farbveränderung, wie bei der Vergilbung oder durch extreme Umwelteinflüsse. Diese Eigenschaft kann durch künstliche Alterungen getestet werden und lässt sich mittels Delta E beschreiben oder auch statistisch auswerten.

Farbsensibilität

Farbunterschieds-Empfindlichkeit unterscheidet sich vom oben beschriebenen Begriff des Farbabstandes.

Farbabstand beruht auf der Farbvalenz, jener Gewichtung des Farbreizes durch die Empfindlichkeitsfunktionen der Zapfen.

Die Farbunterschiedsempfindlichkeit hingegen beruht direkt auf dem Farbreiz, in Gestalt des elektromagnetischen Spektrums. Sie beschreibt das wellenlängenabhängige Unterscheidungsvermögen des Auges für benachbarte Farbarten. In den Bereichen der Zapfenmaxima, bei etwa 450 nm, 500 nm und 600 nm, ist dieses am größten. Hier können Unterschiede zwischen benachbarten Wellenlängen von nur einem Nanometer wahrgenommen werden.

Siehe auch

Literatur

  • Schläpfer, Kurt: Farbmetrik in der grafischen Industrie. UGRA, St. Gallen 2002, ISBN 3-9520403-1-2
  • Hunt, Robert W.G.: The Reproduction of Color. 6. Auflage, Wiley, Chicester 2004, ISBN 0-470-02425-9
  • Werner Schultze: Farbenlehre und Farbenmessung. 3. Auflage. Springer, Berlin 1975, ISBN 3-540-07214-4

Weblinks

Einzelnachweise

  1. DIN 5033-1 Abs. 18: Die Größe des empfindungsgemäßen Unterschiedes zwischen zwei Farben heißt Farbabstand.
  2. M. Has, T. Newman: Color Management: Current Practice and the Adoption of a New Standard
  3. M. Has: Regeltechnische Characterisierung von Bogenoffsetmaschinen. Forschungsbericht 3.279. FOGRA München 1993
  4. Ralf Kuron, Norbert Stockhausen: Ermittlung von Parametern zur Umrechnung von PostScriptfarbdateien in den darstellbaren Farbraum eines Ausgabegerätes. Forschungsbericht 6.403. Fogra, Muenchen 1992
  5. M. Stokes, M.D. Fairchild, R.S. Berns: Colorimetric quantified visual tolerances for pictorial images, Comparison of Color Images Presented in Different Media, Proc. Vol. 2, pp 757-777 (1992), M. Pearson ed., Tech. Assoc. Graphic Arts and Inter-Soc. Color Council

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