Bildungsgeschichte

Bildungsgeschichte

Die Bildungsgeschichte oder neuerdings häufiger historische Bildungsforschung befasst sich als Forschungsfeld im Schnittpunkt von Geschichtswissenschaft und Erziehungswissenschaft mit den Veränderungen des Bildungswesens im Zusammenhang mit historisch-gesellschaftlichen Veränderungen. Sie wird von Vertretern beider Disziplinen betrieben, wobei für die Erziehungswissenschaft Konzepte und Begründungen für Erziehung und Bildung im Mittelpunkt stehen.

Inhaltsverzeichnis

Neues Selbstverständnis und Themen

Dabei hat die moderne Bildungsgeschichte ein anderes Selbstverständnis als die traditionelle Geschichte der Pädagogik, die vornehmlich die Ideen der großen Pädagogen betrachtet und ausgelegt hat. Statt dessen stehen Analyse und Kritik von erzieherischen Traditionen und ihrer Wirkungen im Mittelpunkt, teilweise mit quantitativ-statistischen Untersuchungen. Ein aktuelles Beispiel ist die Ursachenanalyse für das Scheitern vieler Bildungsreformen an der eigenen Logik von Schule, ihrer "Grammatik", bei David Tyack und William Tobin[1]. Ein anderes ist der bildungsstatistische zyklische Wechsel von Überfüllung und Mangel in der Absolventenzahl höherer Bildung[2]. Quellenmäßig interessant sind neben den normativen Texten alle "Ego-Dokumente" vergangener Lebensläufe. Auch die vormoderne Erziehung rückt in den Blick, vor allem in der Frühen Neuzeit der komplexe Vorgang der zunehmenden Alphabetisierung und Schulpflicht, in dem konfessionelle und ökonomische Faktoren wichtig sind. Die Arbeit ist internationaler und komparistisch orientiert (vgl. die International Standing Conference for the History of Education).

Die Bildungsgeschichte behandelt nicht nur die Schul- und Hochschulgeschichte, sondern auch die Vorschulerziehung, der nichtschulische Jugendbildung, die Berufsbildung, die Politische Bildung und die Erwachsenenbildung in ihren historischen Aspekten. In beiden Wissenschaften gibt es spezielle Lehrstühle für Bildungsgeschichte.

Wichtige Aspekte sind das Bildungssystem und die Institutionen, die Teilnehmer und ihre Berechtigungen, die Finanzierung, die Lehrpläne, die Lehrerbildung und die Personalausstattung sowie die zentralen Ziele und Bildungstheorien.

Siehe auch

Belege

  1. The Grammar of Schooling. Why it has been so hard to change? in: AERJ 1994
  2. Hartmut Titze: Der Akademikerzyklus. Hist. Unt. über die Wiederkehr von Überfüllung und Mangel in akademischen Karrieren, Göttingen 1990

Literatur

  • Henri-Irénée Marrou: Geschichte der Erziehung im klassischen Altertum. Übersetzung aus dem Französischen, hg. von R. Harder, Freiburg, München 1957 (auch dtv München 1986 ISBN 3423042753 )
  • Nathalie Kruppa, Jürgen Wilke (Hg.): Kloster und Bildung im Mittelalter. Vandenhoeck u. Ruprecht, Göttingen 2006, ISBN 3525358717.
  • Gerhard Petrat: Schulunterricht. Seine Sozialgeschichte in Deutschland 1750-1850, München 1979
  • Detlef K. Müller/Fritz K. Ringer/Brian Simon (Hg.): The Rise of the Modern Educational System. Cambridge/Paris 1987

Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte.

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать реферат

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Bildungsgeschichte Dieburgs — Nach frühesten Aufzeichnungen über Dieburg als Schulstadt des 15./16. Jahrhunderts unterrichteten drei Volksschullehrer die Knaben überwiegend im Fach Religion. Kurzzeitig nach dem Dreißigjährigen Krieg unterhielten die Kapuziner eine… …   Deutsch Wikipedia

  • Bildungsgeschichte Sachsens — Das Königreich Sachsen zählte im Bildungswesen zu den fortschrittlichsten Gebieten Deutschlands. Sein Schulwesen geht weit in die vorreformatorische Zeit zurück, wohingegen das angrenzende Gebiet des heutigen Sachsen Anhalts beispielsweise erst… …   Deutsch Wikipedia

  • Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung — Die Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung (BBF) des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung ist mit ca. 700.000 Bänden die größte pädagogische Spezialbibliothek in Deutschland. Sie versteht sich als… …   Deutsch Wikipedia

  • Reinhard Buchwald — Ernst Reinhard Buchwald (* 2. Februar 1884 in Großenhain; † 13. Januar 1983 in Heidelberg) war ein deutscher Literar und Kulturhistoriker sowie einer der Begründer der deutschen Volkshochschulbewegung und Vertreter der Thüringer Richtung der… …   Deutsch Wikipedia

  • Renaissance-Humanismus — [ʀənɛˈsɑ̃s] ist die moderne Bezeichnung für eine machtvolle geistige Strömung in der Zeit der Renaissance, die zuerst von Francesco Petrarca (1304–1374) angeregt wurde, in Florenz ein herausragendes Zentrum hatte und sich im 15. und 16.… …   Deutsch Wikipedia

  • Retrospektiven in Sachen Bildung — ist eine bildungshistorische Schriftenreihe, die an der Abteilung für Historische bzw. Historische und Vergleichende Pädagogik der Universität Klagenfurt erscheint. Herausgeber ist Elmar Lechner. Die Reihe ist das publizistische bzw.… …   Deutsch Wikipedia

  • Alexander Karl Heinrich Braun — Nacimiento 10 de mayo de 1805 Ratisbona Fallecimiento 29 de marzo de 1877 …   Wikipedia Español

  • Das Sinngedicht — Das Sinngedicht, Erstdruck 1881 Das Sinngedicht ist ein Novellenzyklus des Schweizer Dichters Gottfried Keller. Erste Ideen zu dem Werk notierte Keller sich 1851 in Berlin, wo er 1855 auch die Anfangskapitel zu Papier brachte. Der größte Teil des …   Deutsch Wikipedia

  • Alexander Carl Heinrich Braun — (* 10. Mai 1805 in Regensburg; † 29. März 1877 in Berlin) war ein deutscher Botaniker und Hochschullehrer. Sein offizielles botanisches Autorenkürzel lautet „A.Braun“ …   Deutsch Wikipedia

  • Arno Seifert — (* 27. Juli 1936; † 3. Januar 1987) war ein deutscher Historiker auf den Gebieten der Universitätsgeschichte, Wissenschaftsgeschichte und Kulturgeschichte. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Leistungen 3 …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”