Carl Stalling

Carl Stalling

Carl W. Stalling (* 10. November 1891 in Lexington, Missouri; † 29. November 1972 nahe Los Angeles, Kalifornien) war ein US-amerikanischer Filmkomponist, der für mehr als 700 Zeichentrickfilme die Filmmusik komponiert hatte. Stalling schrieb die Musik für die ersten Micky-Maus- und Silly-Symphonies-Filme von Walt Disney und war von 1936 bis 1958 für die musikalische Untermalung der Looney Tunes von Warner Bros. verantwortlich.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Frühe Jahre

Carl Stalling wuchs in Lexington, Missouri auf. Der Sohn eines Schreiners lernte bereits als Sechsjähriger das Klavierspiel, später spielte er die Kirchenorgel in seiner Heimatgemeinde. Mit 17 Jahren begann Stalling eine Karriere als professioneller Pianist in einem Theater in Independence, Missouri, nahe der Stadt Kansas City.

Anfang der 1920er-Jahre leitete Carl Stalling das Orchester im Kino Isis Theatre in Kansas City. Er improvisierte an der Kinoorgel, schrieb zu dieser Zeit aber noch keine eigenen Kompositionen nieder. In Kansas City traf Stalling erstmals Walt Disney, dem er mit der Musik zu einigen seiner Laugh-O-Gram-Film aushalf. Als Disney 1923 nach Hollywood ging, brach der Kontakt zu Stalling zunächst ab.

Disney

Im Sommer 1928 besuchte Walt Disney Stalling überraschend in Kansas City. Disney bereitete gerade die Vertonung des Micky-Maus-Cartoons Steamboat Willie vor und sprach mit Stalling allgemein über die Möglichkeiten des Tonfilms. Er hinterlief Stalling zwei weitere Micky-Maus-Filme, Plane Crazy und The Gallopin’ Gaucho, die ursprünglich als Stummfilme produziert waren, aber noch keinen Verleiher gefunden hatten. Stalling schrieb die Filmmusik für diese Cartoons und folgte Disney im Oktober 1928 nach New York, wo der Soundtrack für die Filme aufgenommen wurde.

Nach dem großen Erfolg von Steamboat Willie griff Disney eine Idee von Stalling auf, neben der Micky-Maus-Reihe eine zweite Serie von Zeichentrickfilmen zu starten, bei der die visuelle Umsetzung musikalischer Themen im Vordergrund stehen sollte. Stalling hatte bereits bei dem ersten Treffen mit Walt Disney einen Cartoon mit tanzenden Skeletten vorgeschlagen[1] Zusammen mit Disney und dem verantwortlichen Animator Ub Iwerks entstand aus dieser Idee der Film The Skeleton Dance, der den Auftakt zur Silly-Symphonies-Filmreihe bildete.

Stalling erarbeitete mit den Zeichnern bei Disney ein System, das eine Synchronisation von Musik und Handlung ermöglichte. In den Storyboard-zeichnungen wurde bereits der musikalische Rhythmus durch Markierungen der einzelnen Blätter vorgegeben, so dass bei der Vertonung der Filme die Vorgaben der Animatoren auch musikalisch eingehalten werden konnten. Die durch Stalling etablierte punktgenaue Kommentierung der Handlung durch die Filmmusik wurde später als Mickey-Mousing bezeichnet.[2]

Als Ub Iwerks im Januar 1930 überraschend seinen Weggang von Disney ankündigte, um sein eigenes Zeichentrickstudio zu eröffnen, erklärte auch Stalling seinen Abschied. Stalling arbeitete zunächst exklusiv bei Iwerks an dessen Flip-der-Frosch-Filmen mit. 1932 machte sich Stalling selbstständig und arbeitete als Komponist und Arrangeur für verschiedene Studios. Er arbeitete zwischenzeitlich auch wieder für Disney; so ist Stallings Klavierspiel bei dem Oscar-prämierten Kurzfilm Die drei kleinen Schweinchen, dem auch international erfolgreichsten Silly-Symphonies-Cartoon, zu hören.[3]

Warner Bros.

Im Juli 1936 wurde Carl Stalling von dem Produzenten Leon Schlesinger als Komponist für dessen Cartoons engagiert. Stallings Arrangements wurden erstmals in dem Schweinchen-Dick-Film Porky's Poultry Plant eingesetzt. Diente Stallings Musik anfangs nur zur Untermalung der Zeichentrickfilme, entwickelte er schnell den für die Looney Tunes typischen Sound, in dem die Action verstärkt wird und Gags auch musikalisch ausgedrückt werden. Stallings Gespür für Timing sorgte dafür, dass die Musik dem Tempo der Handlung folgen konnte. Oft stellte Stalling die Musik bereits basierend auf den Storyboard-Zeichnungen zusammen.[4]

Da Schlesinger der gesamte musikalische Katalog von Warner Brothers zur Verfügung stand, konnte Stalling durch das kurze Anspielen bekannter Melodien komische Effekte erzielen. Oft verband er die musikalischen Zitate mit eigenen komponierten Melodien.[5] Dabei entsprach Stallings Musik auch dem Stil der Looney Tunes, in denen selten eine Geschichte entwickelt wurde und statt dessen Gags aneinandergereiht werden.[6] Zum Leidwesen der Cartoon-Regisseure wiederholte sich Stalling dabei sehr oft, so bemängelte Chuck Jones, dass er jedesmal Allie Wrubels The Lady in Red anspielte, sobald eine weibliche Figur in einem Film auftrat.[7]

Stalling verwendete aber nicht nur Popsongs für seine musikalische Untermalung, sondern setzte auch gerne Motive aus der Klassischen Musik ein. Beginnend mit der Fantasia-Parodie A Corny Concerto im Jahr 1943 entstanden mehrere Zeichentrickfilme, in denen Opernmotive umgesetzt wurden, so zum Beispiel der Bugs-Bunny-Film Rabbit of Seville als Parodie von Rossinis Barbier von Sevilla.

Über viele Jahre war Carl Stalling als alleiniger Komponist für die musikalische Untermalung der Zeichentrickfilme von Warner Bros. verantwortlich. Das bedeutete, dass Stalling jedes Jahr an mehr als 50 Filmen mitwirkte. Als Arrangeur stand ihm Milt Franklyn zur Seite, der Anfang der 1950er Jahre zum zweiten Komponisten aufstieg und schließlich Stallings Nachfolger als musikalischer Leiter der Zeichentrickabteilung von Warner Bros. wurde.

Carl Stallings letzte Arbeit war der 1958 von Chuck Jones produzierte Cartoon To Itch His Own. Zu diesem Zeitpunkt hatte er die Filmmusik zu mehr als 700 Filmen geschrieben. Nur ein Film, die Jack-Benny-Komödie Der Engel mit der Trompete aus dem Jahr 1945, war ein Spielfilm.

Carl Stalling verbrachte seine letzten Lebensjahre in Hollywood Hills, wo er 81-jährig am 29. November 1972 verstarb. Das Interesse an Stalling als Komponist wurde erst zwei Jahrzehnte nach seinem Tod wiedererweckt, als zwei von Hal Willner zusammengestellte CDs mit Stallings Musik erschienen.

Musikaufnahmen

  • Hal Willner: The Carl Stalling Project: Music From Warner Bros. Cartoons, 1936–1958. Warner Bros., 1990
  • Hal Willner: The Carl Stalling Project Volume 2: More Music From Warner Bros. Cartoons, 1939–1957. Warner Bros., 1995

Literatur

  • Daniel Goldmar: Tunes for ’Toons: Music and the Hollywood Cartoon. University of California Press, Berkeley 2005, ISBN 0-520-23617-3.
  • Michael Barrier: Hollywood Cartoons. American Animation in its Golden Age. Oxford University Press, New York 2003, ISBN 978-0-19-516729-0.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Michael Barrier: Hollywood Cartoons, S. 57.
  2. Robin Beauchamp: Designing Sound for Animation. Focal, Amsterdam 2005, ISBN 0-240-80733-2, S. 44.
  3. Michael Barrier: Hollywood Cartoons, S. 101.
  4. Daniel Goldmar: Tunes for ’Toons, S. 20.
  5. Michael Barrier: Hollywood Cartoons, S. 339.
  6. Daniel Goldmar: Tunes for ’Toons, S. 17.
  7. Joe Adamson: Chuck Jones Interviewed. In: The American Animated Cartoon. E. P. Dutton, New York 1980, S. 135.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Carl Stalling — Saltar a navegación, búsqueda Carl W. Stalling (10 de noviembre de 1891–29 de noviembre de 1972) fue un compositor de dibujos animados. Es conocido por su asociación con la serie Looney Tunes producida por Warner Bros, donde trabajó, creando… …   Wikipedia Español

  • Carl Stalling — Infobox musical artist Name = Carl Stalling Img capt = Img size = Landscape = Background = non performing personnel Birth name = Carl W. Stalling Alias = Born = birth date|1891|11|10|mf=y Died = death date and age|1972|11|29|1891|11|10 Origin =… …   Wikipedia

  • Carl Stalling — Carl W. Stalling Carl W. Stalling est un compositeur, producteur et acteur américain né le 10 novembre 1891 décédé le 29 novembre 1972. Sommaire 1 Biographie 2 Filmographie 3 Lien externe …   Wikipédia en Français

  • Carl W. Stalling — est un compositeur, producteur et acteur américain né le 10 novembre 1891 décédé le 29 novembre 1972. Sommaire 1 Biographie 2 Filmographie 2.1 Comme Compositeur …   Wikipédia en Français

  • Carl Hostmann — (* 1799; † 21. Januar 1858) war ein deutscher Bankier und Unternehmer aus Celle. Leben 1823 beteiligten sich die Bankiers Carl und Christian Hostmann an der erweiterten Druckerschwärze Fabrik des Drogist Johann Ernst Holste aus Celle (ab 1902:… …   Deutsch Wikipedia

  • Carl Ramsauer Preis — Der 1989 von der AEG Aktiengesellschaft ins Leben gerufene Carl Ramsauer Preis wurde bis zum Jahr 1999 jährlich an sechs Wissenschaftler der Freien Universität Berlin, Technischen Universität Berlin und der Humboldt Universität zu Berlin vergeben …   Deutsch Wikipedia

  • Carl-Ramsauer-Preis — Der 1989 von der AEG Aktiengesellschaft ins Leben gerufene Carl Ramsauer Preis wurde bis zum Jahr 1999 jährlich an sechs Wissenschaftler der Freien Universität Berlin, der Technischen Universität Berlin und der Humboldt Universität zu Berlin… …   Deutsch Wikipedia

  • Carl August Clodius — Clodius (1942) Carl August Clodius (* 9. Februar 1897 in Bremen; † 15. Januar 1952 in der Sowjetunion) war deutscher Diplomat und Wirtschaftsfachmann …   Deutsch Wikipedia

  • Carl von Wichmann — Generalmajor von Wichmann, Kommandeur der 81. Infanterie Brigade Ha …   Deutsch Wikipedia

  • Long-Haired Hare — Infobox Hollywood cartoon cartoon name = Long Haired Hare series = Looney Tunes caption = Title card of Long Haired Hare . director = Charles M. Jones story artist = Michael Maltese animator = Ken Harris Phil Monroe Lloyd Vaughan Ben Washam voice …   Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”