Bürgerkredit

Bürgerkredit

Der Bürgerkredit (auch Bürgerdarlehen) stellt eine alternative Finanzierungsform für kommunale Gebietskörperschaften zu konventionellen Kommunalkrediten oder Kommunalanleihen dar. Kommunen nehmen durch den Bürgerkredit benötigtes Fremdkapital für Investitions- oder Kassenkredite direkt bei Privatpersonen auf.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Im Juli 2009, während einer öffentlichen Bürgerstunde zur Haushaltslage der Stadt Quickborn, entstand die Idee des Bürgerkredits. Die Stadt nahm ohne Umweg über ein Kreditinstitut direkt bei Bürgern ein einjähriges Darlehen auf.

Die eingezahlten Beträge der Bürger wurden mit 3 % p.a. verzinst. Der Mindestanlagebetrag einer einzelnen Anlage belief sich auf 5.000 Euro. Zum damaligen Zeitpunkt war dies ca. 1 % günstiger als ein vergleichbarer Kommunalkredit. Insgesamt wurden von 80 Privatpersonen 4 Millionen Euro eingesammelt[1].

Da das Einsammeln von „unbedingt rückzahlbaren Geldern des Publikums“[2], jedoch den Tatbestand des Betreibens von Einlagengeschäft nach §1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG darstellt, schritt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ein und untersagte das Geschäft[3]. Um Einlagengeschäft betreiben zu dürfen ist in Deutschland eine sog. Banklizenz vonnöten, die Gebietskörperschaften per se nicht erhalten können. Schon abgeschlossene Verträge behielten aber ihre Gültigkeit.

Um dennoch weiterhin Bürgerkredite aufnehmen zu können, entschied sich die Quickborner Stadtführung zur Kooperation mit einer Willicher Bank. Im zweiten Anlauf sammelte die Stadt ca. 1,065 Millionen Euro von 30 Anlegern ein. Es wurden Zinsen von 1,5 % für ein einjähriges und 2,6 % für ein fünfjähriges Darlehen gezahlt[4].

Mit dem aufgenommen Geld wurde sowohl eine Schule als auch die örtliche Feuerwache saniert[5].

Meinungen

Aus Sicht der Kommune kann ein Bürgerkredit eine günstigere Alternative zur konventionellen Kreditaufnahme bei einer Geschäftsbank darstellen. Auch Inhaberschuldverschreibungen als Finanzierungsquelle gestalten sich wegen der aufwendigen Emission und Rechtsberatung deutlich teurer als Bürgerdarlehen[6].

Darüber hinaus wird die Abhängigkeit von Banken reduziert und eventuelle Kreditrahmen müssen nicht vollständig ausgeschöpft werden[7]. Unter Umständen kann die Nutzung eines Bürgerkredits die Partizipation der Bürger in der Kommune und die Identifikation mit ihr langfristig fördern. “Das Bürgerdarlehen trägt zur Bündelung der politischen Verantwortung für finanziell belastende Entscheidungen auf dezentraler Ebene bei.“[8]

Da die Insolvenz von Kommunen laut deutschem Insolvenzrecht ausgeschlossen[9] ist und der vertikale Finanzausgleich die Liquidität der Gemeinden sichert[10] [11], gelten Kommunen als erstklassige Schuldner. Auch die Kompetenzen der kommunalen Aufsichtsbehörden sichern die Solvenz deutscher Gebietskörperschaften[12]. Damit ist eine Investition in einen Bürgerkredit sicherer als eine Einlage bei einem Kreditinstitut.

„Der Vorteil ist, so paradox es klingen mag, dass man sich die Konflikte der kommunalen Verschuldung direkt in den Gemeinderat und in die Bürgerversammlung holt.“[13]

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://www.kommunale-info.de/index.html?/Infothek/3894.asp
  2. http://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Service/Merkblaetter/mb__090109__einlagengeschaeft.html
  3. http://www.derneuekaemmerer.de/article/1039/bafin-untersagt-quickborn-buergerkredit
  4. http://www.shz.de/nachrichten/top-thema/article//quickborner-buergerkredit-als-vorbild.html
  5. http://sueddeutsche.de/geld/kommune-in-finanznot-quick-win-in-quickborn-modellbuergerkredit-1.168404
  6. DÖV, Heft 5, März 2011, Dr. Prehn, S. 184
  7. http://www.newsclick.de/index.jsp/menuid/2163/artid/13403893
  8. Michael Thöne, Der kreative Kommunalkredit, Wirtschaftsdienst 2010, 141.
  9. https://recht.nrw.de/lmi/owa/pl_text_anzeigen?v_id=2320021205103438063#det236230
  10. Artikel 28 Abs. 2 Satz 3 GG
  11. Artikel 107 Abs. 2 Satz 1 GG
  12. BT-Drs. 15/5095 vom 15. 03. 2005
  13. Michael Thöne, Der kreative Kommunalkredit, Wirtschaftsdienst 2010, 141.

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