Brechung (Sprache)

Brechung (Sprache)

Brechung (auch A-Umlaut genannt) bezeichnet in der Historischen Linguistik verschiedene assimilatorische Vokalveränderungen. Der Begriff wurde von Jacob Grimm eingeführt.[1]

Andere Umlaute sind der im heutigen Deutschen typische I-Umlaut und der heute noch im Inselskandinavischen vorkommende U-Umlaut.

Inhaltsverzeichnis

Brechung im Alt- und Mittelhochdeutschen

Im Althochdeutschen bezeichnet er die Senkung von germanisch /i/, /u/ und /eu/ zu althochdeutschem /e/, /o/ und /eo, io, ie/, wenn die folgende Silbe ein /a/, /e/ oder /o/ enthielt und kein Nasal (/n/ bzw. /m/) dazwischen stand.

Die Wandlung von /i/ zu /e/ war jedoch relativ selten und ist durch spätere Ausgleichsentwicklungen teilweise zurückgenommen worden, so zum Beispiel bei den Doppelformen schirmen und schermen. Dennoch gibt es auch heute noch Wörter im Deutschen, an denen diese Senkung zu beobachten ist, zum Beispiel an leben (englisch live), Leber (englisch: liver) oder aber lecken (vgl. englisch lick, lateinisch lingere).

Die Alternanz /u/ - /o/ betraf besonders die Konjugation der starken Verben im Mittelhochdeutschen, vor allem die Ablautreihen II, IIIB und IV und erklärt den Wechsel des Stammvokals im Präteritum Plural und dem Partizip Präteritum. So lautete die Präteritalform von helfen im Althochdeutschen wir hulfum. Da die Brechung bei einem /u/ in der Folgesilbe nicht auftrat, lautete die entsprechende Form auch im Mittelhochdeutschen wir hulfen. Das Partizip wies jedoch ein /a/ auf, so dass im Althochdeutschen die Brechung auftrat: giholfan. Im Mittelhochdeutschen wurde daraus dann geholfen. Als weitere Beispiele sind zu nennen: wir zugen – gezogen ('ziehen': wir zogen - gezogen) und suln – solte (sollen – sollte).

Dieser Wandel erfasste aber auch andere Wortarten, zum Beispiel das Substantiv Wolf (germanisch *wulfaz). Das Nebeneinander von loben – Gelübde, voll - füllen und Gold – gülden ist durch Umlautung zu erklären: Im Althochdeutschen wurde /u/ nicht zu /o/ „gebrochen“, wenn in der Folgesilbe ein /i/ oder /j/ vorlag. Im Mittelhochdeutschen wurden diese /u/ dann zu /ü/ umgelautet. Unverändert geblieben sind dagegen gebunden und Brunnen, da in diesen Fällen dem /u/ ein Nasal folgt.

Die Vokalveränderung germanisch /eu/ zu althochdeutsch /eo, io, ie/ ist dagegen etwas komplexer, hier wurde /eu/ nur vor /a/, /e/ und /o/ ohne dazwischen liegenden Nasal oder /w/ zu /eo, io, ie/ gesenkt. Im Mittelhochdeutschen entstand daraus /ie/. Hierbei handelt es sich dann um eine Brechung. Dagegen bewirkten /i/, /j/, /u/ oder /w/ in der Folgesilbe eine Hebung des /eu/, aus der schließlich /iu/ wurde. Das durch Brechung entstandene /ie/ fiel jedoch in mittelhochdeutscher Zeit mit demjenigen zusammen, das aus dem germanischen /e/ herrührte – althochdeutsche Diphthongierung, die zum Beispiel noch an folgender Etymologie zu erkennen ist: lateinisch brevis bzw. breve, woraus das althochdeutsche briaf, neuhochdeutsch Brief, und das niederdeutsche Breef entstanden sind; Letzteres weist noch den alten Vokalstand auf. Ein Beispiel für diese Brechung ist unter anderem si ziehent ('sie ziehen'), das mit dem erhöhten er ziuhit (er zieht) alterniert. Auch hier haben in späterer Zeit Ausgleichsprozesse stattgefunden.

Brechung in anderen germanischen Sprachen

Es ist umstritten, ob die Brechung ein urgermanisches Phänomen war.[2] Der Begriff Brechung wird aber auch für Lautentwicklungen in anderen germanischen Sprachen benutzt.

So betrifft sie im Gotischen die Senkung von /i/ und /u/ zu /e/ beziehungsweise /o/, wenn diesen ein /r/ oder /h/ folgte.

Im Altisländischen/Altnordischen ist die Diphthongierung von /e/ zu /ia/ und /io/ vor /a/ bzw. /u/ gemeint, wenn in der nachfolgenden Silbe /a/ oder /u/ auftraten.

Auch im Altenglischen gab es eine Brechung: /e/ und /i/ wurden zu /ia/ beziehungsweise /io/ vor /a/ oder /u/ in der Folgesilbe diphthongiert und /a/ veränderte sich vor /r/, /l/, /h/ + Konsonant bzw. einem einzelnem /h/ zu ea.

Literatur

Fußnoten

  1. Grimm, Jacob: Über umlaut und brechung, in: Zeitschrift für deutsches Alterthum 2 (1842), S. 268–275.
  2. Siehe Fausto Cercignani: "Early 'umlaut' phenomena in the Germanic languages", Language 56/1, S. 127.

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