Diffusivität

Diffusivität
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Diffusivität ist ein Begriff, welcher in verschiedenen Bereichen verwendet wird. In den Neurowissenschaften bezeichnet er eine Eigenschaft von Körpergewebe und der in ihr enthaltenen Gewebsflüssigkeit. Diffusivität bezeichnet die Fähigkeit der Gewebsflüssigkeit, sich auf Grund der Brownschen Bewegung ihrer Moleküle in einem diffusionsähnlichen Prozess im Gewebe in unterschiedlichen Richtung unterschiedlich gut ausbreiten zu können. Das Phänomen der Ausbreitung selber wird als scheinbare Diffusion bezeichnet. Zur quantitativen Beschreibung der scheinbaren Diffusion werden verschiedene Diffusivitätsmaßzahlen verwendet.

Inhaltsverzeichnis

Anwendung

Auf Grund der Diffusivität kann auf andere Eigenschaften des Gewebes geschlossen werden. So wird etwa bei der Untersuchung von Hirngewebe lebender Lebewesen mit Hilfe von Magnetresonanzbildgebung (MRI) bei der sog. Diffusionstensorbildgebung (DTI) die Beweglichkeit von Wassermolekülen im Hirngewebe gemessen. Daraus werden Rückschlüsse auf die grobe Struktur (z.B. Faserigkeit) und damit auf alterungs- oder krankheitsbedingte Veränderungen (z.B. Veränderungen der Myelinisierung der Axone) von Hirngewebe gezogen. Da die Beweglichkeit von Gewebeflüssigkeit in faserigem Gewebe in Richtung der Gewebefasern wesentlich größer ist als quer zur Faserrichtung können auf Grund von Diffusivitätsmessungen Modelle der Fasertrakte des Gehirns erstellt werden (Traktografie).

Messung

Bei der Messung der Diffusivität mit Hilfe von DTI wird der zu untersuchende Hirnbereich in Voxel, kleine quaderförmige Bereiche von etwa 0,5–8 mm³ Volumen eingeteilt. Für jedes dieser Voxel wird die scheinbare Diffusion gemessen und, wie in der Physik für die eigentliche Diffusion üblich, mit Hilfe eines aus den Messdaten berechneten Diffusionstensors, einer 3×3-Matrix von reellen Zahlen, beschrieben. Diese 3×3-Matrizen sind positiv semidefinit und haben deshalb drei reelle, nicht-negative Eigenwerte und drei zugehörige orthogonale Eigenvektoren, welchen sich im Falle positiver Eigenwerte ein 3-dimensionales Ellipsoid zuordnen lässt, dessen Halbachsen in die Richtung der Eigenvektoren zeigen und deren Länge durch die Eigenwerte gegeben sind. Diese Ellipsoide werden für die grafische Darstellung der Diffusivität mit Hilfe von Tensor-Glyphen verwendet. Zur weiteren Vereinfachung der quantitativen Beschreibung und, um eine einfache bildliche Darstellung zu ermöglichen, werden für jedes Voxel mit Hilfe der Eigenwerte des zugeordneten Diffusionstensors je nach zu beantwortender Fragestellung bezüglich des zu untersuchenden Gewebes eine oder mehrere verschiedene Diffusivitätsmaßzahlen berechnet.

Maßzahlen

Es werden folgende Maßzahlen verwendet:

  • Fraktionale Anisotropie FA
  • Relative Anisotropie RA
  • Mittlerer Diffusionskoeffizient  \overline\lambda
  • Axiale Diffusivität λa
  • Radiale Diffusivität λt

Bei gegebenem Diffusionstensor D mit den der Größe nach geordneten Eigenwerten λ1 ≥ λ2 ≥ λ3 ≥ 0 sind die verschiedenen Maßzahlen wie folgt definiert:

Mittlerer Diffusionskoeffizient

Der mittlere Diffusionskoeffizient ist definiert als \overline\lambda := \frac{\lambda_1+\lambda_2+\lambda_3} {3} ( = Mittelwert der 3 Eigenwerte)

Er kann theoretisch beliebig groß sein, was entsprechend beliebig große Diffusivität bedeuten würde.  \overline\lambda = 0 für völliges Fehlen scheinbarer Diffusion (keine Brownsche Bewegung der gemessenen Moleküle).

Fraktionale Anisotropie

Die fraktionale Anisotropie ist definiert als

FA
:= \sqrt { \frac { 3 ( (\lambda_1 -\overline\lambda)^2+(\lambda_2 -\overline\lambda)^2+(\lambda_3 -\overline\lambda)^2 ) } { 2 (\lambda_1^2+\lambda_2^2+\lambda_3^2) } }
= \sqrt { \frac { (\lambda_1 -\lambda_2)^2+(\lambda_2 -\lambda_3)^2+(\lambda_3 -\lambda_1)^2 } { 2 (\lambda_1^2+\lambda_2^2+\lambda_3^2) } }

Anschaulicher: Die fraktionale Anisotropie FA ist die Standardabweichung der Eigenwerte dividiert durch den Mittelwert der Eigenwertquadrate. Sie ist ein Maß für die Gerichtetheit der scheinbaren Diffusion. Es ist FA = 0 im Falle von vollständiger Isotropie, d. h. λ1 = λ2 = λ3 > 0. Bei maximaler Anisotropie (vollständiger Gerichtetheit der Diffusion in genau eine Richtung), wenn also λ1 > 0 und λ2 = λ3 = 0 sind, ist FA = 1 . Sie ist zum Beispiel ein Marker für die anatomische Beschaffenheit der weißen Substanz des Hirns: Je größer die FA, desto unversehrter die weiße Substanz.

Relative Anisotropie

Die relative Anisotropie ist definiert als

RA
:= \sqrt{\frac{(\lambda_1 - \overline\lambda)^2 + (\lambda_2 - \overline\lambda)^2 + (\lambda_3 -\overline\lambda)^2} {3 \overline\lambda}}

Anschaulicher: Die relative Anisotropie RA ist die Standardabweichung der Eigenwerte dividiert durch die Wurzel des anderthalbfachen Mittelwertes der Eigenwerte. Sie ist ein Maß für die Gerichtetheit der scheinbaren Diffusion und ist 0 im Falle von vollständiger Isotropie, d.h. λ1 = λ2 = λ3 > 0, und kann theoretisch beliebig große Werte annehmen. Sie ist z.B. √ (2 λ1 / 3), wenn λ1 > 0 und λ2 = λ3 = 0 sind, also proportional zur Wurzel des einzigen Eigenwertes > 0 bei vollständiger Ausgerichtetheit in genau eine Richtung.

Axiale Diffusivität

Die axiale Diffusivität λa: = λ1 ist der größte der 3 Eigenwerte.

Anschaulicher: Die axiale Diffusivität λa ist die Länge des Diffusionstensorellipsoids und beschreibt damit die Stärke der scheinbaren Diffusion in der Hauptrichtung, also der Richtung der größten Beweglichkeit. Sie ist ein Marker für die axonale Unversehrtheit. Je größer die axiale Diffusivität, desto unversehrter sind die Axone.

Radiale Diffusivität

Die radiale Diffusivität ist der Mittelwert der beiden kleineren Eigenwerte, also \lambda_t := \frac{\lambda_2+\lambda_3} {2} Anschaulicher: Die radiale Diffusivität λt (t für transversal) ist die durchschnittliche Dicke des Diffusionstensorellipsoids in der Längsmitte und beschreibt die durchschnittliche scheinbare Diffusion in der Ebene senkrecht zur Hauptrichtung. Sie ist zum Beispiel ein Marker für die Unversehrtheit von Myelin. Demyelinisierung erhöht die radiale Diffusivität.

Literatur

  • S. A. Huettel, A. W. Song, G. McCarthy: Functional Magnetic Resonance Imaging. 2nd ed. Sinauer Associates, 2009, ISBN 978-0-87893-286-3 (Englischsprachiges Fachbuch, Erklärt in Kapitel 5 die Diffusionstensorbildgebung).
  • Wilhelm Harald Flatz: Quantitative Analyse der Diffusions-Tensor-Bildqualität (DTI) unter Verwendung von paralleler Bildgebung in der Hochfeld-MRT bei 1,5 und 3 Tesla. Dissertation, Ludwig-Maximilians-Universität zu München 2007 (PDF).
  • Alexander Unrath: Richtungsunabhängige Farbcodierung des menschlichen Thalamus mittels Diffusion Tensor Imaging. Dissertation, Medizinischen Fakultät der Universität Ulm, 2006 (PDF).

Quellenangaben

  • Susumu Mori, Peter C. M. van Zijl: Fiber tracking: principles and strategies – a technical review. In: NMR in Biomedicine. 15, Nr. 7–8, 1. Oktober 2002, S. 468–480, doi:10.1002/nbm.781.
  • Susumu Mori, Barbara J. Crain, V. P. Chacko, Peter C. M. Van Zijl: Three‐dimensional tracking of axonal projections in the brain by magnetic resonance imaging. In: Annals of Neurology. 45, Nr. 2, 1. Januar 1999, S. 265–269, doi:10.1002/1531-8249(199902)45:2<265::AID-ANA21>3.0.CO;2-3.
  • Denis Le Bihan, Jean‐François Mangin, Cyril Poupon, Chris A. Clark, Sabina Pappata, Nicolas Molko, Hughes Chabriat: Diffusion tensor imaging: Concepts and applications. In: Journal of Magnetic Resonance Imaging. 13, Nr. 4, 1. März 2001, S. 534–546, doi:10.1002/jmri.1076.

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