Hedwig Dülberg-Arnheim

Hedwig Dülberg-Arnheim

Hedwig Dülberg-Arnheim (* 7. Januar 1894 in Hamburg als Hedwig Arnheim; † 1944 in Auschwitz) war eine Kunststickerin, Aktzeichnerin und Holzschneiderin.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Hedwig Arnheim kam als ältestes Kind des Arztes Felix Arnheim und dessen Ehefrau Lisbeth, geb. Samuel zur Welt. Mit ihrem Bruder Hans (1895) und den beiden Schwestern Eva Karoline Friederike (24. März 1902) und Ruth Anna Frieda (16. April 1912) wuchs sie im protestantischen Glauben auf. Hedwig wurde als sehr schöne Frau beschrieben, vielseitig begabt und mit einer reichen Phantasie ausgestattet, ehrgeizig und anspruchsvoll.[1] Nach Abschluss der Schule ging sie 18-jährig eine Zeit nach Großbritannien. Künstlerisch begabt, war sie bereits vor 1914 Schülerin der Hamburger Kunstgewerbeschule gewesen, wo sie bei Friedrich Adler Kunstgewerbe und Design studiert hatte. Ihr besonderes Interesse galt jedoch der künstlerischen Stickerei. Ihren Lehrer in Akt- und Portraitzeichnen, den Maler und Holzschneider Ewald Dülberg, heiratete sie 1915.[2] Ihre Tochter Esther Maria wurde 1918 geboren. Die Ehe wurde jedoch drei Jahre später geschieden.[3]

Hedwig Arnheim ging mit ihrer Tochter ans Weimarer Bauhaus, besuchte dort Kurse bei Johannes Itten und ging bei der Webmeisterin Gunta Stölzl in die Lehre. 1923 heiratete sie den Beleuchtungs- und Schmuckkünstler Naum Slutzky und brach ihre Ausbildung ab.[4] Das Ehepaar lebte in Berlin, wo es für die Werkstätten Bildender Kunst von Franz Singer arbeitete. Für kurze Zeit lebten sie dann in Wien und kehrten im Oktober 1924 aus wirtschaftlichen Gründen nach Hamburg zurück, wo sie in Hedwigs Elternhaus Isequai 5 wohnten. Als selbstständige Künstlerin bestritt Hedwig ihren Lebensunterhalt als „Kunstgewerblerin und Inneneinrichterin“, später mit hervorragenden Schneiderarbeiten. Von Naum Slutzky ließ sie sich 1930 scheiden. Ihre weitere künstlerische Tätigkeit beschreibt die Hamburger Kunsthistorikerin Maike Bruhns folgendermaßen: „Sie entwarf und stickte z. B. abstrakte Ton-in-Ton-Kompositionen oder Frauenakte auf gelbem Grund in gelber Wolle mit blauen Haaren und blauen Glasperlen“.[5]

Bis zu ihrer Emigration nach Frankreich am 15. Februar 1936 lebte sie nach dem Umzug in die Haynstraße 10 weiter in der väterlichen Wohnung. Sie emigrierte nach Südfrankreich, wo sie sich in Nizza niederließ. Dort verdiente sie ihren Lebensunterhalt mit Schneiderarbeiten. Aufgrund einer Denunziation am 20. September 1943 wurde sie zusammen mit einer Gruppe von 345 jüdischen Häftlingen am 23. September 1943 im Lager Drancy interniert. Am 7. Oktober 1943 wurde sie mit dem Konvoi Nr. 60 nach Auschwitz deportiert, wo sie vermutlich in der Gaskammer starb.[6][5]

Ein Stolperstein am Isekai 5 erinnert an die Künstlerin.[7]

Werk und Rezeption

Hedwig Arnheim zählte „zu den namhaften Stickerinnen der Zehnerjahre“ des 20. Jahrhunderts[8] und gehörte zusammen mit ihrem Mann zu den von der zeitgenössischen Presse besonders hervorgehobenen künstlerischen „Erneuerern“.[9] Gelobt wurde insbesondere ihre „stilistische Stärke“ und die außergewöhnliche Reife der Technik.[10] In der Berliner Börsenzeitung wurde ihre Kunst 1917 folgendermaßen beschrieben: „…von hoher Farbschönheit, aber zum Teil recht gewagt im Motiv.“ Ihre Ornamentik und die geschwungenen Linien erinnerten nach Maike Bruhns an die Islamische Kunst. Eines ihrer Auftragswerke, zwei Wandschirmkompositionen für Bernhard Hoetger wirkten nach einer Rezension von Alfred Salmony im Kölner Tageblatt reich und sehr festlich. Hoetger dankte ihr dafür mit einem modellierten Porträt.[6]

1914 illustrierte Hedwig Arnheim zwei Bücher des jüdischen Journalisten und Schriftstellers Adolf Götz (1876–1944) mit Holzschnitten.[5] Nach ihrer Heirat mit Ewald Dülberg setzte sie dessen „phantastisch leuchtende Malerei“ in Stickereien und Teppiche um, sodass sie einen „Ausgleich zwischen Kunst und Kunstgewerbe“ erzielte.[6][11] Außerdem arbeitete sie nach eigenen expressiven Entwürfen, die im Grenzbereich zwischen Textilarbeit und Malerei lagen.[5] Auf einigen Arbeiten von Ewald Dülberg sind Arbeiten abgebildet, die vermutlich aus ihrer Hand stammen.

1919 war Hedwig Arnheim Gründungsmitglied der Darmstädter Sezession und 1919, 1920 und 1921 auf den Ausstellungen der Gruppe vertreten.[12] Werke von ihr befinden sich in den Sammlungen verschiedener Museen und wurden in retrospektiven Ausstellungen gezeigt, so im Von der Heydt-Museum Wuppertal[13], dem Bauhaus-Archiv Berlin, der Stiftung Bauhaus Dessau, den Kunstsammlungen zu Weimar[8], dem Museum für Angewandte Kunst (Köln)[14], dem Museum für Hamburgische Geschichte[5], im August-Macke-Haus[12] sowie zuletzt 2011 im Museum Giersch[3].

Einzelausstellungen

  • 1916 Kunstgewerbemuseum Köln
  • 1924 Ausstellung an ihrem Wohnsitz am Isequai 5 in Hamburg

Literatur

  • Maike Bruhns: Kunst in der Krise. Band 2. Künstlerlexikon Hamburg 1933–1945: verfemt, verfolgt – verschollen, vergessen. Dölling und Galitz, Hamburg 2001, ISBN 3-933374-95-2, S. 363−364

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Stolpersteine Hamburg
  2. vgl. Anton Lindner: Ewald und Hedwig Dülberg. In: Neue Hamburger Zeitung. 31. Januar 1917.
  3. a b Expressionismus im Rhein-Main-Gebiet. Künstler, Händler, Sammler. Katalog zur Ausstellung im Museum Giersch. Frankfurt/M. 2011.
  4. vgl. Corinna Isabel Bauer: Bauhaus- und Tessenow-Schülerinnen. Genderaspekte im Spannungsverhältnis von Tradition und Moderne. Phil. Diss. Universität Kassel 2003.
  5. a b c d e Geflohen aus Deutschland. Hamburger Künstler im Exil 1933–1945. [anlässlich der Ausstellung Geflohen aus Deutschland – Hamburger Künstler im Exil 1933–1945 im Museum für Hamburgische Geschichte, 7. September bis 9. Dezember 2007]. Hamburg 2007, S. 80f.
  6. a b c Maike Bruhns: Kunst in der Krise. Band 2. Künstlerlexikon Hamburg 1933–1945. Hamburg 2001, S. 364.
  7. Stolperstein für Hedwig Arnheim und ihren Vater
  8. a b Das Bauhaus webt. Die Textilwerkstatt am Bauhaus. Jahresausstellung des Arbeitskreises selbständiger Kultur-Institute AsKI. Berlin 1998, S. 18.
  9. Graphische Kunst (1996/2), Heft 47, S. 48.
  10. Anton Schnack: Deutscher Expressionismus Darmstadt 1920. In: Deutsche Kunst und Dekoration 46 (1920), S. 206–221, hier: S. 221 (online); Wilhelm Michel: Erste Ausstellung der „Darmstädter Sezession“. In: Deutsche Kunst und Dekoration 45 (1919/20), S. 131–142, hier: S. 141.
  11. s.a. Thomas Sternburg: Nazis passte dieses Gesicht nicht. In: Ostseezeitung. 24. Januar 2009.
  12. a b Darmstädter Secession. Kontakte zum Rheinischen Expressionismus 1919–1929. Ausstellungskatalog August Macke Haus. Bonn 1999, S. 84f.
  13. Von der Heydt-Museum Wuppertal 1987: Skulpturensammlung [Bestandsverzeichnis]. Wuppertal 1987, S. 99.
  14. Museum für Angewandte Kunst, Köln. Chronik 1888–1988: Museum, Kunst und Stadt im Spiegel der Presse. Köln 1988, S. 232.

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