Eichplatz (Jena)

Eichplatz (Jena)
Blick von der Rathausgasse in Richtung Johannistor

Der Eichplatz ist der große zentrale Platz in Jena. Er wird im Norden von der Johannisstraße, im Osten von der Rathausgasse und im Süden von der Kollegiengasse umrahmt. Im Westen grenzt er an das Einkaufszentrum Neue Mitte. Darüber erhebt sich das Hochhaus JenTower (früher Universitätshochhaus) als Höhendominante. Weitere markante angrenzende Gebäude sind das historische Rathaus, die Stadtkirche und partiell auch das Collegium Jenense, das auch den Hörsaal Eichplatz beherbergt.

Inhaltsverzeichnis

Der historische Eichplatz

Burschenschaftsdenkmal und Burschenschaftseiche um 1900 auf dem Eichplatz

Der Jenaer Stadtkern war seit dem Hohen Mittelalter bis auf den Marktplatz dicht bebaut. Im Oktober 1806 brannte im Nordwesten der Altstadt während der Schlacht bei Jena ein Häuserkarree nieder. Es wurde nicht wieder aufgebaut und aus der Lücke entstand der Brandplatz[1]. Den Namen Eichplatz erhielt er wegen einer 1816 in seiner Mitte von Studenten der Urburschenschaft gepflanzten Eiche. Seit 1883 erinnerte an diese Zeit das Burschenschaftsdenkmal von Adolf Donndorf. Es wurde 1947 entfernt und 1951 vor dem Universitätshauptgebäude aufgestellt.[2] In den Jahren 1968/69 beseitigte die DDR-Stadtplanung das vierseitige Platzensemble des Eichplatzes samt der Burschenschaftseiche durch Sprengungen und Planierung.[3] Nur seine Nordseite entlang der Johannisstraße blieb erhalten. So entstand nach einer Idee Hermann Henselmanns Platz für den Bau eines Forschungszentrums der Firma VEB Carl Zeiss Jena in Form eines riesigen Fernrohrs, das sich seit 1972 etwa an der Stelle des historischen Eichplatzes erhebt.

Vom Platz der Kosmonauten zum neuen Eichplatz

Östlich der Turmbaustelle befand sich ein weites, nach Osten abfallendes, unbebautes und nur teilweise gestaltetes Areal, das vom Holzmarkt entlang der Löbderstraße über die Nordwestseite des Marktes bis zur Johannisstraße reichte und als Parkplatz gedient hatte. Es war 1947 durch die rigorose Flächenberäumung des im Zweiten Weltkrieg durch Bombenangriffe schwer zerstörten mittleren Teils der Altstadt entstanden. Die Freifläche wurde um 1970 zu einem von Parkplätzen und gärtnerischen Anlagen umgebenen Kundgebungsplatz verwandelt. Das Ganze erhielt 1972 den Namen Platz der Kosmonauten.[4]

Auf dem Kundgebungsplatz wurden während der Zusammenbruchsphase der DDR im November 1989 Bürgerforen und Demonstrationen mit bis zu 40.000 Teilnehmern abgehalten. Am 26. November hielt der Theologe Klaus-Peter Hertzsch eine richtungsweisende Rede:

“Und die Wohlstandsgesellschaften haben längst die Erfahrung gemacht: Wer sich auf dem Karussell von Streß und Konsum immer nur um sich selber dreht, wird bald merken, sein Lebenslauf ist Leerlauf. Wir haben uns von manch Ketten freigemacht. Wir brauchen keine neuen. Auch Ladenketten können die Menschen fesseln. Und wir haben wenig gewonnen, wenn die Herrschaft der Funktionäre durch die Herrschaft der Millionäre ersetzt wird.” [5]

In den 1990er Jahren erfolgte die historisch unbekümmerte Umbenennung des Platzes der Kosmonauten in Eichplatz. Ende der 1990er Jahre wurde zum Marktplatz hin die Marktpassage errichtet. Im selben Zeitraum entstand das City Carree, das die räumliche Trennung vom Holzmarkt wiederherstellte.

Derzeit wird der von Bäumen gesäumte Platz vorwiegend als Parkplatz genutzt. Darüber hinaus gibt es eine etwa 2.000 m² große Grünfläche mit Spielplatz[6]. Der Baumbestand setzt sich im Wesentlichen aus Platanen und Winterlinden zusammen.[7] Gelegentlich finden Trödel- und Jahrmärkte auf dem Gelände statt.

Auseinandersetzung um die Zukunft des Eichplatzes

Eichplatz 2011

1993 gab es einen städtebaulichen Wettbewerb, den Trojan, Trojan + Neu aus Darmstadt gewannen.[8] Eine weitere Grundlage bildet die Realisierbarkeitsstudie von DU Diederichs Projektmanagement.[9] Die Studie wurde nicht veröffentlicht.

Der Platz befindet sich im Eigentum der Stadt Jena (Stand Anfang 2011), die beabsichtigt, den Platz an Investoren zu verkaufen.[10][11] Als Bodenrichtwert werden 870 €/m² angegeben (Stichtag 31. Dezember 2010).[12] Der aktuelle Bebauungsplan sieht eine großflächige Bebauung vor: "Neben der Sicherung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung geht es vor allem auch um eine weitgehende Investitionssicherheit an diesem exponierten Standort".[13] Der Plan orientiert sich im Grundriss vage an den mittelalterlichen Grenzen. Die beiden vorgesehenen Baukörper darauf fassen die ursprünglich kleinteilige Struktur zu großen Volumina zusammen.[14] Der Nutzungsschwerpunkt im südlichen Gebäude soll Einzelhandel sein. Mit 10.000 m² Verkaufsfläche erfüllte es die definitorische Untergrenze eines Einkaufscenters.

Darunter soll eine mehretagige Tiefgarage betoniert werden. Das hydrogeologische Gutachten kommt hier zu der Bewertung: "Die für die 2-geschossige Tiefgarage berechneten Aufhöhungen von 0,23 m bis 0,59 m und entsprechende abstromige Absenkungen lassen eine signifikante Beeinflussung der Umgebungsbebauung besorgen". Weiter heißt es: "Grundsätzlich wird auf Grund des anstehenden und somit drückenden Grundwassers im voraussichtlichen Gründungsbereich die Ausführung einer Weißen Wanne (wasserundurchlässiger Beton) empfohlen".[15]

Das mikroklimatische Gutachten prognostiziert: "Der PMV-Wert, ein Maß für das thermische Behaglichkeitsempfinden, erfährt in Bereichen z.B. des neuen kleinen Eichplatzes und der südlichen Rathausgasse eine z.T. signifikante Verschlechterung, die in erster Linie auf verminderte Strömungsgeschwindigkeiten zurück zu führen ist".[16]

Bürgerbeteiligung

1992 wurde eine ergebnisoffene Bürgerbeteiligung durchgeführt. Der Arbeitskreis Stadtgestaltung/Nutzung formulierte unter anderem folgendes Ziel: "im Gebiet der Innenstadt haben große, klotzige Gebäude - wie z.B. supermoderne Warenhäuser - nichts zu suchen". Der Arbeitskreis Verkehr/Freiflächen forderte, "die Verkehrsströme um das Stadtzentrum herumzuleiten".[17] 1995 wurde ein abschließendes Thesenpapier formuliert. Laut dem damals beteiligten Siegfried Ferge sind die von den Bürgern erarbeiteten Thesen "dann mehr oder weniger im Nichts verschwunden"[18].

Im Herbst 2010 hat sich eine Bürgerinitiative gegründet, die den aktuellen Plan ablehnt. Aus ihrer Sicht entspricht die Planung weder den Bedürfnissen der Einwohner noch erfüllt es den Anspruch einer integrierten Stadtentwicklung.[19] Sie beklagt, dass keine Diskussion über eine andere Schwerpunktsetzung als Gewerbe stattgefunden hat. Andere denkbare Konzepte, wie beispielsweise Markthalle, Stadtpark, Kulturzentrum, Kunstmuseum oder Mischformen daraus sind nie ernsthaft in Erwägung gezogen worden. Ihre Straßenumfrage unter mehr als 300 Passanten hat zudem ergeben, dass sich über 90 Prozent der Jenaer gegen den Verkauf des Platzes aussprechen.[20] Der Antrag auf ein Bürgerbegehren, das eine stärkere Bürgerbeteiligung umzusetzen suchte, wurde vom Rechtsamt der Stadt Jena mit der Begründung einer Verfristung abgelehnt.[21]

Im Mai 2011 begann mit der Ausschreibung des Grundstücks ein europaweiter Wettbewerb um "die überzeugendsten Ideen und die schlüssigsten Konzepte"[22]. Zehn Interessenten stellen sich diesem Verfahren. Die Namen dieser potentiellen Investoren werden nicht veröffentlicht. Sie sollen Konzepte einreichen, welche nach städtebaulichen, architektonischen, ökologischen und wirtschaftlichen Kriterien von einer Jury beurteilt werden.[23]

Neben drei Vertretern des Jenaer Stadtrat und fünf Fachjuroren werden auch drei Bürger dieser Jury angehören, die per Losverfahren ausgewählt werden sollen. Die Bürgerinitiative kritisiert diese Jury.[24]

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. C. Schreiber, A. Färber: Jena von seinem Ursprunge bis zur neuesten Zeit, Jena 1850
  2. Über das Denkmal informiert die Seite jenakultur:[1]
  3. Siehe dazu Siegfried Fröhlich: Die dritte sozialistische Hochschulreform an der Friedrich-Schiller-Universität, in: Böttcher, Hans R. [Bearb.]: Vergangenheitsklärung an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Beiträge zur Tagung "Unrecht und Aufarbeitung" am 19. und 20.6.1992. Herausgegeben vom Rektor der Friedrich-Schiller-Universität, Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 1994, ISBN 3374014763, S. 140-147, hier S. 146f.
  4. Michael Diers: Der Turm von Jena. Architektur und Zeichen, Jenaer Schriften zur Kunstgeschichte Band 9, Kunsthistorisches Seminar, Jena 1999, S.154
  5. Rede von Prof. Dr. Klaus-Peter Hertzsch am 26. November 1989 auf dem damaligen Platz der Kosmonauten
  6. Stadt Jena
  7. Bestandsplan zum Umweltbericht
  8. Trojan, Trojan & Neu: Wiederbebauung der westlichen Altstadt mit Integration des Henselmann-Turms
  9. DU Diederichs: Positives Interesse
  10. Ortsteilbürgermeister Kristian Philler: Die Stadt verkauft den Eichplatz!
  11. KIJ: Grundstücksverkauf mit Bauverpflichtung
  12. Bodenrichtwertinformationssystem Thüringen
  13. 3. Entwurf für den Bebauungsplan Eichplatz: Begründung
  14. Stadtarchitekt Dr. Matthias Lerm: Zur Rückgewinnung der städtischen Mitte Jenas am Eichplatz
  15. JENA-GEOS-Ingenieurbüro: Hydrogeologisches Gutachten
  16. Thüringer Institut für Klimaschutz und Nachhaltigkeit: Mikroklimatisches Gutachten
  17. Albrecht Keller: Innenstadt Jena - Mit dem Bürger planen. In: 10 Jahre Stadterneuerung in Jena, Stadtverwaltung Jena
  18. Siegfried Ferge zu den Bürgerideen von 1993
  19. Stellungnahme zum Abwägungsmaterial
  20. Thüringer Landeszeitung: Favoriten beim Eichplatz in Jena: Grün und Tiefgarage
  21. Begründung der Ablehnung des Antrags auf Zulassung eines Bürgerbegehrens
  22. Kommunale Immobilien Jena: Zeitungsbeilage
  23. Aspekte zur städtebaulichen, funktionalen und architektonischen Gestaltung
  24. Jenapolis: Feigenblatt: Bürgerbeteiligung nach der Entscheidung
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