Öffentlichkeit

Öffentlichkeit

Öffentlichkeit bezeichnet im weitesten Sinne die Gesamtheit aller Umstände, die für die Bildung der öffentlichen Meinung von Bedeutung sind, wobei der allgemein freie Zugang zu allen relevanten Gegebenheiten sowie deren ungehinderte Diskutierbarkeit entscheidende Kriterien sind.

Auf dem Forum Romanum (hier um 1880) wurde im alten Rom öffentlich Politik gemacht.

Sozialwissenschaftliche Diskurstheorien verstehen unter Öffentlichkeit auch die Gesamtheit der potentiell an einem Geschehen teilnehmenden Personen.

Im Prozessrecht bezeichnet Öffentlichkeit sowohl die Tatsache, dass eine Gerichtsverhandlung auch unbeteiligten Personen zugänglich ist, als auch den Kreis der einer Gerichtsverhandlung beiwohnenden, nicht direkt beteiligten Zuschauer.

Inhaltsverzeichnis

Begriffe

Im alten griechischen Ideal ist gemäß Hannah Arendt die Teilnahme an der Öffentlichkeit der Polis auf der Agora dem freien Bürger vorbehalten, der die Lebensnotwendigkeiten des privaten Haushalts (Oikos) überwunden hat und in die freie Sphäre der Öffentlichkeit übergehen kann. Dieser Logik folgend ist ein arbeitender Mensch nicht frei, da er noch mit Lebensnotwendigkeiten beschäftigt ist, welche der Freiheit berauben. Freiheit wird hier also nicht als Freiheit des Handelns im Sinne eines nicht vorhandenen Determinismus verstanden, sondern als ein Hintersichlassen der privaten Angelegenheiten.

„Sphäre der zum Publikum versammelten Privatleute“ (Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit), „Netz für die Kommunikation von Inhalten und Stellungnahmen (…), das sich nach der Kommunikationsdichte, der Organisationskomplexität, und Reichweite nach Ebenen differenziert, von der episodischen Kneipe (…) bis zur abstrakten, über Massenmedien hergestellten Öffentlichkeit“ (Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit)

„Öffentliche Versammlung“, „öffentliche Kundgebung“, „öffentliche Verhandlung“ (vor Gericht), im Gegensatz zu „unter Ausschluss der Öffentlichkeit“. Die Öffentlichkeit von möglichst vielen Ereignissen ist damit ein demokratisches Prinzip. Presse und Rundfunk haben die Aufgabe, durch Berichte, Reportagen oder Direktübertragungen die Öffentlichkeit auch über weite Strecken hinweg herzustellen.

Von „innerer Öffentlichkeit“ spricht man im Zusammenhang von größeren Gruppen, Vereinen, Unternehmen oder sonstigen Organisationen und Körperschaften. Sie bezeichnet die Gesamtzahl der betreffenden Personen und unterliegt denselben Gesetzmäßigkeiten und organisatorischen Grundmustern wie die „äußere Öffentlichkeit“, wird aber von dieser getrennt und unter Berücksichtigung des speziellen Informationsbedarfs bedient.

In demokratischen Gesellschaften spielt Öffentlichkeit in Gestalt der öffentlichen Meinung eine wichtige Rolle, denn in ihr findet die (politische) Meinungsbildung statt. Die Presse ist wichtiger Teil und Spiegel der Öffentlichkeit. In diesem Zusammenhang sind öffentliche Güter wichtig, die Öffentlichkeit überhaupt erst ermöglichen. Eine lebendige Öffentlichkeit wird einigen Theorien zufolge als Grundlage für die Entwicklung von Zivilgesellschaft gesehen.

Gleichzeitig kommt nach Ansicht von Kritikern der Öffentlichkeit jedoch auch eine wichtige Funktion bei der Herstellung problematischer Geschlechteridentitäten zu. Die Trennung bürgerlicher Gesellschaften in private und öffentliche Räume geht demnach mit geschlechtsspezifischen Zuschreibungen einher, die Frauen den privaten und Männern den öffentlichen Raum zuweisen, so dass es oftmals zu einem Ausschluss von Frauen aus Prozessen der öffentlichen Meinungsbildung komme. In modernen Mediengesellschaften führe die öffentliche Kommunikation zur Etablierung von Geschlechterhierarchien, die mit Mechanismen des Ein- und Ausschlusses einhergingen.

Öffentlichkeit und Demokratie

Öffentlichkeit aller bedeutenden rechtlichen, politischen und wirtschaftlichen Vorgänge, sowie die öffentliche Meinungs- und Willensbildung gelten als Kriterien einer funktionierenden Demokratie. Für die der Gewaltenteilung unterliegenden staatlichen Organe ergibt sich daraus:

Die gesetzgebenden Organe (Legislative) beraten in demokratischen Staaten im allgemeinen öffentlich, soweit nicht besondere Umstände (z. B. Geheimhaltung) eine nichtöffentliche Behandlung erfordern.

Gerichtsverhandlungen (Judikative) einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse sind in der Regel öffentlich (Deutschland: § 169 des Gerichtsverfassungsgesetzes). Obgleich im Grundgesetz nicht ausdrücklich erwähnt, gilt Öffentlichkeit der mündlichen Verhandlung als Grundprinzip des Rechtsstaates. Auch nach Artikel 6 Absatz 1 der europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) gehört das öffentliche Verhandeln vor Gericht zur Voraussetzung eines fairen Verfahrens.

Die Bedeutung der Öffentlichkeit in Gerichtsverhandlungen ergibt sich auch aus der Rechtsgeschichte, in der immer wieder ein Kampf gegen Justiz hinter verschlossenen Türen geführt wurde. Öffentlichkeit dient zudem der Kontrolle und Unabhängigkeit von Richtern sowie dem wirksamen Grundrechtsschutz.

Einschränkungen der Öffentlichkeit in Gerichtsverhandlungen gelten in Familiensachen, zum Schutz öffentlicher oder privater Geheimnisse (§§ 171a, 171b, 172 GVG) und wenn die Raumkapazität im Gerichtssaal nicht für alle Interessenten ausreicht.

Im Bereich des Regierungshandelns (Exekutive) wird die Frage der Öffentlichkeit sehr verschieden gehandhabt. Dies gilt erstens im Vergleich verschiedener Verwaltungshandlungen, zweitens im Vergleich verschiedener Staaten und staatlicher Untereinheiten, und drittens im Vergleich verschiedener Politikgebiete oder Themen (für die Geheimhaltung vorgesehen sein kann).

Mangelnde Öffentlichkeit in diesen Bereichen wurde unter der Bezeichnung „Arkanpolitik“ (Jürgen Habermas) als Kennzeichen absolutistischen oder allgemein undemokratischen Staatsverständnisses kritisiert.

Trotz des Öffentlichkeitspostulats der Demokratie finden auch heute die entscheidenden politischen Beratungen (etwa Sitzungen des Koalitionsausschusses oder Fraktionssitzungen) hinter verschlossenen Türen statt. Dies ist nicht zuletzt der Art der medialen Begleitung langwieriger politischer Prozesse geschuldet, die Politiker veranlasst, das Eindringen der Medienlogik in ihre Beratungen zu begrenzen. Durch Indiskretionen erhält die Öffentlichkeit zwar punktuell Einblicke in das Verhandlungsgeschehen, allerdings entsteht so noch keine öffentliche Diskurssphäre.

Literatur

  • Jürgen Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft (Habil.), Neuwied 1962 (Neuauflage: Frankfurt a. M. 1990), ISBN 3-518-28491-6.
  • Philip Baugut/Maria-Theresa Grundler: Politische (Nicht-)Öffentlichkeit in der Mediendemokratie. Eine Analyse der Beziehungen zwischen Politikern und Journalisten in Berlin. Baden-Baden, Nomos 2009.
  • Richard Sennett: Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der Intimität. 1974, 1976. Dt.: Berliner Taschenbuch Verlag, 1983, 2008, ISBN 978-3-8333-0594-8.
  • Torsten Liesegang: Öffentlichkeit und öffentliche Meinung. Theorien von Kant bis Marx 1780–1850. Könighausen & Neumann, Würzburg 2004.
  • Jürgen Gerhards, Friedhelm Neidhardt: Strukturen und Funktionen moderner Öffentlichkeit: Fragestellungen und Ansätze. In: S. Müller-Doohm, K. Neumann-Braun (Hrsg.): Öffentlichkeit Kultur Massenkommunikation. Beiträge zur Medien- und Kommunikationssoziologie. BIS-Verlag, Oldenburg 1991, S. 31–90. Erstmals veröffentlicht als WZB Discussion Paper FS III 90–101.
  • Gábor T. Rittersporn, Jan C. Behrends, Malte Rolf (Hrsg.): Sphären von Öffentlichkeit in Gesellschaften sowjetischen Typs. Zwischen partei-staatlicher Selbstinszenierung und kirchlichen Gegenwelten / The Public Sphere in Societies of the Soviet Type. Between the Great Show of the Party-State and Religious Counter-Cultures (= Komparatistische Bibliothek; Bd. 11), Peter Lang, Frankfurt am Main [u. a.] 2003.

Siehe auch

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Öffentlichkeit – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

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