- Blaues Wunder
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51.05337313.810047Koordinaten: 51° 3′ 12,1″ N, 13° 48′ 36,2″ O
Blaues Wunder „Blaues Wunder“ – Blickrichtung stromab Offizieller Name Loschwitzer Brücke (1912 – heute)
König-Albert-Brücke (bis 1912)Nutzung Straßenbrücke Unterführt Elbe Ort Dresden, Deutschland Konstruktion Auslegerbrücke Gesamtlänge 280 m Breite 12 m Anzahl der Öffnungen 3 Längste Stützweite 146,68 m Baukosten 2,25 Mio. Goldmark Baubeginn 1. September 1891 Fertigstellung 1893 Freigabe 15. Juli 1893 „Blaues Wunder“ ist die volksmundliche Bezeichnung der Loschwitzer Brücke in Dresden (bis 1912: „König-Albert-Brücke“). Diese Dresdner Elbbrücke verbindet die Villen- bzw. Wohngegenden Blasewitz (linkes) und Loschwitz (rechtes Ufer) miteinander.
Das Blaue Wunder wurde 1893 als fünfte feste Elbquerung Dresdens fertiggestellt. Die denkmalgeschützte Brücke ist – nach der Marienbrücke – das zweitälteste Elbbrückenbauwerk in Dresden und eines der Wahrzeichen der Stadt. 2007 war das Blaue Wunder für die Auszeichnung Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland nominiert.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Vorgeschichte
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts strebten die anliegenden Gemeinden, insbesondere aber die Gewerbetreibenden des rechten Elbufers und die Villenbesitzer von Loschwitz eine bessere Anbindung an Dresden sowie die linkselbischen Umlandgemeinden an. Zwei 1874 von Privatleuten projektierte Brücken ließen sich nicht realisieren, da sie die Bausumme nicht aufbringen konnten. Neun Jahre später befanden sich drei Entwürfe in der Diskussion. Die Königin-Marien-Hütte schlug eine Eisenbrücke mit Parabelträgern und fünf Strompfeilern vor, Ingenieur Kitzler sah eine Hängebrücke vor und einen dritter Entwurf steuerten die Ingenieure Dr. Proell und Schwarowsky bei. Am 15. Oktober 1884 bewilligte der Landtag eine Staatsbeihilfe von 400 000 Mark und am 14. September 1886 konstituierte sich ein Brückenverband, um das Projekt voranzutreiben. Dieser beauftragte die Firma Felten & Guilleaume mit der Ausarbeitung eines weiteren Entwurfs.[1]
Felten & Guilleaume schlugen eine Kettenhängebrücke vor und dieser Entwurf erfüllte – anders als der Entwurf der Königin-Marien-Hütte – die Forderung der Schifferverbände nach einem Verzicht auf Pfeiler im Flussbett. Dagegen blieb eine Bedingung der Königlichen Wasserbaudirektion, der Claus Koepcke vorstand, unerfüllt, nämlich: „Für die drei Hauptöffnungen sind statisch bestimmte Eisenkonstruktionen zu wählen.“ Auf Betreiben der Wasserbaudirektion modifizierte die Marienhütte nun ihren Entwurf zu einer „versteiften Hängebrücke“ nach dem System Koepcke. Diesen Entwurf reichte der Brückenverband 1887 in einer Petition beim Sächsischen Landtag ein.[1]
Bau
Der Bau der Brücke begann am 1. September 1891 durch Benno Hübel, Claus Koepcke und unter der Bauleitung von Hans Manfred Krüger. Die Stahlteile der Brücke wurden in der Königin-Marien-Hütte in Cainsdorf bei Zwickau gefertigt, die bis zu ihrer Insolvenz im Jahre 2005 als Sächsische Anlagen- und Maschinenbau GmbH (SAM) firmierte. Nach weniger als zwei Jahren war der 2,25 Mio Goldmark teure Bau abgeschlossen und die feierliche Eröffnung fand am 15. Juli 1893 statt. Am selben Tag wurde die erst neun Tage zuvor eingerichtete erste elektrische Straßenbahnlinie Dresdens, vom Schloßplatz zum Schillerplatz, über die Brücke zum Körnerplatz in Loschwitz verlängert.
Nutzung und Pflege
Für die Benutzung der Brücke musste bis zur Inflation 1923 ein Brückengeld entrichtet werden:
- 2 Pfennig für Fußgänger, Straßenbahnfahrgäste, Rad- und Kraftfahrer
- 10 Pfennig kosteten Zugtiere
- 20 Pfennig für Kraftfahrzeuge
Abonnements und Sonderregelungen waren möglich. In kurzer Zeit sammelte sich ein Überschuss an, der unter anderem für die Stützmauer in der Loschwitzer Schillerstraße verwendet wurde. Sie wurde daraufhin im Volksmund „Zwee-Pfeng-Mauer“ genannt.
1935 wurde die Brücke umgebaut, um mehr Platz für die Fahrbahn zu gewinnen, indem beidseits die Gehwege auf die Außenseiten der Brücke verlagert wurden.
1945 wurde die Brücke unabhängig voneinander durch mehrere Bürger vor der Sprengung durch die auf dem Rückzug befindliche Wehrmacht gerettet. Daran erinnert heute eine Gedenktafel am stromabwärtigen Fußweg auf Blasewitzer Seite.[2]
Bis 1985 führten die Straßenbahnlinien 4 nach Pillnitz und 15 nach Loschwitz über die Brücke. Seitdem ist wegen verminderter Tragfähigkeit der Straßenbahnverkehr eingestellt und für den Kraftfahrzeugverkehr besteht eine Begrenzung auf 15 t.
2005 schlug die Linkspartei.PDS vor, die „Loschwitzer Brücke“ offiziell in „Blaues Wunder“ umzubenennen [3]. Der diesbezügliche Antrag fand im Stadtrat jedoch keine Mehrheit[4].
Durch das Stadtplanungsamt wurde eine Planung zur Beleuchtung und Anstrahlung der Brücke in Auftrag gegeben, ein im Herbst 2009 dem Stadtrat vorgelegter Entwurf sieht die Installation von LED-Lampen ab 2010 vor.[5]
Technische Beschreibung
Ihr Konstrukteur Claus Koepcke bezeichnete die Brücke als „versteifte 3-gelenkige Hängebrücke“. Tatsächlich jedoch entspricht die Konstruktion des „Blauen Wunders“ der einer Auslegerbrücke. Die insgesamt 280 m lange Auslegerfachwerkbrücke hat bei einer Breite von 12 m Feldweiten von 61,76 m, 146,68 m und 61,76 m. Die Pylone sind ab Oberkante Pfeiler ungefähr 24 m hoch. Die Zugkräfte der Obergurte sind hinter den Widerlagern in 10,7 m hohen, 20 m breiten und 15 m langen Ankerkammern rückverankert. Das Gewicht der Metallkonstruktion beträgt 3500 t.
Rezeption
Während das Blaue Wunder heute ein Wahrzeichen der Stadt Dresden darstellt, waren die Brücke und ihre Form seinerzeit Anlass für Kritik. Folgende Zitate verdeutlichen dies.
Der Bauingenieur und Dresdner Hochschullehrer Georg Christoph Mehrtens urteilte im Jahr 1900: Die Köpcke'schen Neuerungen bieten zweifellos hohes technisches Interesse. Aber die reizlosen Umrisse der durchweg vernieteten schweren Obergurte der Loschwitzer Brücke in Verbindung mit dem ungewöhnlichen Pfeilverhältnis von etwa 1/6 und der unschönen Versteifung des Mittelgelenks durch aufgelegte Trägerstücke wirken in ästhetischer Beziehung wenig befriedigend. (...) Durch den Bau einer Auslegerbrücke hätte man eine noch sicherere und dabei einfachere Konstruktion ohne Horizontalschub erhalten, deren Umrisse, wenn man sie wie bei einer Hängebrücke gestaltet, in der Landschaft günstiger wirken würden, als diejenigen der Loschwitzer Brücke[6]
Der Loschwitzer Architekt Karl Emil Scherz befand im Jahr 1933: Über das Blaue Wunder sind viele abfällige Urteile entstanden. Man bedauert, dass die Landschaft durch die Eisenkonstruktion sehr beeinträchtigt sei. Das ist richtig! (...) Das Blaue Wunder ist ein Kind seiner Zeit; es gab damals noch keinen Heimatschutz und der weittragende Eisenbeton war noch unbekannt, auch war den Ingenieuren durch die vom Landtag bewilligte und beschränkte Bausumme die Hände gebunden. – Jetzt ist nun der Zeitpunkt gekommen, wo man großzügig vorgehen sollte. Man sollte das wiedergutmachen, was vor 40 Jahren versäumt wurde und soll das Landschaftsbild wiederherstellen, wie es vor dem Brückenbau bestanden hatte. Dieses kann nur erreicht werden, wenn in absehbarer Zeit die Brücke abgebrochen und durch eine flachbögige Eisenbetonkonstruktion ersetzt wird.[7]
Name
In der Entstehungszeit war die Brücke eine der ersten dieser Spannweite aus Metall, welche keine Strompfeiler in der Elbe benötigte – unter anderem deshalb wurde sie als Wunder bezeichnet.
Der Name „Blaues Wunder“ ist auch auf die hellblaue Farbe der Brücke zurückzuführen. Bis heute hält sich das Gerücht, die Brücke sei ursprünglich grün (aus den Mischfarben Kobaltblau und Chromgelb) angestrichen gewesen, und erst durch Witterungseinflüsse (andere Quellen sprechen nur von der Sonneneinstrahlung) hätten sich die Gelbanteile verflüchtigt und nur das Blau sei übrig geblieben. Es gibt jedoch eine Reihe journalistischer und handfester Belege für die ursprüngliche Farbe Blau. So gibt es Artikel in Zeitungen aus der Zeit der Erbauung und eine Gedenkmünzprägung anlässlich der Einweihung der Brücke, in welchen die Brücke schon als „Blaues Wunder“ bezeichnet wird.[2]
Zustand und Erhaltung
Da das Blaue Wunder im Gegensatz zu den anderen Dresdner Elbbrücken weder Kriegszerstörungen erlitt noch aus anderen Gründen neu- oder umgebaut wurde, wird heute wegen der fortgeschrittenen Alterung seine dauerhafte Erhaltbarkeit hinterfragt. Die Verkehrsbelastung der Brücke ist hoch und ihre Erhaltung für Zwecke des (leichten) Fahrzeugverkehrs durch routinemäßige Pflege nur noch bis ca. zum Jahr 2030 möglich.[8]
Aus diesen Gründen wurde das „Blaue Wunder“ seit Mitte der 1990er Jahre zu einem der zentralen Diskussionsgegenstände beim Streit um die Waldschlößchenbrücke. Außer dieser wurde seitens der Landeshauptstadt keinerlei andere Entlastungs- oder Ersatzplanung vorangetrieben. Es ist aber umstritten, ob die relativ weit (ca. 2,6 Kilometer) entfernte neue Elbquerung am Waldschlösschen eine Verbesserung der Situation am „Blauen Wunder“ bewirken wird, da offizielle Prognosen nur etwa 9 % Verkehrsabnahme auf der Brücke selbst bei gleichzeitiger Zunahme des Verkehrs längs zur Elbe auf der Zufahrtskreuzung Schillerplatz um etwa 10 % vorhersagen (siehe →Dresdner Brückenstreit).
Eine über das Jahr 2030 hinausgehende Nutzung des Blauen Wunders wird zwar für möglich, aber nicht unproblematisch gehalten. Zu der Frage „Sanierung, Entlastungs- oder Ersatzbauwerk?“ wurden und werden unterschiedliche Überlegungen angestellt.[9][10][11]
Einzelnachweise
- ↑ a b Volker Helas: Das Blaue Wunder. Oder: Gedanken über die Schönheit. In: Dresdner Hefte Nr. 94, Dresden 2008, Seiten 61-69
- ↑ a b www.blasewitz.de: Korrekturen zum „Blauen Wunder“ – Angaben zur Namensgebung (1893) und zur Brückenrettung (1945)
- ↑ Dresdner Blätt'l 1/2005: Nanu? Blaues Wunder soll umbenannt werden, 7. Januar 2005
- ↑ www.dresden-blaues-wunder.de: Loschwitzer Brücke bleibt via Internet Archive, 21. Mai 2005
- ↑ Sächsische Zeitung: Blaues Wunder wird ab 2010 angestrahlt, 7. Oktober 2009
- ↑ Georg Mehrtens: Der deutsche Brückenbau im XIX. Jahrhundert. Berlin, 1900.
- ↑ Emil Scherz:40 Jahre „Blaues Wunder“. Der Bau der Blasewitz-Loschwitzer Elbbrücke. In: Sächsische Dorfzeitung und Elbgaupresse 95, Seite 162, 1933.
- ↑ Das Blaue Wunder - Fakten – unter „Zur Nutzung“ Angaben zu Verkehrsaufkommen, Pflege und künftiger Lebensdauer, via Internet Archive
- ↑ Michael Kaiser im Gespräch mit Dr.-Ing. Eberhard Katzschner: Zur Zukunft des Blauen Wunders, 9. Februar 2005
- ↑ leben-in-dresden.de: „Blaues Wunder 2“ – Ideenskizze des Hamburger Architekten Ulrich Thormann zu einer möglichen Entlastungsbrücke
- ↑ Dresden Fernsehen: Zukunft der Brücke Blaues Wunder in Dresden: Tunnel oder Sanierung?, 27. Januar 2010
Literatur
- Klaus Beuchler: Entscheidung im Morgengrauen, Kinderbuchverlag, Berlin 1969
- C. Köpcke: Der Loschwitz-Blasewitzer Brückenbau. in: Abhandlungen der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft Isis Dresden e.V., Jahrgang 1893, S. 86-89 (Digitalisat)
- Volker Helas: Das Blaue Wunder. Die Geschichte der Elbbrücke zwischen Loschwitz und Blasewitz in Dresden, Fliegenkopf-Verlag, Halle 1995, ISBN 3-930195-07-0
- Volker Helas: Das Blaue Wunder. Oder: Gedanken über die Schönheit. In: Dresdner Geschichtsverein e. V. (Hg.): Dresdner Elbbrücken in acht Jahrhunderten, Dresdner Hefte Nr. 94, Dresden 2008, S. 61-69
- Michael Wüstefeld: Blaues Wunder. Dresdens wunderlichste Brücke, Bebra-Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-930863-81-2
Weblinks
Commons: Blaues Wunder – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- www.dresden-blaues-wunder.de (via Internet Archive)
- Luftbildaufnahme des Blauen Wunders
- Blaues Wunder. In: Structurae.
- Dresden-Bilder.de - Blaues Wunder
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Wunder, das — Das Wunder, des s, plur. ut nom. sing. 1. Die Verwunderung, die Empfindung des Ungewöhnlichen; ohne Plural. In dieser größten Theils veralteten Bedeutung wird es nur noch ohne Artikel, und in einigen wenigen Verbindungen gebraucht, welche noch… … Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart