Benediktinerinnenkloster Herzebrock

Benediktinerinnenkloster Herzebrock

Das Benediktinerinnenkloster Herzebrock in Herzebrock-Clarholz (Kreis Gütersloh, Nordrhein-Westfalen) wurde um 860 als Kanonissenstift gegründet. Im Jahr 1208 wurde es in ein Benediktinerinnenkloster umgewandelt. Es bestand bis zur Säkularisation 1803.

Konventshaus und Dormitorium

Inhaltsverzeichnis

Gründung

Gründerin des Kanonissenstift war eine Walburga, Witwe eines Eckhardus, der wahrscheinlich aus der sächsischen Familie der Ekbertiner stammte. Das Stift entstand auf Eigenbesitz der Familie und stand unter dem Schutz des Bischofs von Osnabrück, dem dafür Naturalabgaben zustanden. Materiell ausgestattet war das Stift zu Beginn mit 20 Meierhöfen. Ein Sohn Walburgas übergab ihm seinen gesamten Besitz mit der Verpflichtung einer lebenslänglichen Versorgung. Ein weiterer Sohn übernahm die Vogtrechte. Erste Äbtissin wurde Duda eine Tochter von Walburga, die im Kloster Liesborn erzogen worden war. Anfangs war das Stift Maria geweiht.

Die Gründungsurkunde hat die Forschung indes als Fälschung aus dem 11. Jahrhundert erkannt. Allerdings scheint gesichert, dass ein adeliger Frauenkonvent noch im 9. Jahrhundert entstand, der damit der älteste im Bistum Osnabrück war.

Kanonissenstift

Um das Jahr 900 erhielt die Einrichtung durch Bischof Egilmar von Osnabrück eine Reliquie der Heiligen Christiana. Daher ist die Kirche St. Christina geweiht. Etwa hundert Jahre später erhielt es von Kaiser Otto II. auf Bitten seiner Frau Theophanu um 976 Immunität und Gerichtshoheit. Der Konvent konnte danach die Äbtissin frei wählen und hatte auch das Recht den Vogt zu bestimmen. Im Jahr 1096 wurde ein Herimanus als Vogt genannt, der wohl aus der Familie der Grafen von Werl stammte. Später ging das Recht der freien Vogtswahl in der Praxis verloren. Lange Zeit war das Amt in der Hand der Herren zur Lippe. Seit 1465 lagen die Vogteirechte schließlich in den Händen des Hauses Bentheim-Tecklenburg-Rheda.

Im Jahr 1069 hat Benno II. versucht wegen eines angeblichen Verfalls der Sitten das Stift nach Osnabrück zu verlegen und die Einrichtung in ein Kloster umzuwandeln. Dieses scheiterte. Dem Konvent gelang es eine weitgehende Unabhängigkeit vom Bischof zu bewahren.

Umwandlung in ein Benediktinerinnenkloster

Kirche St. Christina
Innenraum von St. Christina Herzebrock
Blick in den Chorraum
Innenraum

Im Inneren hielt sie an den kanonischen Lebensformen fest. Dies wurde von den regulierten Orden als Regellosigkeit und Disziplinlosigkeit kritisiert. Dies führt nach 1208 zusammen mit der an Schärfe zunehmende Konflikte mit dem Bistum dazu, dass der Bischof von Osnabrück Gerhard von Oldenburg, ungeachtet der kaiserlichen Privilegien, das Stift in ein Benediktinerinnenkloster umwandelte. Die Kanonissen traf dies nicht unvorbereitet, einige hatten sich schon materiell auf den Austritt aus der Gemeinschaft vorbereitet.

Erste Äbtissin wurde die Schwester des Bischofs Beatrix von Oldenburg. Zu dieser Zeit erhielt die Äbtissin auch die geistliche Gerichtsbarkeit die zuvor beim Archidiakon in Wiedenbrück gelegen hatte. Dennoch insgesamt war damit die Selbständigkeit Herzebrocks beendet, an die Stelle trat eine starke Abhängigkeit vom Bistum. In der Gemeinschaft selbst wurde die Stellung der Äbtissin gegenüber den übrigen Konventsangehörigen gestärkt. Der tief greifende Eingriff entgegen aller Rechte war nicht zuletzt deswegen möglich, weil die Vögte aus dem Haus der Herren von Lippe dem Schritt keinen Widerstand entgegensetzten, sondern darin sogar Vorteile sahen.

Krise im Spätmittelalter

Die Gemeinschaft wurde 1313 durch eine Brandkatastrophe stark betroffen und die Gebäude mussten fast gänzlich neu errichtet werden. Im Jahr 1419 wurde der Ablass für Wallfahrten zur Christinareliquie gewährt. Die Gläubigen die am Fest der heiligen Christina nach Herzebrock wallfahrten, der Kirche ein Geschenk machten und zum Unterhalt des Konvents beitrugen, erhielten einen Ablass für hundert Tage.

Im 15. Jahrhundert litt die Gemeinschaft unter den Kriegen zwischen den Herren zur Lippe und den Grafen von Tecklenburg. Dabei fielen Teile des Klosterbesitzes wüst. Durch die Schutzlosigkeit gingen dem Kloster zahlreiche Güter verloren. Dem unrechtmäßigen Aneignen von Klostergut konnte auch eine Anweisung von Papst Nikolaus V. kein Ende gemacht werden. In dieser Zeit lebte die Gemeinschaft in großer Armut. Aber auch in geistlicher Hinsicht verfiel das Leben in Herzebrock. Die klösterliche Armut war der individuellen Eigentumsbildung gewichen.

Klosterreform

Nach 1459 begann unter der Äbtissin Sophia von Stromberg (1426-1463) eine Reform des Klosterlebens. Sie stieß dabei auf erhebliche Widerstände im Konvent. Hilfe für eine Reform kam dabei auch von außen. Sophia von Münster (1463-1500), die auch aus einem anderen Konvent gekommen war, setzte die Reformen fort. Eine Voraussetzung war die Überwindung der materiellen Krise. Es gelang insbesondere durch den Prokurator des Klosters Johann von Hamm die wirtschaftlichen Verhältnisse zu ordnen.

Die Gemeinschaft schloss sich 1467 der Reformbewegung der Bursfelder Kongregation an. Während die meisten übrigen Frauenklöster nur unter die Unterwerfung unter die Aufsicht eines Männerklosters Teil der Kongregation wurden, gelang Herzebrock die Aufnahme als selbständiges Mitglied. Im Jahr 1475 wurde die Pfarrei Herzebrock dem Kloster unterstellt. Damit kamen auch die Einnahmen der Kirche dem Kloster zugute. Der Aufschwung der mit der Reform verbunden war, zeigt sich unter anderem in dem im Kloster entstandenen Handschriften an der Wende des 15. zum 16. Jahrhundert. Es entstanden mystische Texte, Gebete und Andachten in niederdeutscher Sprache. Herzebrock wurde ein Mittelpunkt der benediktinischen Reform. Von hier aus wurden weitere Klöster reformiert. In geistlicher und wirtschaftlicher Hinsicht war diese Zeit der letzte Höhepunkt der Klostergeschichte.

Zeit der Reformation

Rekonstruierter Klostergarten

Im Jahr 1543 wurde die Reformation in der Gemeinde durch Vogt Cord von Tecklenburg eingefügt. Auch Franz von Waldeck als Bischof von Osnabrück hat eine proreformatorische Politik betrieben. Es gelang der Äbtissin Anna von Ascheberg (1533 bis 1564) mit Geschick und Diplomatie dem Konvent die Beibehaltung des bisherigen Ritus zu ermöglichen. Nach der Niederlage der Protestanten im Schmalkaldischen Krieg war Franz von Waldeck zur Rückkehr zur alten Kirche gezwungen. Bereits 1547 folgte die Rückkehr auch der Gemeinde zum Katholizismus. Die Unstimmigkeiten mit den Grafen von Tecklenburg wurden im Bielefelder Vergleich von 1565 beendet. Das Kloster bezahlte dafür einen hohen Preis, musste es doch die Landesherrschaft der Tecklenburger anerkennen.

Im Vergleich mit anderen Frauenklöstern der Zeit waren die religiösen und sittlichen Verhältnisse in Herzebrock nur in geringen Maße von Verfallserscheinungen geprägt.

17. und 18. Jahrhundert

Während des Dreißigjährigen Krieges wurde das Kloster mehrfach geplündert und ausgeraubt. In Gefahrenzeiten floh die Gemeinschaft nach Wiedenbrück, wo der Konvent ein Haus besaß. Nach dem Ende des Krieges verbesserte sich die wirtschaftliche Lage wieder und unter Äbtissin Anna Magdalena von Schüren (1695 bis 1723) wurden neue Gebäude errichtet. Auch im 17. Jahrhundert haben Visitatoren zwar gewisse Punkte an der Lebensführung der Nonnen geäußert, diese gingen aber nicht so weit wie in vergleichbaren Klöstern.

Im 18. Jahrhundert verstärkte sich das Interesse an der eigenen Vergangenheit. So schrieb der Prokurator Matthias Becker eine Geschichte des Klosters. Es entstand auch ein Gemäldezyklus zur Klostergeschichte.

Im Jahr 1803 folgte die Säkularisation. Noch heute befindet es sich im Besitz des Fürstenhauses Bentheim-Tecklenburg.

Baulichkeiten und Ausstattung

Grundriss vor der Erweiterung 1900

Eine erste Kirche war aus Holz. Ein romanischer Nachfolgebau wurde in Stein errichtet. Der Westturm der heutigen Kirche stammt noch aus romanischer Zeit (um 1200). Um 1474 erfolgte ein Neubau des einschiffigen Langhauses und des Chores mit vier längsrechteckigen Jochen im spätgotischen Stil. Die Joche sind mit einer farbigen Rankenmalerei ausgemalt. Besonders üppig ist die Malerei in den drei westlichen Jochen. In dieser Zeit entstand auch ein Kreuzgang. Zur Innenausstattung gehörte der Rosenkranzaltar. Teile des später zerlegten Altars befinden sich im Kunstmuseum Münster und in der National Gallery in London, sie werden einem unbekannten Meister zugeschrieben.

Zwischen 1696 und 1703 wurden Abtei- und Konventsgebäude im barocken Stil neu errichtet.

Nach der Säkularisation kam es zum Abriss verschiedener Gebäude. Im Jahr 1900 wurde der Kreuzgang abgerissen. Ein Jahr später erfolgte der Ausbau der Kirche zu einer dreischiffigen Basilika. Dabei wurde in die Substanz des bestehenden Baues eingegriffen. Im Jahr 1958 wurden Restaurierungsarbeiten ausgeführt. Der Klostergarten wurde zu Beginn des 21. Jahrhunderts rekonstruiert. Heute befindet sich in den Gebäuden ein kleines Museum. Die Reste des Kreuzganges waren im August 2010 Denkmal des Monats in Westfalen-Lippe.

Äbtissinnen

  1. 2. Hälfte 9. Jh.: Duda
  2. 976: Sigiburg
  3. um 1080−um 1097: Fretherun
  4. Gerswith
  5. Eila
  6. † um 1208: Goda
  7. 1208−1212: Beatrix von Oldenburg
  8. 1212−nach 1230: Floria
  9. um 1244−um 1246/48: Alheidis von Rüdenberg
  10. um 1248−1270/80: Cunegundis
  11. um 1280−1283: Gertrudis
  12. um 1283−1329: Odradis
  13. 1329−1354: Mechthild von Solms
  14. 1355−1380: Elisabeth Wegansen
  15. 1380−1426: Elisabeth Korff
  16. 1422−1463: Sophia von Stromberg
  17. 1463−1500: Sophia von Münster
  18. 1500−1516: Sophia von Goes
  19. 1516−1533: Elisabeth von der Asseburg
  20. 1533−1564: Anna von Ascheberg
  21. 1564−1601: Anna von der Recke
  22. 1601−1615: Elisabeth Knipping
  23. 1615−1633: Margaretha Spyker
  24. 1634−1666: Maria von Amerungen
  25. 1666−1676: Theodora von Padevorth
  26. 1676−1695: Anna Catharina von Berswordt
  27. 1695−1723: Anna Magdalena von Schüren
  28. 1724−1729: Maria Felicitas von Alten
  29. 1729−1737: Maria Henrica von Plettenberg
  30. 1737−1741: Helena Dorothea von Donop
  31. 1741−1762: Maria Theresia von Wrede
  32. 1762−1789: Maria Barbara von Doetinchem
  33. 1789−1798: Josepha von Amelunxen
  34. 1798−1803: Eleonora von Grevingen

Literatur

  • Edeltraud Klueting: Die Bistümer der Kirchenprovinz Köln. Das Bistum Osnabrück. Band 1: Das Kanonissenstift und Benediktinerinnenkloster Herzebrock. de Gruyter, Berlin, 1986, ISBN 3-11-010566-7 (Germania Sacra NF 21), Teildigitalisat.
  • Heiko K. L. Schulze: Klöster und Stifte in Westfalen. Geschichte, Baugeschichte und -beschreibung. Eine Dokumentation. In: Géza Jászai (Hrsg.): Monastisches Westfalen. Klöster und Stifte 800–1800. Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster 1982, ISBN 3-88789-054-X, S. 365–366 (Ausstellungskatalog, Münster, Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, 26. September 1982 – 21. November 1982).

Weblinks

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