Frauenstift

Frauenstift

Ein Frauenstift ist eine religiöse Lebensgemeinschaft für Frauen, die ohne Ablegung von Gelübden in einer klosterähnlichen Anlage leben. Die in einem solchen freien weltlichen Stift lebenden (im Mittelalter meist adligen) Damen werden als Kanonissen, Chorfrauen oder Stiftsdamen bezeichnet, daher wird häufig auch der Begriff Damenstift verwendet.

Zu unterscheiden sind hiervon jene Ordensfrauen, die in einem monastischen Orden (Augustiner-Chorfrauen, Benediktinerinnen, Kartäuserinnen, Prämonstratenser-Chorfrauen, Zisterzienserinnen, etc.) leben und sich auf Lebenszeit in feierlichen Gelübden zu einem Leben nach den Evangelischen Räten unter einer Äbtissin oder Priorin verpflichtet haben. Die Klöster dieser Ordensfrauen und anderer monastischer Orden werden, vor allem in Österreich, oft ebenfalls als Stifte bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Gründung

Ein Frauenstift wurde häufig von einem Adligen oder einer begüterten Witwe gestiftet, um so ein gottgefälliges Werk zu verrichten. Die Stiftsdamen erhielten in der Regel den Stiftungsauftrag, für das Seelenheil der Stifter zu beten.

Die Stifte unterstanden entweder als Reichsstifte direkt dem König oder Kaiser, oder dem Bischof, der dann auch das Recht hatte, die Äbtissin zu ernennen und einen Beichtvater für die Stiftsdamen einzusetzen.

Die Adligen der Umgebung sicherten sich durch ihre Zustiftungen, dass das Stift ausschließlich für ihre eigenen Töchter offen war, doch konnte man sich in ein Stift auch von außerhalb "einkaufen". Auch sind für die Töchter von verdienten Beamten Stiftsstellen geschaffen worden.

Lebensweise in den weltlichen Stiften

Die Stiftsdamen lebten in klosterähnlichen Gebäuden, die jedoch häufig großzügiger eingerichtet waren als bei Ordensfrauen. Die Kanonissen brachten oft ihr eigenes Mobiliar und ihre Dienerschaft mit. Sie waren verpflichtet, am Stundengebet und der Heiligen Messe teilzunehmen und das Essen mit der Gemeinschaft im Refektorium einzunehmen.

Bei ihrem Eintritt legten die Kanonissen nur die Gelübde der Keuschheit und des Gehorsams gegenüber ihrer Äbtissin ab, konnten jedoch heiraten, wenn sie auf ihre Pfründe verzichteten. Sie hatten die Freiheit, die ihnen vom Stift zufließenden Einkünfte zu verzehren, wo sie wollten. Häufig pflegten auch nur die Äbtissin, die Vorsteherin und eine geringe Zahl Kanonissen sich im Stiftsgebäude aufzuhalten, die anderen Stiftsdamen hatten dagegen eigene Wohnungen mit einer kleinen Dienerschaft im Umkreis. Die Stiftsdamen verzichteten weder auf ihren Privatbesitz noch auf ihre Erbansprüche und konnten das Stift jederzeit verlassen.

Ihren Lebensunterhalt bestritten die Stifte aus den bei der Gründung der Stiftung eingebrachten Pfründen, aus deren Ertrag alle Stiftsdamen eine jährliche Summe erhielten. Dafür musste eine Stiftsdame bei ihrem Eintritt eine gewisse Summe zustiften.

Zwischen Stiftsklöstern und weltlichen Stiften bestand eine gewisse Grauzone. Weil auch die weltlichen Stifte sich in ihren Satzungen an der Augustinusregel oder der Benediktsregel orientierten, ist aus heutiger Sicht nicht immer zweifelsfrei aus den Quellen zu erschließen, ob es sich bei einem Frauenstift um ein klösterliches oder weltliches Stift handelte. Außerdem war es üblich, dass sich adlige Witwen in ein klösterliches Stift einkauften, um dort ihren Lebensabend im Anschluss an die Klostergemeinschaft der Ordensfrauen, aber ohne Ablegung der Gelübde zu verbringen. Weltliche Stifte wurden auch gelegentlich in regulierte Klöster umgewandelt oder umgekehrt.

Geschichte

Die ersten Frauenstifte sind für das frühe Mittelalter nachgewiesen. Grundlage für die Gestaltung der Kanonissenklöster ist die von Amalarius von Metz ausgearbeitete Aachener Regel (Regula Aquisgranensis) von 816. Sie galt für die Stifte in Essen, Gandersheim, Gernrode, Köln, Herford und Quedlinburg). Eines der ältesten Frauenstifte war das Kloster Böddeken im (Fürst-)Bistum Paderborn (836).

Im Mittelalter und der frühen Neuzeit waren die Frauenstifte wichtige Zentren, um unverheiratete adlige Frauen und Witwen zu versorgen. Die Stiftsdamen waren häufig gelehrt und verrichteten kunstfertige Handarbeiten.

Der Reformation kam einerseits die Neugründung des sich der weiblichen Erziehung widmenden Ursulinenordens entgegen, während andererseits die Tradition weltlicher Kanonissen bewahrt wurde. Die Häuser der Diakonissen gehen teilweise auf diese Tradition zurück. Viele Frauenklöster wandelten sich in der Reformationszeit auch in weltliche Kanonissen-Stifte um, um der Auflösung zu entgehen.

Heute gibt es nur noch vereinzelte Frauenstifte. In Deutschland sind die Lüneklöster oder Schloss Ehreshoven bekannte Beispiele. Außerhalb Deutschlands gibt es Stifte beispielsweise in Salles-Arbuissonnas-en-Beaujolais (Rhône), in Maubeuge, in Remiremont, in Épinal, in Bouxières-aux-Dames (bei Nancy), in Montfleury (bei Dijon) und in Mons (Belgien).

Zur Geschichte der Frauenstifte siehe auch Sanktimoniale.

Evangelische Damenstifte in Norddeutschland

Eine besondere Gruppe sind die evangelischen Damenstifte (vgl. Liste der Stifte) (auch: „Fräuleinstifte“) in Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Die Schleswig-Holsteinische Ritterschaft unterhält heute die Adeligen Damenstifte Kloster Preetz, Kloster Itzehoe, St.-Johannis-Kloster vor Schleswig, und Kloster Uetersen. Zum Allgemeinen Hannoverschen Klosterfonds, einer Stiftung öffentlichen Rechts, gehören die Calenberger Klöster Barsinghausen, Mariensee, Marienwerder, Wennigsen und Wülfinghausen. Der Allgemeine Hannoversche Klosterfonds wird durch die Klosterkammer Hannover [1] verwaltet. Die sog. Lüneburger Klöster Ebstorf, Isenhagen (bei Hankensbüttel), Lüne, Medingen, Walsrode und Wienhausen blieben dagegen jeweils als Körperschaften öffentlichen Rechts rechtlich selbständig, werden aber seit 1963 im Wesentlichen aus dem Allgemeinen Hannoverschen Klosterfonds finanziert und stehen unter der Rechtsaufsicht der Präsidentin der Klosterkammer. Daneben gibt es in Niedersachsen noch die fünf freien Stifte: Stift Börstel, Stift Bassum[2], Stift Fischbeck, Kloster Neuenwalde und Stift Obernkirchen. Diese stehen ausschließlich unter der Rechtsaufsicht der Präsidentin der Klosterkammer, werden aber nicht von der Klosterkammer finanziert.

In Mecklenburg wurden nach der Reformation die Klöster Dobbertin, Malchow und Ribnitz in Damenstifte „zur christlich, ehrbaren Auferziehung inländischer Jungfrauen, so sie sich darin zu begeben Lust hätten“ umgewandelt.

In Brandenburg entstanden im 13. Jahrhundert verschiedene Frauenstifte in Anlehnung an den Zisterzienserorden, die allerdings in der Regel keine Aufnahme in den Orden fanden. Sie gehörten nicht zu Filiationen von Zisterzienserinnen-Mutterklöstern, sondern gingen in der Mehrzahl auf Stiftungen des ortsansässigen Adels zurück. Die Prignitzer Familie Gans zu Putlitz gründete 1231 beispielsweise das Frauenkloster Marienfließ, das heute noch als „Stift Marienfließ" besteht und sich in der diakonischen Altenfürsorge engagiert. Ferner bestanden das brandenburgische Kloster Stift zum Heiligengrabe bis 1945 und das Kloster Drübeck (Provinz Sachsen, heute Sachsen-Anhalt) bis 1946 als Damenstifte.

Literatur

  • K. Heinrich Schäfer: Die Kanonissenstifter im deutschen Mittelalter. Ihre Entwicklung und innere Einrichtung mit dem altchristlichen Sanktimonialentum. F. Enke, Stuttgart 1907 (Kirchenrechtliche Abhandlungen 43/44, ZDB-ID 501637-x).
  • Thomas Schilp: Norm und Wirklichkeit religiöser Frauengemeinschaften im Frühmittelalter. Die Institutio sanctimonialium Aquisgranensis des Jahres 816 und die Problematik der Verfassung von Frauenkommunitäten. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998, ISBN 3-525-35452-5 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Institutes für Geschichte 137 = Studien zur Germania Sacra 21), (Zugleich: Duisburg, Univ., Habil.-Schr., 1994).
  • Robert Suckale: Die mittelalterlichen Damenstifte als Bastionen der Frauenmacht. O. Schmidt, Köln 2001, ISBN 3-504-62025-0 (Schriftenreihe der Kölner Juristischen Gesellschaft 25).
  • Jan Gerchow (Hrsg.): Essen und die sächsischen Frauenstifte im Frühmittelalter. Klartext, Essen 2003, ISBN 3-89861-238-4 (Essener Forschungen zum Frauenstift 2).
  • Thomas Schilp: Reform – Reformation – Säkularisation. Frauenstifte in Krisenzeiten. Klartext, Essen 2004, ISBN 3-89861-373-9 (Essener Forschungen zum Frauenstift 3).

Weblinks

Erforschung der mittelalterlichen religiösen Gemeinschaften (Archivversion vom 8. Mai 2008)


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