Böckenförde-Theorem

Böckenförde-Theorem
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Das Böckenförde-Diktum (auch Böckenförde-Theorem oder Böckenförde-Dilemma) bezeichnet das Problem säkularisierter Staaten, soziales Kapital zu erschaffen.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Das Problem wurde von dem ehemaligen Richter am Bundesverfassungsgericht Ernst-Wolfgang Böckenförde aufgeworfen:

Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist. Als freiheitlicher Staat kann er einerseits nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz des einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft, reguliert. Anderseits kann er diese inneren Regulierungskräfte nicht von sich aus, das heißt, mit den Mitteln des Rechtszwanges und autoritativen Gebots zu garantieren versuchen, ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben und - auf säkularisierter Ebene - in jenen Totalitätsanspruch zurückzufallen, aus dem er in den konfessionellen Bürgerkriegen herausgeführt hat.“

„Staat, Gesellschaft, Freiheit“ 1976 (S. 60)

Wenn das Individuum im modernen Staat sich von den Kirchen emanzipiert hat und auch andere Institutionen im Staat wie politische Parteien oder Gewerkschaften dem Individuum keinen Sinn mehr vermitteln können, muss überlegt werden, wie dies anders möglich ist, damit die Demokratie nicht in Gefahr gerät.

Gerhard Czermak meint, Böckenförde werde „gründlich missverstanden, wenn nicht instrumentalisiert“, wenn aus seinem Diktum abgeleitet werde, „der Staat müsse die Kirchen und Religionsgesellschaften als Wertestifter in besonderer Weise fördern, weil man sonst die Zerstörung fördere [...] Er (Böckenförde) spricht von Wagnis und verweist auf die in der Gesellschaft wirkenden höchst unterschiedlichen Kräfte zurück. Es geht ihm darum, dass alle Gruppierungen mit ihrem je eigenen, auch moralischen, Selbstverständnis zur Integration eines Teils der Gesellschaft beitragen.“[1]

Kritik

In diesem Zusammenhang muss die Diskussion über Wertewandel beachtet werden. Nach der kulturpessimistischen Interpretation Elisabeth Noelle-Neumanns habe seit den Sechziger Jahren ein kontinuierlicher Werteverfall stattgefunden. Als Symptome werden vor allem die Erosion „bürgerlicher Tugenden“ wie Gemeinsinn und Arbeitsfreude, aber auch Bedeutungsverluste von Kirche und Religion genannt. Laut Helmut Klages findet hingegen weniger ein Werteverfall, sondern eher eine Wertesynthese von alten und neuen Werten statt. Ronald Inglehart postuliert einen Wandel von materiellen zu immateriellen Werten, der die Demokratie letztlich stärke: Als Konsequenz des Wertewandels nimmt er eine hohe Partizipationsbereitschaft und höhere Freiheit an.

Gerhard Himmelmann macht darauf aufmerksam, dass die Soziologen der Diskussion um einen Werteverfall entgegenhalten, dass „die modernen gesellschaftlichen Regelungsmechanismen und die demokratischen Umgangsformen als Grundlagen der gesellschaftlichen Integration“ dienen. Nicht der Appell der, unter anderen, Kommunitaristen, sondern der öffentliche Diskurs, die herrschaftsfreie Kommunikation (Jürgen Habermas) erschaffen aus sich heraus („Selbstschöpfungsprozess“) jene Werte und Verhaltensweisen (demokratische Tugenden), die der freiheitliche Staat zum Leben und Überleben braucht. Auch Jürgen Habermas sieht die Gefahr, dass eine entgleisende Modernisierung der Gesellschaft das demokratische Band müde macht und die Art von Solidarität auszehrt, auf die der demokratische Staat, ohne sie rechtlich erzwingen zu können, angewiesen ist.[2]

Auch Michael Haus weist die Böckenförde-These als unbegründet zurück. Aus Böckenfördes Feststellung, dass der moderne demokratische Staat als unter Einwirkung der christlichen Religion entstanden sei, folge nicht zwangsläufig, dass die heutige Gesellschaft auf Religion als Fundament angewiesen sei. Vieles spreche hingegen dafür, dass ein bürgerschaftlicher Grundkonsens auch auf verbindenden Gemeinsamkeiten wie gemeinsamen Interessen, Interdepenzenen, Abhängigkeiten, Kooperationschancen, einer gemeinsamen Geschichte oder gemeinsamen historischen Lernprozessen ruhen könne.[3]

Wirkung

Seit den 1990er Jahren wird diese Idee in einer Abwandlung von Paul Kirchhof aufgegriffen und auf die demografische Entwicklung bezogen (→ Diogenes-Paradoxon).

Siehe auch:

Einzelnachweise

  1. Gerhard Czermak, Religions- und Weltanschauungsrecht, S. 36, Absatz 71
  2. Florian Fleischmann: Wasserlos waschen auf welkem Gras - zur Habermas-Ratzinger-Debatte 14. Mai 2006
  3. Michael Haus: Ort und Funktion der Religion in der zeitgenössischen Demokratietheorie, in: Michael Minkenberg (Hg.): Politik und Religion, Wiesbaden 2003, S. 49f.

Literatur

  • Ernst-Wolfgang Böckenförde: Staat, Gesellschaft, Freiheit. Frankfurt, 1976
  • Gotthard Breit, Siegfried Schiele (Hrsg.): Werte in der politischen Bildung. LpB, 2000
  • Hartmut Kreß: "Modernes Religionsrecht im Licht der Säkularisierung und des Grundrechts auf Religionsfreiheit. Ist das "Böckenförde-Diktum" heute noch tragfähig?", in: Theologische Literaturzeitung 131 / 2006, S. 243-258.

Weblinks


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