Byzanz an der Donau

Byzanz an der Donau

Byzanz an der Donau ist ein geflügeltes Wort unter Archäologen, vergleichbar den „Vandalen vor Rom“ und wird als Arbeitshypothese von einer Forschungsrichtung vor allem österreichischer und ungarischer frühgeschichtlicher Archäologen vertreten.

Hierunter wird nicht etwa die Anwesenheit byzantinischen Militärs in den Kastellen an der Donau verstanden, sondern die zunehmende kulturelle Hinwendung des östlichen Mitteleuropas zum Byzantinischen Reich zwischen dem 6. und 10. Jahrhundert. Nach dem Untergang des weströmischen Reiches werden die kulturellen Impulse aus dem Westen schwächer. Statt dessen empfangen die Gebiete des nachmaligen Ungarn, der Slowakei, Rumäniens und des gesamten Balkanraumes starke kulturelle Impulse aus dem Osten. Dies äußert sich während der awarischen Epoche (Ende 6. bis 9. Jahrhundert) in der materiellen Kultur, zum Beispiel bei Frauenschmuck und Männergürtel, die Bezüge in den mediterranen Raum aufweisen. Aber auch beispielsweise griechischen christlichen Inschriften auf Fibeln; das ist eine Art Brosche zum Verschließen eines Gewandes. Zur Zeit des Großmährischen Reiches (ab 8. Jahrhundert) manifestiert sich der byzantinische Einfluss im Bereich der orthodoxen Missionierung und in griechisch geprägten Kirchenbauten in den Verwaltungszentren des Großmährischen Reiches. Die frühere ungarische Forschung ging immer davon aus, dass jedes Mal, wenn sich das archäologische Fundgut änderte, eine neue Welle von "Barbaren" nach Europa hineingebrandet war. Die materielle Kultur im Westen (Merowinger) unterscheide sich fundamental von der im Osten (Slawen/Awaren).

Die Herleitung eines Teils des awarischen Fundmaterials aus dem Byzantinischen Raum stellt nach Auffassung der Vertreter dieser Archäologenschule einen großen Fortschritt gegenüber den Wanderungstheorien von immer neuer Völkerschaften dar, wie sie im 19. und 20. Jahrhundert als herrschende Lehrmeinung vertreten wurden. Dennoch wurde die These von Ellen Riemer wegen Unschärfen der Nomenklatur (Byzantinisch, Italo-Byzantinisch) angegriffen.

Wichtige Arbeiten zu diesem Thema stammen von dem Wiener Professor der Ur- und Frühgeschichte Falko Daim (siehe vor allem: Die Awaren am Rande der byzantinischen Welt) und von der ungarischen Archäologin Éva Garam aus Budapest. Daneben existiert eine gleichnamige Arbeit von Eric Breuer, die jedoch primär Fragen der Chronologie des Kleinfundmaterials gewidmet ist. Auch Breuer vertritt die These, dass man von einer "Byzantinisierung der Alltagskultur der vormals westlich-romanisch geprägten Territorien der früheren römischen Provinzen an mittlerer und unterer Donau" als Epochenwechsel sprechen könne, von einem Epochenwechsel von romanisierten Germanen zu graecisierten Slawen.

Literatur

  • Eric Breuer: Byzanz an der Donau. Eine Einführung in Chronologie und Fundmaterial zur Archäologie im Frühmittelalter im mittleren Donau Raum. Chronological studies to early medieval findings at danube region. An introduction to byzantine art at barbaric cemeteries. (Tettnang 2005) (mehrsprachig, ISBN 3-88812-198-1
  • Falko Daim: Der awarische Greif und die byzantinische Antike. In: H. Friesinger/F. Daim (Hrsg.), Typen der Ethnogenese unter besonderer Berücksichtigung der Bayern. II. Kongr. Zwettl. 1986. (Wien 1990) S., 273-304.
  • Falko Daim (Hrsg.): Die Awaren am Rande der byzantinischen Welt. Studien zu Diplomatie, Handel und Technologietransfer im Frühmittelalter. Monographien zur Frühgeschichte und Mittelalterarchäologie 7 (Innsbruck 2000).
  • Éva Garam: Über Halsketten, Halsschmuck mit Anhängern und Juwelenkragen byzantinischen Ursprungs aus der Awarenzeit. Acta Arch Hung 43, 1991, S. 151-179.
  • Éva Garam: Gürtelverzierungen byzantinischen Typs im Karpathenbecken. Acta Arch Hung 51, 1999/2000, S. 379-391.
  • Éva Garam: Funde byzantinischer Herkunft in der Awarenzeit vom Ende des 6. bis Ende des 7. Jahrhunderts. Monumenta Avarorum archaeologica 5. (Budapest 2001).

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Byzanz — bezeichnet: Byzantion, eine griechische Stadt ab 660 v. Chr., später römisch Konstantinopel, das 330 n. Chr. umbenannte Byzantion, Hauptstadt Ostroms (heute Istanbul) Byzantinisches Reich (Oströmisches Reich), ein Kaiserreich im östlichen… …   Deutsch Wikipedia

  • Byzanz als zweites Rom \(565 bis 1453\): Kontinuität im Osten —   Die Teilung Europas   Kaiser Konstantin der Große legte 324 den Grundstein für Konstantinopel, die neue Kaiserstadt am Bosporus, und am 11. Mai 330 vollzog er die feierliche Einweihung. Dieser Ostverlagerung des Reichsmittelpunktes kam eine… …   Universal-Lexikon

  • Landnahme der Slawen auf dem Balkan — Die Landnahme der Slawen auf dem Balkan erweiterte die dortige ethnische Vielfalt um ein bis heute prägendes Element. Nachdem sich auf der Balkanhalbinsel unter römischer Herrschaft im Norden die lateinische und südlich der sogenannten Jireček… …   Deutsch Wikipedia

  • Simeon der Große — Ausdehnung Bulgariens unter Simeon I. Simeons Gesandter bei den Fatimiden. Simeon I. auch Simeon der Große …   Deutsch Wikipedia

  • Geschichte Bosniens und der Herzegowina — Dieser Artikel oder Abschnitt bedarf einer Überarbeitung. Näheres ist auf der Diskussionsseite angegeben. Hilf mit, ihn zu verbessern, und entferne anschließend diese Markierung. Inhaltsverzeichnis 1 Antike 1.1 Die Illyr …   Deutsch Wikipedia

  • Konstantin der Große — Kopf der Kolossalstatue Konstantins des Großen Kapitolinische Museen, Rom Flavius Valerius Constantinus (* an einem 27. Februar zwischen 270 und 288 in Naissus, Moesia Prima; † 22. Mai 337 in Anchyrona, einer Vorstadt von Niko …   Deutsch Wikipedia

  • Theodora Angela (Byzanz) — Theodora Angela Prinzessin von Byzanz, Herzogin von Österreich (* nach 1205, † 22./23. Juni 1246 in Kahlenberg) war als Gemahlin von Leopold VI. dem Glorreichen von Österreich Herzogin von Österreich und Steiermark, wurde als Witwe Nonne und im… …   Deutsch Wikipedia

  • Söldner (Byzanz) — Ausländer hatten seit dem 4. Jahrhundert als Söldner im Oströmischen Heer gedient (Shepard 1993, 278). Die kaiserliche Leibwache (hetaireia) bestand vollständig aus Barbaren, um 900 neben Chasaren und Arabern auch Franken. Sie waren weniger in… …   Deutsch Wikipedia

  • Konstantin der Grosse — Konstantin I. Kapitolinische Museen Flavius Valerius Constantinus (* an einem 27. Februar zwischen 272 und 285 in Naissus, Moesia Prima; † 22. Mai 337 bei Nikomedia, Bithynia et Pontus), auch bekannt als Konstantin der Große ( …   Deutsch Wikipedia

  • Ungarn: Von der »Geißel Europas« zum Vorposten des Abendlandes —   Die Herkunft der Magyaren   Die Magyaren zählen zusammen mit den Wogulen und Ostjaken zum östlichen Zweig der finnougrischen Sprachgruppe. Sie hatten ihre ursprünglichen Wohnsitze in der Mischwald und Waldsteppenzone beiderseits des Ural. Von… …   Universal-Lexikon

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”