- Bundesvertretung der Studierenden
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Die Bundesvertretung der Studierenden (meist nur kurz Bundesvertretung, abgekürzt BV; bis 30. Juni 1999: Zentralausschuß[1], abgekürzt ZA) ist das entscheidungsbefugte Kollegialorgan der Österreichischen Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft. Ihre Funktionsperiode beginnt jeweils mit dem 1. Juli eines Wahljahres und dauert zwei Jahre. Im übertragenen Sinn steht „Bundesvertretung“ oft pars pro toto für die Körperschaft selbst.
Inhaltsverzeichnis
Aufgaben
Die Bundesvertretung wählt aus dem Kreis der Mandatare den Vorsitzenden der Österreichischen Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft. Der ÖH-Vorsitzende schlägt dann die Referenten zur Wahl vor. Letztere müssen selbst nicht Mandatare der Bundesvertretung sein.
Die Bundesvertretung erlässt mit Zweidrittelmehrheit die Satzung der Österreichischen Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft. In ihr ist die Einrichtung der Referate geregelt. Auf Basis der Satzung fallen auch der Beschluss des Jahresvoranschlags und des Jahresabschlusses in den Aufgabenbereich der Bundesvertretung.
Entsendungen in die Bundesjugendvertretung und andere staatliche Gremien sowie in internationale Organisationen wie die European Students’ Union) gehören ebenfalls zu den Aufgaben der Bundesvertretung. Dabei steht den Klubs (Fraktionen) ein Vorschlagsrecht zu, die verfügbaren Plätze werden mittels des D’Hondt-Verfahrens nach dem Ergebnis der letzten ÖH-Wahlen verteilt. Um Missbrauch auszuschließen, ist bei jeder Entsendung über einen Gesamtvorschlag abzustimmen. Eine Abberufung der Entsendeten erfordert eine Zweidrittelmehrheit.[2]
Vorsitzende
Neben Vorsitzführung in den Sitzungen der Bundesvertretung ist der Vorsitzende für die Außenvertretung der Österreichischen Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft zuständig. Der Abschluss von Rechtsgeschäften bedarf allerdings der Zustimmung des Wirtschaftsreferenten. Der Vorsitzende der Bundesvertretung führt den Vorsitz in den drei Vorsitzendenkonferenzen (der Universitätsvertretungen, der Pädagogischen Hochschulvertretungen und der Fachhochschul-Studienvertretungen). Vorsitzende können Aufgaben an ihre Stellvertreter übertragen. Dies kann entweder auf eigenes Risiko (dafür jederzeit widerrufbar) durch schriftliche oder mündliche Beauftragung erfolgen, oder mittels eines Beschlusses der Bundesvertretung. In diesem Fall werden die Kompetenzen dauerhaft übertragen, die Stellvertreter handeln dann auf eigene Verantwortung.
Geschichtliche Entwicklung
Der Zentralausschuß wurde 1945 durch die Verordnung des Staatsamtes für Volksaufklärung, für Unterricht und Erziehung und für Kultusangelegenheiten vom 3. September 1945 über die studentische Selbstverwaltung an den Hochschulen wissenschaftlicher und künstlerischer Richtung eingerichtet. Diese Verordnung mit Gesetzeskraft auf der Basis des austrofaschistischen „Hochschulermächtigungsgesetzes“ aus dem Jahr 1935 richtete die Österreichische Hochschülerschaft als bundesweite Vertretung der Universitätsstudierenden mit österreichischer Staatsbürgerschaft als Körperschaften öffentlichen Rechts ein (und zusätzlich die einzelnen Österreichischen Hochschülerschaften an den Hochschulen als universitätsbezogene Vertretungen).
Aufgrund eines Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes musste die Verordnung 1950 durch ein eigenes Hochschülerschaftsgesetz ersetzt werden.[3] Anstelle der parallel bestehenden Hochschülerschaften an den einzelnen Hochschulen und der bundesweiten Österreichischen Hochschülerschaft gab es fortan nur noch eine einheitliche Österreichische Hochschülerschaft mit den Ebenen Fachschaftsausschüsse, Hauptausschüsse und Zentralausschuß. Die Zusammensetzung des Zentralausschusses war nun auf gesetzlicher Ebene und nicht mehr über die Wahlordnung geregelt. Bestimmt wurden die Mandatarinnen und Mandatare nach einem gemischten Delegations- und Wahlmodell: Die Vorsitzenden der Hauptausschüsse (den späteren Universitätsvertretungen) sowie die Vorsitzenden der Fachschaftsausschüsse (später: Fakultätsvertretungen) an Fakultäten mit mehr als 1500 Wahlberechtigten waren automatisch stimmberechtigte Mitglieder des Zentralausschusses. Damit die Mehrheitsverhältnisse im Zentralausschuß auch dem Wahlergebnis entsprachen, wurde das Gremium um entsprechend viele (höchstens jedoch 16) weitere stimmberechtigte Mitglieder ergänzt, die Vorsitzenden wurden dabei ihren jeweiligen wahlwerbenden Gruppen (Fraktionen) zugerechnet.[4]
Mit dem 1973 verlautbarten neuen Hochschülerschaftsgesetz (HSG 1973) wurden erneut eigene Körperschaften für die einzelnen Hochschulvertretungen eingerichtet. Der Name „Zentralausschuß“ blieb zwar erhalten, das Delegationssystem wurde aber abgeschafft. Alle Mandatare wurden nun direkt gewählt, die Vorsitzenden der Hauptausschüsse verfügten nur noch über eine beratende Stimme.[5] Bis 1985 umfasste der Zentralausschuß ein Mandat je 1500 aktiv Wahlberechtigter, danach wurde die Mandatszahl auf 65 fixiert.
Nach langen Beratungen wurde 1998 ein völlig neues Hochschülerschaftsgesetz (HSG 1998) erlassen. Der Zentralausschuß wurde (nachdem seit 1973 ohnehin der Ausschusscharakter entfallen war) konsequenterweise in „Bundesvertretung“ umbenannt. Die Zahl der Mandate wurde gegenüber dem HSG 1973 reduziert und mit 45 festgelegt. 2004 wurde durch eine Novelle des HSG 1998 die Direktwahl der Bundesvertretung der Studierenden abgeschafft und durch eine indirekte Wahl ersetzt.[6] Dadurch erhöhte sich die Mandatszahl wieder deutlich auf über 60 Mandate. Durch die Eingliederung der Fachhochschulstudierenden stieg die Zahl der vergebenen Mandate bei den ÖH-Wahlen 2009 erneut sprunghaft an, erstmals seit den frühen 1980er-Jahren umfasst das bundesweite Vertretungsgremium wieder mehr als 80 Mandatarinnen und Mandatare.
Wahlrecht
Die Anzahl der stimmberechtigten Mandate der Bundesvertretung richtet sich nach der Größe der entsenden Universitäten und (Fach- beziehungsweise Pädagogischen) Hochschulen sowie nach den von den Listenverbände erreichten Mandaten und steht daher erst nach der Wahl fest. Nach den ÖH-Wahlen 2009 besteht die Bundesvertretung aus 85 stimmberechtigten Mandataren. Zusätzlich sind die 21 Vorsitzenden der Universitätsvertretungen sowie die Vorsitzenden der Pädagogischen Hochschulvertretungen und der Fachhochschul-Studienvertretungen, soweit die jeweiligen Hochschulen mindestens 200 Studierende haben, mit beratender Stimme und Antragsrecht Mitglieder der Bundesvertretung. Die Referentinnen und Referenten sind ebenfalls beratende Mitglieder der Bundesvertretung, allerdings ist ihr Antragsrecht eingeschränkt auf Angelegenheiten ihres jeweiligen Referats.
Wahlen zum Zentralausschuß und zur Bundesvertretung Jahr Wahlberechtigtea Mandateb Wahlbeteiligunga Gremium Wahlmodus 2011 247.897g 96g 1 28,45 %g Bundesvertretung Entsendung 2009 230.526c 85c 2 25,70 %c Bundesvertretung Entsendung 2007 203.116c 66c 3 28,72 %c Bundesvertretung Entsendung 2005 197.435d 62d 4 30,52 %d Bundesvertretung Entsendung 2003 184.498 45 30 % Bundesvertretung Direktwahl 2001 217.611 45 28 % Bundesvertretung Direktwahl 1999 211.702 45 28 % Bundesvertretung Direktwahl 1997 235.126 65 28 % Zentralausschuß Direktwahl 1995 231.826 65 29 % Zentralausschuß Direktwahl 1993 223.820 65 31 % Zentralausschuß Direktwahl 1991 210.414 65 31 % Zentralausschuß Direktwahl 1989 205.011 65 30 % Zentralausschuß Direktwahl 1987 187.643 65 35 % Zentralausschuß Direktwahl 1985 167.823 65 30 % Zentralausschuß Direktwahl 1983 134.083 89 36 % Zentralausschuß Direktwahl 1981 133.198 89 35 % Zentralausschuß Direktwahl 1979 111.972 75 33 % Zentralausschuß Direktwahl 1977 97.776 65 39 % Zentralausschuß Direktwahl 1975 78.360 55 40 % Zentralausschuß Direktwahl 1974 78.238 53 33 % Zentralausschuß Direktwahl 1971 52.271 34 43 % Zentralausschuß Delegation + Direktwahl 1969 47.208 34 53 % Zentralausschuß Delegation + Direktwahl 1967 41.212 41 64 % Zentralausschuß Delegation + Direktwahl 1965 40.035 37 70 % Zentralausschuß Delegation + Direktwahl 1963 36.928 37 68 % Zentralausschuß Delegation + Direktwahl 1961 32.611 35 65 % Zentralausschuß Delegation + Direktwahl 1959 21.452 31 70 % Zentralausschuß Delegation + Direktwahl 1957 15.319 31 62 % Zentralausschuß Delegation + Direktwahl 1955 15.082 31 62 % Zentralausschuß Delegation + Direktwahl 1953 15.366e 30 70 % Zentralausschuß Delegation + Direktwahl 1951 ca. 20.500f 24 61 % Zentralausschuß Delegation + Direktwahl 1949 24.491 22 59 % Zentralausschuß Delegation + Direktwahl 1948 27.702 23 66 % Zentralausschuß Delegation + Direktwahl 1946 26.900 21 77 % Zentralausschuß Delegation + je zwei Mandate für die Hochschulorganisationen von ÖVP, SPÖ und KPÖ 1 73 Mandate entfallen auf die Universitäts-, 18 auf die Fachhochschul- und 5 auf die pädagogischen Hochschulvertretungen2 65 Mandate entfallen auf die Universitäts-, 16 auf die Fachhochschul- und 4 auf die pädagogischen Hochschulvertretungen3 62 Mandate entfallen auf die Universitätsvertretungen, 4 Mandate auf die Wahlgemeinschaft (Pädagogische Akademien und Kunstuniversität Linz)4 58 Mandate entfallen auf die Universitätsvertretungen, 4 Mandate auf die Wahlgemeinschaft (Pädagogische Akademien und Kunstuniversität Linz)f Zahl der Wahlberechtigten 20.577 aus Josef Hochgerner Studentenpolitik nach der Revolte, 20.441 aus der Tageszeitung Die Presse. Beides zitiert nach [11]Literatur
- Alexander Egger und Thomas Frad: Hochschülerschaftsgesetz und Studentenheimgesetz. Einführung, Texte, Materialien, Entscheidungen, Anmerkungen. WUV-Universitätsverlag, Wien 2000, ISBN 978-3851144444.
- Stefan Huber: ÖH-Recht. Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftsgesetz mit Nebenbestimmungen. 3. überarbeitete Auflage. Neuer Wissenschaftlicher Verlag, Wien/Graz 2009, ISBN 978-3708306087.
Weblinks
- Satzung der Österreichischen Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft in der Fassung vom November 2010
- Genehmigte Protokolle der Sitzungen der Bundesvertretung seit der Funktionsperiode 2001–2003
Einzelnachweise
- ↑ Egger/Frad, S. 67
- ↑ Egger/Frad, S. 46
- ↑ Christian Bruckner: 1950er Jahre. In: 60 Jahre ÖH. 2006, S. 20., abgerufen am 5. November 2009 (PDF, 4,6 MB).
- ↑ Hochschülerschaftsgesetz aus dem Jahr 1950
- ↑ Hochschülerschaftsgesetz 1973
- ↑ Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftsgesetz 1998
- ↑ Christian Bruckner: ÖH-Wahlergebnisse 1946-2005. In: 60 Jahre ÖH. 2006, S. 52., abgerufen am 5. November 2009 (PDF, 4,6 MB).
- ↑ Michael Hasenöhrl: Studentenwahlen in Österreich. Die Österreichische Hochschülerschaft (ÖH) 1946-2001. Wien 2002, S. 25-36 (Seminararbeit für „Seminar aus Österreichischer Regimelehre: Empirische Wahlforschung“ bei Peter Ulram und Rainer Alexandrowicz).
- ↑ ÖH-Wahlen 2009: Die Ergebnisse. In: FM4.orf.at. Abgerufen am 16. November 2009.
- ↑ Monika Himsl: ÖH-Wahl 2007. Abgerufen am 16. November 2009.
- ↑ a b Michael Hasenöhrl: Studentenwahlen in Österreich. Die Österreichische Hochschülerschaft (ÖH) 1946-2001. Wien 2002, S. 26 (Seminararbeit für „Seminar aus Österreichischer Regimelehre: Empirische Wahlforschung“ bei Peter Ulram und Rainer Alexandrowicz).
- ↑ ÖH-Wahlen 2011: Die Ergebnisse. In: FM4.orf.at. Abgerufen am 17. September 2011.
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