Bund katholischer Studentenkorporationen

Bund katholischer Studentenkorporationen

Der Würzburger Bund, wie der von 1864-1865 bestehende Bund katholischer Studentenkorporationen üblicherweise genannt wird, war der erste umfassende Zusammenschluss katholischer Korporationen. Der Bund hat eine wichtige Rolle gespielt als Vorläuferorganisation des Kartellverband katholischer deutscher Studentenvereine (KV) und in die weitere Entwicklung des Cartellverbandes der katholischen deutschen Studentenverbindungen (CV).

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Angebot eines Cartellvertrages von Winfridia Breslau an Aenania München (1856)

Seit 1856 bestand ein Freundschaftverhältnis zwischen Aenania München und Winfridia Breslau. Über die inhaltliche Qualifikation dieses Freundschaftsverhältnisses besteht aber in bestimmte Kreise Diskussion. Dennoch sind die beide Verbindungen selbst klar und deutlich hierüber.

Im Schreiben der Winfridia Breslau an Aenania München von 29. Juli 1856 mit der Frage ein Verhältnis anzugehen, wurden die Worte freundschaftliche Beziehungen wortlautlich genutzt. Kurz davor hatte die Winfridia Breslau, die seit 1848 schon als lockeres Leseverein Katholischer Studenten bestanden hat, sich umgewandelt in eine viel tiefgeheneder strukturierte katholische Studentenverbindung. Durch Farben tragen und nach außen die Prinzipien mutig zu vertreten gegenüber Materialismus war dieses Geschehen für die Aenania München in ihrem Schreiben vom 6. Dezember 1856 dann auch von sehr große Bedeutung und Wichtigkeit. Das Freundschaftsverhältnis wurde mit große Freude angenommen.

Das Convent Aenaniae freute sich, dass auch auf Breslaus Hochschule seit Jahren ein Verein blühe, der neben dem gesellschaftlichen Zwecke noch ein höheres Ziel verfolgt, dessen Streben auf wissenschaftliche Bildung und Entwicklung eines festen gesunden und männlichen Charakters gerichtet ist, der auch das katholische Bewusstsein unter seine Prinzipien aufgenommen und zum tatkräftigen Leben bringen will. Was aber unsere brüderlichen Gefühle noch erhöhte, war die beigefügte Kunde, dass dieser edle Verein nun nicht mehr wie bisher, bloß nach innen im freundschaftlichen Kreise wirken wolle, sondern dass Ihr Euch entschlossen habt, auch nach außen als mutige Vertreter der Prinzipien gegenüber dem heutigen Materialismus Euch zu zeigen, dass dieselbe Trikolore Euch schmückt, die auch uns Aenanen zum einheitlichen Streben verbindet und ermuntert. Die Winfridia Breslau hatte damals identische Farben wie die Aenania München.

Aenania hatte schon mit andere katholische Vereine Verhältnisse aufgebaut, die auch wissenschaftliche und gesellschaftliche Zwecke nach strebten und sich einmal im Semester gegenseitig ein Bericht entsendeten. Dennoch wurde klar unterschieden zwischen solchen Vereinen, die teilweise allgemein zugänglich waren und Verbindungen an Universitäten, in welche nur Studenten eintreten konnten. Diese Verbindungen zeigten Farben nach außen als prinzipielle Öffentlichkeitsarbeit. Ein monatlicher und viel intensiverer Austausch von Berichten wurde gepflegt. Dieses Freundschaftsverhältnis zwischen Aenania München und Winfridia Breslau wurde durch die beide Verbindungen dann auch seit 1860 qualifiziert als ein Cartellverhältnis. Seit dem tauchten die Bezeichnungen Cartell und Cartellverbindung auf. Ganz deutlich wurde der Begriff Cartell angewandt zur Unterscheidung mit nicht Farben tragenden Vereine. Mit diesen wurden gleichzeitig losere Beziehungen geknüpft in der Form eines Korrespondenzverhältnis. Zum Beispiel, das Korrespondenzverhältnis zwischen Aenania München und der Leseverein Berlin im Sommer 1863 oder das Korrespondenzverhältnis zwischen Aenania München und die Arminia Bonn.

Der Begriff Cartellverbindung wurde 1861 aber vom Convent Aenaniae so ausgelegt: Die Cartellverbindungen seien eigentlich nur eine, lediglich durch den Raum getrennte Verbindung. Im Jahr 1862 wurde hinzugefügt: Die Verbindung sieht die Cartellverbindung gleichsam als sich selbst nur an einem anderen Orte bestehend, an; mit den Korrespondenzverbindungen kann das Verhältnis immer nur ein mehr oder weniger lockeres sein.

Gründung des Würzburger Bundes

Die Rede des jungen Georg von Hertling auf dem XV. Katholikentag 1863, zur gleichen Zeit der 1. Cartellversammlung des CV, in Frankfurt, in der er die Begriffe Religion, Wissenschaft und Freundschaft als Leitsätze eines katholischen Verbindungsstudenten vorstellte, löste das Bestreben aus, alle katholischen Studentenkorporationen, die Vereine und die Verbindungen, zu einigen.

Auf dem XVI. Katholikentag in Würzburg 1864 wurde darum der Bund katholischer Studentenkorporationen ins Leben gerufen, bestehend aus Leseverein Berlin, Arminia Bonn, und den Verbindungen Aenania München so wie Winfridia Breslau. Weiter schlossen sich die Vereine Germania Münster, Unitas Breslau, die Verbindungen Guestphalia Tübingen und Austria Innsbruck an. Als letzte schloss sich der Verein Walhalla Würzburg an. Mit diesem Würzburger Bund war der erste deutschlandweite Dachverband katholischer Studentenvereine und Verbindungen entstanden.

Spaltung des Würzburger Bundes

Auf den Generalversammlungen kam es zwischen der Arminia Bonn und der Bavaria Bonn zu Streitigkeiten, die im Sommer 1865 in Trier zur Spaltung des Würzburger Bundes führten. Ein menschlicher Grund mag in der Gründungsgeschichte der Arminia Bonn gelegen haben. Deren Gründer Max Lossen war 1863 von der Universität München, wo er der Aenania angehörte, an die Universität Bonn gewechselt und in die Bavaria eingetreten. Es kam jedoch alsbald zu einem Bruch mit den Bavaren. Über die Gründe besteht Uneinigkeit. Seitens der Bavaria wird vertreten, Lossen und sein zeitgleich in die Bavaria eingetretener Vetter Friedrich Kayser hätten eine Charge beansprucht. Lossen seinerseits beanstandete die mangelnde Exklusivität der Bavaria, die von manch innerer Auseinandersetzung zerrüttet war.

Der in Würzburg schließlich angenommene Beschlussentwurf lautete: Die GV der katholischen Studentenvereine möge sich zu dem einstimmigen Beschluss dahin einigen, dass eine Trennung der Vereine und Verbindungen im Interesse der besseren Verwirklichung unserer Prinzipien wünschenswert ist.

Gründungsmythen bei KV und CV

„Arminia im Sommersemester 1864“ obere Reihe, Zweiter von links : Max Lossen, Mitglied und Senior der Aenania, ausgetreten aus der Bavaria, Gründer der Arminia,

Ende Januar 1866 konstituierte sich unter Vorsitz des Leseverein Berlin der Kartellverband katholischer deutscher Studentenvereine (KV), dem weiter angehörten Arminia Bonn, Unitas Breslau, Germania Münster und Walhalla Würzburg. Diese Studentenvereine verzichteten auf das Farbentragen und andere äußere studentische Bräuche, die sie als Ablenkung von ihren wissenschaftlichen und religiösen Grundsätzen ansahen.

Aenania München, Winfridia Breslau, Guestfalia Tübingen und Austria Innsbruck bildeten auf den seit 1856 schon existierenden Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen (CV) weiter. Eine Differenzierung der gemeinsamen programmatischen Zielsetzungen der beiden neu gegründeten Verbände erfolgte nicht. Nach der Spaltung trat Bavaria Bonn dem CV bei. Der CV ist farbentragend.

Die Trennung von CV und KV beruhte nicht in erster Linie auf Unterschieden in den grundsätzlichen Zielsetzungen beider Verbände - hier lassen sich weitgehende Übereinstimmungen feststellen - sondern eher in der Ausrichtung. Der KV maß der Pflege äußerer Formen, wie sie in der studentischen Jugend üblich waren, weniger Wert zu, er wandte sich weit mehr den geistigen, religiösen und kulturellen Fragen zu. Dem CV diente neben der Verfolgung geistiger und religiöser Belange gerade die Pflege des studentischen Brauchtums als Mittel der Erziehung und Durchsetzung katholischer Interessen im akademischen Raum.

Der KV sah zunächst 1863 als das Ursprungsdatum der katholischen Verbände, also auch seiner selbst an. In diesem Jahr ist der Leseverein Berlin ein Korrespondenzverhältnis mit den sich seit sieben Jahren im Rahmen eines Cartellverhältnis verbundenen Verbindungen Aenania München und Winfridia Breslau eingegangen.

Damit war das Korrespondenzverhältnis zwischen den drei Vereinen qualitativ in die Keimzelle eines Verbandes umgeschlagen. Entsprechend legte Hermann Cardauns 1913 gemäß dem Beschluss der Vertreterversammlung seine Festschrift 50 Jahre Kartellverband vor. Ab der Vertreterversammlung 1955 bezog der KV das Alter des Verbandes auf das Jahr 1853, als der Leseverein Berlin gegründet wurde.

Der CV sieht sich demgegenüber traditionell seit 1856 begründet, dem Jahr des ersten Cartellverhältnisses zwischen Aenania München und Winfridia Breslau (heute Münster).

Literatur

  • Wehr, Florian, Geschichte des Cartell-Verbandes der katholischen deutschen Studenten-Verbindungen, Paderborn, 1890
  • Kartellverband der katholische Studentenvereine, Fünfzig Jahre Kartellverband (1863-1913) - Festschrift zum goldenen Jubiläum des Verbandes der Katholischen Studentenvereine Deutschlands, Kempten, München, 1913
  • Wolf O., Geschichte der katholischen deutschen Studentenverbindung Bavaria 1844-1914, Bonn, 1914
  • Popp, Gerhard, CV in Österreich 1864-1938, Hermann Böhlaus, Wien, 1984, ISBN 320508831X
  • Schieweck-Mauk S., Lexikon der CV- und ÖCV-Verbindungen, Gemeinschaft für deutsche Studentengeschichte, Würzburg, 1997, ISBN 3894980400
  • Koß, Siegfried, Wider die Verselbständigung eines hist. Klischees. G. Gf. v. H., der Würzburger Bund u. der CV/KV-Farbenstreit, in Studenten-Kurier. Zschr. f. Studentengesch., Hochschulpolitik u. Korporationswesen, Köln, 1998, H. 4, S. 5-7
  • Stickler, Matthias, Der Würzburger Bund von 1864. Ein Beitrag zur Frühgeschichte des Politischen Katholizismus in Deutschland, in: Zwischen Korporation und Konfrontation. Beiträge zur Würzburger Universitäts- und Studentengeschichte, Hg. von Bernhard Grün, Johannes Schellakowsky, Matthias Stickler und Peter Süß, Köln, 1999, S. 239-259.
  • K.D.St.V. Aenania München, 150 Jahre katholische deutsche Studentenverbindung Aenania, München, 2001
  • Koschera, Daniel, Hat sich jüngst ein neuer Verein von katholischen Studenten gebildet – Bavaria und die Bonner Union 1844 – 1867 : Ein Beitrag zur Frühzeit katholischer Studentenvereinigungen in Deutschland, Magisterarbeit am Historischen Seminar der Universität Köln, Köln, 2004

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